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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.08.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 969/07
Rechtsgebiete: TVAöD-BT BBiG


Vorschriften:

TVAöD-BT BBiG § 10 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 02.02.2007 - 2 Ca 1693/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Fahrtkostenerstattung für den Besuch der Berufsschule.

Der Kläger befindet sich seit dem 01.08.2004 aufgrund eines Berufsausbildungsvertrages vom 04.05.2004 (Bl. 11 d.A.) in der W1 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Beklagten in W2 in einem Berufsausbildungsverhältnis zum Kaufmann im Gesundheitswesen. Auf das Ausbildungsverhältnis war bis zum 30.09.2005 der Manteltarifvertrag für Auszubildende vom 06.12.1974 anwendbar. Seit dem 01.10.2005 gilt kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes vom 13.09.2005 (TVAöD-BT BBiG).

Der in W2 wohnende Kläger besucht die für seinen Ausbildungsgang nächstgelegene Berufsschule in D1.

Bis einschließlich Januar 2006 erstattete der Beklagte ihm die notwendigen Fahrtkosten zum Besuch der Berufsschule zweimal wöchentlich - mittwochs und freitags -. Seit Februar 2006 erbringt er keine Erstattungsleistungen.

Mit Schreiben vom 21.03.2006 (Bl. 10 d.A.) berief sich der Kläger auf § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG und machte seine Ansprüche auf Fahrtkostenerstattung dem Grunde und der Höhe nach rückwirkend und für die Zukunft geltend.

Mit Schreiben vom 28.03.2006 (Bl. 9 d.A.) lehnte der Beklagte eine weitere Übernahme der Fahrtkosten ab.

Mit Schreiben vom 12.05.2006 (Bl. 7 d.A.) machte der Kläger erneut seine Aufwendungen geltend und verlangte die Zahlung von 366,60 €.

In der Zeit vom 03.02.2006 bis zum 25.08.2006 entstanden dem Kläger Fahrtkosten i.H.v. insgesamt 773,80 €. Wegen der Einzelheiten der Forderungsberechnung wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kostenaufstellung (Bl. 8 d.A.) Bezug genommen.

Dem Streit der Parteien liegen folgende Tarifnormen zugrunde:

§ 10 Abs. 1 des bis zum 30.09.2005 gültigen Manteltarifvertrages:

Bei Dienstreisen, Abordnungen, Dienstgängen und Reisen zur Ablegung der in den Ausbildungsordnungen vorgeschriebenen Prüfungen erhält der Auszubildende eine Entschädigung in entsprechender Anwendung der für die entsprechenden Beamten des Ausbildenden geltenden Reisekostenbestimmungen in der jeweiligen Fassung unter Zugrundelegung der niedrigsten Reisekostenstufe. Bei Reisen zur Teilnahme am Unterricht, an Vorträgen, an Arbeitsgemeinschaften oder an Übungen zum Zwecke der Ausbildung sowie bei Reisen in den Fällen des § 16 Satz 2, werden die notwendigen Fahrtkosten bis zur Höhe der Kosten der Fahrkarte der jeweils niedrigsten Klasse des billigsten regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels (im Eisenbahnverkehr ohne Zuschläge) erstattet; Möglichkeiten zur Erlangung von Fahrpreisermäßigungen (Schülerfahrkarten oder Fahrkarten für Berufstätige) sind auszunutzen. Bei Reisen zur Teilnahme am Unterricht an einer auswärtigen Berufsschule werden dem Auszubildenden Fahrtkosten in der in Satz 2 genannten Höhe insoweit erstattet, als sie monatlich 6 % der Ausbildungsvergütung eines Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr übersteigen. Satz 3 gilt nicht, soweit die Fahrtkosten nach landesrechtlichen Vorschriften von einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes getragen werden. In den Fällen der Sätze 3 und 4 werden Beträge von weniger als 1,53 € nicht ausgezahlt.

§ 10 Abs. 3 des seit dem 01.10.2005 geltenden TVAöD-BT BBiG in der für die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung lautet wie folgt:

Ist der Besuch einer auswärtigen Berufsschule vom Ausbildenden veranlasst, werden die notwendigen Fahrtkosten sowie die Auslagen für Unterkunft und Verpflegungsmehraufwand nach Maßgabe des Absatzes 2 erstattet.

Mit seiner am 04.05.2006 bei dem Arbeitsgericht Hamm eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung von Fahrtkosten i.H.v. 773,80 € weiter.

Er hat die Auffassung vertreten:

Der Beklagte habe den Besuch der Berufsschule deshalb veranlasst, weil es sich um eine von der IHK bzw. der Handwerkskammer vorgesehene Berufsschule handele. Weder Ausbilder noch Auszubildende hätten Einfluss darauf, eine Berufsschule innerhalb oder außerhalb der politischen Gemeindegrenzen zu wählen. Deshalb ergebe sich aus § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG, dass grundsätzlich der Ausbilder bei Besuch einer auswärtigen Berufsschule die Fahrtkosten zu tragen habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag i.H.v. 773,80 € netto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten:

Eine Veranlassung des Besuches einer auswärtigen Berufsschule durch den Ausbilder liege nur vor, wenn die tatsächliche Möglichkeit bestehe, eine Berufsschule vor Ort zu besuchen, diese vom Ausbilder jedoch nicht akzeptiert werde und er den Auszubildenden bei einer anderen Berufsschule anmelde. Diese Auffassung entspreche auch dem Grundverständnis des dualen Ausbildungssystems.

Durch Änderung der Tarifnormen hätten die Tarifvertragsparteien die tarifliche Fahrtkostenerstattung der Rechtslage nach dem BBiG anpassen wollen. Aus dem BBiG ergebe sich nämlich kein Anspruch des Auszubildenden auf Erstattung seiner Aufwendungen zum Besuch einer auswärtigen Berufsschule.

Das erstinstanzliche Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, die Tarifvertragsparteien hätten in § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG vereinbart, dass der Besuch einer auswärtigen Berufsschule dann vom Ausbildenden veranlasst worden sei, wenn der Ausbildende den Auszubildenden bei einer auswärtigen - aber ortsnächsten - Berufsschule anmelde und der Auszubildenden die Berufsschule besuche, durch Einholung schriftlicher Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Stellungnahme der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) vom 01.12.2006 (Bl. 37 bis 39 d.A.) und auf die Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) vom 12.01.2007 (Bl. 51 bis 53 d.A.) Bezug genommen. Die VKA hat sich der Rechtsauffassung des Beklagten angeschlossen. Die Gewerkschaft ver.di hat auf 2.2 der Niederschrift über die Sitzung der Arbeitsgruppe "Auszubildende" der Projektgruppe A 1 "Allgemeine Mantelfragen" (Bund/VKA und ver.di/dbbTarifunion) am 25.07.2005 in Mainz und am 10.08.2005 in Berlin (Bl. 54, 55 d.A.) sowie auf die Anlage 2 zu der Niederschrift (Bl. 57 d.A.) hingewiesen und die Ansicht vertreten, der Fortfall der Regelung zu Familienheimfahrten in § 15 Abs. 2 des Manteltarifvertrages für Auszubildende im neuen TVAöD sei durch die Fahrtkostenübernahme der Arbeitgeberseite in § 10 TVAöD-BT BBiG kompensiert worden.

Mit Urteil vom 02.02.2007 hat das Arbeitsgericht Hamm die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Es hat ausgeführt:

Die zulässige Klage sei unbegründet.

Ein Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenerstattung für den Besuch der auswärtigen Berufsschule in D1 für die Zeit von Februar bis August 2006 ergebe sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Berufsbildungsvertrag. Er folge auch nicht aus dem Gesetz. Denn das BBiG sehe eine Fahrtkostenerstattung nicht vor. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Auszubildende auf Veranlassung des Ausbildenden eine andere Ausbildungseinrichtung als die zuständige staatliche Berufsschule besuche (vgl. BAG, Urteil vom 25.07.2002 - 6 AZR 381/00).

Der Anspruch folge auch nicht aus § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG. Der Begriff der ausbilderseitigen Veranlassung in der Tarifnorm sei zwischen den Tarifvertragsparteien nach ihren widersprüchlichen Auskünften streitig.

Die Tarifnorm sei auszulegen, zunächst anhand des Wortlautes, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu ermitteln sei. Über den reinen Wortlaut hinaus seien der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der Norm zu berücksichtigen, sofern dieser Wille in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden habe. Darüber hinaus könnten weitere Kriterien wie etwa die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages berücksichtigt werden. In Zweifelsfällen sei die Auslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen und sachgerechten Regelung führe.

Der Wortlaut von § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG spreche gegen eine generelle Fahrtkostenerstattung durch den Ausbilder. Eine Veranlassung im Sinne der Tarifvorschrift könne sicherlich vorliegen, wenn der Ausbilder den Auszubildenden bei einer auswärtigen Berufsschule anmelde, obwohl eine ortsnähere Berufsschule vorhanden sei. Dieser Fall liege jedoch nicht vor.

Erfasst werde von dem Wortlaut jedoch nicht der Fall, in dem der Ausbilder zwar den Auszubildenden bei einer auswärtigen Berufsschule - aber der ortsnächsten - anmelde. Der Ausbilder komme insoweit nur seiner gesetzlichen Anmeldepflicht nach.

Eine andere Auslegung hätte die Konsequenz, dass im Geltungsbereich des Tarifvertrages jeder Auszubildende Anspruch auf Fahrtkostenerstattung hätte, sofern er eine auswärtige Berufsschule besuche.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Norm. In § 10 Abs. 1 Satz 3 des Manteltarifvertrages für Auszubildende habe es eine generelle Fahrtkostenerstattung mit Selbstbeteiligung des Auszubildenden bei dem Besuch einer auswärtigen Berufsschule gegeben. Dabei sei es irrelevant gewesen, auf wessen Veranlassung die auswärtige Schule ausgewählt worden sei. Auch für den Fall, dass eine ortsnähere Berufsschule nicht existierte, sei der Ausbilder verpflichtet gewesen, die Fahrtkosten nach Abzug des Selbstbehaltes zu erstatten.

Von dieser Tarifregelung seien die Tarifvertragsparteien bei der Neufassung des § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG abgewichen. Die Neuregelung stelle die Auszubildenden im öffentlichen Dienst im Wesentlichen gleich mit Auszubildenden in anderen Branchen, die grundsätzlich keinen gesetzlichen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten hätten, es sei denn, der Ausbilder habe sie bei einer ortsfernen Berufsschule angemeldet, obwohl eine Schulausbildung im Ausbildungsbereich möglich gewesen wäre.

Die Kammer folge insoweit den überzeugenden Ausführungen der VKA in der schriftlichen Auskunft vom 01.12.2006.

Auch die Auslegung der Tarifnorm anhand der Historie führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Tarifvertragsparteien hätten offenkundig die bisherige Regelung im Manteltarifvertrag nicht fortführen wollen.

Die Tarifvorschrift laufe auch nicht "ins Leere", wenn man sie so auslege, wie durch die Kammer entschieden. Die gesetzliche - durch Richterrecht konkretisierte - Erstattungspflicht sei in der Tarifnorm wiederholt worden. Der Sinn könne auch darin gelegen haben festzustellen, dass die bisherige großzügige Fahrtkostenerstattungsregelung im Tarifvertrag gerade nicht habe fortgelten sollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten von Tatbestand und Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils wird auf Bl. 70 bis 75 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 13.02.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.03.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.05.2007 am 21.05.2007 eingehend begründet.

Er behauptet:

Wie sich aus der Tarifauskunft von ver.di ergebe, sei die Verbesserung bei der Fahrtkostenerstattung zugunsten der Auszubildenden als eine Kompensation für wegfallende freie Tage im Zusammenhang mit Familienheimfahrten vereinbart worden. Entsprechend habe das Bundesvorstandsmitglied von ver.di Christian Zahn kurz nach Abschluss der Tarifverträge erläutert, dass genau die Kompensation Gegenstand der Verhandlungen gewesen sei.

Das Entgegenkommen der Arbeitgeberseite habe in dem Wegfall eines Eigenanteils der Auszubildenden bei der Fahrtkostenerstattung gelegen. Die Neuformulierung habe sicherstellen sollen, dass Auszubildende sich nicht eigenständig Berufsschulen aussuchten bzw. deren Wechsel eigenständig organisierten und die Kosten übernehmen müssten.

Der Berufsschulbesuch sei deshalb von dem Ausbildenden veranlasst, weil er die entsprechende Anmeldung vorzunehmen habe.

Letztlich könne der Ausbildende den Schulstandort durch entsprechende Maßnahmen wie Erhöhung der Ausbildungszahlen und das Einwirken auf die Schulbehörden beeinflussen.

Unstreitig beruhe der Besuch der Berufsschule in D1 nicht auf seinem Sonderwunsch.

Eine Veranlassung durch den Ausbilder liege auch deshalb vor, weil es seinem Interesse entspreche, wenn die kaufmännischen Auszubildenden in die Lage versetzt würden, bei der Entwicklung, Bereitstellung und Vermarktung von Gesundheitsdienstleistungen auf Umfang und Qualität sowie auf Anforderung und Wünsche von Kunden/Patienten einzugehen. Dieses Interesse spreche für die Konzentration der Ausbildung an einzelnen Schulen.

Der Kläger ist der Auffassung, die von ihm vorgenommene Auslegung der Tarifnorm führe zu einem vernünftigem, sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren Ergebnis, das eine Ungleichbehandlung der Auszubildenden durch den unterschiedlichen Berufsschulstandort vermeide.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 02.02.2007 - 2 Ca 1693/06 - abzuändern und den Beklagte zu verurteilen, an ihn 773,80 € netto an Fahrtkosten nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt die Auffassung, ein Wille der Tarifvertragsparteien, grundsätzlich die Fahrtkosten dem Ausbilder aufzuerlegen, habe in der Tarifnorm keinen Niederschlag gefunden.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gem. §§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 02.02.2007 ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die zulässige Klage als unbegründet abgewiesen.

1. Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der für die Fahrten zur Berufsschule entstandenen Kosten folgt nicht aus § 670 BGB i.V. mit dem im Berufsbildungsgesetz zum Ausdruck kommenden Prinzip der Kostenfreiheit der Berufsausbildung. Gem. § 15 Satz 2 BBiG hat der Ausbilder den Auszubildenden für die Dauer des Berufsschulbesuches freizustellen und gem. § 19 Abs. 1 Ziff. 1 BBiG die Vergütung fortzuzahlen. Gem. § 14 Abs. 1 Ziff. 4 BBiG ist der Ausbilder verpflichtet, den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule anzuhalten. Nach § 14 Abs. 1 Ziff. 3 BBiG hat er ihm die Ausbildungsmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen. Eine Regelung über die Erstattung der durch den Berufsschulbesuch entstehenden Fahrtkosten ist in diesen Vorschriften nicht enthalten.

Wie das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 26.09.2002 - 6 AZR 486/00, AP Nr. 12 zu § 5 BBiG) erkannt hat, folgt ein Erstattungsanspruch auch nicht aus Sinn und Zweck dieser Normen. Das BBiG geht von dem dualen Ausbildungssystem aus. Die praktische Ausbildung erfolgt im Betrieb. Sie ist im BBiG geregelt und soll mit möglichst geringen finanziellen Belastungen für den Auszubildenden und seine Eltern verbunden sein. Deshalb muss der Ausbilder die betrieblichen Sach- und Personalkosten tragen. Er darf den Auszubildenden nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 BBiG nicht verpflichten, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen. Die schulische Ausbildung unterliegt dagegen dem Landesrecht und erfolgt außerhalb des Betriebs im Rahmen des staatlichen Bildungsauftrags. Daraus folgt, dass den Ausbildern über die im BBiG geregelten Pflichten zur Förderung des Besuchs der Berufsschule, zur Freistellung bei Fortzahlung der Vergütung keine weiteren Pflichten treffen. Insbesondere hat er nicht für die Kosten der schulischen Ausbildung aufzukommen. Etwas anderes gilt bzgl. der Aufwendungen für die theoretische Ausbildung dann, wenn der Auszubildende auf Veranlassung des Ausbilders z.B. nicht die nächstliegende Berufsschule oder eine andere Bildungseinrichtung als die staatliche Berufsschule besucht (vgl. BAG, Urteil vom 26.09.2002 a.a.O.; Urteil vom 25.07.2002 - 6 AZR 381/00, AP Nr. 9 zu § 5 BBiG).

2. Der Anspruch folgt auch nicht aus § 10 TVAöD-BT BBiG.

a. Die Tarifnorm regelt in ihren Absätzen 1 und 2 die Erstattung von Reisekosten, die im Rahmen der betrieblichen Ausbildung anfallen, sei es für Reisen zu den nach den Ausbildungsordnungen vorgeschriebenen Prüfungen, sei es für Reisen zu überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen. Hier geht es aber um die Kosten der theoretischen Schulausbildung.

b. Der Erstattungsanspruch rechtfertig sich auch nicht aus § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG. Danach werden die notwendigen Fahrtkosten nach Maßgabe von § 10 Abs. 2 TVAöD-BT BBiG von dem Ausbilder erstattet, ist der Besuch einer auswärtigen Berufsschule von ihm veranlasst.

aa. Der Tarifvertrag ist auf das Ausbildungsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung anwendbar. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit.

bb. Der Kläger hat auch eine auswärtige Berufsschule besucht. Seine theoretische Ausbildung findet nach dem Berufsausbildungsvertrag vom 04.05.2004 in der W1 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in W2 statt. Er besucht die Berufsschule in D1.

cc. Der Beklagte hat den Besuch dieser Schule nicht im Sinne der Tarifnorm veranlasst. Unstreitig ist es die dem Ausbildungsort am nächsten gelegene Berufsschule für Auszubildende im Gesundheitswesen. Dass der Ausbilder nicht für die Fahrtkosten einzustehen hat, wenn die Auswahl der Berufsschule nicht auf seinem Sonderwunsch beruht, ergibt sich aus der Auslegung der Tarifnorm.

Das erstinstanzliche Gericht hat die von dem Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung angewendeten Auslegungsgrundsätze zutreffend aufgezeigt. Insoweit schließt sich die Kammer seinen Ausführungen an.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze gilt Folgendes:

Eine Veranlassung liegt immer dann vor, wenn jemand dafür sorgt, dass etwas geschieht, er etwas bewirkt, hervorruft oder anordnet (vgl. Arbeitsgericht Halberstadt, Urteil vom 21.11.2006 - 2 Ca 673/06, EzBAT 510 § 10 TVAöD-BT BBiG Nr. 2). In diesem Sinne bewirkt der Ausbilder den Berufsschulbesuch, indem er den Auszubildenden zum Berufsschulunterricht anmeldet und den Besuch zu fördern verpflichtet ist. Knüpfte man allein an diesem Mitwirkungsakt des Arbeitgebers an, so wäre der Besuch der für den Ausbildungsgang einschlägigen Berufsschule an einem auswärtigen Ort stets von ihm veranlasst, es sei denn, die Auswahl der Berufsschule beruhte auf einem Sonderwunsch des Auszubildenden. Im Regelfall hätte der Ausbilder die Fahrtkosten zu tragen (so im Ergebnis Arbeitsgericht Halberstadt a.a.O.; anderer Auffassung Arbeitsgericht Stralsund, Urteil vom 22.08.2006 - 4 Ca 129/06, EzTöD 510 § 10 TVAöD-BT BBiG Nr. 1).

Dieses Verständnis des Wortes "veranlassen" ist jedoch verkürzt und lässt außer Acht, dass sich die Verpflichtung des Auszubildenden, die Berufsschule zu besuchen, aus §§ 34 Abs. 2, 38 Abs. 2 Schulgesetz NW ergibt. Danach ist derjenige schulpflichtig bis zum Ende der Berufsausbildung, der vor Vollendung des 21. Lebensjahres ein Berufsausbildungsverhältnis beginnt. Die Schulpflicht hängt gerade nicht von einer Mitwirkung des Arbeitgebers ab. Der Ausbilder gehört auch nicht zu den für die Einhaltung der Schulpflicht Verantwortlichen nach § 41 Schulgesetz/NW. Übernimmt er die Anmeldung des Auszubildenden zur Berufsschule, so tritt er in dessen Aufgabenkreis ein, erfüllt aber nicht eine ursprünglich eigene Verpflichtung. Dass die Tarifvertragsparteien die Rechtsfolge des § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG an einen reinen Mitwirkungs- und Organisationsakt anknüpfen wollten, ist weder vernünftig noch sachgerecht und daher auszuschließen.

Die Einflussnahme des Ausbilders auf den Besuch der auswärtigen Berufsschule erhält erst dann eine erhebliche Qualität, wenn er den Wunsch geltend macht, der Auszubildenden solle nicht die nächstgelegene, sondern eine andere Berufsschule mit weiterem Anfahrtsweg besuchen.

Für dieses Verständnis des Wortes "veranlassen" spricht auch der sprachliche Aufbau der Tarifnorm. Sie stellt den Anspruch auf Fahrtkostenerstattung unter die Bedingung der Veranlassung des Besuches der auswärtigen Berufsschule durch den Ausbilder und formuliert damit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Immer dann, wenn der Besuch einer auswärtigen Berufsschule vom Ausbilder veranlasst wurde, trifft ihn die Verpflichtung zur Kostenerstattung. Im Regelfall trifft sie ihn nicht. Das Ergebnis, dass das Arbeitsgericht Halberstadt gefunden hat, deckt sich mit diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht, erforderte vielmehr eine Formulierung wie: "Der Ausbilder trägt die notwendigen Fahrtkosten, es sei denn, der Auszubildende hat den Besuch der auswärtigen Berufsschule veranlasst; oder "ist der Besuch der auswärtigen Berufsschule von dem Auszubildenden veranlasst, trägt er die Fahrtkosten selbst". Insoweit kann auf § 10 Abs. 3 TVA-L BBiG verwiesen werden. Die Tarifvertragsparteien dieses Tarifvertrages haben in § 10 Abs. 3 Satz 1 den Grundsatz der Kostenübernahme für den Besuch einer auswärtigen Berufsschule durch den Ausbilder klargestellt. In § 10 Abs. 3 Satz 3 TVA-L BBiG haben sie die Ausnahme der Kostenbefreiung formuliert für den Fall, dass der Auszubildende auf seinen Antrag eine andere als die reguläre Berufsschule besucht.

Die Kammer hat keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien des TVAöD-BT BBiG eine "verunglückte" Formulierung gewählt haben, nach ihrem Willen der Arbeitgeber wie nach § 10 Abs. 3 TVA-L im Regelfall die Fahrtkosten tragen, der Auszubildende demnach einen gegenüber der tariflichen Vorgängerregelung erweiterten Anspruch haben soll.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 MTV wurden dem Auszubildenden bei Reisen zur Teilnahme am Unterricht an einer auswärtigen Berufsschule Fahrtkosten in der in § 10 Abs. 1 Satz 2 MTV genannten Höhe erstattet, soweit sie monatlich 6 % der Ausbildungsvergütung eines Auszubildenden im ersten Ausbildungsjahr überstiegen. Diese Regelung galt unabhängig davon, ob die nächstgelegene Berufsschule besucht wurde.

Von dieser Regelung haben die Tarifvertragsparteien ersichtlich Abstand nehmen wollen in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass der Ausbilder im dualen Ausbildungssystem grundsätzlich nicht für die durch den Besuch der staatlichen Berufsschule ausgelösten Aufwendungen des Auszubildenden einzustehen hat, es sei denn, er hat den Besuch einer bestimmten Berufsschule initiiert. Mit der in § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG gewählten Formulierung haben sie genau diese höchstrichterliche Rechtsprechung aufgegriffen und damit eine für die Auszubildenden ungünstigere Neuregelung geschaffen.

Für den entsprechenden Willen der Tarifvertragsparteien spricht auch die Prozessvereinbarung 09.02.2003 (ZTR 2003, 74), in der sich die Tarifvertragsparteien zur Schaffung eines neu gestalteten Tarifrechtes verpflichtet haben, von den Zielen der Stärkung der Effektivität und Effizienz des öffentlichen Dienstes, der Aufgaben- und Leistungsorientierung, der Kunden- und Marktorientierung, Straffung, Vereinfachung und Transparenz, Praktikabilität und Attraktivität, Diskriminierungsfreiheit, Lösung vom Beamtenrecht und der Schaffung eines einheitlichen Tarifrechtes für Angestellte und Arbeiterinnen/Arbeiter geleitet. Dabei haben die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der Finanzlage der öffentlichen Haushalte dem Gebot der strikten Kostenneutralität Rechnung getragen werden und die Neugestaltung der Erhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der öffentlichen Wirtschaft dienen sollte. Kostenneutralität der Neuregelung bei Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sprechen dafür, dass die Tarifvertragsparteien die Erstattungspflicht des Arbeitgebers für Aufwendungen anlässlich des auswärtigen Berufsschulbesuches nicht ausweiten, sondern den Gegebenheit der Privatwirtschaft anpassen wollten.

Die Neuregelung ist nicht überflüssig, versteht man sie als Kodifizierung der höchstrichterlichen Rechsprechung. Denn sie markiert für Auszubildende und Ausbilder im öffentlichen Dienst mit der erforderlichen Transparenz die Abkehrung von der Kostenerstattung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 MTV.

Die Entstehungsgeschichte der Tarifnorm reicht nicht aus, das im Wege der Auslegung gefundene vernünftige und sachgerechte Ergebnis zu erschüttert, dass der Arbeitgeber nur ausnahmsweise bei Besuch einer anderen als der nächstgelegenen Berufsschule auf seinen Wunsch die Kosten zu tragen hat. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass sich aus Punkt 2.2 der Niederschrift über die Sitzungen der Arbeitsgruppe vom 25.07.2005 und 10.08.2005 eine Verknüpfung der Regelung zur Familienheimfahrt in § 15 Abs. 2 MTV, die im neuen Tarifrecht entfallen ist, mit der Kostenregelung in § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG ergibt. Die Niederschrift spricht für eine Kompensation des entfallenden Anspruchs auf eine Familienheimfahrt durch eine (verbesserte) Regelung zur Fahrtkostenerstattung in § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG. Dieser Wille hat jedoch in der in sich schlüssigen, eindeutigen Formulierung der Tarifnorm keinen Niederschlag gefunden.

Dem Kläger ist auch zuzugestehen, dass die Tarifvertragsparteien des ein Jahr nach dem TVöD-VKA abgeschlossenen TVöD-L in vielfältiger Weise durch veränderte Formulierungen die Erfahrungen aus der Anwendung des TVöD-VKA aufgegriffen und Unklarheiten bereinigt haben (vgl. zu § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA LAG Hamm, Urteil vom 14.06.2007 - 17 Sa 173/07). Die Kammer ist jedoch an den Wortlaut der streitgegenständlichen Tarifnorm gebunden. Sie ist einer zweifelsfreien Auslegung zugänglich und enthält keine Lücke. Die Vermutung, die Tarifvertragsparteien des TVAöD-BT BBiG hätten das gleiche Tarifziel erreichen wollen wie die Tarifvertragsparteien des TV-L BBiG reicht zur Begründung des vom Kläger erstrebten Auslegungszieles nicht aus. Ein entsprechender Wille hat gerade in der Neuformulierung nicht seinen Niederschlag gefunden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ArbGG, die Zulassung der Revision aus § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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