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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.09.2004
Aktenzeichen: 2 Ta 644/03
Rechtsgebiete: HGB, ArbGG, GVG, ZPO


Vorschriften:

HGB § 84
HGB § 84 Abs. 1
HGB § 84 Abs. 4
HGB § 92
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 5 Abs. 3
ArbGG § 48 Abs. 1
ArbGG § 78
GVG § 17 a Abs. 2 Satz 1
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 2
ZPO § 569
ZPO § 571
ZPO § 572
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 14.08.2003 - 3 Ca 2446/02 - abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Münster verwiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.950,-- EUR festgesetzt.

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Provisionszahlung in Höhe von 6.500,-- EUR in Anspruch. Er war bei der Beklagten seit dem 01.05.2001 aufgrund eines schriftlichen Vertretervertrages vom 15.05.2001 als hauptberuflicher Versicherungsvertreter tätig. In dem Vertrag ist vereinbart, dass der Kläger als selbständiger Gewerbetreibender gemäß den §§ 84, 92 HGB tätig wird, seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Zu den wichtigsten Aufgaben des Klägers gehörte die Vermittlung neuer Versicherungen, Bausparverträge und Finanzdienstleistungen. Dafür zahlte die Beklagte eine im Einzelnen aufgeschlüsselte Provision. Für andere Versicherungsunternehmen, Bausparkassen und Banken durfte der Kläger nur mit ausdrücklicher Einwilligung der Beklagten tätig werden. Die Beklagte hat die Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt, weil der Kläger selbständiger Handelsvertreter gewesen sei. Demgegenüber vertritt der Kläger den Standpunkt, er sei in Wirklichkeit Arbeitnehmer der Beklagten gewesen, denn er habe morgens um 9.00 Uhr in den Räumlichkeiten der Beklagten anwesend sein müssen und das ihm zugewiesene Büro mit dem Kollegen K1xx geteilt. Der Geschäftsführer F2xxxxx der Beklagten habe ihm die wahrzunehmenden Termine vorgegeben. Der Kläger meint, die Arbeitsgerichte seien jedenfalls gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG zuständig, denn er habe von Oktober 2001 bis März 2002 nur 5.025,47 EUR an Provision verdient. Unstreitig ist, dass der Kläger für das ihm zur Verfügung gestellte Büro eine monatliche Miete von 250,-- DM und die Telefongebühren bezahlen musste. Außerdem hatte er für die Betriebsverbrauchskosten eine Pauschale in Höhe von monatlich 50,-- DM zu tragen. Nach dem ergänzenden Vortrag der Parteien in der Beschwerdeinstanz flossen dem Kläger im Zeitraum August 2001 bis einschließlich Januar 2002 aus Provisionszahlungen insgesamt 6.812,55 EUR zu. Ab Februar 2002 war der Kläger für die Beklagte nicht mehr tätig, jedenfalls erzielte er keine Provisionseinkünfte mehr. Das Arbeitsgericht hat den beschrittenen Rechtsweg durch Beschluss vom 14.08.2003 für zulässig erklärt mit der Begründung, es habe ein abhängiges Arbeitsverhältnis bestanden. Der Kläger habe sein Büro in den Räumlichkeiten der Beklagten gehabt und habe Termine nach Anweisungen durchführen müssen. Damit sei er in den Betriebsablauf integriert und zeitlich und auch inhaltlich weisungsgebunden gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen. Gegen den ihr am 20.08.2003 zugestellten Beschluss hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt, die am 03.09.2003 beim Arbeitsgericht eingegangen ist und der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Beklagte vor, das Arbeitsgericht habe den Kläger zu Unrecht als Arbeitnehmer angesehen. Dagegen spreche bereits, dass er ein eigenes Büro angemietet und dafür Miete bezahlt habe. Bereits vor Beginn ihrer Vertragsbeziehungen sei der Kläger als Handelsvertreter tätig gewesen und habe lediglich die Möglichkeit genutzt, ab 01.05.2001 zu ihr zu wechseln. Der Kläger habe keine Arbeitszeit einhalten müssen, sondern darüber frei verfügen können. Der Kläger sei auch nicht weisungsgebunden gewesen, sondern habe nur bestimmte Rahmenbedingungen und Vorgaben bei der Ausübung seiner Vermittlungstätigkeit beachten müssen. Zu Unrecht habe es das Arbeitsgericht als unstreitig gesehen, dass der Kläger Termine nach Anweisung habe durchführen müssen. Richtig sei vielmehr, dass der Kläger die Termine selbständig mit den Kunden vereinbart und sie von diesen Terminen keine Kenntnis gehabt hätte. Der Kläger beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen. Er trägt ergänzend vor, wenn er keine Außentermine gehabt hätte, hätte er um 9.00 Uhr im Büro anwesend sein müssen mit einer Regelarbeitszeit bis 19.00/20.00 Uhr. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. II. Die gemäß den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG an sich statthafte und gemäß den §§ 78 ArbGG, 569, 571, 572 ZPO zulässige Beschwerde der Beklagten hat Erfolg. Die Arbeitsgerichte sind nicht zuständig. Der Kläger war kein Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Er gehörte auch nicht zum Kreis der geringverdienenden Einfirmenvertreter gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG. 1. Die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien können nicht als Arbeitsverhältnis angesehen werden. Dagegen spricht bereits der zwischen ihnen geschlossene Handelsvertretervertrag. Handelsvertreter sind selbständige Kaufleute, die gemäß § 84 Abs. 1 HGB ihre Tätigkeit und ihre Arbeitszeit im Wesentlichen frei gestalten können. Dies gilt auch für Versicherungsvertreter gemäß § 92 HGB. Bezüglich der Arbeitszeiten des Klägers enthält der Vertrag vom 15.05.2001 keine Vorgaben. Gleiches gilt für die Art und Weise der vom Kläger zu erbringenden Vermittlungsdienstleistungen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger einem arbeitnehmertypischen Weisungsrecht unterlag, welches dem Arbeitgeber ermöglicht, Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort und sonstige Modalitäten der Tätigkeit zu bestimmen (vgl. dazu BAG vom 26.05.1999 - 5 AZR 664/98 - NZA 1999, 987; BAG vom 06.05.1998 - 5 AZR 247/97 - NZA 1999, 205 und BAG vom 19.11.1997 - 5 AZR 653/96 - NZA 1998, 364). Den Umfang seiner Arbeitszeit konnte der Kläger schon deshalb frei bestimmen, weil er die Termine mit den Kunden frei vereinbaren konnte. Seine gegenteilige Behauptung ist unsubstantiiert. Bereits die stark abweichende Höhe der erzielten Provisionen lässt auf einen unterschiedlichen Einsatz des Klägers schließen. Ohne qualifizierten Widerspruch des Klägers ist die Behauptung der Beklagten geblieben, der Kläger habe in den Monaten Mai 2001, September 2001, Dezember 2001 und Februar 2002 nicht einen einzigen abrechnungsfähigen Vertrag eingereicht. Welche Termine der Kläger auf Weisung der Beklagten wahrzunehmen hatte, hat er im Einzelnen nicht vorgetragen. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Kläger zur Einhaltung einer regelmäßigen Arbeitszeit gezwungen war (vgl. dazu BAG vom 15.12.1999 - 5 AZR 169/99 - NZA 2000, 1162). Sein Vortrag zu den einzuhaltenden Bürozeiten erschöpft sich in einer pauschalen Behauptung und bleibt ohne konkrete Schilderung der Arbeitsabläufe unsubstantiiert. Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe selbst entscheiden können, ob und wann er seine Tätigkeit aufnehme und der Kläger habe von dieser Freiheit auch Gebrauch gemacht. Es berührt nicht die Selbständigkeit eines Versicherungsvertreters, dass die Kunden Terminwünsche vorgeben und nur zu bestimmten Zeiten erreichbar sind (BAG vom 26.05.1999 - 5 AZR 469/98 - NZA 1999, 983 und vom 15.12.1999 - 5 AZR 770/98- NZA 2000, 481). Schließlich unterlag der Kläger keiner besonderen Berichtspflicht. Seine Rechtsstellung, Vollmachten und Aufgaben, wie sie in den §§ 2 und 3 des Vertretervertrages beschrieben werden, sind typisch für die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters und eröffnen einen so weiten Spielraum, dass der Kläger seine Arbeitszeit im Wesentlichen frei einteilen und auch die Ausübung seiner Tätigkeit selbst frei gestalten konnte. Eine hiervon erheblich abweichende Vertragsdurchführung lässt sich auch nach dem Klägervortrag nicht feststellen. Für die Handelsvertretereigenschaft des Klägers spricht letztendlich, dass der Kläger, wenn auch in den Räumlichkeiten der Beklagten, ein eigenes Büro und Telefon unterhielt, für deren Nutzung er Miete und Telefongebühren zahlen musste. Es ist gemäß § 84 Abs. 4 HGB nicht erforderlich, dass der Handelsvertreter einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb unterhält. 2. Ist der Kläger als Handelsvertreter anzusehen, sind die Gerichte für Arbeitssachen gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG nur zuständig, wenn es sich um einen Einfirmenvertreter handelt und dieser nicht mehr als 1.000,-- EUR monatlich an Vergütung einschließlich Provision und Aufwendungsersatz bezogen hat. Zugunsten des Klägers kann zunächst unterstellt werden, dass er wegen des Genehmigungsvorbehalts nicht für andere Versicherungsunternehmen tätig werden durfte. Seine Einkünfte überstiegen aber die gesetzlichen Mindestgrenzen. Abzustellen ist auf die letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses (Germelmann/Müller/Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 5 Rdnr. 26). Die Monate Februar und März 2002 müssen hier außer Betracht bleiben, weil der Kläger in dieser Zeit nicht mehr, wie vertraglich geschuldet, für die Beklagte tätig geworden ist. Nach den vorgelegten Abrechnungen beliefen sich die Einkünfte des Klägers im Zeitraum August 2001 bis Januar 2002 auf insgesamt 6.451,95 EUR, so dass die Grenze von 1.000,-- EUR monatlich überschritten wird. III. Da der beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, war der Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige Landgericht Münster zu verweisen. IV. Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. V. Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtsbestimmungsverfahren sind 3/10 des Wertes der Hauptsache in Ansatz gebracht worden.

Ende der Entscheidung

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