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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 18 Sa 836/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.03.2004 - 3 Ca 37/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung.

Der Kläger war bei der Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung seit 23 Jahren als Schweißer beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt ca. 80 Arbeitnehmer.

Am 20.12.2002 fand die Weihnachtsfeier der Abteilung Gitterroste der Beklagten, der auch der Kläger angehört, im L1xxx-G3xxx in B5xx statt. An dieser Feier nahmen der Kläger, seine Arbeitskollegen und der Fertigungsleiter der Abteilung H3xxxxxxx-J3xxxxxxx teil. Der Verlauf der Weihnachtsfeier ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 27.12.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Hinweis auf die Vorfälle bei der Weihnachtsfeier fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 31.07.2003. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 28.12.2002 zu.

Die vorliegende Kündigungsschutzklage hat der Kläger am 10.01.2003 erhoben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er könne sich nicht daran erinnern, Mitarbeiter oder Vorgesetzte beleidigt zu haben. Falls es zu Beleidigungen gekommen sei, seien diese nicht vorsätzlich und wissentlich erfolgt. Allenfalls sei eine Abmahnung gerechtfertigt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die fristlose Kündigung vom 27.12.2002, zugegangen am 28.12.2002, unwirksam ist,

2. festzustellen, dass die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung zum 31.07.2003, zugegangen am 28.12.2002, unwirksam ist,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen weiter als Schweißer zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei gemäß § 626 BGB gerechtfertigt.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe sich im Vorfeld der Weihnachtsfeier gegenüber dem Zeugen H2xxxxxxxx dahingehend geäußert, dass er an diesem Abend auf der Weihnachtsfeier Ärger machen und dann die Veranstaltung möglichst früh verlassen wolle. Nach Beginn der Weihnachtsfeier habe der Kläger zusammen mit Kollegen an einem Tisch gegessen. Am Nebentisch habe sich der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, der Zeuge H3xxxxxxx-J3xxxxxxx, befunden. Der Kläger habe sodann dem Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx zugerufen, er (H3xxxxxxx-J3xxxxxxx) sei kein Guter, deshalb dürfe er (der Kläger) Herrn H3xxxxxxx-J3xxxxxxx nicht duzen. Dann habe der Kläger ihn gefragt, ob er Krieg mit ihm haben wolle. Der Kläger sei von seinen Kollegen darauf hingewiesen worden, er solle doch Ruhe geben und gefragt worden, was denn dieser Ärger auf der Weihnachtsfeier solle. Der Kläger habe jedoch dem Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx zugerufen, dieser sei ein "Wichser" und ihn auch als "Arschloch" betitelt. Seine Arbeitskollegen hätten versucht, auf den Kläger einzuwirken und ihn darauf hingewiesen, dass er erhebliche Probleme bekommen werde, wenn er nicht unmittelbar Ruhe gebe. Diesen Hinweis habe auch der Zeuge H3xxxxxxx-J3xxxxxxx dem Kläger erteilt. Der Kläger habe daraufhin lediglich geäußert, er sei 23 Jahre bei der Beklagten und man könne ihm gar nichts. Weiterhin habe er dem Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx unter weiteren Beschimpfungen sodann den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt. Darüber hinaus habe der Kläger auch eine Reihe weiterer Schimpfwörter verwendet und den Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx in erheblichem Umfang beleidigt.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen A4xxx H2xxxxxxxx, M4xxxx B2xxx, C1xxxxx B3xxxxxxxx, S3xxxx B4xxx, F1xxx-J4xxx H5xx, K5xxxxx L2xxx und A3xxxxx H3xxxxxxx-J3xxxxxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2004 (Bl. 41 bis 52 d.A.) verwiesen.

Durch Urteil vom 18.03.2004 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat es auf 12.500,-- EUR festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die fristlose Kündigung des Klägers sei wegen der bewiesenen schweren Beleidigungen seines Vorgesetzten H3xxxxxxx-J3xxxxxxx gerechtfertigt.

Gegen dieses ihm am 20.04.2004 zugestellte und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil hat der Kläger am 27.04.2004 Berufung eingelegt und diese ebenfalls am 27.04.2004 begründet.

Der Kläger greift das arbeitsgerichtliche Urteil insgesamt an. Er stützt das Rechtsmittel maßgeblich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.03.2004 - 3 Ca 37/03 - abzuändern und festzustellen, dass die fristlose Kündigung vom 27.12.2002 unwirksam ist und des Weiteren festzustellen, dass die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung zum 31.07.2003 unwirksam ist und die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen weiter als Schweißer zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 18.03.2004 - 3 Ca 37/03 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

I. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 27.12.2002 mit Zugang am 28.12.2002 aufgelöst worden.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

2. Diese Voraussetzungen liegen vor, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

a) Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, können einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - DB 2003, 1797; BAG, Urteil vom 11.07.1991 - 2 AZR 633/90 - NZA 1992, 383). In diesem Zusammenhang ist es nicht erforderlich, dass die Beleidigungen während der Arbeitszeit im Betrieb getätigt werden. Auch wer auf einer Betriebsfeier außerhalb der Arbeitszeit den Arbeitgeber oder Vorgesetzten grob beleidigt, untergräbt die Autorität des Beleidigten und verstößt damit erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 06.02.1997 - 2 AZR 38/96 - n.v.).

b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht durch die Vernehmung der Zeugen H2xxxxxxxx, B2xxx, B3xxxxxxxx, B4xxx, H5xx und H3xxxxxxx-J3xxxxxxx fest, dass der Kläger seinen Vorgesetzten und Abteilungsleiter H3xxxxxxx-J3xxxxxxx vor anderen Mitarbeitern und der Zeugin B3xxxxxxxx beschimpft hat u.a. mit den Worten "Arschloch", "Wichser", "arme Sau", "dieser könne nicht ficken und nicht saufen". Weiter stellt auch das Halten des ausgestreckten Mittelfingers unter die Nase des Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx eine Ehrverletzung dar.

Die Ehrverletzung war rechtswidrig. Der Kläger hat einen Rechtfertigungsgrund schon nicht vorgetragen. Das Recht der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 des Grundgesetzes schützt keine Beleidigungen und Schmähungen (BVerfG vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 - BVerfGE 1993, 266; BVerfG vom 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96 - BVerfGE 1999, 185).

Der Kläger hat auch vorsätzlich und geplant gehandelt. Nach den Bekundungen des Zeugen B4xxx hat der Kläger schon ein/zwei Tage vor der Weihnachtsfeier ihm gegenüber erklärt, "jetzt gebe es Krieg". Der Kläger hatte eine Auseinandersetzung mit dem Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx schon vor Beginn der Weihnachtsfeier geplant. Zu Beginn der Weihnachtsfeier hat er nach den Bekundungen der Zeugen B4xxx und H2xxxxxxxx diesen gegen 19.00 Uhr an der Theke mitgeteilt, er wolle an diesem Abend Krieg machen, wobei für die beiden Zeugen feststand, dass sich die Ankündigung auf den Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx bezog, dem unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers.

Die Schuld des Klägers ist nicht ausgeschlossen, weil er, wie er meint, an diesem Abend ein "Blackout" gehabt hat. Keiner der Zeugen hat einen solchen "Blackout" wahrgenommen. Die Zeugen H2xxxxxxxx, B2xxx, B3xxxxxxxx, B4xxx, H5xx und H4xxxxxxx-J3xxxxxxx haben übereinstimmend bekundet, der Kläger habe auf sie nicht volltrunken gewirkt. Insbesondere habe er weder gelallt noch irgendwelche Ausfallerscheinungen gezeigt. Der Kläger sei allenfalls angetrunken bzw. angeheitert gewesen, als er sich an den Tisch des Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx gesetzt habe.

c) Angesichts der Schwere und Intensität der Pflichtverletzung war es der Beklagten nicht zuzumuten, auch unter Berücksichtigung der langen Beschäftigungszeit des Klägers und seiner Unterhaltsverpflichtungen das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Ihr Interesse an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwog das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Auch das Berufungsgericht berücksichtigt, dass es sich um einen einmaligen Vorfall handelt. Aber auch eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrelevant und umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie erfolgte (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - DB 2003, 1797; BAG, Urteil vom 17.02.2000 - 2 AZR 927/98 - n.v.).

Die vorliegende außerordentliche Kündigung ist nicht unverhältnismäßig. Die Beklagte brauchte den Kläger vor Ausspruch der Kündigung nicht abzumahnen. Aufgrund der vielfältigen geplanten groben Beleidigungen über mehrere Stunden hinweg konnte der Kläger nicht mehr ernsthaft damit rechnen, die Beklagte werde sein Verhalten angesichts seiner langen Betriebszugehörigkeit tolerieren. Er hat sein beleidigendes Verhalten trotz der Beschwichtigungsversuche und Hinweise seiner Kollegen fortgesetzt. Auch auf die von dem Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx bekundete Androhung, er habe dem Kläger Konsequenzen angedroht, wenn er nicht bald mit seinem Verhalten aufhört, hat der Kläger nicht reagiert. Damit hat der Kläger selbst das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört. Eine vorherige Abmahnung war entbehrlich (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 10.02.1999 - 2 AZR 31/98 - DB 1999, 1121).

Die Beklagte war aus der Fürsorgepflicht verpflichtet, den Zeugen H3xxxxxxx-J3xxxxxxx vor weiteren Ehrverletzungen durch den Kläger zu schützen. Der Kläger war im Betrieb nicht mehr einsetzbar, auch aus disziplinarischen Gründen den anderen Arbeitnehmern gegenüber.

II. Da das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 27.12.2002 beendet worden ist, konnte die ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht mehr beenden.

Dem Kläger steht auch der begehrte Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zu, da das Arbeitsverhältnis mit Zugang der Kündigung vom 27.12.2002 beendet worden ist.

B. Nach alledem hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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