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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.03.2007
Aktenzeichen: 18 Sa 685/06
Rechtsgebiete: EFZG, MTV, BGB, BUrlG


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 4
EFZG § 12
MTV für die AN in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW vom 26.04.2005 § 7 Ziff. 4
MTV für die AN in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW vom 26.04.2005 § 9 Ziff. 9 Satz 2
BGB § 611 Abs. 1
BUrlG § 1
BUrlG § 11 Abs. 1
BUrlG § 13 Abs. 1
Die Öffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EFZG lässt zu, dass die Tarifvertragsparteien sowohl den Geld- als auch den Zeitfaktor der gesetzlichen Berechnungsweise des § 4 Abs. 1 EFZG abändern können.

Durch die Beschränkung der Entgeltfortzahlung auf den Vergütungsanspruch für höchstens 48 Stunden wöchentlich in § 7 Ziffer 4 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW vom 26.04.2005 wird der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht in seiner Substanz angetastet.

Die Begrenzung der Urlaubsentgeltzahlung auf höchstens 48 Stunden wöchentlich in § 9 Ziffer 9 Satz 2 MTV für gewerbliche Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW vom 26.04.2005 verstößt, soweit der gesetzliche Mindesturlaub beschränkt wird, gegen § 1 BUrlG.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.03.2006 - 1 (3) Ca 2333/05 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 687,83 € brutto zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.07.2005.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/2 und der Beklagten zu 1/2 auferlegt.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 01.07. bis 12.07.2005 und über Resturlaubsvergütungsansprüche für die Zeit vom 13.07. bis 29.07.2005 und für die Zeit vom 26.09. bis 30.09.2005.

Der am 04.10.1949 geborene Kläger ist seit dem 08.03.1977 bei der Beklagten als Kraftfahrer im Fernverkehr tätig. Die Beklagte betreibt ein Transportunternehmen und beschäftigt cirka 60 Arbeitnehmer, darunter 38 Kraftfahrer, von denen 25 im Fernverkehr tätig sind. Der Kläger ist Mitglied des für den Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrates.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die tariflichen Vorschriften für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft NRW Anwendung, so auch der Manteltarifvertrag vom 26.04.2005 (MTV), in dem u.a. Folgendes geregelt ist:

§ 7

Freistellung und Entgeltfortzahlung

...

4. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach den gesetzlichen Bestimmungen, höchstens jedoch für 48 Stunden wöchentlich.

...

§ 9

Urlaub

...

9. Die Urlaubsvergütung ist auf Verlangen bei Antritt des Urlaubs im Voraus zu zahlen. Das Urlaubsentgelt wird aufgrund der gesetzlichen Regelung, allerdings höchstens für 48 Stunden wöchentlich berechnet.

...

Die Beklagte zahlt an die Kraftfahrer im Fernverkehr pro Schicht einen Schichtlohn, der zum Zeitpunkt der Freistellung zu Urlaubszwecken, die Gegenstand des Rechtsstreits ist, 149,10 € betrug. Dieser Schichtlohn ist in der Betriebsvereinbarung vom 28.09.2002 festgehalten. Er basiert auf einer Arbeitszeit von 14,88 Stunden, die mit dem Tariflohn vergütet werden.

Mit Aushang vom 25.07.2005 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern u.a. Folgendes mit:

Als wesentliche Neuerung haben die Tarifvertragsparteien geregelt, dass der Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltfortzahlung (z.B. im Krankheitsfall) und das Urlaubsentgelt entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu berechnen ist, allerdings höchstens für 48 Stunden wöchentlich. Dies entspricht bei fünf Arbeitstagen pro Woche einer maximalen Berechnungsgröße von 9,6 Stunden täglich. Diesen Grenzwert werden wir ab 01.07.2005 entsprechend anwenden, sofern die Durchschnittsberechnung nicht zu einem niedrigen Ergebnis führt. Von der Neuregelung sind sowohl die Mitarbeiter, deren Lohnabrechnungen auf Stundenbasis erfolgt als auch die Schichtlohnfernfahrer betroffen, da es sich beim Schichtlohn um die Vergütung einer pauschalen Stundenzahl auf Stundenlohnbasis handelt (15 Stunden bzw. seit der Kürzungsregelung aufgrund Betriebsvereinbarung vom 28.09.2002 noch 14,88 Stunden täglich.

Im Jahre 2005 erteilte die Beklagte dem Kläger insgesamt an folgenden Tagen Urlaub:

11.02.2005 1 Tag

29.03.2005 bis 01.04.2005 4 Tage

06.05.2005 1 Tag

27.05.2005 1 Tag

13.07.2005 bis 29.07.2005 13 Tage

26.09.2005 bis 30.09.2005 5 Tage

06.10.2005 bis 07.10.2005 2 Tage

In der Zeit vom 01.07. bis 12.07.2005 war der Kläger arbeitsunfähig krank.

Die Beklagte rechnete die nach dem 01.07.2005 gezahlte Urlaubsvergütung und Entgeltfortzahlung mit einem Tagessatz von 96,19 € ab.

Mit der vorliegenden, am 08.09.2005 erhobenen Klage hat der Kläger die Differenzvergütung für die Zeit der Krankheit vom 01.07. bis 12.07.2005 (acht Tage) und für die Zeit des Urlaubs vom 13.07. bis 29.07.2005 (13 Tage) und für die Zeit des Urlaubs vom 26.09. bis 30.09.2005 (fünf Tage) gerichtlich geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er von der tariflichen Begrenzung der Entgeltfortzahlung und der Urlaubsvergütungszahlung auf 48 Stunden wöchentlich nicht betroffen sei, da seine tägliche Arbeitszeit mit einem pauschalen Schichtlohn von 149,10 € vergütet werde.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.111,11 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2005 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 264,55 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.09.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Vorschrift des § 9 Ziffer 9 MTV und des § 7 Ziffer 4 MTV komme auch auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Anwendung. Diese tariflichen Vorschriften würden nicht danach differenzieren, ob ein Arbeitnehmer im Stundenlohn oder nach einem pauschalen Schichtlohn vergütet werde.

Durch Urteil vom 03.03.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Der Streitwert ist auf 1.375,66 € festgesetzt worden.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass nach § 7 Ziffer 4 MTV und § 9 Ziffer 9 MTV die Urlaubsvergütung auf 48 Stunden beschränkt ist, unanhängig davon, ob Arbeitnehmer im Zeitlohn oder im Schichtlohn stehen.

Gegen dieses ihm am 06.04.2006 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 19.04.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.07.2006 am 23.06.2006 begründet.

Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Er stützt die Berufung auch weiterhin maßgeblich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.03.2006 - 1 (2) Ca 2333/05 - abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.111,11 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2005 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 264,55 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.03.2006 - 1 (3) Ca 2333/05 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Das Landesarbeitsgericht hat bei den Tarifvertragsparteien des Manteltarifvertrages vom 26.04.2005 eine Tarifauskunft eingeholt (Bl. 106 d.A.). Wegen des Inhaltes der Auskünfte der Tarifvertragsparteien wird auf Bl. 118 bis 121, 125 und Bl. 138 f f d.A. verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen. Wegen des Vortrags der Parteien in der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen auf die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

I. Dem Kläger steht als Restvergütung für den von der Beklagten in der Zeit vom 13.07. bis 29.07.2005 gewährten Urlaub der Betrag von 687,83 € (13 Urlaubstage x 52.91 € Vergütungsdifferenz) zu. Im Übrigen hatte die Berufung keinen Erfolg.

I. Der Resturlaubsanspruch des Klägers für die 13 Urlaubstage in der Zeit vom 13.07. bis 29.07.2005 ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 11 Abs. 1 BUrlG, § 9 MTV.

1. Das Urlaubsentgelt ist die Fortzahlung der Arbeitsvergütung für die Urlaubszeit. Durch die Anordnung des "bezahlten" Urlaubs in § 1 BUrlG erhält der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Zahlung der vereinbarten Vergütung, auch wenn er wegen der Freistellung zu Urlaubszwecken die geschuldete Arbeitsleistung nicht leistet.

2. Der Kläger verlangt die Vergütung für den ihm zustehenden gesetzlichen Mindesturlaub.

Gewährt ein Arbeitgeber Urlaub, so ist dieser grundsätzlich zunächst auf den gesetzlichen Mindesturlaub anzurechnen. Demnach gelten die ersten 20 Urlaubstage des Jahres 2005 im vorliegenden Fall als gesetzliche Urlaubstage. Die Berechnung der Urlaubsvergütung erfolgt so nach § 11 Abs. 1 BUrlG. Nach der gesetzlichen Bestimmung in § 11 Abs. 1 BUrlG i.V.m. § 9 Ziffer 9 MTV ist der Berechnung der Urlaubsvergütung die Arbeitsvergütung zugrunde zu legen, die der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum jeweils als Gegenleistung für seine Tätigkeit in dem maßgeblichen Abrechnungszeitraum erhalten hat mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsentgelts.

3. Der Kläger hat im Referenzzeitraum eine Schichtvergütung von 149,10 € pro Schicht erzielt. Die Beklagte war so nach § 11 Abs. 1 BUrlG verpflichtet, dem Kläger diese Vergütung pro Urlaubstag in der Zeit des gewährten Urlaubs vom 13.07. bis 29.07.2005 zu zahlen. Tatsächlich gezahlt hat die Beklagte lediglich 96,19 €, so dass sich ein Differenzanspruch pro Urlaubstag in Höhe von 52,91 € ergibt.

II. Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkt sich der gesetzliche Urlaubsvergütungsanspruch des Klägers nicht gemäß § 9 Ziffer 9 MTV auf die Vergütung von 48 Stunden. Diese Regelung ist, soweit es sich um gesetzlichen Urlaub handelt, nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG unwirksam.

1. Nach § 13 Abs. 1 BUrlG können die Tarifvertragsparteien zwar von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers abweichen.

Ausgenommen sind aber die §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG. Dieses Verbot kann auch nicht durch einen mittelbaren Eingriff in die unabdingbaren Bestimmungen umgangen werden (vgl. BAG, Urteil vom 22.01.2002 - 9 AZR 611/00 - NZA 2002, 1042; BAG, Urteil vom 10.02.1966 - 5 AZR 408/65 - , BAGE 18, 129; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht 2. Aufl., § 13 BUrlG Rz. 57; ErfK/Dörner, 6. Aufl., § 13 BUrlG Rz. 46; Dersch/Neumann, BUrlG, 8. Aufl., § 13 Rz. 16).

2. Durch die Begrenzung des Urlaubsentgelts für höchstens 48 Stunden wöchentlich auch für den gesetzlichen Urlaub haben die Tarifvertragsparteien die ihnen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG eingeräumte Befugnis überschritten und gegen § 1 BUrlG verstoßen.

§ 1 BUrlG gewährt jedem Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf einen bezahlten Erholungsurlaub. "Bezahlt" ist der Erholungsurlaub, wenn der den Arbeitnehmern zustehende Lohnanspruch trotz Nichtleistung der Arbeit während des Urlaubs unberührt bleibt. Aus § 1 BUrlG ergibt sich die Verpflichtung, die durch die Freistellung zu Urlaubszwecken ausfallende Arbeitszeit zu vergüten (vgl. BAG, Urteil vom 22.01.2001 - 9 AZR 601/00 - NZA 2002, 1042; BAG, Urteil vom 12.01.1989 - 8 AZR 404/87 -, NZA 1989, 758). Diesen Zeitraum legt der sogenannte "Zeitfaktor" im Rahmen der Berechnung des Urlaubsvergütungsanspruchs fest. Während nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG der sogenannte Geldfaktor, der die Höhe der Urlaubsvergütung bestimmt, tarifdispositiv ist, gilt dies nicht für den Zeitfaktor (vgl. auch Friese Rz. 605 m.w.N.).

3. Die Regelung in § 9 Ziffer 9 Satz 2 MTV "das Urlaubsentgelt wird aufgrund der gesetzlichen Regelung, allerdings höchstens für 48 Stunden wöchentlich berechnet" beschränkt entsprechend den Zeitfaktor, auch wenn der Wortlaut von Berechnung spricht.

Aus dem Wortlaut lässt sich eindeutig entnehmen, dass für einen Arbeitsausfall durch die Freistellung zu Urlaubszwecken von mehr als 48 Stunden wöchentlich eine Vergütung nicht gezahlt werden soll, sondern die Vergütung pro Arbeitstag unabhängig von der tatsächlichen Arbeitszeit auf 9,6 Stunden täglich in der Fünftagewoche beschränkt sein soll.

III. Dagegen steht dem Kläger nach § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 9 Ziffer 9 Satz 2 MTV die mit der Klage verlangte weitere zusätzliche Urlaubsvergütung für die Zeit vom 26.09. bis 30.09.2005 nicht zu.

1. Die Urlaubstage, für die der Kläger weitere Vergütung verlangt, übersteigen den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch des Klägers für das Urlaubsjahr 2005.

a) Dieser beträgt nach § 3 BUrlG in der Fünftagewoche 20 Arbeitstage. Diese waren dem Kläger schon zuvor von der Beklagten gewährt und vergütet worden. Gewährt ein Arbeitgeber Urlaub, so ist dieser grundsätzlich zunächst auf den gesetzlichen Mindesturlaub anzurechnen (vgl. BAG, Urteil vom 12.01.1989 - 8 AZR 404/87 - NZA 1989, 758).

b) Für den Urlaub, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt, sind die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes nicht ohne Weiteres anwendbar. Das Bundesurlaubsgesetz regelt nur den gesetzlichen Mindesturlaub. Es steht sowohl den Arbeits- als auch den Tarifvertragsparteien frei, für weitergehende Urlaubsansprüche, auch hinsichtlich der Berechnung des Urlaubsanspruchs, eigenständige Regelungen zu treffen (vgl. BAG, Urteil vom 12.01.1989, a.a.O.; BAG, Urteil vom 22.01.2002 - 9 AZR 611/00 - NZA 2002, 1042). Im vorliegenden Fall haben die Tarifvertragsparteien den tariflichen Urlaubsanspruch in § 9 MTV geregelt. In § 9 Ziffer 9 Satz 2 MTV ist tariflich bestimmt, dass das Urlaubsentgelt aufgrund der gesetzlichen Regelung berechnet wird, allerdings höchstens für 48 Stunden wöchentlich.

2. Die Beschränkung der Urlaubsvergütung auf das Urlaubsentgelt für höchstens 48 Stunden wöchentlich in § 9 Ziffer 9 Satz 2 MTV kommt auf den tariflichen Urlaubsanspruch des Klägers, soweit dieser den gesetzlichen Urlaub übersteigt, zur Anwendung.

a) Mit Inkrafttreten der Urlaubsregelung in § 9 MTV (siehe § 17 Abs. 3 MTV) sind die vorher geltenden tariflichen Urlaubsregelungen abgelöst worden.

Die Tarifvertragsparteien haben bezüglich der Beschränkung in § 9 Ziffer 9 Satz 2 MTV hinsichtlich des tariflichen Urlaubs, der den gesetzlichen Urlaub überschreitet, nicht unzulässig in die Rechte des Klägers eingegriffen. Die Tarifvertragsparteien können die Arbeitsbedingungen den veränderten Verhältnissen anpassen. Wenn, wie hier, ein neuer Tarifvertrag einen Teil der bisherigen Berechnungsvorschriften für die Urlaubsvergütung modifiziert, dann gelten die neuen Tarifnormen für den Arbeitnehmer auch dann, wenn die alten tariflichen Bestimmungen für ihn günstiger waren als die neuen. Ein Anspruch auf Besitzwahrung besteht nicht (vgl. BAG, Urteil vom 22.02.2000 - 9 AZR 107/99 - NZA 2001, 268; BAG, Urteil vom 23.11.1994 - 4 AZR 879/93 - NZA 1995, 844).

b) Mit der Begrenzung des Urlaubsentgeltes auf die Vergütung von 48 Stunden wöchentlich haben die Tarifvertragsparteien, soweit es um den den gesetzlichen Urlaub überschreitenden Tarifurlaub geht, auch nicht das ihnen eingeräumte Ermessen überschritten.

Die Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 48 Stunden ergibt sich aus § 3 ArbZG. Die Arbeitszeit der Kraftfahrer ist in § 2 a II Ziffer 1 und 2 MTV geregelt. In § 2 a II Ziffer 2 MTV ist die monatliche Höchstarbeitszeit im Hinblick auf § 3 ArbZG auf 208 Stunden begrenzt worden. Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst dürfen monatlich 242 Stunden übersteigen. Durch die Begrenzung in § 9 Ziffer 9 Satz 2 MTV wird erreicht, dass die Bereitschaftszeiten, die nach § 21 a Abs. 3 ArbZG keine Arbeitszeit sind, bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes unberücksichtigt bleiben.

3. Der Kläger kann sich auch nicht auf eine im Vergleich zu der tariflichen Bestimmung günstigere arbeitsvertragliche Vereinbarung zur Stützung seines Anspruchs berufen.

Entgegen der Auffassung des Klägers erfasst die tarifliche Beschränkung in § 9 Ziffer 9 Satz 2 MTV auch den sogenannten Schichtlohn des Klägers bei der tariflichen Vergütung des Urlaubs, der den gesetzlichen Urlaubsanspruch übersteigt. Der Kläger kann sich nicht auf das Günstigkeitsprinzip berufen.

a) Unstreitig berechnet sich der sogenannte Schichtlohn aus dem Zeitfaktor 14,88/Stunde multipliziert mit dem tariflichen Stundenlohn.

Dieser Zeitfaktor ist zwischen den Parteien einvernehmlich bzw. durch Betriebsvereinbarung festgelegt worden. Es handelt sich um die Festlegung einer Berechnungsgrundlage bei schwankender Arbeitszeit. Die Vergütung des Zeitfaktors mit dem tariflichen Stundenlohn zeigt, dass die Parteien durch die Festlegung der Schichtstunden keine über den tariflichen Vergütungsanspruch hinausgehende Vergütung gewollt haben.

b) Im Übrigen unterscheidet die tarifliche Vorschrift schon vom Wortlaut her nicht zwischen Arbeitnehmern im Zeitlohn und Arbeitnehmern im Schichtlohn, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

IV. Des Weiteren ist der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 01.07. bis 12.07.2005 durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 96,19 € pro Krankheitstag durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

1. Nach § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.

a) § 4 Abs. 1 EFZG legt der Entgeltfortzahlung ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Maßgebend ist allein die individuelle Arbeitszeit des erkrankten Arbeitnehmers. Es kommt darauf an, welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist. Bei Schwankungen der individuellen Arbeitszeit ist zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeitszeit eine vergangenheitsbezogene Betrachtung zulässig und geboten (vgl. BAG, Urteil vom 21.11.2001 - 5 AZR 296/00 - NZA 2002, 439; BAG, Urteil vom 26.06.2002 - 5 AZR 153/01 - NZA 2003, 156).

b) Zwischen den Parteien besteht Einigung darüber, dass die individuelle Arbeitszeit des Klägers in seiner Funktion als Fernfahrer schwankt. Deshalb wurde bei der Berechnung des Schichtlohns zum Zeitpunkt der Erkrankung ein Stundensatz von 14,88 Stunden zugrunde gelegt, der mit dem tariflichen Stundenlohn multipliziert wurde.

2. Eine konkrete Festlegung der tatsächlichen individuellen Arbeitszeit des Klägers durch eine vergangenheitsbezogene Betrachtung erübrigt sich für den vorliegenden Rechtsstreit aufgrund der Regelung in § 7 Ziffer 4 MTV. Dort haben die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach den gesetzlichen Bestimmungen, höchstens jedoch für 48 Stunden wöchentlich haben.

Unter Berücksichtigung dieser tariflichen Regelung hat die Beklagte für die Krankheitstage vom 01.07. bis zum 12.07.2005 96,19 € brutto (9,6 Stunden x 10,02 € Stundenlohn) als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an den Kläger ausgezahlt. Damit ist Erfüllung eingetreten.

3. Die Tarifregelung in § 7 Ziffer 4 MTV hält sich im Rahmen der gesetzlichen Öffnungsklausel in § 4 Abs. 4 EFZG.

a) § 4 Abs. 4 EFZG bestimmt, dass durch Tarifvertrag eine von den Absätzen 1, 1 a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden kann.

Die Bemessungsgrundlage im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung. Hierzu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich zusammen aus dem Geld- und Zeitfaktor. Sie betrifft den Umfang und die Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts (vgl. BAG, Urteil vom 24.03.2004 - 5 AZR 346/03 - NZA 2004, 1042; BAG, Urteil vom 13.03.2002 - 5 AZR 648/00 - NZA 2002, 744; BAG, Urteil vom 26.09.2001 - 5 AZR 539/00 - NZA 2002, 387) sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers.

b) Im vorliegenden Fall enthält die Regelung in § 7 Ziffer 4 MTV eine Begrenzung des Umfangs der Entgeltfortzahlung.

Die Entgeltfortzahlung wird begrenzt auf die Vergütung für 48 Stunden in der Woche. Durch diese Begrenzung der Vergütung wird ebenfalls der Zeitfaktor berührt. Die Begrenzung führt dazu, dass lediglich eine Arbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich zu bezahlen ist; auf den Tag umgerechnet in der Fünftagewoche 9,6 Stunden vergütet werden.

c) Dass neben dem Geldfaktor auch der Zeitfaktor von der gesetzlichen Regelung abweichen kann, lässt § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG zu (vgl. BAG, Urteil vom 26.09.2001 - 5 AZR 539/00 - NZA 2002, 387; BAG, Urteil vom 09.10.2002 - 5 AZR 356/01 - NZA 2003, 978; ErfK/Dörner, 6. Aufl., § 4 EFZG Rz. 58, Schmitt, EFZG, 5. Aufl., § 4 Rz. 140; Marienhagen/Künzel, EFZG, § 4 Rz. 43 b).

Es ist möglich, nicht die individuelle, sondern eine bestimmte Durchschnittstundenzahl, z.B. die betriebsübliche (BAG, Urteil vom 26.09.2001 - 5 AZR 539/00 - NZA 2002, 387) oder die gesetzliche Arbeitszeit für maßgeblich zu erklären (vgl. z.B. Feichtinger/Malkmus, EFZG, § 4 Rdnr. 186; MünchArbR/Becken, Band I, § 84 Rdnr. 13).

Eine solche Festlegung auf die gesetzliche Höchstarbeitszeit haben auch die Tarifvertragsparteien im vorliegenden Tarifvertrag vorgenommen.

4. Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen § 12 EFZG.

Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 4 Abs. 1, Abs. 1 a und Abs. 3 EFZG stellt § 4 Abs. 4 EFZG klar, dass für Arbeitnehmer nachteilige Änderungen gegenüber den sonstigen Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht zulässig sind.

Durch die Regelung in § 7 Ziffer 4 MTV wird der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht in seiner Substanz angetastet. Die Bindung in § 12 EFZG an die anderen zwingenden Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes bedeutet nicht, dass sich die von den Tarifvertragsparteien getroffene Regelung über die Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts nicht nachteilig für die Arbeitnehmer auswirken darf. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es zulässig, dass der Arbeitnehmer aufgrund der tariflichen Regelung eine geringere Entgeltfortzahlung als bei der Anwendung der §§ 4 Abs. 1, Abs. 1 a und Abs. 3 EFZG erhält. Diese Schlechterstellung kann sich wie im vorliegenden Fall aufgrund einer Modifikation des Geld- und Zeitfaktors ergeben. Im Rahmen ihres zulässigen Anwendungsbereichs darf die beschränkte Tariföffnung ausgeschöpft werden.

5. Die tarifliche Regelung greift auch nicht unverhältnismäßig in den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung ein.

a) Die Begrenzung in § 7 Ziffer 4 MTV berücksichtigt die in § 3 Satz 1 AZG bestimmte Höchstarbeitszeit der Arbeitnehmer. Hierbei ist auch die Arbeitszeit der Kraftfahrer im Fernverkehr berücksichtigt, die in § 2 a II Nr. 1 und 2 MTV geregelt ist. In § 2 a II Nr. 2 MTV ist die monatliche Arbeitszeit im Hinblick auf § 3 AZG auf 208 Stunden festgelegt. Nach dem Verweis des Tarifvertrages, dass sich die Entgeltfortzahlung im Übrigen nach den gesetzlichen Bestimmungen regelt, ist sichergestellt, dass die gesetzliche Entgeltfortzahlung im Rahmen der Höchstarbeitszeitgrenzen nicht angetastet wird.

b) Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass die einschränkende Regelung in § 7 Ziffer 4 MTV die Kraftfahrer im Fernverkehr stärker trifft als die Fahrer im Nahverkehr. Aber auch wenn die individuelle Arbeitszeit der Kraftfahrer früher höher gelegen hat als die gesetzlichen Höchstgrenzen, so gelten die gesetzlichen Höchstgrenzen der Arbeitszeit auch für Kraftfahrer im Fernverkehr. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind insoweit auch bei vertraglichen Regelungen durch die zwingenden gesetzlichen Vorschriften gebunden.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für beide Parteien zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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