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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: 18 Sa 1584/04
Rechtsgebiete: AWbG NW


Vorschriften:

AWbG NW § 1
AWbG NW § 5
AWbG NW § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 09.07.2004 - 3 Ca 2535/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand: Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz. Der am 01.02.13xx geborene Kläger ist seit dem 03.02.1992 als Brauingenieur bei der Beklagten tätig. Eingesetzt wird er in der Abteilung Qualitätssicherung als Betriebskontrolleur. Seine Vergütung betrug zuletzt durchschnittlich 3.327,05 €. Am 08.08.2003 beantragte der Kläger mündlich sowie per e-mail die Teilnahme an einer Bildungsveranstaltung "Rettungssanitäter-Aufbaulehrgang" für die Zeit vom 29.09.2003 bis einschließlich 03.10.2003. Am 14.08.2003 führte der Kläger ein persönliches Gespräch mit dem Personalleiter der Beklagten, Herrn H3xxxxxx, in dem er diesen nochmals über die geplante Weiterbildungsmaßnahme informierte, der Personalleiter die bezahlte Teilnahme jedoch ablehnte. In einer e-mail vom gleich Tag begründete er die Ablehnung damit, dass die Veranstaltung nicht jedermann zugänglich und darüber hinaus ein auch nur mittelbarer Vorteil für die Beklagte nicht gegeben sei. Mit erneutem Schreiben vom 18.08.2003 beantragte der Kläger wiederum die Teilnahme an der streitgegenständlichen Bildungsveranstaltung. Ob dem Schreiben vom 18.08.2003 die dort erwähnten Unterlagen ( "der Nachweis über die Anerkennung sowie das Programm aus dem sich die Zielgruppe, Lernziele, Lerninhalte sowie der zeitliche Ablauf der Veranstaltung ergeben" ) beigefügt waren, ist zwischen den Parteien streitig. Am 26.09.2003 schlossen die Parteien folgende Vereinbarung: "Hiermit erklärt der Arbeitnehmer sich vorläufig mit einer unbezahlten Freistellung in der Zeit vom 29. Sept. bis 2. Okt. 03 vorbehaltlich einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung meines Anspruches auf bezahlten Bildungsurlaub, wie beantragt, einverstanden. Die Unterzeichner, Arbeitgeber und -nehmer, sind sich dahingehend einig, dass für den Fall, dass das Arbeitsgericht eine bezahlte Freistellung für den Bildungsurlaub als begründet erachtet, im Nachhinein eine Entlohnung für die Zeit der Freistellung vorgenommen wird." Der Kläger nahm daraufhin in der Zeit vom 29.09.2003 bis 03.10.2003 an der Bildungsveranstaltung des M3xxxxxx H4xxxxxxxxx e.V. mit dem Titel "interdisziplinäre Fortbildungswoche" teil, deren Inhalte im Jahresprogramm Rettungsdienst/Notfallmedizin 2003 wie folgt beschrieben wurden: "ACLS-Erweiterte Maßnahmen der Reanimation und PHTLS-Algorithmen sowie Übungen zur Versorgung traumatisierter Patienten mit pharmakologischen Aspekten (vgl. Bl. 13/14 d.A.)." Durchgeführt wurde die Maßnahme von der b5xxxxxxxxxxx A3xxxxxx des B6xxxxx A1xxxx. Wegen des Inhalts und des zeitlichen Ablaufs der Veranstaltung wird auf die e-mail des Herrn R1xx B4xxxxxx an den Kläger vom 18.08.2003, Bl. 11 f. d.A. verwiesen. Für die Teilnahme an dieser Veranstaltung erhielt der Kläger zum einen eine Teilnahmebescheinigung für das Thema "Rettungssanitäter/Aufbaulehrgang" von der b5xxxxxxxxxxx A3xxxxxx des B6xxxxx A1xxxx als maßgebliche Bescheinigung der Bildungseinrichtung für den Arbeitgeber; des Weiteren erhielt der Kläger von dem M3xxxxxx H4xxxxxxxxx e.V. eine Bescheinigung über die anerkannte Rettungsdienstfortbildung "interdisziplinäre Fortbildungswoche" mit den dazugehörigen Inhalten (vgl. Bl. 9, 43 d.A.). Die vorliegende Klage hat der Kläger am 19.11.2003 erhoben. Der Kläger ist der Auffassung, die begehrte Entgeltfortzahlung stände ihm nach den Vorschriften des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes (AWbG) vom 06.11.1984 in der Fassung vom 28.03.2000 zu. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 802,15 € brutto zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Veranstaltung sei schon nicht für jedermann zugänglich. Im Übrigen diene sie nicht der beruflichen Weiterbildung. Ein auch nur mittelbarer Vorteil sei für sie nicht ersichtlich. Im Übrigen sei der Antrag vom 18.08.2003 nicht mit den gesetzlich geforderten Unterlagen eingereicht worden. Das Arbeitsgericht ist der Auffassung der Beklagten gefolgt, dass die Veranstaltung nicht für jedermann zugänglich gewesen sei und hat die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger auferlegt. Der Streitwert ist auf 802,15 € festgesetzt worden. Gegen dieses ihm am 22.07.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 18.08.2004 Berufung eingelegt und diese am 21.09.2004 begründet. Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Er ist weiterhin der Auffassung, die von ihm besuchte Weiterbildungsmaßnahme diene der beruflichen und auch der politischen Weiterbildung. Sie sei auch entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts jedermann zugänglich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 09.07.2004 - 3 Ca 2335/03 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 802,15 € zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 09.07.2004 - 3 Ca 2535/03 - zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist auch weiterhin der Auffassung, dass nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz nur die berufliche und politische Weiterbildung gefördert werden soll. Diesem Ziel habe die besuchte Veranstaltung nicht gedient. Sie sei lediglich zur Verfolgung privater Interessen des Klägers erfolgt. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen. Entscheidungsgründe: I. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. 1. Dem Kläger steht der begehrte Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit der Teilnahme an der Bildungsveranstaltung nach §§ 1, 7 AWbG nicht zu. Er ist von der Beklagten nicht nach diesen Vorschriften freigestellt worden. Die Freistellung nach § 1 AWbG ist aber Voraussetzung für diesen Anspruch (vgl. BAG, Urteil vom 24.10.1995 - 9 AZR 547/94 - AP Nr. 11 zu § 7 BildungsurlaubsG NRW; BAG, Urteil vom 21.09.1993 - 9 AZR 419/91 - AP Nr. 7 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW). 2. Dem Kläger steht die begehrte Vergütung auch nicht aufgrund der zwischen den Parteien am 26.09.2003 geschlossenen Vereinbarung zu. a) In der Vereinbarung hat sich die Beklagte verpflichtet, dass für den Fall, dass das Arbeitsgericht eine bezahlte Freistellung für den Bildungsurlaub als begründet erachtet, sie im Nachhinein die Zeit der vorläufigen unbezahlten Freistellung vergüten wird. b) Diese Voraussetzungen der Vereinbarung sind nicht erfüllt. Dem Kläger steht nach den Vorschriften des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes ein Anspruch auf Freistellung für die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung in der Zeit vom 29.09. bis 02.10.2003 nicht zu. Der Kläger hat den Antrag auf Freistellung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AWbG schon verspätet gestellt. aa) Nach § 5 Abs. 1 AWbG hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Inanspruchnahme und den Zeitraum der Arbeitnehmerweiterbildung so frühzeitig wie möglich, mindestens sechs Wochen vor Beginn der Bildungsveranstaltung, schriftlich mitzuteilen. Der Mitteilung sind die Unterlagen über die Bildungsveranstaltung beizufügen; dazu gehören der Nachweis über die Anerkennung der Bildungsveranstaltung sowie das Programm, aus dem sich die Zielgruppe, Lernziele und Lerninhalte sowie der zeitliche Ablauf der Veranstaltung ergeben. bb) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Auch nach den Behauptungen des Klägers lag ein vollständiger Antrag einschließlich der gesetzlich vorgeschriebenen Anlagen erst am 18.08.2003 der Beklagten vor. Die konkreten Lernziele und Lerninhalte sowie der zeitliche Ablauf der Veranstaltung ergaben sich erst aus der e-mail des Herrn R1xx B4xxxxxx an den Kläger vom 18.08.2003. Da zwischen der Antragstellung und dem Beginn der Bildungsveranstaltung keine sechs Wochen lagen, ist der Antrag verspätet nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AWbG gestellt. cc) Da ein vollständiger schriftlicher Antrag mit allen gesetzlich geforderten Unterlagen frühestens am 18.08.2003 verspätet bei der Beklagten vorlag, kann dahingestellt bleiben, ob die e-mail des Klägers vom 08.08.2003 das Schriftformerfordernis des § 5 Abs. 1 Satz 1 AWbG erfüllt. dd) Die Einhaltung der gesetzlichen Frist ist auch Voraussetzung für den Anspruch auf Freistellung (vgl. BAG, Urteil vom 09.11.1999 - 9 AZR 917/98 - AP Nr. 4 zu § 5 BildungsurlaubsG NRW). Diese Rechtsfolge ist im Gesetz zwar nicht ausdrücklich bestimmt. Sie ergibt sich aber aus dem systematischen Zusammenhang der Norm mit dem Ablehnungsrecht des Arbeitgebers nach § 5 Abs. 2 AWbG und dem Zweck dieser Verfahrensvorschriften (vgl. BAG, Urteil vom 09.11.1999 - 9 AZR 917/98 - AP Nr. 4 zu § 5 BildungsurlaubsG NRW; BAG, Urteil vom 24.08.1993 - 9 AZR 240/90 - AP Nr. 9 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW). ee) Die Beklagte hat in der Vereinbarung vom 26.09.2003 die zugesagte Vergütung auch von der Einhaltung der gesetzlichen Antragsfrist abhängig gemacht. Nach der Vereinbarung sollte eine Vergütung für die Zeit der Freistellung erfolgen, wenn das Arbeitsgericht eine bezahlte Freistellung für den Bildungsurlaub als begründet erachtet. Ein solcher begründeter Freistellungsanspruch setzt auch die rechtzeitige Antragstellung voraus, wie oben dargelegt. II. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Kosten der Berufung hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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