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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 18 Sa 1398/05
Rechtsgebiete: EFZG, BAT


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 5 Abs. 2
EFZG § 7 Abs. 1 Nr. 1
BAT § 37 a Abs. 1
BAT § 71 Abs. 1
BAT § 71 Abs. 2
Kommt der Arbeitnehmer bei einer Erkrankung im Ausland den Anzeige- und Nachweisverpflichtungen nach § 5 Abs. 2 EFZG nicht nach, so folgt allein hieraus bezüglich der Entgeltfortzahlungsverpflichtung kein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers, sondern nur das Zurückbehaltungsrecht aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG. Dieses endet, wenn es dem Arbeitnehmer gelingt, anderweitig zu beweisen, dass er arbeitsunfähig krank gewesen ist.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 05.04.2005 - 1 Ca 103/05 - unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Übrigen teilweise abgeändert.

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 4.563,12 € netto zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/3 und dem beklagten Land zu 2/3 auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall für die Zeit vom 01.09.2004 bis zum 31.10.2004.

Die am 01.02.12xx geborene Klägerin ist seit dem 19.03.1979 als angestellte Lehrerin für muttersprachlichen Unterricht in türkischer Sprache im Dienst des beklagten Landes tätig. Beschäftigt wird sie in der G3x S2xxxxxxxxxxx S1xxxx in G1xxxxxxxxxxx.

Im Jahre 2003 dauerten in Nordrhein-Westfalen die Sommerschulferien vom 31.07. bis 13.09.2003 und die Herbstferien vom 20.10. bis 31.10.2003. Während der in der Türkei verbrachten Sommerferien im Jahre 2003 suchte die Klägerin am 11.09.2003 das Staatliche Krankenhaus Kusadasi auf. Die Ärztekommission des Krankenhauses attestierte das Bestehen einer Dienstunfähigkeit für 60 Tage wegen Depressionen. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland aus der Türkei wurde die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig krank geschrieben für die Zeit vom 10. bis 21.11.2003. Am 24.11.2003 nahm sie ihre Tätigkeit als Lehrerin wieder auf.

Das beklagte Land leistete für diesen Zeitraum Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Im Jahre 2004 dauerten die Sommerferien vom 22.07. bis zum 04.09.2004 und die Herbstferien vom 18.10. bis zum 30.10.2004. Am 01.09.2004 suchte die Klägerin in ihrem in der Türkei verbrachten Urlaub wiederum das Staatliche Krankenhaus in Kusadasi auf. Die Ärztekommission des Krankenhauses stellte wie im Vorjahr das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit wegen Depressionen fest für die Dauer von 60 Tagen. Die ärztliche Bescheinigung vom 01.09.2004 (Bl. 14 d.A.) übersandte die Klägerin dem beklagten Land, dem die Bescheinigung am 08.09.2004 in türkischer Sprache zuging. Am 23.10.2004 kehrte die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Sie war weiterhin arbeitsunfähig krank bis zum 13.02.2005. Nach ihrer Rückkehr wurde sie ab dem 29.10.2004 behandelt von dem Arzt für Neurologie D2. E3xxxxxx, der auch das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit ab 29.10.2004 attestierte. Eine Untersuchung der Klägerin durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen fand am 17.11.2004 statt. Nach Mitteilung des Untersuchungsergebnisses durch die Allgemeine Ortskrankenkasse erkannte das beklagte Land eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab 29.10.2004 an. Die Klägerin unterzog sich im Jahre 2005 auch einer stationären Rehabilitationsbehandlung in der Klinik M1xxxxxxx B2xxxxxxxx-K6xx. Eine ausdrückliche Meldung der Arbeitsunfähigkeit ab 01.09.2004 an die AOK Westfalen-Lippe durch die Klägerin erfolgte telefonisch am 03.02.2005 und schriftlich mit Schreiben vom 16.02.2005 (Bl. 89 d.A.).

Mit Schreiben vom 14.09.2004 (Bl. 12 d.A.) und vom 26.11.2004 (Bl. 20 d.A.) teilte das beklagte Land der Klägerin mit, dass eine Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 01.09.2004 bis zum 28.10.2004 nicht anerkannt werde.

Die vorliegende Klage hat die Klägerin am 14.01.2005 erhoben.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihr stehe die begehrte Entgeltfortzahlung zu. Sie habe das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit durch die ärztliche Bescheinigung vom 01.09.2004 nachgewiesen. Sie habe das Krankenhaus aufgesucht im Zustand von Weinkrämpfen, heftigen Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Sie habe geschildert, dass sie in Deutschland Lehrerin sei und aufgrund ihres Zustandes nicht in der Lage sei, zu arbeiten. Sie könne sich in diesem Zustand mit Kindern nicht auseinandersetzen und bräuchte eine Bescheinigung für den Arbeitgeber, aus der sich diese Arbeitsunfähigkeit ergebe. Unter dieser Prämisse sei sie dann untersucht worden. Die Untersuchung sei sehr umfangreich gewesen. Nach den Untersuchungen der Fachärzte für Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie, HNO- und Augenleiden seien keine Befunde gestellt worden. Der Facharzt für Psychiatrie und Nervenheilkunde D2. Y1xxxx habe starke Depressionen diagnostiziert, die eine absolute Ruhigstellung erforderlich gemacht hätten. Entsprechend habe er unter Verschreibung von Medikamenten dafür votiert, eine Arbeitsunfähigkeit für 60 Tage auszusprechen. In der Zeit vom 18.10. bis 21.10.2004 sei sie stationär in dem Staatlichen Krankenhaus in Kusadasi behandelt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie für den Monat September 2004 einen Betrag in Höhe von 2.281,56 € netto und für den Monat Oktober 2004 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.281,56 € netto auszuzahlen, zuzüglich der sich hieraus ergebenden Sozialabgaben und Steuern an die jeweiligen Verwaltungsstellen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat vorgetragen, ihm stehe zunächst ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 37 a Abs. 1 Unterabs. 3 BAT zu. Eine ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe die Klägerin nicht vorgelegt. Der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei im Übrigen erschüttert, da es sich um einen Wiederholungsfall gehandelt habe mit nahezu identischem Ablauf.

Das Arbeitsgericht ist der Auffassung des beklagten Landes gefolgt und hat durch Urteil vom 05.04.2005 die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits sind der Klägerin auferlegt worden. Den Streitwert hat das Arbeitsgericht auf 4.563,12 € festgesetzt. Gegen dieses ihr am 23.06.2005 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 14.07.2005 Berufung eingelegt und diese am 22.08.2005 begründet.

Die Klägerin greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Sie stützt sich maßgeblich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 05.04.2005 - 1 Ca 103/05 - abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an sie für den Monat September 2004 einen Betrag in Höhe von 2.281,56 € netto und für den Monat Oktober 2004 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.281,56 € netto auszuzahlen, zuzüglich der sich hieraus ergebenden Sozialabgaben und Steuern an die jeweiligen Verwaltungsstellen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 05.04.2005 - 1 Ca 103/05 - zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

I. Der Klägerin steht für die Zeit vom 01.09.2004 bis zum 31.10.2004 gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG i.V.m. § 71 Abs. 1 und 2 BAT der begehrte Nettovergütungsanspruch als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu.

Nach § 3 Abs. 1 EFZG i.V.m. § 71 Abs. 1 und 2 BAT hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne das ihn ein Verschulden trifft.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin war in der Zeit vom 01.09.2004 bis zum 31.10.2004 arbeitsunfähig krank.

Die Klägerin war für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit darlegungs- und beweispflichtig (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 726/96 - NZA 1998, 370; BAG, Urteil vom 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 - NZA 1997, 652). Sie hat das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit für diesen Zeitraum durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 01.09.2004 bewiesen.

1. In der Regel führt ein Arbeitnehmer den Nachweis der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber, wie auch vor dem Gericht, durch Vorlage einer förmlichen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

a) Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist der gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweis für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Einer solchen Bescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Dies ergibt sich aus der Lebenserfahrung. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, als erwiesen ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine solche Bescheinigung vorlegt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17.06.2003 - 2 AZR 123/02 - NZA 2004, 564; BAG, BAG, Urteil vom 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 - a.a.O.; siehe auch BGH, Urteil vom 16.10.2001 - VI ZR 408/00 - NZA 2002, 40; Schmitt, EFZG, 5. Aufl., § 5 Rdnr. 100; Marienhagen/Künzel, Stand 2004, EFZG, § 5 Rdnr. 15 ff; ErfK-Dörner, 6. Aufl., § 5 EFZG Rdnr. 32).

b) Der im Ausland in einem Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist, ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt derselbe Beweiswert zu wie einer Bescheinigung der in Deutschland tätigen Ärzte. Die Bescheinigung muss jedoch erkennen lassen, dass der ausländische Arzt zwischen der bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht entsprechende Beurteilung vorgenommen hat (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17.06.2003 - 2 AZR 123/02 - NZA 2004, 565; BAG, Urteil vom 19.02.1997 - 5 AZR 83/96 - a.a.O.; BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 499/96 - NZA 1998, 372).

2. Die von der Klägerin vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 01.09.2004 wird den Anforderungen, die an eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ausgestellt im Ausland, zu stellen sind, gerecht.

a) Bei der Bescheinigung vom 01.09.2004 handelt es sich um eine ärztliche Bescheinigung. Sie ist ausgestellt von einer aus fünf Ärzten bestehenden Ärztekommission. Jeder dieser Ärzte hat die Bescheinigung mit unterzeichnet.

b) Die Bescheinigung ist auch inhaltlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Aus der Urkunde ergibt sich, dass die ausstellenden Ärzte die Klägerin untersucht haben mit dem Ergebnis, dass der Arzt Dr. Y1xxx, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, als Erkrankung Depressionen diagnostiziert hat. Bezüglich der Dienstfähigkeit hat die Ärztekommission den Beschluss gefasst, dass die Klägerin ab dem 31.08.2004 für 60 Tage dienstunfähig ist. Insoweit haben die ausstellenden Ärzte bei der Untersuchung und auch bei der Feststellung der Dienstunfähigkeit zwischen der Krankheit und der hierdurch verursachten Dienstunfähigkeit unterscheiden.

c) Entgegen der Auffassung des beklagten Landes reicht zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung aus, die von dem behandelnden Arzt stammen muss.

aa) Bei der Erkrankung eines gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmers in der T1xxxx ist es nicht erforderlich, das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Maßgabe des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens zu beweisen. Auch im Ausland ist der Arbeitnehmer in seiner Arztwahl frei. Auch der gesetzlich versicherte Arbeitnehmer kann sich im Ausland- wie die Klägerin - privat behandeln lassen und seine Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage der hierbei ausgestellten ärztlichen Bescheinigung nachweisen. Eine Form für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ist nicht vorgeschrieben (vgl. Schmitt, EFZG, 5. Aufl., § 5 Rdnr. 92 ff; ErfK-Dörner, 6. Aufl., § 5 EFZG Rdnr. 26). Im Rahmen der gerichtlichen Durchsetzung eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann der Arbeitnehmer den Beweis, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, mit allen zulässigen Beweismitteln der Zivilprozessordnung führen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 499/96 - a.a.O.).

bb) Nicht zwingend erforderlich ist entgegen der Auffassung des beklagten L1xxes auch, dass die Bescheinigung in deutscher Sprache abgefasst werden muss (vgl. Geyer/Knorr/Karsney, EFZG § 5 Rdnr. 30; Schmitt, EFZG § 5 Rdnr. 96).

3. Entgegen der Auffassung des beklagten L1xxes ist der Beweiswert der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigung nicht erschüttert.

a) Bestreitet der Arbeitgeber trotz der vorgelegten ordnungsgemäß erteilten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, muss er den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 17.06.2003 - 2 AZR 123/02 -).

Dies ist dann der Fall, wenn ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit dargelegt werden. Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann so erschüttert werden durch die Umstände im Zusammenhang mit der Bescheinigung selbst, durch das Verhalten des Arbeitnehmers vor der Erkrankung und durch das Verhalten des Arbeitnehmers während der bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit (Schmitt, a.a.O., § 5 EFZG Rdnr. 107 ff).

b) Solche ausreichenden Umstände sind von dem beklagten Land nicht vorgetragen.

aa) Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass die wiederholte Erkrankung eines ausländischen Arbeitnehmers im Heimaturlaub oder im Anschluss an den Heimaturlaub den Beweiswert einer ausländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern kann (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 20.02.1985; LAG Hamm, Urteil vom 20.02.2001 - 11 Sa 1104/00 - LAGE § 3 EFZG Nr. 4).

Es entspricht auch nicht der Lebenserfahrung, dass eine bei dem beklagten Landangestellte Lehrerin sowohl in den Sommerferien des Jahres 2003 als auch in den Sommerferien des Jahres 2004 im Heimaturlaub arbeitsunfähig erkrankt, jeweils wegen Depressionen und auch jeweils von der gleichen Ärztekommission für 60 Tage arbeitsunfähig krank geschrieben wird.

bb) Sieht man allerdings die konkreten Umstände der Erkrankung, so bestehen keine ernsthaften Zweifel am Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit in dem Zeitraum 01.09.2004 bis zum 31.10.2004.

Die Klägerin ist sowohl im Jahr 2003 als auch im Jahr 2004 nach ihrer Rückkehr nach Deutschland von einem deutschen Arzt weiterbehandelt worden, der den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit wegen der in der Türkei bescheinigten Erkrankung attestiert hat. Hierdurch wird die von den türkischen Ärzten prognostizierte Dauer der Dienstunfähigkeit bestätigt.

Die Tatsache der Weiterbehandlung spricht dagegen, dass die Klägerin den türkischen Ärzten gegenüber Krankheitssymptome simuliert hat. Insbesondere bei der Erkrankung im Jahr 2004, für die die Klägerin in diesem Rechtsstreit Vergütung verlangt, ist zu berücksichtigen, dass sie nicht nur am 01.09.2004 ärztlich untersucht worden ist, sondern dass sie auch in der Zeit vom 18. bis 21.10.2004 in dem Staatlichen Kranhaus Kusadasi stationär behandelt wurde, wie sich aus der Bescheinigung des Arztes Dr. Y1xxxx vom 18.10.2004 (Bl. 18, 64 d.A.) ergibt.

Weiter dauerte die Arbeitsunfähigkeit insgesamt bis zum 13.02.2005 an. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland wurde die Behandlung von dem Facharzt für Neurologie und Psychotherapie D2. E3xxxxx fortgesetzt, der dann die Arbeitsunfähigkeit ab 29.10.2004 attestierte. Der Arzt D2. E3xxxxx hat zwar am 29.10.2004 eine Erstbescheinigung als Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin während ihrer Arbeitsunfähigkeit vor diesem Zeitpunkt Leistungen ihrer gesetzlichen Krankenkasse nicht in Anspruch genommen hat, sondern sich hat privatärztlich behandeln lassen. Das beklagte Land hat das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit ab 29.10.2004 anerkannt, nachdem auch der medizinische Dienst der Krankenkassen in der Untersuchung am 17.11.2004 das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat. Nicht zuletzt hat sich die Klägerin im Jahr 2005 auch einer stationären Rehabilitationsbehandlung in der Klinik M1xxxxxxx in B2xxxxxxxx-K6xx unterzogen.

II. Dem beklagten Land stand bezüglich der Klageforderung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung kein Zurückbehaltungsrecht mehr zu.

1. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG, § 37 a Abs. 1 Unterabs. 3 BAT ist der Arbeitgeber berechtigt, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu verweigern, solange der Arbeitnehmer den ihm nach § 5 Abs. 2 EFZG, § 37 a Abs. 1 Unterabs. 2 BAT obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt.

a) Dem Arbeitgeber steht das in § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG, § 37 a Abs. 1, Unterabs. 3 BAT festgelegte zeitweilige Leistungsverweigerungsrecht nur zu, "solange" der Arbeitnehmer seine in § 5 Abs. 2 EFZG, § 37 a Abs. 1 Unterabs. 2 BAT festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllt. Holt er dies nach, ist der Arbeitgeber verpflichtet, für den Zeitraum ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit das Entgelt fortzuzahlen. Das Leistungsverweigerungsrecht erlischt rückwirkend (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 726/96 - NZA 1998, 369; BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 499/96 - NZA 1998, 772; ErfK-Dörner, a.a.O., § 7 EFZG Rdnr. 19).

b) Nach § 5 Abs. 2 EFZG i.V.m. § 37 a Abs. 1, Unterabs. 3 BAT war die Klägerin verpflichtet, da sie nicht das vereinfachte Verfahren auf der Basis des entsprechenden Sozialversicherungsabkommens gewählt hat, im Falle der Arbeitsunfähigkeit im Ausland diese sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber der Krankenkasse anzuzeigen und dem Arbeitgeber die Anschrift und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit in der schnellst möglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Ferner ergab sich die Verpflichtung, bei der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland den Arbeitgeber und die gesetzliche Krankenkasse hierüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

2. Diesen Verpflichtungen ist die Klägerin zwischenzeitlich nachgekommen, wenn auch teilweise mit erheblicher Verspätung. Durch die Nachholung der Verpflichtungen ist das Zu-rückbehaltungsrecht entfallen.

Entgegen der Auffassung des beklagten L1xxes führte die nicht rechtzeitige Erfüllung der Verpflichtungen aus § 5 Abs. 2 EFZG, § 37 a Abs. 1, Unterabs. 3 BAT nicht zu einem endgültigen Leistungsverweigerungsrecht.

a) Auch in den Fällen, in denen die Erfüllung der Pflichten aus § 5 Abs. 2 EFZG, § 37 a Abs. 1, Unterabs. 3 BAT unmöglich geworden ist, z.B. wenn der Arbeitnehmer bei einer Auslandserkrankung dem Arbeitgeber die dort vorgeschriebenen Informationen nicht in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung hat zukommen lassen oder wenn der Arbeitnehmer nach Hause zurückgekehrt ist und nicht aus dem Ausland der gesetzlichen Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit angezeigt hat, wandelt sich das vorläufige Zurückbehaltungsrecht nicht in ein endgültiges Zurückbehaltungsrecht um (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 499/96 - DB 1998, 582; HzA-Vossen, Entgeltfortzahlung, Gruppe 2 Rdnr. 375, 376; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, § 7 EFZG Rdnr. 19; Kunz/Wedde, § 7 EFZG Rdnr. 20; anderer Auffassung: Feichtinger/Malkmus, § 7 EFZG Rdnr. 20; Schmitt, a.a.O., § 7 EFZG Rdnr. 27).

b) Aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Regelungen in § 7 Abs. 1 EFZG ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur ein vorläufiges Zurückbehaltungsrecht in § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG regeln wollte.

aa) Dies ergibt sich schon aus dem Wort "solange".

bb) Dies ergibt sich des Weiteren aus dem systematischen Zusammenhang mit der Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG. § 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG regelt Tatbestände, in denen ein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht begründet wird. Im Gegensatz hierzu regelt § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG Tatbestände, die nur ein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht auslösen sollen. § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG i.V.m. § 5 Abs. 2 EFZG regelt keine Sachverhalte, die für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall anspruchsbegründend bzw. anspruchsvernichtend sind. Der Regelung kommt lediglich beweisrechtliche Bedeutung zu (vgl. z.B. HzA-Vossen, a.a.O., Rdrn. 376, 377). Die Verpflichtungen aus § 5 Abs. 1 EFZG, § 37 a Abs. 1 Unterabs. 1 BAT als auch aus § 5 Abs. 2 EFZG, § 37 a Abs. 1 Unterabs. 2 BAT dienen der Sicherung des Beweises der Arbeitsunfähigkeit. Insoweit entfällt das vorläufige Zurückbehaltungsrecht wegen Verletzung dieser Verpflichtungen spätestens, wenn es - wie im vorliegenden Fall der Klägerin - gelungen ist, das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 499/96 - DB 1998, 582; BAG, Urteil vom 01.10.1997 - 5 AZR 726/96 - DB 1998, 580).

III. Der Vergütungsanspruch der Klägerin besteht auch für den Zeitraum 29.10.2004 bis 31.10.2004. Zwar hat das beklagte Land die Forderung für diesen Zeitraum anerkannt, für die Erfüllung der Forderung fehlt aber ein Beweisantritt.

IV. Soweit die Klägerin die Zahlung von Sozialabgaben und Steuern an die jeweiligen Verwaltungsstellen verlangt, ist die Klage schon unzulässig, da zu unbestimmt.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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