Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.07.2008
Aktenzeichen: 2 Ta 232/08
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 b)
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 09.01.2008 - 2 Ca 1282/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 12.450,00 € festgesetzt.

Gründe:

I

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Die Kläger wollen als Rechtsnachfolger des am 10.02.2008 verstorbenen Dr. U1 R1 gegenüber der Beklagten zu 1) feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 30.08.2006 nicht aufgelöst worden ist und macht Vergütungsansprüche geltend. Über das Vermögen der Beklagten zu 1) ist inzwischen durch Beschluss des Amtsgerichts Siegen am 18.06.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Gegenüber der Beklagten zu 2) hat der Rechtsvorgänger der Kläger zunächst den Bestand eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Die Beklagte zu 2) hat mit Schreiben vom 05.03.2007 vorsichtshalber das zwischen ihr und dem Kläger bestehende Dienstverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt. Klageerweiternd beantragt der Kläger, festzustellen, dass das Dienstverhältnis und Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zu 2) vom 05.03.2007 weder fristlos noch fristgemäß aufgelöst worden ist.

Der verstorbene Dr. U1 R1 wurde von der Beklagten zu 2) aufgrund eines "Arbeitsvertrages" vom 30.01.2002 als Geschäftsführer mit einem Jahresgehalt von 120.000,00 € eingestellt. Gemäß Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag P1 GmbH beträgt die monatliche Vergütung ab 01.10.2005 4.000,00 €.

Die Beklagte zu 2) hat die Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts gerügt, weil der Kläger ihr Geschäftsführer sei und Ansprüche aus dem bestehenden Dienstvertrag geltend mache.

Der Kläger hat sein Amt als Geschäftsführer der Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 30.12.2005 mit sofortiger Wirkung zum 31.12.2005 niedergelegt. Gleichzeitig hat er darauf hingewiesen, dass er mit der Niederlegung der Geschäftsführung seinen Anstellungsvertrag vom 30.01.2002 und die damit verbundene Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 29.09.2005 nicht kündige. Der Kläger trägt vor, die Beklagte zu 2) habe es versäumt, für die Löschung seiner Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister Sorge zu tragen. Nach seiner Niederlegung habe er die Geschäfte der Beklagten zu 2) nicht mehr geführt, sondern sei als normaler Angestellter tätig gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei ab 01.04.2006 ohne vertragliche Vereinbarung auf die Beklagte zu 1) "übertragen" worden, um den Kündigungsschutz aufzuheben.

Die Beklagte zu 2) vertritt den Standpunkt, zwischen ihr und dem Kläger bestehe kein Arbeitsverhältnis. Sie sei mit ihm lediglich über den vorgelegten Dienstvertrag verbunden. Den Arbeitsvertrag habe er mit Schreiben vom 24.09.2004 gekündigt. Trotz der Niederlegung seines Geschäftsführeramtes habe er für sie in der Folgezeit Geschäftsführertätigkeiten ausgeübt. Als Arbeitnehmer sei er für sie nicht tätig geworden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 09.01.2006 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten hinsichtlich der Anträge des Klägers gegen die Beklagte zu 2) für zulässig erklärt und zur Begründung ausgeführt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Zusammenhangsklage gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG eröffnet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, welcher der Beklagten zu 2) am 21.01.2008 zugestellt worden ist, Bezug genommen.

Dagegen hat die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 04.02.2008, der am 04.02.2008 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Beklagte zu 2) vor, zwischen ihr und dem Kläger habe ein Geschäftsführerdienstverhältnis bestanden, welches trotz mehrfacher Kündigung durch den Kläger von ihm fortgesetzt worden sei. Die Behauptung des Klägers, nach seinen Kündigungen Arbeitsleistungen für sie erbracht zu haben, sei völlig unsubstantiiert. Aus der Zulässigkeit des Rechtsweges für die gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klageanträge ergäbe sich nicht zwangsläufig, dass auch für die gegen sie gerichteten Klageanträge die Arbeitsgerichte zuständig seien.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten hinsichtlich der Anträge des Klägers gegen die Beklagte zu 2) für unzulässig zu erklären.

Die Kläger beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss und treten dem Vorbringen der Beklagten zu 2) entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

II

Die gemäß den §§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 48 ArbGG, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) ist nicht begründet. Für die gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klageanträge ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) und b) ArbGG eröffnet.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) ist vorliegend § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht einschlägig. Es geht nämlich nicht um Ansprüche aus dem zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) bestandenen oder noch bestehenden Geschäftsführeranstellungsverhältnis.

a) Organvertreter gelten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch dann nicht als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG, wenn sie geltend machen, das der Geschäftsführeranstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis gewesen. Für diese Personengruppe hat der Gesetzgeber unabhängig von ihrem materiell-rechtlichen Status geregelt, dass sie nicht als Arbeitnehmer zu behandeln sind (BAG vom 20.08.2003, 5 AZB 79/02, AP Nr. 58 zu § 5 ArbGG 1979 m.Anm. Wank). § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift immer dann ein, wenn Ansprüche aus der der Organstellung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Beziehung geltend gemacht werden.

b) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn der Kläger will gegenüber der Beklagten zu 2) den Status eines Arbeitsverhältnisses geklärt wissen. Es geht nicht um das der Organstellung zugrunde liegende Schuldverhältnis, sondern darum, ob zwischen den Parteien nach der Niederlegung des Geschäftsführeramtes ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Der Kläger trägt nämlich vor, es habe zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden, weil er nach der Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer von der Beklagten zu 2) als Arbeitnehmer mit normaler Angestelltentätigkeit weiterbeschäftigt worden sei. Die Beklagte zu 2) habe es lediglich unterlassen, für die Löschung seiner Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister zu sorgen. Für ein von der Geschäftsführeranstellung unterscheidbares Rechtsverhältnis (vgl. dazu BAG vom 25.10.2007, 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168; BAG vom 10.12.1996, 5 AZB 20/96, NZA 1997, 674) spricht der Inhalt seiner Niederlegungserklärung vom 30.12.2005, denn darin heißt es ausdrücklich, dass er seinen Arbeitsvertrag vom 30.01.2002 und die damit verbundene Zusatzvereinbarung vom 29.09.2005 nicht kündige. Bestehen unabhängig voneinander zwei Rechtsverhältnisse, nämlich das Geschäftsführeranstellungsverhältnis einerseits und ein Arbeitsverhältnis andererseits, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) ArbGG eröffnet, wenn der gekündigte Geschäftsführer nur den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geklärt wissen will. Ob die Auffassung des Klägers, das ursprünglich bestandene Dienstverhältnis als vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten zu 2) sei aufgehoben und durch ein Arbeitsverhältnis abgelöst worden, zutrifft, ist im Rechtswegbestimmungsverfahren nicht zu entscheiden, sondern ist eine Frage der Begründetheit der Klageanträge. Die Zulässigkeit des Rechtsweges richtet sich nach dem vom Kläger gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmten Streitgegenstand. Nach den angekündigten Klageanträgen und der Klagebegründung handelt es sich um einen arbeitsrechtlich geprägten Streitgegenstand, denn der Kläger will das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b) ArbGG feststellen lassen. Darüber entscheiden ausschließlich die Arbeitsgerichte.

2. Bezüglich der geltend gemachten Vergütungsansprüche ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG gegeben, denn der Kläger stützt seine Zahlungsklage nicht auf den geschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrag, sondern begründet sie mit dem zwischen ihm und der Beklagten zu 2) angeblich bestehenden Arbeitsverhältnis.

Im Falle einer Änderung der Klageanträge muss ggfls. erneut über die Zulässigkeit des Rechtsweges entschieden werden.

3. Ob die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte wie das Arbeitsgericht meint mit dem Gesichtspunkt der Zusammenhangsklage gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG begründet werden kann, erscheint zweifelhaft, weil eine Zusammenhangszuständigkeit in der Regel nicht gegeben ist, wenn der Hauptklage wie vorliegend ein sic-non-Antrag im Sinne der Rechtsprechung des BAG zugrunde liegt (vgl. Beschluss der Kammer vom 30.07.2007, 2 Ta 354/06 sowie BAG vom 11.06.2003, 5 AZB 43/02, NJW 2003, 3365). Andernfalls bestünde nämlich die Gefahr einer Manipulation des Rechtsweges durch die klagende Partei, wenn diese im Wege der Zusammenhangsklage mit einer Feststellungsklage im Sinne der sic-non-Rechtsprechung des BAG weitere rechtswegfremde Streitgegenstände verbinden könnte (BVerfG vom 21.08.1999, 1 BvR 1389/87, AP Nr. 6 zu § 2 ArbGG Zuständigkeitsprüfung; BAG vom 15.02.2005, 5 AZB 13/04, NZA 2005, 487 unter II 1 der Gründe).

III

Die Beklagte zu 2) hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

IV

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.

Ende der Entscheidung

Zurück