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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 18 Sa 302/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 125 Satz 1
BGB § 126 Abs. 1
BGB § 623
Neben der Klarstellungs- und Beweisfunktion hat der gesetzliche Schriftformzwang aus § 623 BGB auch eine Warnfunktion.

Diese Warnfunktion kann bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers durch Blankounterschrift nur zum Tragen kommen, wenn die Ermächtigung zur Ausfüllung des Blanketts von dem Arbeitnehmer schriftlich erteilt wird.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 08.11.2007 - 4 Ca 1351/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch eine Eigenkündigung des Klägers beendet worden ist.

Die Beklagte beschäftigt in ihren Werken in B1 und L1 32 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist nicht gewählt.

Der am 19.06.1966 geborene, verheiratete Kläger hat zwei Kinder. Seit dem 01.10.1990 ist er bei der Beklagten als Maschinenarbeiter tätig. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 2.200,-- €.

Am 29.05.2007 wurde der Kläger angewiesen, am nächsten Tag seine Arbeitsleistung bei dem Schwesterunternehmen der Beklagten P1 & G3 in B1 zu verrichten. Der Kläger nahm am 30.05.2007 die Arbeit bei der Firma P1 & G3 auf. Ihm wurde die Bedienung von vier Maschinen zugewiesen. Eine zusätzliche Hilfe erhielt er nicht. Als der Kläger sah, dass die Arbeitnehmer der Firma P1 & G3 nicht arbeiteten, sondern Kaffee tranken, verließ er aus Verärgerung seinen Arbeitsplatz und ging nach Hause.

Nach cirka ein bis zwei Stunden rief der Betriebsleiter, der Zeuge K1, den Kläger an und forderte ihn auf, in den Betrieb der Beklagten zu kommen. Der Kläger erschien einige Zeit später im Jogginganzug in Begleitung seiner Ehefrau. Das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen K1 eskalierte schließlich, wobei der Ablauf im Einzelnen streitig ist. Der Kläger erklärte etwa sinngemäß: "Wenn Du keine Lust mehr hast, mit mir zu arbeiten, dann gib mir die Kündigung." Dies lehnte der Zeuge K1 ab. Letztlich unterschrieb der Kläger ein leeres Blatt, wozu die Beklagte behauptet, es habe sich um ein Blatt mit dem Firmenkopfbogen der Beklagten gehandelt. Der Kläger verließ dann das Firmengelände.

Am 05.06.2007 nahm der Kläger seine Arbeit wieder auf. Nach cirka einer Stunde erschien der Zeuge K1 und händigte dem Kläger ein Schriftstück mit dem Datum 30.05.2007 aus, welches die Unterschrift des Klägers trägt und vom Inhalt her eine Eigenkündigung des Klägers enthält.

Mit Schreiben vom 15.06.2007 erklärte der Kläger die Anfechtung der im Schreiben vom 30.05.2007 enthaltenen Erklärung mit der Begründung, er habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden. Lediglich aufgrund der vorausgegangenen Auseinandersetzung sowie seiner Erregung und der Belastung aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes seiner Tochter habe er seine Unterschrift auf ein weißes Blatt Papier geschrieben.

Die vorliegende Klage hat der Kläger am 18.06.2007 erhoben.

Der Kläger hat behauptet, er habe am 30.05.2007 lediglich erklärt, man solle ihm kündigen. Er habe keine Zeit mehr gehabt, da er mit seiner Frau seine Tochter ins Krankenhaus habe bringen müssen. Er habe dann ein Blatt Papier verlangt und darauf seine Unterschrift gesetzt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch eine "Kündigung" der Beklagten mit dem 30.05.2007 sein Ende gefunden hat, sondern weiter fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe am 30.05.2007 erklärt, man solle ihm die Papiere fertig machen und ihm kündigen. Dies habe sie abgelehnt und auf eine Eigenkündigung verwiesen. Dem Kläger sei hierfür ein Blatt zur Verfügung gestellt worden. Der Kläger habe dann erklärt, er habe keine Zeit, er werde unterschreiben, oben könne man einsetzen was man wolle. Dementsprechend sei oberhalb der Unterschrift die Eigenkündigung des Klägers eingesetzt worden.

Durch Urteil vom 08.11.2007 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits sind den Parteien je zur Hälfte auferlegt worden. Der Streitwert ist auf 13.200,-- € festgesetzt worden.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, das Arbeitsverhältnis bestehe fort. Es sei durch eine Eigenkündigung des Klägers vom 30.05.2007 nicht beendet worden. Die Beklagte habe das Blankett ausgefüllt ohne eine eindeutige Ermächtigung des Klägers zur Ausfüllung des Blanketts. Sinn und Zweck der Schriftform für Kündigungserklärungen sei gerade, den Arbeitnehmer vor übereilten Erklärungen zu schützen. Dieser Schutzzweck erfordere im Falle der Blankounterschrift für eine Kündigungserklärung eine eindeutige Absprache zur Ausfüllung des Blanketts. Diese liege nicht vor. Durch den Wortlaut der behaupteten Ermächtigung "er müsse kündigen, man könne einsetzen was man wolle", ergebe sich keine eindeutige Ermächtigung zum Ausfüllen des Blanketts. Insbesondere sei völlig offen gewesen, ob eine fristgerechte oder fristlose Eigenkündigung gewollt war.

Gegen dieses ihr am 31.11.2007 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat die Beklagte am 21.12.2007 Berufung eingelegt und diese am 30.01.2008 begründet.

Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil an, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Beklagte stützt die Berufung maßgeblich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist der Auffassung, die Ermächtigung zum Ausfüllen des Blanketts sei eindeutig gewesen. Der Kläger habe zwar gesagt, dass man über seine Unterschrift setzen könne was man wolle. Er habe aber auch eindeutig geäußert, dass er nicht mehr für die Beklagte arbeiten wolle und dass man seine Papiere fertig machen solle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 08.11.2007 - 4 Ca 1351/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 08.11.2007 - 4 Ca 1351/07 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht unverändert fort, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat.

Durch das von der Beklagten vorgelegte Schreiben vom 30.05.2007 ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst worden.

1. Legt man wie die Beklagte das Schreiben vom 30.05.2007 als Eigenkündigung des Klägers aus, so ist diese nach § 623 BGB i.V.m. § 125 Satz 1 BGB unwirksam, wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat.

a) Nach § 623 BGB bedürfen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Ist durch Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB). Die Unterschrift stellt eine unzweideutige Verbindung zwischen der Urkunde und dem Aussteller her (BAG, 24.01.2008 - 6 AZR 519/07, NZA 2008, 521; BAG, 21.04.2005 - 2 AZR 162/04, NZA 2005, 865).

Grundsätzlich reicht zur Wahrung der Schriftform auch eine Blankounterschrift (BGH, 31.10.1996 - V ZR 177/95, BGHZ 22, 128; BGH, 20.11.1990 - XI ZR 107/89, NJW 1991, 487; Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl., § 126 Rz. 6; bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses: KR-Spilger, 8. Aufl., § 623 BGB, Rdnr. 101; zur Schriftformregelung des § 14 Abs. 4 TzBfG: LAG Baden-Württemberg, 30.03.2007 - 9 Sa 4/07 - NZA-RR 2008, 66).

b) Aus dem Schutzzweck der Formvorschrift des § 623 BGB ergibt sich aber im Falle der Blankounterzeichnung einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers, dass die Ermächtigung zur Ausfüllung des Blanketts der Schriftform bedarf (vgl. zur Bürgschaft nach § 766 Satz 1 BGB: BGH, 29.02.1996 - IX ZR 153/95, NJW 1996, 1467; BGH, 20.03.1997 - IX ZR 83/96, NJW 1997, 1779; zum Lebensversicherungsvertrag nach § 159 Abs. 2 Satz 1 VVG (jetzt § 150 Abs. 2 VVG n.F.): BGH, 17.12.1998 - IX ZR 1/98, NJW 1999, 953; zum Verbraucherkreditvertrag nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VerbrKrG (jetzt §§ 492 Abs. 1 Satz 1, 499, 501 BGB): BGH, 19.05.2005 - III ZR 240/04, NJW RR 2005, 1141; BGH, 29.02.1996 - IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119) und der Inhalt der einzutragenden Erklärung eindeutig in der Ermächtigung erklärt ist.

aa) Der Gesetzgeber will mit § 623 BGB größtmögliche Rechtssicherheit gewährleisten. Der Schriftform kommt eine Klarstellungs- und Beweisfunktion über die Erklärung einer Kündigung und deren Inhalt zu (vgl. BAG, 23.11.2006 - 6 AZR 394/06, NZA 2007, 466; BAG, 19.01.2006 - 6 AZR 638/04, NZA 2007, 97; KR-Spilger, 8. Aufl., § 623 BGB Rz. 16).

Darüber hinaus entfaltet der Schriftformzwang eine Warnfunktion (BAG, 19.01.2006, a.a.O.; ErfK/Müller/Glöge, 8. Aufl., Rdnr. 1; KR-Spilger, 8. Aufl., § 623 BGB Rz. 16).

Wer gehalten ist, seine Willenserklärung schriftlich niederzulegen und zu unterschreiben, hat mehr Zeit und Veranlassung, darüber nachzudenken, ob er die angestrebte Rechtsfolge tatsächlich will. Zu berücksichtigen ist, dass für den größten Teil aller Arbeitnehmer der Arbeitsplatz die einzige Einnahmequelle und damit Existenzgrundlage für sich und ihre Familien ist. Die Abfassung einer schriftlichen Eigenkündigung gibt dem Erklärenden Gelegenheit, seinen spontanen Kündigungsentschluss zumindest noch einmal zu überdenken. Damit schützt die gesetzliche Schriftform vor Übereilung. Sie will es dem Kündigenden schon vor der Unterschriftsleistung schwarz auf weiß bewusst machen, worauf er sich einlässt und welche Rechtsfolgen dieser Schritt hat. Diese Warnfunktion kann nicht zum Tragen kommen bei der Unterzeichnung einer Eigenkündigung durch Blankounterschrift.

Der Schutzzweck des § 623 BGB kann bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers nur erreicht werden, wenn auch die Ermächtigung zur Ausfüllung des Blanketts schriftlich von dem Arbeitnehmer erteilt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Ermächtigung zur Ausfüllung des Blanketts bei der Eigenkündigung dem Kündigungsempfänger, dem Arbeitgeber, erteilt wird.

Da dem Zeugen K1 eine schriftliche Ermächtigung zur Ausfüllung des Blanketts von dem Kläger nicht erteilt worden ist, konnte er auch nicht - dem Kläger gegenüber wirksam - den Text der Kündigungserklärung in das Blankett eintragen.

bb) Wie schon oben dargelegt, kommt der Schriftform eine Klarstellungs- und Beweisfunktion über die Erklärung einer Kündigung und deren Inhalt zu.

Dieser gebotenen Funktion kann im Rahmen der Blankounterzeichnung einer Eigenkündigung nur gerecht werden, wenn auch eine klare und eindeutige Ermächtigung zur Ausfüllung des Blanketts vorliegt.

Eine solch eindeutige Ermächtigung liegt nicht vor, wie das Arbeitsgericht zutreffend gesehen hat.

Auch wenn der Kläger in der verbalen Auseinandersetzung vor Leistung der Blankounterschrift erklärt hat, er wolle nicht mehr bei der Beklagten arbeiten, so hatte er eindeutig zum Schluss vor Abgabe der Blankounterschrift erklärt, "oben könne man einsetzen was man wolle". Der Inhalt einer solchen Ermächtigung ist in keiner Weise bestimmt genug für die Ausfüllung des Blanketts mit einer fristlosen Eigenkündigungserklärung des Arbeitnehmers.

c) Da die Eigenkündigung vom 30.05.2007 nicht der gesetzlichen Form des § 623 BGB genügt, ist sie nach § 125 Satz 1 BGB nichtig.

2. Der Kläger verstößt auch nicht gegen T1 und Glauben (§ 242 BGB), wenn er sich auf die Formunwirksamkeit beruft.

Der Formmangel eines Rechtsgeschäftes ist nur ganz ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung beachtlich, weil sonst die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts ausgehöhlt würden. Tatsachen, die eine Ausnahme rechtfertigen, sind von der Beklagten nicht vorgetragen.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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