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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.05.2003
Aktenzeichen: 18 Sa 1783/01
Rechtsgebiete: BAT, BGB


Vorschriften:

BAT § 24 Abs. 1
BAT § 22
BGB § 315 Abs. 1
BGB § 315 Abs. 3
1. Es entspricht grundsätzlich billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB, wenn der Arbeitgeber dem Angestellten zum Zwecke seiner Erprobung nach § 24 Abs. 1 BAT eine höherwertige Tätigkeit nur für einen vorübergehenden Zeitraum überträgt.

2. Eine Erprobungszeit von mehr als sechs Monaten entspricht nur billigem Ermessen, wenn dafür besondere Gründe vorliegen.

3. Es obliegt dem Arbeitgeber, diese darzulegen.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 18 Sa 1783/01

Verkündet am 16.05.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 16.05.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Knipp sowie die ehrenamtlichen Richter Sikora und Palsbröker

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteils des Arbeitsgerichts Hamm vom 10.10.2001 - 3 Ca 2493/00 - abgeändert:

Das beklagte L1xx ist verpflichtet, die Klägerin aus der Vergütungsgruppe V c des Teils I der Anlage 1 a zum BAT zu vergüten.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem beklagten L1xx auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin ab Klageerhebung Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT hat.

Die am 22.01.13xx geborene Klägerin wurde nach Erwerb der Fachhochschulreife in der Zeit vom 01.08.1991 bis zu ihrer mit der Gesamtnote "gut" bestandenen Abschlussprüfung zur Verwaltungsfachangestellten/Fachzweig Versorgungsverwaltung ausgebildet. Seit dem 05.07.1994 ist sie als Angestellte bei dem Versorgungsamt in S1xxx tätig. Für das Arbeitsverhältnis gilt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für die Bereiche des Bundes und der Länder geltenden Fassung (BAT), dessen Anwendung die Parteien zudem in § 2 ihres schriftlichen Arbeitsvertrags vom 05.07.1994 vereinbart haben.

Seit dem 05.07.1997 wird die Klägerin nach der Vergütungsgruppe VII BAT vergütet. Ab 05.07.1994 arbeitete sie als Assistenzkraft. In der Zeit vom 15.09.1997 bis zum 31.08.1998 nahm sie Migrationsaufgaben wahr. Diese Aufgaben hatten die tarifliche Wertigkeit der Vergütungsgruppe VI b BAT.

Am 01.09.1998 erfolgte die Umsetzung in die Schwerbehindertengruppe 6 der Abteilung 3 zwecks Einarbeitung als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in einer Schwerbehindertengruppe. Grundlage des Einsatzes war die Verfügung des Leiters des Versorgungsamts S1xxx vom 31.08.1998 (Bl. 66 d.A.).

Mit Schreiben vom 07.12.1998 teilte der Leiter des Versorgungsamts S1xxx der Klägerin Folgendes mit:

"Ich übertrage Ihnen ab 01.01.1999 probeweise die den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c - Fallgruppe 1 a - BAT entsprechende Tätigkeit einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 - SchwbG-Gruppe 6 -.

Gleichzeitig gewähre ich Ihnen ab 01.01.1999 eine persönliche und jederzeit widerrufliche Zulage unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 BAT (nach tatsächlicher Ausübung dieser Tätigkeit einen Monat lang) in Höhe des Unterschiedbetrages zwischen den Vergütungen der Vergütungsgruppen VII - Fallgruppe 2 - und V c - Fallgruppe 1 a - BAT."

Durch Verfügung vom 10.08.1999 erfolgte der nächste höherwertige Einsatz der Klägerin wie folgt:

"Seit dem 01.01.1999 sind Sie zum Zwecke der Erprobung als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in einer SchwbG-Gruppe eingesetzt.

Nach dem Ergebnis meiner jetzt durchgeführten Überprüfung haben Sie sich in der höherwertigen Tätigkeit bewährt.

Ich erkläre Ihre Erprobung daher für beendet und übertrage Ihnen mit sofortiger Wirkung vorübergehend - längstens bis 31.07.2000, dem Ende der Ausbildung der am 01.08.2000 zugehenden Regierungsassistentenanwärterin K2xxxxx N1xxxxxxx - die den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c - Fallgruppe 1 a - des Teils I der Anlage 1 a BAT entsprechende Tätigkeit einer Sachbearbeiterin in einer SchwbG-Gruppe.

Die Übertragung der Tätigkeit auf Dauer kann nur nach Maßgabe freier und besetzbarer Stellen und Dienstposten erfolgen."

Ab 01.08.2000 wurde die Klägerin in der Registratur eingesetzt ohne Zahlung einer Zulage. Während der Abordnung an die E1xxxxxx-Klinik vom 18.09. bis 15.12.2000 erhielt die Klägerin eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VI b BAT. Seit der Geburt ihres Sohnes am 12.11.2001 befindet sich die Klägerin im Elternurlaub.

Wegen der Einzeltätigkeiten der Klägerin während ihres Einsatzes als Sachbearbeiterin in der Abteilung 3 (Schwerbehindertenrecht) wird auf die Tätigkeitsdarstellung und -bewertung Stand 02/01 (Bl. 83 bis 88 d.A.) verwiesen.

Die übertragenen Tätigkeiten einer Sachbearbeiterin in der Abteilung 3 entsprechen nach der übereinstimmenden Auffassung der Parteien den Anforderungen der Fallgruppe 1 a der Vergütungsgruppe V c des Allgemeinen Teils (Teil I) der Anlage 1 a zum BAT.

Die vorliegende Klage hat die Klägerin am 21.11.2000 erhoben.

Zur Stützung der Klage hat die Klägerin vorgetragen:

Das beklagte L1xx habe § 24 Abs. 1 und Abs. 2 BAT in rechtsmissbräuchlicher Weise verwendet. Die von ihr verrichteten Vertretungstätigkeiten seien als eine Daueraufgabe anzusehen. Bei dem beklagten L1xx bestehe ein ständiger Vertretungsbedarf. Mit der vorübergehenden Übertragung habe das beklagte L1xx ihre tarifgerechte Eingruppierung verhindern wollen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass sie aus der Vergütungsgruppe V c des Teils I der Anlage 1 a zum BAT zu vergüten ist.

Das beklagte L1xx hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte L1xx hat vorgetragen:

Für die höherwertigen Einsätze der Klägerin habe der auf den Übertragungsverfügungen angegebene sachliche Grund bestanden.

Durch Urteil vom 10.10.2001 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Den Streitwert hat es auf 12.960,-- DM festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, eine rechtsmissbräuchliche Anwendung des § 24 BAT liege nicht vor. Die probeweise Übertragung höherwertiger Tätigkeiten und die Vertretung seien anerkannte sachliche Gründe für die Übertragung höherwertiger Tätigkeit.

Gegen dieses ihr am 06.11.2001 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 05.12.2001 Berufung eingelegt und diese ebenfalls am 05.12.2001 begründet.

Die Klägerin greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Sie ist der Auffassung, dass auch nach den von der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen der Ermessensausübung bei der Übertragung höherwertiger Tätigkeit die mehr als sieben Monate dauernde Übertragung höherwertiger Tätigkeit zum Zwecke der Erprobung nicht billigem Ermessen entsprach.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 10.10.2001 - 3 Ca 2493/00 - abzuändern und festzustellen, dass sie aus der Vergütungsgruppe V c des Teils I der Anlage 1 a zum BAT zu vergüten ist.

Das beklagte L1xx beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 10.10.2001 - 3 Ca 2493/00 - zurückzuweisen.

Das beklagte L1xx verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.

Es ist der Auffassung, dass auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Übertragungen billigem Ermessen entsprachen. Die geringfügige Überschreitung der Sechsmonatsfrist bei der Erprobung sei erforderlich gewesen, da das Ausbildungsende mehr als vier Jahr zurückgelegen habe. Es sei die Eignung für ein Aufgabengebiet mit erheblich höheren Anforderungen zu prüfen gewesen. Im Übrigen sei die Verzögerung dadurch eingetreten, dass sich die Beurteilung der Erprobung innerdienstlich verzögert habe.

Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

A. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO).

Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine prozessualen Bedenken bestehen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 09.08.2000 - 4 AZR 439/99 - AP Nr. 281 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01 - ZTR 2003, 76).

B. Die Klage ist auch begründet.

Der Klägerin steht der begehrte Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT/BL gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu.

I. Für das Arbeitsverhältnis gelten aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Bereiche des Bundes und der Länder geltenden Fassung (BAT). Im Übrigen haben die Parteien die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrags im Arbeitsvertrag vereinbart.

II. Danach setzt die von der Klägerin erstrebte Eingruppierung voraus, dass bei ihr zeitlich zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die jeweils für sich genommen die Anforderungen mindestens eines Tätigkeitsmerkmals der von ihr für sich in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe V c BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT).

Die der Klägerin übertragene Sachbearbeitertätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe V c des Allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT. Diese Bewertung ist zwischen den Parteien nicht umstritten. Sie war entsprechend der Grundsätze zur Überprüfung einer Eingruppierung bei einer korrigierenden Rückgruppierung (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 16.02.2000 - 4 AZR 62/99 - ZTR 2001, 222; BAG, Urteil vom 20.06.2001 - 4 AZR 288/00 - ZTR 2002, 178) zugrunde zu legen.

III. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BAT ist erforderlich, dass dem Angestellten die den Vergütungsanspruch begründende höherwertige Tätigkeit nicht nur vorübergehend übertragen worden ist.

1. Im vorliegenden Fall hat das beklagte L1xx der Klägerin durch die Verfügungen vom 07.12.1998 und vom 29.07.1999 zweimal aufeinanderfolgend die Tätigkeit einer Sachbearbeiterin in der Abteilung 3 (Schwerbehindertenrecht) vorübergehend übertragen.

Das Arbeitsgericht hat unter Zugrundelegung der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Missbrauchskontrolle (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 05.09.1973 - 4 AZR 549/72 - AP Nr. 2 zu § 24; BAG, Urteil vom 16.01.1991 - 4 AZR 301/90 - BAGE 67, 59; BAG, Urteil vom 26.03.1997 - 4 AZR 604/95 - ZTR 1997, 413) in beiden Übertragungen keinen funktionswidrigen Gebrauch des tariflichen Gestaltungsmittels des § 24 Abs. 1 und Abs. 2 BAT gesehen.

2. Die rechtliche Überprüfung der Übertragung vom 07.12.1998 nach den Grundsätzen für die Ermessensprüfung bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT (vgl. grundlegend zur neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01 - ZTR 2003, 76) führt zu dem Ergebnis, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts diese Übertragung als auf Dauer erfolgt anzusehen ist.

a) Nach den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen für die Ermessensüberprüfung setzt § 24 BAT für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit die Möglichkeit einer solchen Maßnahme in Ausübung des Direktionsrechts voraus und gestaltet diese Maßnahme.

Deshalb muss die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit in entsprechender Anwendung von § 315 BGB nach billigem Ermessen erfolgen. Das billige Ermessen der Ausübung des Direktionsrechts muss sich auf die Tätigkeitsübertragung "an sich" und die "Nicht-Dauerhaftigkeit" der Übertragung beziehen ("doppelte Billigkeit"). Die Grundsätze der Billigkeit sind gewahrt, wenn alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt sind. Wendet sich der Angestellte nicht gegen die Tätigkeitsübertragung "an sich", sondern gegen deren zeitliche Dauer, so sind das Interesse des Arbeitnehmers, die höherwertige Tätigkeit auf Dauer zu behalten, und das Interesse des Arbeitgebers, die Tätigkeit nicht auf Dauer zu übertragen, gegeneinander abzuwägen. Entspricht die nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nicht billigem Ermessen, ergeht eine richterliche Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Werden demselben Angestellten dieselbe oder eine gleichermaßen höherwertige Tätigkeit mehrmals nacheinander vorübergehend oder vertretungsweise übertragen, so unterliegt jeder dieser Übertragungsakte der gerichtlichen Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 BGB. Ist bei auch nur einer dieser mehreren interimistischen Übertragungen billiges Ermessen hinsichtlich dessen, dass die Übertragung nicht auf Dauer erfolgte, nicht gewahrt, so kann dies zur Folge haben, dass diese Übertragung kraft richterlicher Entscheidung entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB als auf Dauer erfolgt anzusehen ist.

b) Danach entspricht es grundsätzlich billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB, wenn der Arbeitgeber dem Angestellten zum Zwecke der Erprobung nach § 24 Abs. 1 BAT eine höherwertige Tätigkeit nur für einen vorübergehenden Zeitraum überträgt (vgl. BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 4 AZR 431/01 - ZTR 2003, 82; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, § 24 Erl. 2; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, § 24 Rz. 28; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, BAT, § 24 Erl. 3).

Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, auch nach der Ausbildung und Einarbeitung einen Angestellten in einer nunmehr höherwertigen Tätigkeit zunächst zu erproben mit dem Ziel, ihm nach erfolgreicher Erprobung diesen Arbeitsplatz zu übertragen. Eine befristete Probezeit kann sachlich nicht nur bei einer Neueinstellung, sondern auch vertretbar sein, wenn einem bereits beschäftigten Angestellten qualifiziertere Arbeiten übertragen werden. Die Einarbeitungszeit ist durch eine Tätigkeit unter Anleitung und Aufsicht geprägt, während eine anschließende Erprobungsphase Aufschluss darüber gibt, ob der Arbeitnehmer befähigt ist, die übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich zu bewältigen (BAG, Urteil vom 15.05.2002 - 4 AZR 433/01 -, BAG, Urteil vom 15.05.2002 - 4 AZR 434/01 -).

An einem vernünftigen Grund fehlt es nur dann, wenn der Angestellte bereits ausreichend Zeit bei dem Arbeitgeber mit diesen Arbeiten beschäftigt war und dieser seine Fähigkeiten deshalb für den neuen Arbeitsplatz voll beurteilen konnte (vgl. BAG, Urteil vom 18.06.1997 - 4 AZR 728/95 - AP Nr. 1 zu § 24 BAT-O; BAG, Urteil vom 28.02.1963 - 2 AZR 345/62 - AP Nr. 25 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).

Zeitlich wird es sich in aller Regel hierbei um relativ kurzfristige und vorübergehende Übertragungen handeln. Die notwendige Erprobungsdauer kann nicht schematisch gehandhabt werden. Es muss unterschieden werden, für welche Tätigkeit die Erprobung erfolgt, so dass sie in aller Regel für eine einfache Tätigkeit kürzer sein muss als etwa für wissenschaftliche Aufgaben. Die Schwierigkeit des neuen Arbeitsplatzes einerseits sowie die Kenntnisse und Leistungen des Angestellten andererseits müssen angemessen berücksichtigt werden.

Erprobungszeiten von mehr als sechs Monaten bedürfen nach der Rechtsprechung in jedem Fall einer besonderen Begründung (BAG, Urteil vom 18.06.1997 - 4 AZR 728/95 - AP Nr. 1 zu § 24 BAT-O). Eine solche Dauer der Erprobung entspricht somit billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB nur dann, wenn dafür besondere Gründe vorliegen, deren Darlegung dem Arbeitgeber obliegt (BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 4 AZR 431/01 - ZTR 2003, 92; BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01 -).

c) Das beklagte L1xx hat eine schlüssige Begründung für die mehr als siebenmonatige Erprobung der Klägerin nicht vorgetragen.

aa) Dem vorgetragenen pauschalen Grund, dass die Ausbildung mehr als vier Jahre zurückliegt, ist nicht zu entnehmen, dass eine mehr als sechsmonatige Erprobung notwendig war. Gerade weil das tariflich höherwertige Aufgabengebiet erheblich höhere Anforderungen stellt, entspricht die vorübergehende Übertragung billigem Ermessen. Damit sind aber nicht besondere Gründe, die die Überschreitung rechtfertigen, vorgetragen.

bb) Dass sich innerbetrieblich die Feststellung der Erprobung verzögert hat, geht zu Lasten des beklagten L2xxxx. Tatsache bleibt, dass die Erprobung erst durch die Verfügung vom 10.08.1999 beendet worden ist.

Im Übrigen müssen die besonderen Gründe für eine Verlängerung der Sechsmonatsfrist schon zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit zur Erprobung feststehen. Entsprechend muss die Übertragungsverfügung zeitlich begrenzt sein unter Zugrundelegung dieser besonderen Gründe. Eine solche Festlegung fehlt. Das beklagte L1xx hat die Erprobung angeordnet, ohne dass zum maßgeblichen Zeitpunkt die Zeit der Erprobung auch festgelegt worden ist. Hieraus ergibt sich, dass sich das beklagte L1xx zum Zeitpunkt der Übertragung hinsichtlich der Dauer der Erprobung überhaupt noch nicht binden wollte.

IV. Die hinsichtlich ihrer zeitlichen Bemessung unbillige Erprobungsanordnung des beklagten L2xxxx ist damit gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam. Nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit ab 01.01.1999 als auf Dauer erfolgt anzusehen.

Die übertragene Tätigkeit, die die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL erfüllt, bestimmt seither die Eingruppierung der Klägerin, ohne dass es darauf ankommt, ob die spätere Übertragungsanordnung billigenswert und damit wirksam ist.

C. Nach alledem hat das Rechtsmittel Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen angesichts der zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen zu den Grundsätzen für die Ermessensprüfung bei der Übertragung höherwertiger Tätigkeit nach § 24 BAT nicht vor.

Ende der Entscheidung

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