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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 1844/06
Rechtsgebiete: KSchG, InsO, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
InsO § 128 Abs. 2
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 1
Der Insolvenzverwalter muss die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungswirkung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO, nämlich das Vorliegen einer Betriebsänderung i.S.v. § 111 Satz 3 BetrVG, darlegen und beweisen. Die Vermutungswirkung tritt nicht ein, wenn ein Interessenausgleich mit Namensliste wegen vollständiger Stilllegung des Betriebes geschlossen worden ist, die betrieblichen Aktivitäten aber tatsächlich zumindest teilweise von einer "Auffanggesellschaft" fortgesetzt worden sind.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 12.10.2006 - 1 Ca 925/06 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung des Beklagten vom 26. Juni 2006 zum 30. September 2006 nicht aufgelöst worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob das Arbeitsverhältnis durch die betriebsbedingte Kündigung des Beklagten vom 26.06.2006 fristgemäß zum 30.09.2006 beendet worden ist.

Der am 21.09.1947 geborene Kläger, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, war seit 1988 bei der in H2 ansässigen Firma R2 N1 L1- und S2 GmbH, die etwa 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigte, als LKW-Fahrer gegen eine monatliche Vergütung von 2.300,00 € brutto tätig.

Die R2 N1 L1- und S2 GmbH beantragte am 26.04.2006 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und kündigte am selben Tag ohne Anhörung des Betriebsrats und ohne Erstattung einer Massenentlassungsanzeige die Arbeitsverhältnisse aller Beschäftigten. Am 27.04.2006 wurde der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt und am 01.06.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat am 21.06.2006 einen Interessenausgleich mit einer beigefügten Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer. Darin heißt es, der Geschäftsbetrieb des schuldnerischen Unternehmens sei im Vorfeld der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwalter durch die Geschäftsführung am 26.04.2006 endgültig und vollständig eingestellt worden. Unter gleichzeitiger Freistellung von der Verpflichtung ihrer Arbeitsleistung seien die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer von der Insolvenzschuldnerin gekündigt worden. Da Aussichten zur Fortführung des schuldnerischen Unternehmens nicht bestünden, jedoch die Anhörung des Betriebsrats vor den von der Geschäftsführung ausgesprochenen Kündigungen unterblieben sei, sei der Beklagte gehalten, die Kündigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse auszusprechen.

Bezüglich der Anhörung des Betriebsrats heißt es unter II des Interessenausgleichs:

"Der Betriebsrat bestätigt, dass er im betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahren, welches mit Übergabe des Anhörungsschreibens vom 09.06.2006 eingeleitet wurde, hinsichtlich der auszusprechenden Kündigungen ordnungsgemäß angehört worden ist.

Dem Betriebsrat wurde im Rahmen der Anhörung durch den Insolvenzverwalter ausführlich dargestellt, dass eine Fortführung des Unternehmens nicht mehr möglich und deshalb für die in der Anlage benannten Arbeitnehmer eine Kündigung auszusprechen ist."

Der Betriebsratsvorsitzende hat den Erhalt der gesonderten Anhörungsschreiben vom 09.06.2006 und 21.06.2006 bestätigt.

Der Kläger bestreitet die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats und macht geltend, das Unternehmer der Insolvenzschuldnerin sei keineswegs stillgelegt worden, sondern werde an gleicher Stelle von einer neu gegründeten Firma N1 und L3 GmbH in den bisherigen Räumlichkeiten und mit den bisherigen Kunden fortgeführt. Die Firma N1 und L3 GmbH habe einen wesentlichen Teil der Arbeitnehmer, Fahrzeuge und Arbeitsgeräte der Insolvenzschuldnerin übernommen. Die Firma N1 und L3 GmbH sei nach Darstellung in der örtlichen Presse ausdrücklich als Auffanggesellschaft gegründet worden, um die wesentlichen Aktivitäten der Insolvenzschuldnerin fortzuführen. Die Firma N1 und L3 werbe als Nachfolgerin der Firma R2 N1 L1- und S2 GmbH mit "Neuer Name - alt bewährte Qualität". Bezeichnenderweise sei das Pressefoto unter dem alten Firmenschild aufgenommen worden.

Der Gesellschaftsvertrag über die Gründung der Firma N1 und L3 GmbH ist am 24.04.2006 geschlossen worden. Geschäftsgegenstand ist danach die Ausführung von Arbeiten des Garten- und Landschaftsbaus sowie sonstiger Arbeiten im Bereich Garten- und Landschaftspflege. Die Firma N1 und L3 GmbH nahm ihre Geschäftstätigkeit nach dem Pressebericht vom 19.07.2006 (Bl. 92 d.A.) im Mai 2006 mit dreizehn Mitarbeitern und sieben Auszubildenden auf, die vormals bei der Insolvenzschuldnerin tätig waren. Sie beschäftige Ende 2006 insgesamt 30 ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszuge gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12.10.2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Aufgrund des Interessenausgleichs mit Namensliste sei die Betriebsbedingtheit der Kündigung zu vermuten. Die Vermutungswirkung erstrecke sich auch darauf, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht wegen einer Betriebsübergangs erfolgt sei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungswirkung gemäß § 125 Abs.1 InsO habe der Beklagte hinreichend dargelegt. Dem Kläger sei es nicht gelungen, dies zu widerlegen. Den von ihm behaupteten Betriebsübergang habe er nicht hinreichend konkret dargelegt und unter Beweis gestellt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört und die Massenentlassungsanzeige vor Ausspruch der Kündigung erstattet worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Der Kläger will mit seiner Berufung die Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung feststellen lassen. Er hat inzwischen die angebliche Betriebserwerberin, die Firma N1 und L3 GmbH, auf Weiterbeschäftigung in Anspruch genommen. In dem deswegen beim Arbeitsgericht Paderborn anhängigen Verfahren 3 Ca 859/06 ist beschlossen worden, neuen Termin auf Antrag einer Partei zu bestimmen, um zunächst den Ausgang des vorliegenden Verfahrens abzuwarten.

Der Kläger trägt zur Begründung seines Rechtsmittels vor, der Beklagte könne sich nicht auf die Vermutungswirkung des § 125 InsO berufen, denn die Betriebsänderung sei schon vor Abschluss des Interessenausgleichs am 26.04.2006 mit den Kündigungen und Freistellungen aller Mitarbeiter vollzogen worden. Er bestreite, dass eine Namensliste überhaupt vorgelegen habe und diese mit dem Interessenausgleich fest verbunden gewesen sei. Er bestreite das Vorliegen eines Betriebsratsbeschlusses über den Abschluss eines Interessenausgleichs. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, denn dieser sei über die Gründung und die Aktivitäten der Firma N1 und L3 GmbH nicht hinreichend unterrichtet worden. Da der Beklagte das Anhörungsschreiben vom 09.06.2006 nicht vorgelegt habe, bestreite er dessen Existenz. Aus dem vorgelegten Protokoll über die Anhörung des Betriebsrats ergebe sich nicht dessen abschließende Äußerung. Deshalb sei die Kündigung unwirksam, weil sie vor Ablauf der Wochenfrist ausgesprochen worden sei. Anders als vom Arbeitsgericht angenommen habe er genügend konkrete Tatsachen für einen Betriebsübergang auf die Firma N1 und L3 GmbH vorgetragen, deren Geschäftsführer bereits bei der Insolvenzschuldnerin in verantwortlicher Position tätig gewesen seien. Die Firma N1 und L3 GmbH sei in den gleichen Geschäftsbereichen tätig wie die Insolvenzschuldnerin. Mit der Einstellung der Geschäfte der Insolvenzschuldnerin sei gleichzeitig ein neues, inhaltlich gleichartiges Unternehmen gegründet worden, welches die bisherige Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin identisch fortführe. Die Firma N1 und L3 GmbH sei in den Räumen der Insolvenzschuldnerin tätig, nutze deren Betriebsgelände und deren Arbeitsgeräte sowie die Bürotechnik. Sie habe auch Aufträge der Insolvenzschuldnerin fortgeführt, nämlich die Bebauung eines großen Parkplatzes der Firma P2 in B4, die A1-Parkplätze in K2, W1 und D3 sowie Bauarbeiten in H2 am T2. Sie habe den Kundenstamm der Insolvenzschuldnerin übernommen und werbe nach außen hin als deren Nachfolgerin.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 12.10.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Paderborn - 1 Ca 925/06 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung des Beklagten vom 26.06.2006 zum 30.09.2006 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Er trägt ergänzend vor, der Betriebsrat sei über die Kündigungsgründe ordnungsgemäß unterrichtet worden. Er habe dem Betriebsrat am 21.06.2006 mitgeteilt, dass die Geschäftstätigkeit der Insolvenzschuldnerin nach der Stilllegung des Betriebes durch die Geschäftsführung am 26.04.2006 nicht in Betracht gekommen sei, weil die kommunalen Auftraggeber von ihrem Sonderkündigungsrecht gemäß § 8 Nr. 2 VOB/B Gebrauch gemacht hätten. Die Neugründung der Firma N1 und L3 sei dem Betriebsrat bekannt gewesen. Die Geschäftsgegenstände der Insolvenzschuldnerin und der Firma N1 und L3 seien nicht identisch, denn die Insolvenzschuldnerin habe sich neben der Garten- und Landschaftspflege sowie dem Sportstättenbau schwerpunktmäßig mit Straßen- und Tiefbau befasst. Die Immobilien, Betriebsmittel und Fahrzeuge seien von der Einzelfirma des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin angemietet worden. Inwieweit diese Betriebsmittel von der Firma N1 und L3 genutzt würden, entziehe sich seiner Kenntnis. Sollte Baustellen von der Firma N1 und L3 fortgesetzt worden sein, sei dies ebenfalls ohne seine Kenntnis geschehen. Der Betriebsrat habe den Kündigungen am 21.06.2006 zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klage ist stattzugeben.

I

Die Kündigung des Beklagten vom 26.06.2006 ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozialwidrig, denn sie ist nicht durch dringende betriebliche Gründe, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungswirkung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO liegen nicht vor.

II

1. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung ist gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO zu vermuten, wenn eine Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG geplant ist und deswegen zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter ein Interessenausgleich mit Namensliste zustande kommt. Die Vermutungswirkung tritt nicht bereits durch den Abschluss des Interessenausgleichs ein, sondern erst dann, wenn die objektiven Voraussetzungen einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG vorliegen. Handelt es sich nicht um eine Betriebsänderung, sondern in Wahrheit um einen Betriebsübergang, greift § 125 InsO nicht ein (BAG vom 28.08.2003 - 2 AZR 377/02, ZIP 2004, 525 = DB 2004, 937; LAG Düsseldorf vom 23.01.2003 - 11 (12) Sa 1057/02, ZinsO 2004, 1271 sowie BAG vom 29.09.2005 - 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720). Der Insolvenzverwalter muss im Streitfall beweisen, dass Anlass für den Interessenausgleich eine Betriebsänderung i.S.v. § 111 Satz 3 Nrn. 1 bis 5 BetrVG war. Der Insolvenzverwalter kann die gesetzliche Vermutungswirkung daher nicht in Anspruch nehmen, wenn die von ihm behauptete Betriebsänderung tatsächlich nicht vorliegt (Uhlenbruch/Berscheid, InsO, 12. Aufl., § 125 Rdnr. 17; MünchKommInsO-Löwisch/Caspers, 2. Aufl., § 125 Rdnr. 65; Gottwald-Heinze/Bertram, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 107 Rdnr. 87). Die Betriebsänderung muss nicht zwingend auf Planungen des Insolvenzverwalters zurückgehen, sondern der Insolvenzverwalter kann den Interessenausgleich auch bezüglich einer von der Insolvenzschuldnerin geplanten oder durchgeführten Betriebsänderung abschließen (MünchKommInsO-Löwisch-Caspers, 2. Aufl., § 125 Rdnr. 66).

2. Vorliegend ist der Betrieb der Insolvenzschuldnerin tatsächlich nicht stillgelegt worden, sondern er wird zumindest teilweise von der Firma N1 und L3 GmbH fortgeführt. Die erforderliche Auflösung der Betriebsgemeinschaft und der Betriebsorganisation hat nicht stattgefunden, denn die betriebliche Aktivitäten werden an gleicher Stelle von der als Auffanggesellschaft gegründeten Firma N1 und L3 GmbH fortgesetzt. Der im Interessenausgleich genannte Grund, nämlich die endgültige und vollständige Einstellung des Geschäftsbetriebes durch die Geschäftsführung der Insolvenzschuldnerin am 26.04.2006 liegt nicht vor. Es ist nämlich unwidersprochen geblieben, dass die bereits am 24.04.2006 gegründete Firma N1 und L3 nach außen hin als Nachfolgerin der Insolvenzschuldnerin auftritt, einen Teil der vormals bei der Insolvenzschuldnerin tätigen Mitarbeiter beschäftigt, deren Räumlichkeiten, Fahrzeuge und Arbeitsgeräte nutzt und in ähnlicher Form wie es die Insolvenzschuldnerin getan hat sich mit Garten- und Landschaftsbau befasst. Ob ein Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben ist, wofür einiges spricht, kann im vorliegenden Verfahren offenbleiben. Fest steht jedenfalls, dass der Betrieb der Insolvenzschuldnerin nicht komplett aufgelöst worden ist, sondern in ähnlicher Form und mit reduzierter Personalstärke fortgeführt wird. Die vom Kläger dazu vorgelegten Presseveröffentlichungen sprechen eine deutliche Sprache. Danach hat die Firma N1 und L3 als Garten- und Landschaftsbau ihre Aktivitäten bereits Anfang Mai begonnen und die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Laufe des Jahres 2006 auf mindestens dreißig Mitarbeiter und sechs Auszubildende aufgestockt (s. den Presseartikel vom 19.07.2006 Bl. 92 d.A.). Dabei war es das Ziel der neu gegründeten GmbH, das Vertrauen der Kunden in die Marke "N1" zur Auffanggesellschaft hinüberzuretten. Vor diesem Hintergrund ist es allenfalls zu einer Betriebseinschränkung i.S.v. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG gekommen, nicht aber wie es im Interessenausgleich steht zu einer kompletten Auflösung und Stilllegung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin. Bei Abschluss des Interessenausgleichs am 21.06.2006 und Ausspruch der Kündigung am 26.06.2006 fehlte es jedenfalls an einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung, denn zu diesem Zeitpunkt gab es bereits den Plan zur Gründung einer Auffanggesellschaft, um die geschäftlichen Aktivitäten der Insolvenzschuldnerin unter neuer Trägerschaft fortzusetzen. Die Einschränkung oder Reduzierung des Betriebes im Wege einer sanierenden Übertragung hätte eine soziale Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG erforderlich gemacht, die hier aber nicht stattgefunden hat. Kann von dem behaupteten Kündigungsgrund, nämlich der Stilllegung des Betriebes, keine Rede sein, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungswirkung nicht erfüllt.

3. Der Beklagte hat auch nicht unabhängig vom Eingreifen der Vermutungswirkung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO dargelegt, dass die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG).

Es sind nämlich keine Maßnahmen zur endgültigen Auflösung des Betriebes und Zerschlagung seiner betrieblichen Organisation ergriffen worden. Der Beklagte räumt ein, dass die Immobilie, die Betriebsmittel und die Fahrzeuge weiterhin von der Firma N1 und L3 GmbH genutzt werden. Ob das Anlagevermögen und die Betriebsmittel in fremdem Eigentum standen und von der Insolvenzschuldnerin nur angemietet waren, ist unerheblich. Die Räumlichkeiten, das Betriebsgelände, die Fahrzeuge und Arbeitsgeräte werden jedenfalls in ähnlicher Weise genutzt wie es die Insolvenzschuldnerin getan hat. Der Kläger hat darüber hinaus fünf Baustellen der Insolvenzschuldnerin benannt, die von der Firma N1 und L3 weiterbearbeitet worden sind. Nach dem Presseartikel im W2-Blatt vom 19.07.2006 werden acht Kolonnen im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus eingesetzt, so dass von einem wesentlich geänderten Betriebszweck nicht gesprochen werden kann. Da die Aktivitäten der neu gegründeten Auffanggesellschaft bereits im Mai 2006 begonnen haben, kann von einer im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung geplanten oder bereits erfolgten endgültigen Stilllegung des Betriebes keine Rede sein. Ob die Insolvenzschuldnerin bei Stellung des Insolvenzantrages am 26.04.2006 ursprünglich den Plan hatte, den Betrieb komplett einzustellen, kann offenbleiben. Jedenfalls waren diese Planungen bei Ausspruch der Kündigung hinfällig geworden, denn es gab zu diesem Zeitpunkt bereits wieder geschäftliche Aktivitäten, die der behaupteten Betriebsstilllegung widersprechen.

III

Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage scheitert nicht daran, dass möglicherweise ein Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 KSchG auf die Firma N1 und L3 GmbH stattgefunden hat. Allerdings könnte nicht mehr im Sinne des Klägers festgestellt werden, dass das zwischen ihm und dem Beklagten bestandene Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht aufgelöst worden ist, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor Ausspruch der Kündigung auf die Firma N1 und L3 GmbH übergegangen wäre (BAG vom 18.04.2002 - 8 AZR 346/01, NZA 2002, 1207). Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nämlich nach der punktuellen Streitgegenstandstheorie voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung überhaupt noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Ist dies nicht der Fall, weil das Arbeitsverhältnis bereits vorher auf einen Betriebserwerber übergegangen ist, führt dies zur Unschlüssigkeit der Klage, auch wenn der bisherige Betriebsveräußerer vom Weiterbestehen eines Arbeitsverhältnisses mit ihm ausgeht und insoweit Kündigungsbefugnis für sich reklamiert (vgl. dazu BAG vom 18.04.2002 - 8 AZR 346/01 unter I 2. a) und b) der Gründe, NZA 2002, 1207). Vorliegend gehen aber beide Parteien übereinstimmend davon aus, dass zwischen ihnen bei Ausspruch der Kündigung noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Der Beklagte ist der Auffassung des Klägers, es liege eine Betriebsübergang i.S.d. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Firma N1 und L3 GmbH vor, entgegengetreten. Andererseits kann dem Vortrag des Klägers nicht mit Sicherheit entnommen werden, dass bei Ausspruch der Kündigung der von ihm behauptete Betriebsübergang bereits vollzogen worden war. Der Kläger spricht lediglich ohne zeitliche Festlegung von der Weiterführung betrieblicher Aktivitäten, der Übernahme von Kunden und Baustellen, der Nutzung von Fahrzeugen und Arbeitsgeräten, der Werbung als Nachfolgegesellschaft und der Beschäftigung von ehemaligen Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin. Der Kläger stützt seine Kündigungsschutzklage nicht allein auf die Behauptung, der Betrieb sei bereits vor der Kündigung auf die angebliche Betriebserwerberin, die Firma N1 und L3 GmbH, übergegangen (vgl. dazu BAG vom 15.12.2005 - 8 AZR 202/05, NZA 2006, 597 unter BI1b aa der Gründe). Ein bereits vor Ausspruch der Kündigung am 26.06.2006 erfolgter Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB kann dem Vortrag des Klägers nicht schlüssig entnommen werden.

Ob der Betriebsrat vor Ausspruch der angegriffenen Kündigung ordnungsgemäß gemäß § 102 BetrVG angehört worden ist, kann nach alledem offenbleiben.

IV

Der Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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