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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.08.2002
Aktenzeichen: 18 Sa 266/02
Rechtsgebiete: BUrlG, BAT


Vorschriften:

BUrlG § 7 Abs. 4
BAT § 51 Abs. 1 Unterabs. 1
BAT § 59 Abs. 1
BAT § 47 Abs. 7
Der tarifvertragliche Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 BAT setzt auch im Fall des Ausscheidens wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 59 Abs. 1 BAT die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs, d.h. Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers im Abgeltungszeitraum des § 47 Abs. 7 BAT, voraus.
Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 18 Sa 266/02

Verkündet am 21.08.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 21.08.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Knipp sowie die ehrenamtlichen Richter Kaiser und Petersen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.12.2001 - 4 Ca 1621/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zusteht.

Der Kläger war vom 01.07.1968 bis zum 31.12.2000 als Angestellter bei der beklagten Gemeinde, die 10.000 Einwohner hat, beschäftigt. Eingesetzt wurde er zuletzt als Leiter des Ordnungsamts. Vergütet wurde er aus der Vergütungsgruppe IV b BAT. Sein monatliches Bruttogehalt belief sich zuletzt auf 6.274,65 DM.

Der Kläger war in der Zeit vom 21.12.1999 bis zum 31.12.2000 durchgehend arbeitsunfähig krank. Mit Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 24.11.2000 (Bl. 19 d.A.) war dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zunächst befristet bis zum 31.12.2000 gewährt worden. Auf den Widerspruch des Klägers wurde ihm dann durch Bescheid vom 13.12.2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer bewilligt (Bl. 20 d.A.).

Mit Schreiben vom 16.01.2001 und vom 23.01.2001 verlangte der Kläger von der beklagten Gemeinde die Abgeltung von 35 Urlaubstagen für das Jahr 2000.

Die beklagte Gemeinde lehnte diesen Anspruch ab.

Mit der vorliegenden, am 19.07.2001 erhobenen Klage macht der Kläger den abgelehnten Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr gerichtlich geltend.

Der Kläger hat vorgetragen:

Ihm habe für das gesamte Kalenderjahr 2000 ein Urlaubsanspruch von insgesamt 35 Tagen zugestanden. 30 Tage ergäben sich aus dem Bundes-Angestelltentarifvertrag, der für das Anstellungsverhältnis maßgeblich sei, fünf weitere Tage stünden ihm als Schwerbehinderten zu. Ausgehend hiervon ergebe sich für ihn ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe der Klageforderung.

Er sei durchaus in der Lage gewesen, einen Teil seiner bisherigen Tätigkeit auch weiterhin zu erbringen. Maßgeblich sei in entsprechender Anwendung des § 44 SGB VI allein, ob er in der Lage gewesen sei, 1/7 der ursprünglichen Arbeitsleistung zu erbringen. Stünde ihm in diesem Fall kein Urlaubsabgeltungsanspruch zu, hätten die Regelungen in §§ 51 Abs. 1 Satz 3, 59 BAT keinen Anwendungsraum.

Der Kläger hat beantragt,

die beklagte Gemeinde zu verurteilen, an ihn 8.446,55 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus dem Nettobetrag seit dem 09.02.2001 zu zahlen.

Die beklagte Gemeinde hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beklagte Gemeinde hat vorgetragen:

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Abgeltungsanspruch nicht zu, da erkennbar nach der Änderung mit dem 55. Änderungstarifvertrag zum BAT vom 09.01.1987 der vormals in § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 BAT enthaltene Satz "oder wenn der Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann" mit Wirkung zum 01.01.1987 gestrichen worden sei.

Im Übrigen werde bestritten, dass der Kläger in dem in Rede stehenden Übergangszeitraum gemäß § 47 Abs. 7 BAT jemals wieder arbeitsfähig gewesen sei. Soweit der Kläger vortrage, zumindest einen Teil seiner Arbeitsleistung habe er erbringen können, so sei gleichwohl von vollständiger Arbeitsunfähigkeit auszugehen, da sie nicht verpflichtet gewesen sei, Teilleistungen entgegenzunehmen.

Das Arbeitsgericht ist der Auffassung der beklagten Gemeinde gefolgt und hat durch Urteil vom 07.12.2001 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat es auf 8.446,55 DM festgesetzt.

Gegen dieses ihm am 17.01.2002 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am Montag, den 18.02.2002 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.04.2002 am 18.04.2002 begründet.

Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Er stützt sich weiter auf seine erstinstanzlich vorgetragene Auffassung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.12.2001 - 4 Ca 1621/01 - abzuändern und die beklagte Gemeinde zu verurteilen, an ihn 8.446,55 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus dem Nettobetrag seit dem 09.02.2001 zu zahlen.

Die beklagte Gemeinde beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 07.12.2001 - 4 Ca 1621/01 - zurückzuweisen.

Die beklagte Gemeinde verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Dem Kläger steht der begehrte Abgeltungsanspruch für 35 Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2000 nicht zu, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

1. Wie der Kläger richtig sieht, ist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2000 wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 59 Abs. 1 BAT) der Urlaubsabgeltungsanspruch für das Urlaubsjahr 2000 gemäß § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und 3 BAT entstanden.

a) Der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs entsteht nach § 7 Abs. 4 BUrlG unabhängig von einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit des Arbeitnehmers (vgl. grundlegend BAG, Urteil vom 14.05.1986 - 8 AZR 604/84 - NZA 1986, 834).

b) Dies gilt auch für den Bereich des BAT nach § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT.

aa) Zwar entspricht der Wortlaut des § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT den gesetzlichen Anforderungen nur teilweise.

Während § 7 Abs. 4 BUrlG alle Beendigungstatbestände des Arbeitsverhältnisses erfasst, wird in § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT als Anknüpfungspunkt für den Abgeltungsanspruch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die Beendigung durch Auflösungsvertrag, die Beendigung wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nach § 59 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 BAT genannt. Andere Beendigungstatbestände wie z.B. das Erreichen der Altersgrenze (§ 60 BAT) oder das Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrags (vgl. Nr. 9 Abs. 1 und 2 der Sonderregelung 2 y) sind dem Wortlaut der Tarifnorm nicht zu entnehmen.

bb) Eine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung ist von den Tarifvertragsparteien aber nicht gewollt.

Es fehlt gerade die Regelung, dass bei den anderen nicht genannten Beendigungstatbeständen kein Abgeltungsanspruch bestehen soll. In den nicht genannten Fällen ist § 7 Abs. 4 BUrlG unmittelbar anzuwenden, was in der Rechtsfolge zu dem Ergebnis führt, dass in § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT keine von der Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung gewollt ist.

2. Der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers ist jedoch mit Ablauf des Übertragungszeitraums nach § 47 Abs. 7 BAT erloschen, weil er wegen der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllbar war.

a) Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG kann nur erfüllt werden, wenn der Arbeitnehmer bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer seines Urlaubs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können.

Die Erfüllbarkeit des den Urlaubsanspruch ersetzenden Urlaubsabgeltungsanspruchs setzt die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers voraus. Wer arbeitsunfähig krank ist, kann durch Urlaubserteilung von seiner Arbeitspflicht nicht mehr befreit werden (vgl. BAG, Urteil vom 26.05.1992 - 9 AZR 172/91 - NZA 1993, 29; BAG, Urteil vom 08.02.1994 - 9 AZR 332/92 - NZA 1994, 853; BAG, Urteil vom 05.09.1995 - 9 AZR 455/94 - ZTR 1996, 28).

b) Für den tarifvertraglichen Urlaubsabgeltungsanspruch des § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT gilt nichts anderes.

Die bis zum 31.12.1986 geltende Fassung in § 51 Abs. 1 Satz 3 BAT enthielt eine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Bestimmung, nach der Urlaub auch dann abzugelten war, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnte. Mit dem 55. Änderungstarifvertrag vom 09.01.1987 sind die tariflichen Sonderregelungen wieder aufgehoben worden.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 BAT nicht entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien mit dieser Regelung gewollt haben, dass einem Arbeitnehmer, der nach § 59 Abs. 1 BAT aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, der Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht, auch wenn er weiterhin arbeitsunfähig krank ist.

aa) Die Tarifvertragsparteien können nach § 13 Abs. 1 BUrlG eine von § 7 Abs. 4 BUrlG günstigere Regelung treffen und dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf die Erfüllbarkeit Urlaubsabgeltung gewähren. Der Wille der Tarifvertragsparteien, anstelle einer Urlaubsabgeltung nach gesetzlichem Vorbild eine Abfindung der noch offenen Urlaubsansprüche zu gestatten, muss dann in der Norm seinen erkennbaren Niederschlag gefunden haben (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 26.05.1992 - 9 AZR 172/91 - NZA 1993, 29).

bb) Daran fehlt es hier.

Wie schon oben dargelegt haben die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 BAT keine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung gewollt. Nach dem Aufbau der tariflichen Vorschrift ordnet die Aufzählung in § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 BAT die Rechtsfolge des § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 und 2 BAT u.a. auch für den Fall der Erwerbsunfähigkeit an ("Entsprechendes gilt..."). Eine von den Abgeltungsgrundsätzen des § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Besserstellung der erwerbsunfähigen Arbeitnehmer enthält diese Vorschrift nicht. § 51 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 BAT ordnet nur eine Gleichstellung an. Auch im Fall des Ausscheidens nach § 59 Abs. 1 BAT soll grundsätzlich ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehen. Eine darüber hinausgehende Regelung enthält diese Vorschrift nicht. Das weitere Schicksal des entstandenen Urlaubsabgeltungsanspruchs richtet sich nach den allgemeinen Urlaubsgrundsätzen des Bundesurlaubsgesetzes und des Bundes-Angestelltentarifvertrags.

Hätten die Tarifvertragsparteien eine Urlaubsabgeltung ohne Rücksicht auf die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs ermöglichen wollen, hätten sie angesichts der ihnen bekannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Bestimmung getroffen, der eine entsprechende Regelung hätte entnommen werden können. Sie hätten also eine eindeutige tarifliche Bestimmung über den Erhalt des Abgeltungsanspruchs bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit treffen müssen. Eine solche Aussage enthielt die bis zum 31.12.1986 geltende Fassung in § 51 Abs. 1 Satz 3 BAT, nach der Urlaub auch dann abzugelten war, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnte. Mit dem 55. Änderungstarifvertrag vom 09.01.1987 sind die tariflichen Sonderregelungen aufgehoben worden. Die Streichung der abweichenden Bestimmung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien ab 01.01.1987 keine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung zu Gunsten eines weiterhin arbeitsunfähig kranken Arbeitnehmers gewollt haben.

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es auch nicht ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer erwerbsunfähig, zugleich dennoch arbeitsfähig ist.

Der sozialrechtliche Begriff Erwerbsunfähigkeit setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer seine bisherige vertraglich geschuldete Tätigkeit überhaupt nicht mehr ausüben kann (vgl. BAG, Urteil vom 14.05.1986 - 8 AZR 604/84 - AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung und BAG, Urteil vom 20.04.1989 - 8 AZR 621/87 - AP Nr. 48 zu § 7 BUrlG Abgeltung).

3. Mit Ablauf des Abgeltungszeitraums nach § 47 Abs. 7 BAT ist der Anspruch des Klägers erloschen.

Der Urlaubsanspruch konnte in diesem Zeitraum durch die beklagte Gemeinde nicht erfüllt werden, da der Kläger auch nach seinem Ausscheiden die Arbeitsfähigkeit nicht wieder erlangt hat, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. Der Kläger hat diese Ausführungen des Arbeitsgerichts, auf die gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. verwiesen wird, mit der Berufung nicht angegriffen.

II. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Die streitigen Rechtsfragen sind durch die angeführten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts schon entschieden worden.

Ende der Entscheidung

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