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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 1411/03 (1)
Rechtsgebiete: BGB, BMTV Metall


Vorschriften:

BGB § 611 Abs. 1
BMTV Metall § 4.2
BMTV Metall § 4.3
BMTV Metall § 4.4.1
BMTV Metall § 5.1
BMTV Metall § 6.2.2
BMTV Metall § 6.3
Nach § 5.1 Abs. 1 BMTV Metall ist Montagestelle die Stelle, von der aus der Beginn der Arbeitszeit berechnet wird. Ist auf einem Werksgelände diese Stelle nicht die konkrete Montagestelle selbst, sondern ein Zeiterfassungsgerät in einer Nebenhalle, so ist diese Stelle auch für die Bestimmung der Entfernung zwischen dem entsendenden Betrieb und der Montagestelle maßgebend.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 09.07.2003 - 5 Ca 1157/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung und Revision werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf das tarifliche Wochenendfahrgeld bei Fernmontagen.

Der Kläger trat am 10.09.1990 als Monteur/Schlosser in die Dienste der Beklagten, einem Montageunternehmen. Das Arbeitsverhältnis ist im September 2004 beendet worden.

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der zwischen den Parteien am 06.09.1990 geschlossene Montagezeitarbeitervertrag, in dem u.a. Folgendes geregelt ist:

...

2. Für alle Arbeits- und Lohnbedingungen gelten die Bestimmungen des Manteltarifvertrages und des Lohntarifvertrages der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen und des Bundesmontagetarifvertrages in ihrer jeweils gültigen Fassung, soweit dieser Vertrag keine andere Regelung trifft.

...

17. Vereinbarungen außerhalb dieses Vertrages bestehen zwischen den Parteien nicht. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages sind nur rechtswirksam, wenn sie schriftlich bestätigt werden.

In der Zeit vom 27.11.2002 bis zum 18.05.2003 war der in S1 (B5) wohnhafte Kläger auf einer Baustelle der Beklagten bei der Firma Z1 in B3-G1, An der G2, eingesetzt. Nach der Behauptung des Klägers beträgt die kürzeste Entfernung zwischen dem Ausgangspunkt - das ist streitlos hier der Betriebssitz der Beklagten - in C1-R1 und der Baustelle in B3-G1 81,3 km; nach der Darstellung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2004 lediglich 79,7 km. Die Entfernung zwischen der Baustelle und S1 beträgt 554,8 km.

Der Kläger, der zuvor während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nie Wochenendfahrgeld nach § 6.3 des Bundesmanteltarifvertrags für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaus (BMTV) vom 17.12.1997 in der Fassung vom 20.06.2001 von der Beklagten erhalten hat, nimmt diese auf Zahlung des tariflichen Wochenendfahrgeldes für insgesamt 17 Wochenendheimfahrten in der Zeit zwischen dem 27.11.2002 und dem 18.05.2003 in Anspruch.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei zur Zahlung des tariflichen Wochenendfahrgeldes nach § 6.3 des kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren BMTV verpflichtet. Allein der Umstand, dass die Beklagte derartige Gelder in der Vergangenheit nicht gezahlt habe, lasse seinen Anspruch nicht für die Zukunft entfallen. Dies gelte umso mehr, als er über seine Rechte aus dem Tarifvertrag nicht umfassend informiert worden sei. Erst seitdem er in N1-W4 eingesetzt werde, sei er von der dortigen Gewerkschaft vollständig über seine tariflichen Rechte informiert worden. Der tarifliche Anspruch auf das Wochenendfahrgeld setze die Durchführung der Wochenendheimfahrten nicht voraus. Er habe jedoch Wochenendheimfahrten an den 17 von ihm im Einzelnen aufgeführten Wochenenden tatsächlich durchgeführt. Das Wochenendfahrgeld für diese 17 Fahrten belaufe sich auf 4.338,53 € (554,8 km multipliziert mit 0,46 €, Zwischenergebnis multipliziert mit 17).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.807,29 € netto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2003 zu zahlen;

die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 1.531,24 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Standpunkt vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf das tarifliche Wochenendfahrgeld. Denn in ihrem Betrieb habe sich diesbezüglich eine negative betriebliche Übung herausgebildet, die den tariflichen Normen vorgehe. So habe der Kläger weder 1997 noch 1998 entsprechende Wochenendfahrgelder gefordert. Hierzu habe er sich nicht veranlasst gesehen, da er eine über den tariflichen Sätzen liegende Montageauslösung erhalten habe. Bereits seit vielen Jahren würden Wochenendheimfahrten bei einer Entfernung von rund 90 km vom Betriebssitz nicht gesondert vergütet. Hiermit seien bislang alle Arbeitnehmer einverstanden gewesen. Im Übrigen setze der Tarifanspruch die tatsächliche Durchführung der Wochenendheimfahrten voraus.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, die tariflichen Voraussetzungen des § 6.3 BMTV seien gegeben, das tarifliche Wochenendfahrgeld stelle eine pauschalierte Aufwandsentschädigung dar.

Das Landesarbeitsgericht hat nach uneidlicher Vernehmung der Zeugin L2-S2 über die Behauptung des Klägers, die Wochenendheimfahrten durchgeführt zu haben, die Klage abgewiesen.

Das Bundesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 14.12.2005 - 4 AZR 432/04 - auf die Revision des Klägers das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 09.06.2004 aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

In den Entscheidungsgründen hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergebe die Auslegung der Vorschrift des § 6.3.1 BMTV, dass es bei dem Anspruch auf das tarifliche Wochenendfahrgeld nicht darauf ankomme, ob der Montagestammarbeiter die Wochenendheimreisen tatsächlich durchgeführt habe.

Von dem Landesarbeitsgericht bleibe zu klären, ob es sich bei der Baustelle der Beklagten bei der Firma Z1 in B3-G1, An der G2, um eine Fernmontage gehandelt habe, ob also die Entfernung zwischen dem Ausgangspunkt (§ 4.4 BMTV) - hier dem Betrieb der Beklagten - und der Montagestelle im Sinne des § 4.3 BMTV 80 km überschritten habe, wie der Kläger behaupte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 09.07.2003 - 5 Ca 1157/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 09.07.2003 - 5 Ca 1157/03 - zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet weiterhin, dass die kürzeste Entfernung zwischen dem Betriebssitz der Beklagten und der Montagestelle 80 km überschreite, nämlich 81,5 km betrage. Dagegen geht die Beklagte von einer Entfernung von 79,7 km aus.

Das Berufungsgericht hat zunächst eine Auskunft der Tarifvertragsparteien zu folgenden Fragen eingeholt:

a) An welchem Punkt (Ort) des entsendenden Betriebs hat die Entfernungsberechnung nach § 4.3 BMTV zu beginnen?

b) An welchem konkreten Punkt (Ort) der Montagestelle (des Montagebetriebes) endet die Entfernungsberechnung?

Wegen des Inhalts der Auskünfte wird auf das Schreiben der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie vom 20.07.2006 und auf das Schreiben der IG Metall vom 31.07.2006 verwiesen.

Weiter hat das Berufungsgericht ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt über die Behauptung des Klägers, die kürzeste Entfernung im Sinne des § 4.3 BMTV zwischen dem entsendenden Betrieb der Beklagten in C1-R1 und der Montagestelle der Firma Z1 in B3-G1 betrage 81,5 km bzw. überschreite zumindest 80 km. Mit der Erstellung des Gutachtens ist Frau Dr. Ing. B4 H1, Landesbetrieb Straßenbau NRW, Fachcenter Vermessung-Straßeninformationssysteme, W3 S3 45 in 45678 M2 beauftragt worden. Wegen des Inhaltes des erstellten Gutachtens vom 20.02.2007 wird auf Bl. 161 bis 165 d.A. verwiesen.

Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Dem Kläger steht der begehrte Anspruch auf die Zahlung von Wochenendfahrgeld nach § 6.3 BMTV in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu.

I. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten nach Ziffer 2 des Montagezeitarbeitervertrages der Parteien vom 06.09.1990 die Bestimmungen des BMTV in ihrer jeweils geltenden Fassung.

Eine hiervon abweichende Regelung haben die Parteien vertraglich nicht getroffen.

Der Anspruch auf das tarifliche Wochenendfahrgeld nach § 6.3 BMTV ist auch nicht durch eine negative betriebliche Übung beseitigt worden. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend begründet. Das Berufungsgericht schließt sich dieser Begründung an.

II. Die Voraussetzungen des § 6.3.1 BMTV sind erfüllt.

In dieser Vorschrift ist bestimmt:

6.3 Wochenendfahrgeld bei Fernmontagen in Entfernung bis 180 km

6.3.1 Bei Fernmontagen in Entfernung bis 180 km vom Ausgangspunkt hat der Montagestammarbeiter auf der gleichen und in der folgenden Woche weiterfortdauernden Montagestelle bei arbeitsfreien Tagen des Wochenendes und damit in Verbindung stehenden Feiertagen oder sonstigen arbeitsfreien Tagen Anspruch auf ein Wochenendfahrgeld. Die Wochenendheimreise findet außerhalb der Arbeitszeit statt. Weitergehende Ansprüche für die Wochenendheimreise bestehen nicht.

Die vorzitierten Tarifbestimmungen regeln den Anspruch des Montagestammarbeiters auf das Wochenendgeldfahrgeld bei der sogenannten kleinen Fernmontage (§ 6.2.2 BMTV). Wie das Bundesarbeitsgericht im Wege der Auslegung im Einzelnen dargelegt hat (Bl. 93 bis 99 d. A.), setzt dieser Anspruch nicht die Durchführung der Wochenendheimfahrt durch den Montagestammarbeiter voraus.

III. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist durch das Gutachten der Sachverständigen Dr. H1 auch bewiesen, dass es sich bei der dem Kläger zugewiesenen Montagestelle bei der Firma Z1 um eine sogenannte kleine Fernmontage im Sinne des § 6.2.2 BMTV handelt.

1. Nach § 4.2 BMTV ist in Abgrenzung zur Nahmontage im Sinne des § 4.1.2 BMTV die Fernmontage eine Montage, die ein auswärtiges Übernachten des Montagestammarbeiters erfordert, weil ihm die tägliche Rückkehr zum Ausgangspunkt nicht zumutbar ist. Die tägliche Rückkehr zum Ausgangspunkt ist nach dieser Regelung nicht zumutbar, wenn die außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit zurückgelegte Entfernung von 80 km im Sinne des § 4.1.2 BMTV überschritten wird.

Nach § 4.3 BMTV ist zur Berechnung der Entfernung die kürzeste Entfernung in Straßenkilometern zwischen Ausgangspunkt und Montagestelle maßgeblich, zuzüglich eventueller Fußwege. Unter Berücksichtigung dieser tariflichen Voraussetzungen beträgt die Entfernung zwischen dem Ausgangspunkt (der entsendende Betrieb der Beklagten) und der Montagestelle (Zeiterfassung im Montagebetrieb) mehr als 80 km.

a) Nach § 4.4.1 BMTV kann Ausgangspunkt für die Fernmontage der entsendende Betrieb oder die Wohnung des Montagestammarbeiters sein.

Im vorliegenden Fall haben beide Parteien übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2003 erklärt, dass Ausgangspunkt der entsendende Betrieb sei. Nach der Auskunft der IG Metall vom 31.07.2006, der das Berufungsgericht folgt, ist daher üblicherweise von dem Werkstor auszugehen, an dem der Monteur das Werksgelände verlässt.

b) Nach § 5.1 Abs. 1 BMTV ist Montagestelle die Stelle, von der aus der Beginn der Arbeitszeit berechnet wird und die Bezahlung der Arbeitszeit beginnt. § 5.1. Abs. 2 BMTV bestimmt hierzu: "Ist auf einem Werksgelände diese Stelle nicht die Montagestelle selbst, sondern eine andere Stelle, so ist sowohl für die Zoneneinteilung als auch für den Beginn der Arbeitszeit von dieser Stelle auszugehen"... .

Dieser tariflichen Bestimmung der Montagestelle folgen auch die Auskünfte der Tarifvertragsparteien vom 20.07.2007 und vom 31.07.2007.

Die Zeiterfassung für den Beginn der Arbeit auf der Montagestelle auf dem Werksgelände der Firma Z1 erfolgte dadurch, dass der Kläger die Stempeluhr im Gebäude F (wie in der Anlage 4 zum Gutachten eingezeichnet) bedient hat. Dieser Punkt ist zutreffend von der Gutachterin als Endpunkt für die Entfernungsmessung in Ansatz gebracht worden.

c) Die kürzeste Entfernung zwischen dem Werkstor der Beklagten und der Stempeluhr auf dem Betriebsgelände der Firma Z1 in B3-G1 beträgt 80,080 km. Damit wird die Entfernung von 80 km überschritten.

Für die Entfernungsberechnung ist zugrunde zu legen, dass der Kläger sein Fahrzeug auf dem Parkplatz vor der Nebenpforte abzustellen hatte und den Betrieb durch die Nebenpforte betreten musste, um dann im Gebäude F die Stempeluhr zu bedienen, wie der Kläger vorgetragen hat. Dieser Fußweg ist vom Kläger auch auf den von ihm entsprechend der gerichtlichen Auflagen gefertigten Skizzen aufgezeichnet. Der Kläger hat ganz konkret beschrieben, dass er von der Firma Z1 angewiesen war den Weg über die Nebenpforte zu benutzen. Er musste hierfür eine Chipkarte der Firma Z1 benutzen. Hierfür musste er 10 € als Sicherheit hinterlegen. Mit dieser Chipkarte konnte er das Drehkreuz, welches den Weg auf das Firmengelände öffnete, bedienen. Diesem Vortrag des Klägers hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten.

Durch die Äußerung des Mitarbeiters der Firma Z1 bei dem Ortstermin, im Sachverständigengutachten unter Ziffer 2 festgehalten, ist der Vortrag des Klägers nicht erkennbar unwahr geworden. Nach dem Wortlaut des Gutachtens soll der Mitarbeiter der Firma Z1, H2, geäußert haben, die Mitarbeiter der Beklagten müssten erst seit einiger Zeit die Nebenpforte benutzen. Diese Zeitangabe ist so ungenau, dass sie die Einsatzzeit des Klägers 2002/2003 nicht ausschließt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei seinem Einsatz in der Zeit vom 27.11.2002 bis 18.05.2003 der einzige Arbeitnehmer der Beklagten im Langzeiteinsatz auf der Montagestelle bei der Firma Z1 war und deshalb die Chipkarte für die Benutzung der Nebenpforte erhielt, mit der entsprechenden Anweisung diese zu benutzen.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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