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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: 18 Sa 520/06
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 611 Abs. 1
BetrVG § 77 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 01.03.2006 - 1 Ca 1399/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über restliche zusätzliche Urlaubsvergütung des Klägers aus dem Kalenderjahr 2005.

Der am 05.07.1964 geborene Kläger ist seit dem 01.01.1997 als Leiter der EDV-Abteilung im Betrieb der Beklagten tätig. Zuletzt erzielte er ein Bruttogehalt in Höhe von 4.147,16 €.

Grundlage des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ist der Arbeitsvertrag vom 21.11.1996 (Bl. 6 ff. d. A.), in dem u.a. Folgendes vereinbart wurde:

4. Vergütung

...

Dem Arbeitnehmer steht das 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgratifikation zu (bei Eintritt im laufenden Jahr anteilig). Das Weihnachtsgeld wird mit der November-Abrechnung ausgezahlt.

Als Urlaubsvergütung wird 50 % des Bruttogehaltes als vereinbart angesehen, die Auszahlung erfolgt mit der Juni-Abrechnung (bei Eintritt im laufenden Jahr anteilig).

6. Urlaub

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. Die Urlaubszeit wird unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten und soweit möglich auch mit Rücksicht auf die Wünsche des Arbeitnehmers festgelegt. Zur Zeit hat der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch auf 30 Urlaubstage.

...

Am 21.12.2004 kam es zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung für ein betriebliches Bündnis zur Sicherung der Arbeitsplätze in der Unternehmensgruppe der KMG Rohrtechnik, in der u.a. Folgendes vereinbart wurde:

Aufgrund der gegenläufigen Auftrags- und Kostenentwicklung kann das Unternehmen nur fortgeführt werden, wenn im Bereich der variablen Kosten, die im Wesentlichen die Personalkosten betreffen, erhebliche Einsparungen erfolgen. Dazu wird Folgendes vereinbart:

...

2. Vergütung

a. Löhne und Gehälter werden bis zum 31.03.2006 eingefroren.

b. Das 13. Monatseinkommen/Sonderzahlungen für die Jahre 2004 bis 2006 entfallen.

...

Unterzeichnet wurde die Vereinbarung von der Firma K1x R1xxxxxxxxx GmbH, der Firma K1x R2xxxxxxx und I1xxxxxxxx GmbH, dem B3xxxxxxxxxxxxxxxxx N1x e.V., Geschäftsstelle B4xxxxxxx, den Betriebsräten der Firma K1x R1xxxxxxxxx GmbH, dem Gesamtbetriebsrat der Firma K1x R1xxxxxxxxx GmbH und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Bezirksverband OWL.

Für das Jahr 2005 zahlte die Beklagte an den Kläger mit der Abrechnung für Juni 2005 als zusätzliches Urlaubsgeld 703,-- € brutto, ferner reduzierte sie den Jahresurlaub nach der Abrechnung für das Jahr 2005 auf 25 Tage.

Der Kläger hat die mit der Klage verfolgten Ansprüche mit Schreiben vom 08.08.2005 der Beklagten gegenüber geltend gemacht.

Nach der Ablehnung der Beklagten vom 16.08.2005 hat der Kläger am 24.08.2005 die vorliegende Klage erhoben.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.307,58 € brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2005 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Urlaubsjahr 2005 20 Tage Erholungsurlaub und für das Urlaubsjahr 2006 30 Tage Erholungsurlaub zu gewähren.

3. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm für das Jahr 2005 Erholungsurlaub im Umfang von noch 20 Arbeitstagen und für das Jahr 2006 Erholungsurlaub im Umfang von 30 Arbeitstagen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger verhalte sich widersprüchlich, wenn er einerseits als Betriebsratsmitglied und Mitglied des Gesamtbetriebsrates an dem am 21.12.2004 geschlossenen Bündnis für Arbeit mitgewirkt habe und auch als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates die Betriebsvereinbarung unterschrieben habe und dieses nun angreife.

Durch Teilurteil vom 01.03.2006 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger das begehrte Resturlaubsgeld in Höhe von 1.307,58 € brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2005 zu zahlen. Den Streitwert hat es auf 1.307,58 € festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Betriebsvereinbarung vom 21.12.2004 sei nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.

Gegen dieses ihm am 14.03.2006 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Teilurteil hat die Beklagte am 21.03.2006 Berufung eingelegt und diese am 15.05.2006 begründet.

Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Teilurteil insgesamt an. Sie stützt die Berufung maßgeblich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 01.03.2006 - 1 Ca 1399/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 01.03.2006 - 1 Ca 1399/05 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Dem Kläger steht der begehrte Restanspruch auf das Urlaubsgeld für das Jahr 2005 in Höhe von 1.307,58 € gemäß Ziffer 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrages vom 21.11.1996 zu, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

I. Der Urlaubsgeldanspruch ist nicht gemäß Ziffer 2 b der Betriebsvereinbarung vom 21.12.2004 entfallen.

Nach der Bestimmung in Ziffer 2 b der Betriebsvereinbarung entfallen das 13. Monatsgehalt/Sonderzahlungen für die Jahre 2004 bis 2006.

1. Die Regelung in Ziffer 2 b der Betriebsvereinbarung ist schon wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des Vorrangs des Tarifvertrages nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.

Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarung ausdrücklich zulässt (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 30.05.2006 - 1 AZR 111/04 -). Das zusätzliche Urlaubsgeld ist im Rahmentarifvertrag für Angestellte und Poliere des Baugewerbes (RTV Angestellte/Poliere) in Ziffer 6 ausdrücklich geregelt. Die Beklagte ist im Baugewerbe tätig. Sie selbst ist Mitglied des Bauindustrieverbandes NRW e.V..

Den Betriebsparteien des Betriebes der Beklagten war es danach nicht erlaubt, in der Betriebsvereinbarung vom 21.12.2004 vom Tarifvertrag zu Ungunsten der Arbeitnehmer abweichende Regelungen zu treffen. Der RTV Angestellte/Poliere enthält bezüglich der Urlaubsvergütung keine Öffnungsklausel.

2. Bei der Betriebsvereinbarung vom 21.12.2004 handelt es sich nicht um einen Tarifvertrag.

Auch wenn die zuständige Gewerkschaft und der zuständige Arbeitgeberverband die Vereinbarung mitunterzeichnet haben, wollten die Parteien aber eine Betriebsvereinbarung abschließen, wie sich schon aus der eindeutigen Überschrift ergibt. Im Übrigen ist für die Bindung an einen Tarifvertrag weiter zu beachten, dass der Kläger nicht Mitglied der mitunterzeichnenden Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt ist (vgl. im Übrigen LAG Hamm, Urteil vom 04.08.2006 - 10 Sa 381/06 -).

II. Auch wenn die Betriebsvereinbarung wirksam wäre, so ist durch die Regelung in Ziffer 2 b die mit der Klage geltend gemachte Urlaubsvergütung nach Ziffer 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrages nicht entfallen.

Nach Ziffer 2 b der Betriebsvereinbarung entfallen das 13. Monatseinkommen/ Sonderzahlungen für die Jahre 2004 bis 2006. Der vertragliche Anspruch des Klägers auf Zahlung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung von 50 % des Bruttogehaltes nach Ziffer 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrages wird von der Regelung der Ziffer 2 b der Betriebsvereinbarung nicht erfasst. Die vereinbarte Urlaubsvergütung fällt nicht unter den Begriff Sonderzahlungen. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem Zusammenhang mit der Regelung des 13. Monatsgehaltes in Ziffer 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages. Während das 13. Monatsgehalt als Gratifikation gezahlt wird, ist das zusätzliche Urlaubsgeld von 50 % eines Bruttolohnes ausdrücklich als Urlaubsvergütung zu zahlen. Mit dem Begriff Sonderzahlungen haben die Parteien der Betriebsvereinbarung einen Begriff verwendet, der mit den Begriffen der vertraglichen Vereinbarung nicht identisch ist und den Anspruch auf die vertraglich vereinbarte zusätzliche Urlaubsvergütung nicht erfasst.

III. Der Kläger kann sich auch darauf berufen, dass die Regelungen der Betriebsvereinbarung unwirksam sind.

Der Kläger handelte schon nicht widersprüchlich, da er als gesetzlicher Vertreter des Gesamtbetriebsrates die Betriebsvereinbarung vom 21.12.2004 unterschrieben hat. Der Beklagten war dies bekannt. So konnte durch sein Handeln als Vertreter des Gesamtbetriebsrates schon kein Vertrauenstatbestand gegenüber der Beklagten entstehen.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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