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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 06.09.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 199/06
Rechtsgebiete: KSchG, InsO


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 3
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 15.12.2005 - 1 (3) Ca 1389/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von dem Beklagten aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 15.07.2005 zum 31.10.2005.

Der am 21.01.13xx geborene Kläger, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, war seit dem 16.09.1987 bei der in B1x L1xxxxxxxxx a1xxxxxxxx S3xxxxxxxxxx GmbH, einem Möbelwerk, zuletzt als Verlader gegen eine monatliche Vergütung von 2.500,00 € tätig.

Über das Vermögen der S3xxxxxxxxxx GmbH wurde am 01.07.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat am 08.07.2005 eine umfängliche Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich, der sich über ein Sanierungskonzept zur Fortführung der Kernbereiche des Schuldnerunternehmens verhält und den Abbau von 151 Arbeitsplätzen vorsieht. In dem sogenannten "Erwerberkonzept" heißt es, dass eine Auffanggesellschaft zur Fortführung des restrukturierten Betriebes gegründet werde. Die bislang mit unterschiedlichen Produktionsabläufen gefertigten drei Modellserien "Classic", "Connect" und "Modul" würden durch eine einzige Modellserie ersetzt. Damit sei eine unmittelbare Personalreduzierung um ca. 40 % verbunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Regelungen unter IX. der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich vom 08.07.2005 (Bl. 37 ff. d.A.) Bezug genommen. Die im Einzelnen wegfallenden Arbeitsplätze in den Bereichen Möbelteilefertigung, Endmontage/Versand, Instandhaltung, Verwaltung/Vertrieb und Fuhrpark werden unter namentlicher Nennung der verbleibenden und der zu entlassenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Angabe ihrer sozialen Daten beschrieben. Bestandteil der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich ist eine zusammengefasste Liste der weiterbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eine Namensliste der zu kündigenden 151 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Inhalt des Interessenausgleichs ist auch eine Liste der nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl ausgenommenen Arbeitnehmer.

Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs ist gemäß die Anhörung des Betriebsrats verbunden worden. Zuvor hatte der Beklagte den Betriebsrat bereits mit Schreiben vom 20.06.2005 zu seiner Absicht angehört, nach Abschluss des Anhörungsverfahrens und Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kündigungen im Juli 2005 auszusprechen. Diesem Schreiben war eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer mit sämtlichen Sozialdaten sowie eine vollständige Personalliste der gesamten Belegschaft unter Aufschlüsselung der Unterhaltspflichten, der Beschäftigungsdauer im Unternehmen, der Beschreibung des konkreten Arbeitsplatzes, der Eingruppierung und des voraussichtlichen Kündigungstermins beigefügt.

Nach Eingang der Massenentlassungsanzeige am 12.07.2005 bei der Agentur für Arbeit P1xxxxxxx kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 15.07.2005 fristgemäß zum 31.10.2005.

Der Kläger hält die Kündigung für sozialwidrig. Er bestreitet die betriebsbedingten Gründe und rügt die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 15.12.2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung des Beklagten vom 15.07.2005 mit Wirkung zum 31.10.2005 aus betriebsbedingten Gründen beendet worden. Der gesetzlichen Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Auch die vom Beklagten getroffene Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe seine Rüge der Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl nicht konkretisiert, denn er habe keine Arbeitnehmer namentlich benannt, die statt seiner hätten entlassen werden müssen. Da der Interessenausgleich vom 08.07.2005 die sozialen Daten aller Mitarbeiter enthalte, könne sich der Kläger nicht darauf berufen, ihm sei durch fehlende Information die Möglichkeit genommen, konkret zur grob fehlerhaften Sozialauswahl vorzutragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Feststellungsanträge im Wesentlichen weiter. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt er vor, die gesetzliche Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO könne im vorliegenden Fall nicht eingreifen, weil die im Betrieb der Insolvenzschuldnerin verbliebenen Mitarbeiter seit seiner Freistellung ab 01.07.2005 täglich mindestens eine Stunde Mehrarbeit leisteten. Jedenfalls sei die getroffene Sozialauswahl grob fehlerhaft, auch wenn ihr der Betriebsrat zugestimmt habe. Er sei in allen Abteilungen universell einsetzbar. Folgende Arbeitnehmer seien sozial weniger schutzbedürftig:

- W5xxxxxx D3xxxx, 44 Jahre alt, 9 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 1 K4xx

- E2xx S5xxxx, 37 Jahre alt, 7 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 2 Kinder

- F2xxxxxxx S4xxxxxx, 39 Jahre alt, 9 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 2 Kinder

- S6xxxx K3xxxxxxx, 36 Jahre alt, 4 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 2 K5xxxx

- V2xxxxx Bondarenko, 45 Jahre alt, 8 Jahre Betriebszugehörigkeit, 2 Kinder

- A4xxxxxxx Andreas, 45 Jahre alt, 12 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 2 Kinder

- A2xxxx H1xxx, 44 Jahre alt, 11 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 2 Kinder

- W6xxxx W2xxxxxx, 36 Jahre alt, 12 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 2 Kinder

- A4xxxxxxx M2xxxx, 40 Jahre alt, 11 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 2 Kinder

- M3xxxx L3xxxxx, 52 Jahre alt, 11 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 1 Kind

- V3xxxx W4xxxxxxx, 38 Jahre alt, 8 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 1 Kind

- A3xxxxx B5xxx, 34 Jahre alt, 8 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, 2 Kinder.

Es sei nicht zu rechtfertigen, ihn in die Gruppe der "Helfer einfache Tätigkeit" aufzunehmen. Tatsächlich hätte er im Rahmen der sozialen Auswahl der Gruppe "qualifizierte Helfer" zugeordnet werden müssen. Er habe in den letzten Jahren nämlich selbständig Verladetätigkeiten verrichtet und nicht bloß als "zweiter Mann". V2xxxxx B7xxxxxxxx sei von ihm im Verladebereich angelernt worden. Vor seinem Einsatz in der Versandabteilung ab 1989 habe er in der Bettenabteilung, im Maschinenraum, am Sockelband und in der Seitenabteilung gearbeitet. Er könne ebenso wie die von dem Beklagten genannten Mitarbeiter Blenden verleimen, Schwebetüren und Bettenbrücken montieren und diese verpacken. In der Gruppe der qualifizierten Helfer gebe es 17 Mitarbeiter, die weniger Sozialpunkte aufwiesen als er.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 15.12.2005 - 1 (3) Ca 1389/05 - wird abgeändert und es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 15.07.2005 zum 31.10.2005 aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Er trägt ergänzend vor, entgegen der Darstellung des Klägers hätten die verbliebenen Arbeitnehmer keineswegs Mehrarbeit geleistet, sondern im Rahmen einer bereits im September 2003 geschlossenen Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung sei mit dem Betriebsrat für den Zeitraum 29.08.2005 bis 16.09.2005 eine Erhöhung der täglichen Arbeitszeit auf 9 Stunden pro Tag von Montag bis Freitag festgelegt worden. Außerdem sei an zwei Samstagen jeweils 6 Stunden gearbeitet worden. Auch in der Vorweihnachtszeit sei es wiederholt zu Arbeitszeiten von mehr als 35 Stunden wöchentlich gekommen. Dafür sei die Arbeitszeit in der Produktion in der Woche vor Ostern und vom 08.05.2006 bis 15.05.2006 auf Null herabgesetzt worden.

Die soziale Auswahl habe der Kläger erstinstanzlich nur pauschal gerügt. Er habe ihn auch nicht aufgefordert, die Gründe für die Sozialauswahl zu nennen. Erst aufgrund des zweitinstanzlichen Vortrags des Klägers sei er veranlasst, dazu wie folgt vorzutragen: Nach Verhandlungen mit dem Betriebsrat seien die Mitarbeiter in folgende Gruppen aufgeteilt worden:

- MB FA = Maschinenbediener und Facharbeiter

- MB ang. = angelernter Maschinenbediener

- FA = Facharbeiter

- H = Helfer

Der Betriebsrat habe eine Änderung gewünscht, weil es unter den Helfern große Unterschiede bezüglich Qualifikation und Vielschichtigkeit des Arbeitsbereichs gegeben habe. Deshalb sei innerhalb der Gruppe der Helfer zwischen Helfern mit einfachen Tätigkeiten und Helfern mit qualifizierter Tätigkeit unterschieden worden. Die Sozialdaten seien nach einem mit dem Betriebsrat abgestimmten Punkteschema wie folgt berücksichtigt worden:

- Unterhaltspflichten für Ehegatten: 8 Punkte

- Unterhaltspflicht für Kinder: 4 Punkte pro Kind gemäß Lohnsteuerkarte

- Betriebszugehörigkeit: 1 Punkt pro Jahr bis zu 10 Jahren, 2 Punkte pro Jahr ab dem 11. Jahr

- Lebensalter: 1 Punkt pro Jahr, max. 55 Punkte

- Schwerbehinderung ab GdB 50: 4 Punkte

Der Kläger sei zuletzt als Verlader tätig gewesen. Er habe als "2. Mann" Packstücke aus dem Versand oder den Abteilungen zum Auflieger gebracht und sie in LKW-Auflieger verstaut. Dabei sei ihm von seinem Kollegen, dem 1. Mann, angegeben worden, welche Packstücke er zur Verladerampe holen solle. Im Rahmen der Sozialauswahl sei der Kläger in die Gruppe "Helfer - einfache Tätigkeit Versand" aufgenommen worden. Alle mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer seien ebenfalls entlassen worden. Mit den von ihm genannten 12 Mitarbeitern sei der Kläger nicht vergleichbar. D3xxxx verfüge über einen LKW-Führerschein und könne bei Engpässen auch als LKW-Fahrer eingesetzt werden. B7xxxxxxxx sei im Verladebereich als 1. Mann tätig gewesen und könne einen LKW selbständig und ohne Anweisungen verladen. Gleiches gelte für H1xxx, S5xxxx, K3xxxxxxx, M2xxxx, W4xxxxxxx, A3xxxxx und B5xxx. Diese Arbeitnehmer könnten außerdem als "qualifizierte Helfer" am Sockelband eingesetzt werden. Sie seien dort angelernt worden und erst dann in den Versand gekommen. A3xxxxx B5xxx sei nur teilweise im Versand tätig gewesen und werde außerdem als Maschinenbediener an der Aufteilsäge eingesetzt. Herr S4xxxxxx sei als qualifizierter Helfer auch in der Schwebetürenabteilung einsetzbar und montiere Seiten und Böden für begehbare Eckschränke. Herr W2xxxxxx sei flexibel am Seitenband in der Sockelabteilung, an der Lackstraße und an den Nako-Bändern einsetzbar. Herr L3xxxxx verfüge als Staplerfahrer über einen Staplerschein und sei wegen seiner Tätigkeit ohnehin mit dem Kläger nicht vergleichbar.

Dem ist der Kläger mit Schriftsatz vom 28.08.2006 wie folgt entgegen getreten: Er habe nicht nach Anweisung gearbeitet, sondern völlig selbständig. Einen ersten Mann an seiner Seite habe er nicht benötigt. B7xxxxxxxx habe er im Verladebereich angelernt. Er sei vergleichbar mit der Gruppe der qualifizierten Helfer, in der es 17 Mitarbeiter mit geringerer Punktzahl gäbe. Bei richtiger Zuordnung sei er sozial schutzwürdiger als viele nicht entlassene Arbeitnehmer.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 06.09.2006 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I

Die Kündigung des Klägers ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung ist gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO aufgrund des geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste, auf der sich auch der Name des Klägers befindet, zu vermuten. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht erkannt. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung hat der nicht widerlegt.

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungswirkung sind erfüllt, denn es ist wegen der von dem Beklagten geplanten Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG zu einem Interessenausgleich mit Namensliste gekommen, auf der sich der Name des Klägers befindet. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgericht dazu wird Bezug genommen.

2. Greift die gesetzliche Vermutungswirkung ein, muss nunmehr der Kläger darlegen und beweisen, dass seine Beschäftigungsmöglichkeit nicht weggefallen ist. Es tritt eine Umkehr der Beweislast ein. Nunmehr muss der Arbeitnehmer die zu vermutende Betriebsbedingtheit der Kündigung schlüssig und begründet widerlegen (BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - NZA 1998, 933; BAG vom 21.02.2002 - 2 AZR 581/00 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 10).

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Schon seine Behauptung, die verbliebenen Mitarbeiter hätten Mehrarbeitsstunden verfahren, steht der Annahme, eine dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers sei weggefallen, nicht zwingend entgegen. Jedenfalls hat der Beklagte dazu auf die mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitflexibilisierung verwiesen und damit eine in sich schlüssige und plausible Erklärung für das geänderte Arbeitszeitverhalten geliefert. Dem ist der Kläger nicht entgegen getreten, so dass der Vortrag des Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist.

II

Eine grob fehlerhafte Sozialauswahl gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO kann nicht festgestellt werden. Auch insoweit ist dem Arbeitsgericht zu folgen.

1. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit bezieht sich auf den gesamten Vorgang der sozialen Auswahl und nicht nur auf die Gewichtung der sozialen Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Sanierung insolventer Unternehmen durch Kündigungserleichterungen gefördert werden. Deshalb ist der individuelle Kündigungsschutz zugunsten einer kollektiv-rechtlichen Regelungsbefugnis der Betriebsparteien eingeschränkt worden (vgl. dazu bereits BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - NZA 1998, 933 und vom 21.01.1999 - 2 AZR 624/98 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste; MünchKommInsO - Löwisch/Caspers, § 125 Rdnr. 85; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12. Aufl., § 125 Rdnr. 42). Ist die Überprüfbarkeit der sozialen Auswahl umfassend eingeschränkt, kann auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05 - DB 2006, 844 = ZIP 2006, 774; BAG vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02 - ZIP 2004, 1271).

2. Grob fehlerhaft im Sinne von § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist eine soziale Auswahl nur, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05 - DB 2006, 844 = ZIP 2006, 774 und vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02 - ZIP 2004, 1271). Sind die sozialen Daten Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten im Wesentlichen berücksichtigt worden, kann von einer groben Fehlerhaftigkeit nur in krassen Ausnahmefällen die Rede sein (vgl. dazu BAG vom 02.12.1999 - 2 AZR 757/98 - DB 2000, 1338).

In Anwendung dieser Grundsätze bestehen bereits Bedenken, bezüglich aller vom Kläger genannten 12 Mitarbeiter eine fehlerhafte Gewichtung der sozialen Daten zu erkennen. Die unterschiedliche Punktezahl ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, denn eine Punktetabelle ist nur zur Vorauswahl zu verwenden. In jedem Fall muss im Anschluss an die Vorauswahl aufgrund der Punktetabelle eine individuelle Prüfung anhand der sozialen Kriterien des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG stattfinden (BAG vom 18.01.1990 - 2 AZR 357/89 - NZA 1990, 729; BAG vom 05.12.2002 - 2 AZR 549/01 - NZA 2003, 791). Dabei steht dem Arbeitgeber nach der gesetzlichen Konzeption ein Wertungsspielraum zu. Es geht nicht darum, ob der Arbeitgeber nach den Vorstellungen des Gerichts die bestmögliche Sozialauswahl vorgenommen hat. Weil er gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die sozialen Gesichtspunkte nur "ausreichend" berücksichtigen muss, kann er bei der Gewichtung der sozialen Kriterien einen Wertungsspielraum in Anspruch nehmen. Es kommt nur darauf an, ob die von ihm getroffene Auswahlentscheidung vertretbar ist. Dies schließt andere, ebenfalls mögliche Auswahlentscheidung nicht aus. Nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer können die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl mit Erfolg rügen (BAG vom 05.12.2002 - 2 AZR 549/01 - NZA 2003, 791).

Ist die soziale Auswahl wie vorliegend noch weiter eingeschränkt, ist die Grenze des Gestaltungsspielraums der Betriebsparteien nur bei gravierender Vernachlässigung der sozialen Gesichtspunkte überschritten. Bei nur geringen Abständen bezüglich Alter und Betriebszugehörigkeit kann dies noch nicht angenommen werden. Erst wenn unter Zugrundelegung der sozialen Indikatoren ganz erhebliche Unterschiede vorliegen und die soziale Schutzbedürftigkeit evident verkannt worden ist, kann die Grenze der groben Fehlerhaftigkeit erreicht sein.

a) Ein derart deutlicher Abstand kann zwischen dem Kläger und den Mitarbeitern A3xxxxx, D3xxxx, B7xxxxxxxx und H1xxx nicht festgestellt werden, weil deren kürzere Betriebszugehörigkeit zumindest annähernd durch ihr höheres Lebensalter ausgewogen wird. Sie sind jeweils sechs bzw. sieben Jahre älter als der Kläger, haben allerdings im Vergleich zum Kläger eine deutlich geringere Betriebszugehörigkeit von nur acht, neun, elf bzw. zwölf Jahren aufzuweisen. Damit wird der ohnehin eingeräumte Wertungsspielraum aber nicht derart deutlich überschritten, dass von einer völlig unausgewogenen sozialen Auswahl gesprochen werden kann. Der Mitarbeiter L3xxxxx ist aufgrund seines höheren Lebensalters (52 Jahre) sozial deutlich schutzwürdiger als der Kläger. Es ist vertretbar, dass die Betriebsparteien demgegenüber der längeren Betriebszugehörigkeit des 38-jährigen Klägers keine überwiegende Bedeutung zugemessen haben.

b) Ein evident übergroßer Abstand kann auch nicht bei einem Vergleich mit den Mitarbeitern S4xxxxxx, W2xxxxxx, M2xxxx und W4xxxxxxx festgestellt werden. Sie sind nahezu gleich alt wie der Kläger, haben aber eine zum Teil deutlich geringere Betriebszugehörigkeit aufzuweisen. Die sozialen Gesichtspunkte sind noch nicht in grober Weise verkannt worden, wenn nur bezüglich eines sozialen Kriteriums bei im Übrigen gleichen sozialen Verhältnissen ein erheblicher Abstand gegeben ist. Da der Betriebszugehörigkeit bei der Gewichtung der sozialen Kriterien keine Priorität zukommt (BAG vom 02.12.1999 - 2 AZR 757/98 - DB 2000) erweist sich die hier von den Betriebsparteien getroffene soziale Auswahl trotz des Unterschiedes bezüglich der Betriebszugehörigkeit noch nicht insgesamt als grob fehlerhaft. Anhaltspunkte für eine grobe Fehlerhaftigkeit können dann gegeben sein, wenn bei mindestens zwei der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG genannten sozialen Kriterien ein ganz erheblicher und sofort ins Auge springender Abstand erkennbar wird, der durch das Gewicht der beiden anderen sozialen Kriterien nicht annähernd kompensiert wird.

Der Mitarbeiter W2xxxxxx ist zwar zwei Jahre jünger und gehörte dem Betrieb der Insolvenzschuldnerin nur zwölf Jahre an. Indes rechtfertigen es diese Umstände nicht, eine signifikant geringere soziale Schutzbedürftigkeit anzunehmen, denn der Altersunterschied ist zu vernachlässigen und der Abstand bezüglich der Betriebszugehörigkeit nicht derart groß, dass insgesamt von einer groben Verkennung der sozialen Auswahlgesichtspunkte gesprochen werden muss.

3. Die verbleibenden Mitarbeiter S5xxxx, K3xxxxxxx und B5xxx sind zwar deutlich schutzwürdiger als der Kläger, aber mit ihm nicht vergleichbar. Hat der Beklagte wie vorliegend geschehen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz KSchG die Gründe der getroffenen sozialen Auswahl genannt, trifft nunmehr den Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die volle Darlegungs- und Beweislast für die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl (BAG vom 21.02.2002 - 2 AZR 581/00 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10; BAG vom 10.02.1999 - 2 AZR 716/98 - NZA 1999, 702; KR-Weigand, 7. Aufl., § 125 Rdnr. 23; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12. Aufl., § 125 Rdnr. 45).

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Er kann die Behauptung des Beklagten, die genannten Arbeitnehmer gehörten zu einer anderen Vergleichsgruppe, nicht widerlegen.

Die im Rahmen der sozialen Auswahl anzustellende Vergleichbarkeit richtet sich in erster Linie nach objektiven, arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und daher nach der bisher ausgeübten Tätigkeit. Vergleichbar sind solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Aufgaben eines anderen Arbeitnehmers übernehmen kann. Neben der ausgeübten Tätigkeit können die Qualifikation und die Eingruppierung von Bedeutung sein. Der Beklagte hat die Arbeitnehmer S5xxxx, B5xxx und K3xxxxxxx einer anderen Vergleichsgruppe zugeordnet. Dies ist nicht zu beanstanden, weil sie andere Tätigkeiten als der Kläger ausgeübt haben. Nach den Erörterungen in der Berufungsverhandlung hat der Kläger eingeräumt, in den letzten zehn Jahren nur im Versand gearbeitet zu haben. Hingegen sind die Mitarbeiter S5xxxx und K3xxxxxxx am Sockelband angelernt worden und erst dann in den Versand gekommen. Sie haben nicht nur Tätigkeiten im Versand ausgeübt, sondern sind anders als der Kläger auch am Sockelband und an anderer Stelle innerhalb der Möbelproduktion eingesetzt worden. Der Mitarbeiter B5xxx ist auch als Maschinenbediener an der Aufteilsäge tätig geworden. Der Kläger hat für seine Behauptung, Herr B5xxx habe in den letzten zwei bis drei Jahren nur an der Verladerampe gearbeitet, keinen Beweis angetreten.

Im Vergleich zum Kläger ergeben sich daher tätigkeitsbezogene Unterschiede, die es sachlich rechtfertigen, die genannten drei Arbeitnehmer in die Vergleichsgruppe der "qualifizierten Helfer" aufzunehmen. Die Tätigkeit des Klägers in der Bettenabteilung, im Maschinenraum, am Sockelband und in der Seitenabteilung liegt lange zurück, denn diese Arbeiten hat er vor seiner Versetzung in die Versandabteilung im Jahre 1989 verrichtet. Die Einschätzung des Beklagten, dass es an einer sofortigen Substituierbarkeit der genannten Arbeitnehmer durch den Kläger fehlt, ist daher nachvollziehbar (vgl. dazu BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05 - DB 2006, 844). Es bestehen sachbezogene Unterscheidungsmerkmale, die es verbieten, eine unzulässige oder gar willkürliche Vergleichsgruppenbildung anzunehmen (vgl. dazu LAG Hamm vom 12.11.2003 - 2 Sa 1232/03). Ob die in der Berufungsverhandlung erörterte Prämienhöhe geeignet ist, den Kläger der Gruppe der "Helfer einfach" zuzuordnen, kann nach alledem offen bleiben.

III

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Für die Zulassung der Revision bestand gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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