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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.12.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 1105/04
Rechtsgebiete: BUrlG, BGB


Vorschriften:

BUrlG § 1
BUrlG § 3
BUrlG § 5 Abs. 1
BUrlG § 7 Abs. 3
BUrlG § 7 Abs. 4
BUrlG § 13
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 15.03.2004 - 3 Ca 2599/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand: Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche. Der am 02.10.1967 geborene Kläger war in der Zeit vom 27.08.2001 bis zum 31.08.2003 bei der Beklagten als Kraftfahrer tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der zwischen den Parteien am 27.08.2001 geschlossene Arbeitsvertrag (Bl. 9 bis 12 d.A.), in dem u.a. Folgendes vereinbart worden ist: ... § 7 Urlaub Der Arbeitnehmer erhält kalenderjährlich einen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen. Scheidet der Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr aus, so erhält er anteiligen Urlaubsanspruch. Die zeitliche Wahl des Urlaubs ist schriftlich mit dem Arbeitgeber abzustimmen. Der größte Teil des Urlaubs ist im Betriebsurlaub zu nehmen, der vom Arbeitgeber bestimmt wird. Urlaub kann frühestens nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen werden. ... § 16 Verfall Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsparteien binnen einer Frist von zwei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall ihrer Ablehnung oder Nichterfüllung binnen einer Frist von einem weiteren Monat gerichtlich geltend zu machen. Bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen die Ansprüche. ... Der Kläger, der als Kraftfahrer eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.050,-- EUR bei der Beklagten erhielt, war im Zeitraum 01.01.2003 bis 31.08.2003 arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 01.09.2003 ist er wieder arbeitsfähig. Anfang Juli 2003 verhandelten die Parteien über einen Aufhebungsvertrag, der nicht zustande kam. Mit Schreiben vom 23.07.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2003. Die vorliegende Klage hat der Kläger am 24.11.2003 erhoben. Sie ist der Beklagten am 03.12.2003 zugestellt worden. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch stehe ihm schon nach den gesetzlichen Vorschriften zu. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.892,20 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2003 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Abgeltungsanspruch sei nach § 16 des Arbeitsvertrags verfallen, dem Abgeltungsanspruch stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber, da der Kläger im Jahr 2003 keine Arbeitsleistungen für sie erbracht habe und auch nicht bereit gewesen sei, für sie weiter zu arbeiten. Durch Urteil vom 15.03.2004 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Den Streitwert hat es auf 1.892,20 EUR festgesetzt. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dem gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch stehe weder die Vereinbarung in § 7 Satz 2 noch die Vereinbarung in § 16 des Arbeitsvertrags entgegen. Der gesetzliche Urlaubsanspruch sei nach § 13 BUrlG vertraglich nicht abdingbar. Gegen dieses ihr am 12.05.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 14.06.2004, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.08.2004 am 12.08.2004 begründet. Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlichen Rechtsauffassung. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 15.03.2004 - 3 Ca 2588/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 15.03.2004 - 3 Ca 2588/03 - zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen. Entscheidungsgründe: I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Dem Kläger steht der begehrte Urlaubsabgeltungsanspruch für das Urlaubsjahr 2003 in Höhe von 20 Urlaubstagen zu, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. 1. Der gesetzliche Urlaubsanspruch des Klägers in Höhe von 20 Werktagen ist mit Beginn des Jahres 2003 gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründet worden. 2. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2003 ist der entsprechende Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG entstanden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht unabhängig davon, ob eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers besteht (vgl. grundlegend BAG, Urteil vom 14.05.1986 - 8 AZR 604/84 - NZA 1986, 834). 3. Der volle gesetzliche Abgeltungsanspruch hat sich durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2003 nicht anteilig verringert. a) Nach § 5 Abs. 1 BUrlG in Verbindung mit § 3 BUrlG steht dem Kläger nach Erfüllung der Wartezeit und bei einem Ausscheiden in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres der volle gesetzliche Urlaubsanspruch zu. b) Die Regelung in § 7 Satz 2 des Arbeitsvertrags "Scheidet der Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr aus, so erhält er anteiligen Urlaubsanspruch" ist wegen Gesetzesverstoßes ( § 13 BUrlG) unwirksam, wie das Arbeitsgericht zutreffend dargelegt hat. 4. Dem Urlaubsabgeltungsverlangen des Klägers steht nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber. a) Der Urlaubsanspruch ist nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen, weil der Kläger aufgrund einer Erkrankung im Jahr 2003 keine Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht hat. Dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem 28.01.1982 (BAG, Urteil vom 28.01.1982 - 6 AZR 571/79 - AP Nr. 11 zu § 3 BUrlG Rechtsmissbrauch). b) Der gesetzliche Mindesturlaub hat keinen Entgeltcharakter. Für die Annahme, dass der Urlaubsanspruch an erbrachte Arbeitsleistung gebunden ist, finden sich im Bundesurlaubsgesetz keine Anhaltspunkte. Das Urlaubsverlangen ist durch die soziale Schutzfunktion gedeckt, die das Bundesurlaubsgesetz für den gesetzlichen Mindesturlaub jedes Arbeitnehmers gewährleistet (vgl. BAG, Urteil vom 08.03.1984 - 6 AZR 600/82 - AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmissbrauch; vgl. zum Meinungsstand insgesamt siehe Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl., § 1 BUrlG, Rz. 90 bis 110). 5. Der vom Kläger begehrte Urlaubsabgeltungsanspruch ist nicht verfallen nach § 16 des Arbeitsvertrags vom 27.08.2003. a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die vertragliche Verfallklausel in § 16 des Arbeitsvertrags nicht auf den gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch anzuwenden. Da der gesetzliche Urlaubsanspruch und auch der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat unabdingbar nach § 13 BUrlG sind, ist die Verfallklausel insoweit unwirksam. b) Der Kläger hat den mit der Klage verfolgten Anspruch rechtzeitig, spätestens mit der Klage, geltend gemacht. Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt als Surrogat des Urlaubsanspruchs ebenso wie dieser selbst der Befristung. Deshalb erlischt der Urlaubsabgeltungsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist bzw. bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des Übertragungszeitraums am 31.03. des folgenden Jahres. Der Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung liegt vor diesem Zeitpunkt. 6. Dem Urlaubsabgeltungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank war. Zwar ist auch beim Urlaubsabgeltungsanspruch die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs Anspruchsvoraussetzung. Der Abgeltungsanspruch ist erfüllbar, wenn auch der Urlaubsanspruch bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis noch hätte erfüllt werden können. Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer bei der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer des Urlaubsanspruchs seine geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können. Dies wäre dem Kläger in der Zeit vom 01.09.2003 bis 31.12.2003 möglich gewesen . 7. Das von der Beklagten behauptete Verhalten des Klägers Anfang Juli 2003 steht dem Urlaubsabgeltungsanspruch nicht entgegen. Auch wenn der Kläger am 10.07.2003 erklärt hat, er habe keine Lust mehr, sich weiter krankschreiben zu lassen bzw. für die Beklagte zu arbeiten, hat dies keine Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch. Die Arbeitsbereitschaft ist keine Anspruchsvoraussetzung für den geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch. II. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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