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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: 2 Ta 639/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, GVG


Vorschriften:

ArbGG § 2
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 d
ArbGG § 48 Abs. 1
ArbGG § 62 Abs. 2
ArbGG § 78
ZPO § 567
ZPO § 569
ZPO § 571
ZPO § 572
ZPO § 764
ZPO § 767 Abs. 1
ZPO § 887
ZPO § 888
GVG § 13
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist in einer Angelegenheit ihrer ausschließlichen Zuständigkeit gemäß § 2 ArbGG - hier Schadensersatzansprüche aus einem Ausbildungsverhältnis - auch dann gegeben, wenn es sich um eine Vollstreckungsabwehrklage gegen einen vom Amtsgericht erlassenen Vollstreckungsbescheid handelt.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 13.08.2004 - 2 Ca 1707/04 L - abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.156,08 EUR festgesetzt.

Gründe: I. Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges. Der Kläger will mit seiner am 21.07.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem vom Amtsgericht Hagen erlassenen Vollstreckungsbescheid vom 02.07.2003 - AZ: 03-2235701-0-7 - erreichen, der sich über einen Betrag von insgesamt 2.616,91 EUR verhält. Außerdem begehrt er Rückzahlung einer geleisteten Schadensersatzzahlung in Höhe von 1.400,-- EUR sowie Freistellung von Ansprüchen der Haftpflichtversicherung in Höhe von 6.503,36 EUR. Der Kläger war im Kfz-Reparaturbetrieb des Beklagten seit dem 01.08.2002 als Auszubildender tätig. Er erlernte den Beruf des Karosserie- und Fahrzeugbauers. Am 05.03.2003 fuhr der Kläger das Kundenfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen S1-G4 81, Typ D4xxxxx J1xxxx V1, in die Halle. Dabei kam es zu einer Kollision. Sowohl am Kundenfahrzeug als auch an der Halle entstand Sachschaden. Die Parteien schlossen daraufhin am 06.03.2003 einen Aufhebungsvertrag über die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen mit sofortiger Wirkung. In dem Aufhebungsvertrag heißt es u.a.: Herr M1xxxxx verursachte trotz Verbotes Autos zu fahren, am 05.03.2003 um 17.00 Uhr mit einem Kundenfahrzeug einen Unfall auf dem Betriebsgelände der Fa. A1xxxxxxxxx D3xxx. Für die entstandenen Kosten wird D1xxxx M1xxxxx in vollem Umfang aufkommen. Eine von den Anwälten des Beklagten vorgelegte Vereinbarung, wonach der Kläger an den Beklagten abzüglich der restlichen Ausbildungsvergütung für Februar und März 2003 noch 2.314,91 EUR zahlen sollte, unterzeichnete der Kläger nicht. Der genannte Betrag setzt sich im Wesentlichen aus der Selbstbeteiligung für den Pkw-Schaden und den Gebäudeschaden in Höhe von jeweils 500,-- EUR sowie den Kosten des Mietwagens in Höhe von 1.646,09 EUR zusammen. Der Beklagte erwirkte beim Amtsgericht Hagen zunächst einen Mahnbescheid und sodann einen Vollstreckungsbescheid, den der Rechtspfleger antragsgemäß ohne Prüfung der Zuständigkeit erlassen hat. Das Arbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass gemäß § 767 Abs. 1 ZPO das Amtsgericht Hagen zuständig sein dürfte. Der Kläger hält diese Vorschrift nicht für anwendbar, sondern meint, § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sei einschlägig. Dem Beklagten sei bei der Erwirkung und Verwendung des Vollstreckungsbescheides Sittenwidrigkeit vorzuwerfen. Er habe den Unfall nicht grob fahrlässig verursacht. Das Arbeitsgericht hat sich durch Beschluss vom 13.08.2004 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Hagen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die Vollstreckungsabwehrklage sei gemäß § 767 Abs. 1 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszuges zuständig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen. Gegen den ihm am 24.08.2004 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, die am 01.09.2004 beim Arbeitsgericht eingegangen ist und der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, für die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Amtsgericht und Arbeitsgericht sei nicht § 767 Abs. 1 ZPO einschlägig, sondern § 13 GVG. Das Amtsgericht Hagen sei zu keinem Zeitpunkt zuständig gewesen, auch nicht bei Erlass des Mahnbescheides. Der Kläger beantragt, den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 13.08.2004 aufzuheben und die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Hamm festzustellen. Der Beklagte beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. II. Die gemäß den §§ 48 Abs. 1, 78 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG an sich statthafte und im Übrigen gemäß den §§ 567, 569, 571, 572 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Die Arbeitsgerichte sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a und d ArbGG zuständig. 1. § 767 Abs. 1 ZPO enthält keine Regelung des Rechtsweges, sondern regelt innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Zuständigkeit für das Verfahren der Zwangsvollstreckung. Dagegen ist die Abgrenzung zwischen den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten eine Frage des Rechtswegs (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., vor §§ 17 - 17 b GVG Rdnr. 10). Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten richtet sich nach § 13 GVG. Die ausschließlich Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist in § 2 ArbGG enumerativ aufgezählt. Maßgebend für die Rechtswegzuständigkeit ist der jeweilige Streitgegenstand. Kann § 767 Abs. 1 ZPO nicht als eine Rechtswegzuweisung verstanden werden, richtet sich der Rechtsweg nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (BGH vom 19.12.1996 - III ZB 105/96 - NJW 1998, 909 und BAG vom 21.05.1999 - 5 AZB 31/98 - NZA 1999, 837, 838). Entscheidend ist daher nicht die Herkunft des Titels, sondern die Rechtsnatur der geltend gemachten Ansprüche (a.A. Kissel, GVG, 3. Aufl., § 13 Rdnr. 87). Wenn § 62 Abs. 2 ArbGG im Rahmen der Zwangsvollstreckung auf die Vorschriften des achten Buches der ZPO verweist, hat dies lediglich klarstellende Funktion. Auch in den Sachen, in denen das Arbeitsgericht ausschließlich zuständig ist, bleibt bei Zwangsvollstreckungsangelegenheiten das Amtsgericht gemäß § 764 ZPO zuständig. Handelt es sich aber um die Zwangsvollstreckung wegen vertretbarer oder unvertretbarer Handlungen gemäß den §§ 887, 888 ZPO, ist das Arbeitsgericht als Prozessgericht zur Entscheidung berufen (GK-ArbGG/Wenzel, § 2 Rdnr. 49; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., Rdnr. 207). Die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die in § 2 ArbGG genannten Angelegenheiten bleibt davon unberührt. Das Arbeitsgericht ist daher als Prozessgericht bei einer Zwangsvollstreckungsgegenklage immer dann zuständig, wenn es sich um einen Anspruch handelt, für den bei klageweiser Geltendmachung die Arbeitsgerichte zuständig wären (GK-ArbGG/Wenzel, § 2 Rdnr. 49; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 207, Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 62 Rndr. 12 sowie OLG Frankfurt vom 10.12.1984 - XVII W 46/84 - NZA 1985, 196). Für die Frage des Rechtsweges ist daher vorliegend nicht ausschlaggebend, dass das Amtsgericht im Mahnverfahren ohne Prüfung seiner Zuständigkeit den Vollstreckungsbescheid erlassen hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob der dem Vollstreckungsbescheid zugrunde liegende Anspruch gemäß § 2 ArbGG in die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fällt. 2. Dies ist hier der Fall, denn es handelt sich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber aus einem Arbeitsverhältnis. Dazu gehört das Berufsausbildungsverhältnis, weil auf dem Berufsausbildungsvertrag die für Arbeitnehmer geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden sind (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., § 174 Rdnr. 4 und 107). Da es ferner um unerlaubte Handlungen geht, die mit dem zwischen den Parteien bestandenen Ausbildungsverhältnis zusammenhängen, folgt die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte daneben aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG. III. Der Beklagte hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind 3/10 des Wertes der Hauptsache festgesetzt worden (3/10 von 10.520,27 EUR). IV. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage hat das Beschwerdegericht die wietere Beschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zugelassen. Nach der Neuregelung des Beschwerderechts ist die "weitere Beschwerde" des § 568 II ZPO a.F. nicht mehr vorgesehen. Deshalb wird vertreten, dass es sich bei der Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG um eine Rechtsbeschwerde gemäß den §§ 574 ff ZPO handelt (BGH NJW 2003, 433 sowie BAG vom 26.09.2002 - 5 AZB 15/02 - NZA 2002, 1302).

Ende der Entscheidung

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