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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.08.2006
Aktenzeichen: 19 Sa 668/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a Abs. 1
Ein Betriebsübergang liegt nicht vor, wenn ein anderer Unternehmer einen Möbelvertrieb mit der halben Belegschaft eines früheren Betriebsinhabers an einem anderen Betriebsstandort führt.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 13.03.2006 - 2 Ca 1634/05 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten zu 2) und um Vergütungsansprüche.

Die am 22.07.1968 geborene und verheiratete Klägerin wurde zum 01.04.1990 von der Firma K2xxxxxx Wohnmöbel GmbH, L1xxx als kaufmännische Angestellte eingestellt. Sie wurde beschäftigt als Telefonistin in der zentralen Telefonabteilung. Sie ist schwerbehindert mit einem Behinderungsgrad von 50.

Im Jahr 1994 wurde die Firma K2xxxxxx Wohnmöbel GmbH in mehrere Gesellschaften aufgespalten. Die Klägerin wurde einvernehmlich der Firma K2xxxxxx V5xxxxxxxxx- und S5xxxxx GmbH (im Folgenden: K6x) zugeordnet. Diese ist seit März 2002 in Insolvenz. Insolvenzverwalter ist der Rechtsanwalt von O3xxxx, dem die Klägerin mit der am 20.12.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage den Streit verkündete. Die Klägerin arbeitete ab 1994 bei der K6x.

Zu einem späteren Zeitpunkt wurden verschiedene Unternehmensbereiche aus verschiedenen Unternehmen der K2xxxxxx-Gruppe der Beklagten zu 1) zugeordnet. Bei dieser sollten die Verwaltungs- und Organisationsfunktionen gebündelt werden. Streit besteht zwischen den Parteien darüber, ob auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin ab Januar 2002 von der K6x auf die Beklagte zu 1) überführt wurde. Die Beklagte zu 1) wurde durch Beschluss der Gesellschafter vom 31.03.2004 aufgelöst. Die persönlich haftende Gesellschafterin, die Firma K2xxxxxx Wohnmöbel V4xxxxxxxxxxxxxxxxxx GmbH ist zum 31.12.2004 aufgelöst worden. Liquidator beider Gesellschaften ist Herr J1xxxx W3xxxxxx.

Die Beklagte zu 1) hatte zuletzt ca. 20 Mitarbeiter inklusive der Geschäftsleitung. Die Betriebsräumlichkeiten befanden sich am Standort L1xxx-V6xxxxxxx.

Die Klägerin war in der Zeit von Mai 2002 bis zum 05.12.2002 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 29.05.2002, wegen dessen Inhalts auf Blatt 11 GA Bezug genommen wird, teilte der Insolvenzverwalter der K6x der Klägerin mit, dass diese ab dem 01.06.2002 freigestellt sei.

Mit Schreiben vom 18.11.2002 teilte die Klägerin einer Firma "K2xxxxxx V3xxxxxxx GmbH" mit, dass sie ab 06.12.2002 wieder arbeitsfähig sei, aber bei Nichtzahlung der Jahressonderzahlung für 2002 und des Urlaubsgeldes für 2002 ihre Arbeitskraft zurückhalten werde.

Die Beklagte zu 2) wurde im Februar 2003 in das Handelsregister eingetragen. Sie hat einen Betriebsstandort in B4x O2xxxxxxxx, wo sie 10 Mitarbeiter und einen Auszubildenden beschäftigt. Geschäftsgegenstand ist der Handel mit Möbeln im In- und Ausland. Sie hat ehemalige Mitarbeiter der Beklagten zu 1) im Vertrieb, Innendienst und Außendienst eingestellt. Eine Telefonzentrale unterhält sie nicht.

Die Klägerin verfolgt mit der Klage Ansprüche auf Zahlung der Jahressonderzahlung und des Urlaubsgeldes für die Jahre 2002 bis 2005, wobei die Jahressonderzahlung mit 65 % des Tariflohns von 2.000,-- €, also 1.300,-- €, und das Urlaubsgeld mit 55 % des Tariflohns von 2.000,-- €, also 1.100,-- €, gesamtjährlich 2.400,-- € beziffert werden. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag hat die Klägerin nur mit der Firma K2xxxxxx Wohnmöbel GmbH unter dem 09.02.1990 geschlossen. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf Blatt 71 bis 74 GA Bezug genommen. Dort befindet sich unter § 4 unter anderem folgende Regelung:

"Der Angestellten etwa gewährte Gratifikationen begründen keinen Rechtsanspruch auf Weitergewährung."

Die Klägerin ist nicht gewerkschaftlich organisiert. Sie stützt die Zahlungsanträge auf die Tarifverträge der Möbelindustrie.

Unter dem 20.12.2002 erhob die Klägerin zunächst Klage gegen eine Firma K2xxxxxx Vertrieb GmbH. Unter dem 13.05.2003 berichtigte sie das Rubrum auf die Beklagte zu 1). Am 06.12.2005 berichtigte sie das Rubrum erneut auf J1xxxx W3xxxxxx als Liquidator der K2xxxxxx Wohnmöbel V4xxxxxxxxxxxxxxxxxx GmbH. Am 28.11.2005 bzw. 06.12.2005 erweiterte sie die Klage gegen die Beklagte zu 2).

Die Beklagten haben die Verwirkung etwaiger Ansprüche der Klägerin geltend gemacht. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass sowohl in dem arbeitsgerichtlich anberaumten Kammertermin am 08.07.2002 als auch in dem auf den 26.08.2003 auf Bitten der Beklagten anberaumten Protokollierungstermin niemand erschien. Das Arbeitsgericht ordnete das Ruhen des Verfahrens an und legte die Akten am 06.02.2004 nach § 7 Abs. 3 AktO weg. Am 27.10.2003 kündigte die Klägerin der Gegenseite eine Kontaktaufnahme an, die nie erfolgte. Am 29.09.2005 beantragte die Klägerin die Terminierung. Diese erfolgte unter Bezugnahme auf eine Antragsschrift vom 27.10.2004, wegen deren Inhalts auf Blatt 66 GA Bezug genommen wird, die aber als Schriftsatz nicht zur Gerichtsakte gelangt ist, sondern von der Klägerin erst mit Schriftsatz vom 28.11.2005 als Kopie beigefügt wurde. Die Klägerin kannte die Liquidation der Beklagte zu 1) bis zum Gütetermin am 24.10.2005 nicht. Sie wurde auch nicht nach § 613 a Abs. 5 BGB über einen Betriebsübergang unterrichtet.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass ihr Arbeitsverhältnis spätestens ab Januar 2002 von der K6x auf die Beklagte zu 1) übergegangen sei. Spätestens ab Januar 2002 habe sie aufgrund einer einvernehmlichen Regelung bei der Beklagten zu 1) gearbeitet, die alle Mitarbeiter der K6x übernommen habe. Im September oder Oktober 2001 habe es eine Besprechung zwischen der Klägerin und den Geschäftsführer W3xxxxxx und Freitag sowie dem Abteilungsleiter der Beklagten zu 1) Herrn S6xxxxxxx und der Abteilungsleiterin der Firma K6x L5xxxxx gegeben. Im Rahmen dieser Besprechung sei ihr mitgeteilt worden, dass sie nunmehr bei der Beklagten zu 1) beschäftigt werde. Das habe sie akzeptiert.

Das Schreiben des Insolvenzverwalters von O3xxxx der K6x vom 29.05.2002 sei gegenstandslos, da das Arbeitsverhältnis schon vorher auf die Beklagte zu 1) übergegangen sei.

Die Zahlungsansprüche auf die Jahressonderzahlung und das Urlaubsgeld folgten aus dem Tarifvertrag, der von der Beklagten zu 1) angewandt werde.

Die Beklagte zu 2) habe sämtlichen Mitarbeitern der Beklagten zu 1) angeboten, sie zu Februar 2003 an den Standort B4x O2xxxxxxxx zu übernehmen. Dabei sei die Klägerin nur vergessen worden.

Die Beklagte zu 2) habe die Tätigkeit der Beklagten zu 1) fortgeführt. Sie führe den Vertrieb von Wohnmöbeln aus Produktionsstätten der S8xxxxxx-Gruppe weiter und habe Zugriff auf die Lagerbestände der insolventen K2xxxxxx Produktionsgesellschaft. Es handele sich insoweit um einen Betriebsübergang.

Der Schriftsatz vom 27.10.2004 mit einem Terminierungsantrag habe das Büro des klägerischen Prozessbevollmächtigten verlassen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der K2xxxxxx Wohnmöbel V3xxxxxxx GmbH & Co. KG bis zum Januar 2003 fortbestanden hat,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin ab Februar 2003 bei der Beklagten zu 2. ungekündigt fortbestanden hat und weiterhin fortbesteht,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin für das Jahr 2002 die Jahressondervergütung und tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 2.400,00 € brutto abzurechnen und zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz hinaus ab dem 01.12.2002,

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin für das Jahr 2003 die Jahressondervergütung und tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 2.400,00 € brutto abzurechnen und zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz hinaus ab dem 01.12.2003,

5. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin für das Jahr 2004 2.400,00 € brutto Urlaubsgeld und Jahressondervergütung 2004 abzurechnen und zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz hinaus ab dem 01.12.2004,

6. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin für das Jahr 2005 2.400,00 € brutto Urlaubsgeld und Jahressondervergütung 2005 abzurechnen und zu zahlen zuzüglich 5 % p.a. über dem Basiszinssatz hinaus ab dem 01.12.2005,

7. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses der Parteien schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und der Klägerin auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen die Gegenstände des Katalogs gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Textziffer 1. bis Textziffer 10. des Nachweisgesetzes.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, dass die Beklagte zu 1) nie eine Telefonzentrale geführt habe. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei nicht durch einvernehmliche Regelung von der K6x auf die Beklagte zu 1) übertragen worden.

Das Schreiben des Insolvenzverwalters der K6x vom 29.05.2002 sei als Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen.

Ansprüche auf eine Jahressonderzahlung oder Urlaubsgeld habe die Klägerin nicht. Eine Anspruchsgrundlage sei nicht erkennbar. Ein Betriebsübergang von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) habe nicht stattgefunden. Die Beklagte zu 2) verfolge einen anderen Geschäftszweck als die Beklagte zu 1).

Durch Urteil vom 15.03.2006 hat das Arbeitsgericht Detmold die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin das Recht verwirkt habe, Feststellungen zum Bestand oder Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen. Denn sie sei mehr als zwei Jahre lang untätig geblieben und habe keine gerichtliche Überprüfung ihres Arbeitsverhältnisses und der begehrten Entgeltbeträge herbeigeführt. Ein gerichtliches Verfahren könne den Beklagten nach so langer Zeit nicht mehr zugemutet werden, da die Klägerin selbst durch ihr Verhalten den Eindruck erweckt habe, den Rechtsstreit nicht mehr fortsetzen zu wollen.

Gegen das der Klägerin am 12.04.2006 zugestellte Urteil legte diese beim Landesarbeitsgericht am 13.04.2006 Berufung ein. Die Berufungsbegründung ging am 24.04.2006 beim Landesarbeitsgericht ein.

Die Klägerin meint, dass eine Verwirkung ihrer Ansprüche und Rechte nicht angenommen werden könne.

Die Tarifbindung der Beklagten ergäbe sich aus einer betrieblichen Übung. Die Tarifverträge der Möbelindustrie seien üblicherweise angewendet worden.

Die Beklagte zu 2) habe ausschließlich den Vertrieb von Wohnmöbeln aus Produktionsstätten der S8xxxxxx-Gruppe weitergeführt. Ihr Geschäftszweck sei mit dem vorher von der Beklagten zu 1) verfolgten Geschäftszweck identisch.

Sie beantragt zuletzt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Detmold vom 15.03.2006 - 2 Ca 1634/05 - die Beklagten wie folgt zu verurteilen:

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin ab Februar 2003 bei der Beklagten zu 2. ungekündigt fortbestanden hat und weiterhin fortbesteht,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin für das Jahr 2002 die Jahressondervergütung und tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 2.400,00 € brutto abzurechnen und zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz hinaus ab dem 01.12.2002,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin für das Jahr 2003 die Jahressondervergütung und tarifliches Urlaubsgeld in Höhe von 2.400,00 € brutto abzurechnen und zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz hinaus ab dem 01.12.2003,

4. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin für das Jahr 2004 2.400,00 € brutto Urlaubsgeld und Jahressondervergütung 2004 abzurechnen und zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz hinaus ab dem 01.12.2004,

5. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin für das Jahr 2005 2.400,00 € brutto Urlaubsgeld und Jahressondervergütung 2005 abzurechnen und zu zahlen zuzüglich 5 % p.a. über dem Basiszinssatz hinaus ab dem 01.12.2005,

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das arbeitsgerichtliche Urteil. Sie tragen vor, dass die Beklagte zu 2) kein Konzept verfolge, nur Möbel der S8xxxxxx-Gruppe zu handeln. Sie handele beispielsweise 18 Wohnzimmerprogramme, von denen durch die Geschäftsführung geschätzt nur unter 10 % aus deutschen Produktionsstätten der S8xxxxxx-Gruppe stammen. Die Beklagte zu 2) verfolge also einen anderen Geschäftszweck als den, den früher die Beklagte zu 1) verfolgt habe.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Terminsprotokoll vom 29.08.2006 Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Klage hinsichtlich des ursprünglichen Antrages zu 1) im Termin der Berufungsverhandlung vom 29.08.2006 unter Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

A

Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht. Diese ist statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG. Die Klägerin hat die Berufung auch form- und fristgerecht gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 517 ff. ZPO eingelegt und begründet.

Die Rücknahme des ursprünglichen Klageantrages zu 1) ist eine zulässige teilweise Klagerücknahme (§ 269 Abs. 1 ZPO), die auch im Berufungsverfahren noch möglich ist (Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 269 Rz 13). Die Beklagten haben ihr zugestimmt (§ 269 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

B

Die Berufung ist unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin seit Februar 2003 zur Beklagten zu 2) (fort-) besteht. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer tariflichen Jahressonderzahlung und tariflichen Urlaubsgeldes gegen die Beklagten zu 1) und 2) für 2002 bis 2005.

I

Es kann nicht festgestellt werden, dass ein Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 2) zum 01.02.2003 durch einen Betriebsübergang von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) begründet wurde. Dabei kann es die Kammer dahingestellt sein lassen, ob überhaupt bis zum 31.01.2003 ein Arbeitsverhältnis der Klägerin zu der Beklagten zu 1) bestanden hat, was zwischen den Parteien streitig ist. Denn jedenfalls kann auch unter Zugrundelegung des klägerischen Sachvortrages ein Betriebsübergang von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2), der den Arbeitsbereich der Klägerin umfasst, zum 01.02.2003 nicht festgestellt werden.

1. Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identität fortführt. Dazu führte das Bundesarbeitsgericht nunmehr in ständiger Rechtsprechung Folgendes aus:

"Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktive im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihre Arbeitsorganisation, ihre Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu." (ständige Rechtsprechung des BAG im Anschluss an EuGH 11.03.1997 - Rs C-13/95, EzA, § 613 a BGB Nr. 145; vgl. BAG, 16.02.2006 - 8 AZR 211/05 -, EzA, § 613 a BGB 2002, Nr. 47; BAG, 22.07.2004 - 8 AZR 350/03 -, EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 27).

2. Die Beklagte zu 2) handelt mit Möbeln. Die Identität eines Handelsbetriebes wird durch die Lieferbeziehungen, die Kundenbeziehungen und das Warensortiment geprägt (BAG, 12.11.1998 - 8 AZR 282/97). Unter Zugrundelegung dieser Merkmale kann nicht festgestellt werden, dass das Handelsgeschäft, das die Beklagte zu 2) ausübt, die Identität gewahrt hat, die zuvor das Handelsgeschäft hatte, das die Beklagte zu 1) ausgeführt hat.

2.1. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin ist auch bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Berufung unsubstantiiert geblieben.

Ihr Hinweis, dass die Beklagte zu 2) wie die Beklagte zu 1) ausschließlich den Vertrieb von Wohnmöbeln aus Produktionsstätten der S8xxxxxx-Gruppe ausführte und abwickelte, und hierzu genau wie die Beklagte zu 1) auf die Lagerbestände zurückgriff, welche aus der Produktion der insolventen K2xxxxxx-Produktionsgesellschaft vorhanden waren, ist in sich widersprüchlich und unklar. Denn die Formulierung, dass die Beklagten "ausschließlich" den Vertrieb von Wohnmöbel aus Produktionsstätten der S8xxxxxx-Gruppe durchführen, schließt einen Handel mit Lagerbeständen einer K2xxxxxx-Produktionsgesellschaft aus. Auch angesichts des Bestreitens durch die Beklagten wäre es Sache der Klägerin gewesen, sowohl die Lieferantenbeziehungen als auch die Kundenbeziehungen der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) konkret darzustellen und im Hinblick auf die Wahrung einer Identität zu vergleichen.

2.2. Die Klägerin übersieht auch, dass kein Betriebsübergang vorliegt, wenn ein anderer Unternehmer auf Dauer einen erheblich eingeschränkten und grundlegend anders organisierten Betrieb mit sächlichen Betriebsmitteln eines früheren Betriebsinhabers führt (BAG, 16.02.2006 - 8 AZR 211/05, EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 47). Die Beklagte zu 2) führt einen gegenüber der Beklagten zu 1) erheblich eingeschränkten Betrieb. Das ergibt schon ein Vergleich der Mitarbeiterzahl. Die Beklagte zu 2) beschäftigt 10 Mitarbeiter zuzüglich eines Auszubildenden. Die Beklagte zu 1) beschäftigte zuletzt inklusive der Geschäftsleitung 20 Mitarbeiter. Diese Halbierung der Belegschaftsgröße erlaubt die Annahme einer erheblichen Einschränkung und veränderten Betriebsorganisation. Diese Annahme wird gestützt durch die gleichzeitige Veränderung des Standortes. Denn die Beklagte zu 2) hat ihren Standort nicht wie früher die Beklagte zu 1) in L1xxx sondern in B4x O2xxxxxxxx.

2.3. Auch rechtfertigt der Umstand, dass die Beklagte zu 2) ihre Belegschaft aus ehemaligen Mitarbeitern der Beklagten zu 1) zusammengesetzt hat, nicht die Annahme eines Betriebsübergangs. Dabei ist der Klägerin einzuräumen, dass in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen kann. In diesen Fällen kann die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals einen Betriebsübergang ausmachen. Indes fehlen vorliegend die Anhaltspunkte, dass es in diesem Sinne im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt und die Gesamtheit der von der Beklagten zu 2) eingestellten ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten zu 1) eine wirtschaftliche Einheit darstellt. Allein die Größe des übernommenen Belegschaftsanteils genügt für eine solche Annahme vorliegend nicht. Denn die Beklagte zu 2) beschäftigt nur 10 Mitarbeiter, also etwa halb so viel Mitarbeiter wie früher die Beklagte zu 1). Dass die eingestellten Mitarbeiter durch eine gemeinsame Tätigkeit und besondere Sachkunde dauerhaft verbunden sind, hat die Klägerin nicht dargelegt.

2.4. Schließlich unterhält die Beklagte zu 2) keine Telefonzentrale. Selbst wenn man einen Betriebsübergang von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) annehmen würde, hätte dieser den Betriebsteil Telefonzentrale nicht erfasst. Eine Telefonzentrale ist eine betriebliche Teileinheit, die genauso Gegenstand eines Teilbetriebsübergangs sein kann, wie sie als Teil von einem Betriebsübergang ausgeklammert werden kann. Voraussetzung für die Annahme eines solchen Betriebsteils ist, dass es sich um eine organisatorische Untergliederung handelt, mit der innerhalb des betriebstechnischen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt. Die Klägerin war nach ihren Angaben als Telefonistin der Telefonzentrale zugeordnet. Dabei handelt es sich ersichtlich um einen organisatorisch abgrenzbaren Teilbereich des Gesamtbetriebs.

Die Beklagte zu 2) unterhält eine solche Telefonzentrale nicht, hat also diesen Teilbetrieb nicht übernommen.

II

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) und/oder die Beklagte zu 2) auf Zahlung einer Jahressonderzahlung und Urlaubsgeldes für die Jahre 2002 bis 2005. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus dem Manteltarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Westfalen-Lippe (im Folgenden MTN) vom 24.01.1997 für die Jahre 2002 bis 2004, den MTN vom 01.09.2005 für das Jahr 2005, den Tarifvertrag über die stufenweise Einführung eines 13. Monatseinkommens für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Westfalen-Lippe (im Folgenden TV Sonderzahlung) vom 01.04 1995 für die Jahre 2002 bis 2004, den TV Sonderzahlung vom 01.09.2005 für das Jahr 2005 noch aus einer betrieblichen Übung.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus den genannten Tarifverträgen, die sie mit ihrer Kurzbeschreibung "Tarifverträge der Möbelindustrie" meinte. Denn diese sind auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar.

1.1. Die Tarifverträge wirken nicht gem. § 5 Abs. 4 TVG auf das Arbeitsverhältnis. Denn sie sind nicht allgemein verbindlich.

1.2. Die Tarifverträge gelten nicht gem. § 4 Abs. 1 TVG für die Parteien, denn diese sind nicht tarifgebunden. Weder die Klägerin noch die Beklagten sind verbandszugehörig.

1.3. Die Tarifverträge finden auch nicht kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Im Arbeitsvertrag vom 09.02.1990 ist eine solche Bezugnahme nicht vorgenommen worden.

1.4. Die Tarifverträge finden auch nicht durch betriebliche Übung Anwendung. Denn eine solche hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen.

Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweise des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers wird konkludent auf eine Willenserklärung geschlossen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung wächst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr schon dann ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (BAG 28.Juni 2006 - 10 AZR 385/05). Eine allgemein verbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass auch er die Leistung erhält, sobald er die Voraussetzungen erfüllt, gibt es nicht. Die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarrt, ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen aufgestellt worden (BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05).

Vorliegend kann nach diesem Maßstab nicht erkannt werden, dass die Beklagte zu 1) oder 2) oder eine Rechtsvorgängerin sich durch eine wiederholte Praxis verpflichtet hat, der Klägerin die tarifliche Jahressonderzuwendung und das tarifliche Urlaubsgeld nach Maßgabe der genannten Tarifverträge zu zahlen. Die Klägerin hat nicht einen entsprechenden Abrechnungsfall substantiiert vorgetragen.

Vielmehr ist die von ihr beschriebene Übung gerade nicht identisch mit den tariflich geregelten Ansprüchen. Während die Klägerin sich auf eine bisherige Abwicklung der Sonderzahlung in Höhe von 65 % des Tariflohns bezieht, regelt Ziffer 3 des TV Sonderzahlung für die Jahre 2002 bis 2004 (in der Fassung vom 01.04.1995) einen Anspruch auf 70 % und für das Jahr 2005 (in der Fassung vom 01.09.2005) einen Anspruch auf 57,5 % eines durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens. Während die Klägerin sich auf eine bisherige Abwicklung des Urlaubsgeldes in Höhe von 55 % des Tariflohns bezieht, regelt Ziffer 90 des MTN in der Fassung vom 24.01.1997 für die Jahre 2002 bis 2004 und Ziffer 85 des MTN in der Fassung vom 01.09.2005 für das Jahr 2005 einen Anspruch auf 56 % des Urlaubsentgelts.

2. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus einer betrieblichen Übung.

2.1. Zum Einen sind die unter II.1. genannten Voraussetzungen für eine solche betriebliche Übung seitens der Klägerin nicht dargelegt. Dazu hätte die Klägerin darlegen müssen, wann, wie oft, von wem und in welcher Höhe sie eine Zahlung von Urlaubsgeld und einer Jahressonderzahlung erhalten hat.

2.2. Zum Anderen steht dem Entstehen eines Anspruchs aus betrieblicher Übung auch der Freiwilligkeitsvorbehalt aus § 4 des Arbeitsvertrages vom 09.02.1990 entgegen. Durch einen sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt kann ein Arbeitgeber eine vertragliche Bindung für die Zukunft aufgrund eines gleichförmigen begünstigenden Verhaltens in der Vergangenheit verhindern. Dazu muss er das Fehlen jedes Rechtsbindungswillens bei diesem Verhalten zweifelsfrei deutlich machen. Hinreichend deutlich ist eine Formulierung wie die, die Leistung erfolge "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" (BAG 23.10.2002 - 10 AZR 48/02, EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 172) oder der Hinweis, es entstehe für die Zukunft kein Rechtsanspruch (BAG 13.03.1964 - 5 AZR 293/63, EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 47). Dem entspricht die im § 4 des Arbeitsvertrages vom 09.02.1990 gebrauchte Formulierung: "Der Angestellten etwa gewährte Gratifikationen begründen keinen Rechtsanspruch auf Weitergewährung".

Die Klägerin hat keinen Anhaltspunkt vorgetragen, aus dem sich ergeben könnte, dass dieser Freiwilligkeitsvorbehalt aufgehoben wurde.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 269 Abs. 3 ZPO. Die Kammer sah keinen Anlass, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Die zum 31.08.2006 erfolgte Beendigung der Abordnung des Vorsitzenden Richters an das Landesarbeitsgericht steht der späteren Unterzeichnung dieses Urteils durch diesen nicht entgegen. Denn der für die Vornahme richterlicher Amtsgeschäfte erforderliche Status des Richters besteht fort. Eine tatsächliche Verhinderung liegt nicht vor (Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 195 Rz 11; BGH NStZ 1993, 96; LAG Chemnitz NZA RR 2000, 609).

Ende der Entscheidung

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