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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 131/05
Rechtsgebiete: BMTV für Städtereinigungsbetriebe


Vorschriften:

BMTV für Städtereinigungsbetriebe
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 15.12.2004 - Az. 5 Ca 1617/04 - wird zurückgewiesen.

Auf den Antrag des Klägers aus dem Schriftsatz vom 28.04.2005 wird des Weiteren festgestellt, dass dem Kläger ein weiterer Anspruch auf ein zusätzliches Zeitguthaben in Höhe von 29,40 Stunden zusteht.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte

Tatbestand: Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, Zeiten einer Nichtbeschäftigung zu Lasten eines Stundenguthabens auf einem Arbeitszeitkonto zu berücksichtigen. Der Kläger ist seit dem 04.01.1993 als Kraftfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage der Beschäftigung ist ein schriftlicher Vertrag vom 13.01.1993, nach dessen Ziffer 9 im Übrigen "die Bestimmungen des für den Betrieb geltenden Bundes-Manteltarifvertrages für Städtereinigungsbetriebe in der jeweils gültigen Fassung" gelten. Der Stundenverdienst des Klägers betrug zuletzt 13,03 € brutto. § 4 Abs. 1 des Bundes-Manteltarifvertrages für die Entsorgungswirtschaft (künftig: BMTV) sieht hinsichtlich der regelmäßigen Arbeitszeit folgende Bestimmung vor: "§ 4 Arbeitszeit (1) Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt in einem Zeitraum von 12 Monaten ausschließlich der Pausen im Tarifgebiet West 37 Stunden in der Woche bzw. 40 Stunden im Tarifgebiet Ost. Gemäß § 7 Abs. 1 b) ArbZG wird in Abweichung von § 3 ArbZG der Ausgleichszeitraum auf 12 Monate verlängert. Außerdem besteht die Gestaltungsmöglichkeit gemäß § 7 Abs. 1 c) ArbZG. Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbaren die Anwendung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung." Die Beklagte betreibt ein Unternehmen im Bereich der Entsorgungswirtschaft im Abfallbereich sowie in der Industrie- und Städtereinigung. Sie beschäftigt rund 60 Arbeitnehmer. Bei ihr besteht ein Betriebsrat. Der Kläger ist Mitglied dieses Betriebsrates. Die Beklagte ist tarifgebunden. Seit 1979 wird aufgrund einer Vereinbarung für den Kläger ein Arbeitszeitkonto geführt. Welchen Inhalt dieses Arbeitszeitkonto aufgrund der Abrede der Parteien hat, ist unter diesen streitig. Arbeitszeitkonten werden darüber hinaus für weitere Arbeitnehmer der Beklagten geführt. Auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers waren mit Stand Dezember 2003 Plusstunden ausgewiesen. Für die Monate Dezember 2003, Januar, Februar, März und Mai 2004 nahm die Beklagte Abzüge von diesem Guthaben in Höhe von insgesamt 160,6 Stunden vor. Die Abzüge beruhten dabei darauf, dass der Kläger in den in Rede stehenden Monaten teilweise wegen nicht vorhandener Einsatzmöglichkeiten nicht beschäftigt wurde. Die Berechnung beruhte dabei darauf, dass die Beklagte eine Normalstundenzahl von 7,4 Stunden pro Arbeitstag mit den Arbeitstagen des Monats multiplizierte und die tatsächlich geleisteten Stunden hiervon in Abzug brachte. Nach den Angaben der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.06.2005 erfolgte die Nichtbeschäftigung in Folge gängiger Praxis durch Mitteilung am voraufgegangenen Arbeitstag. Gegen diese Abzüge wendet sich der Kläger mit der unter dem 17.05.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und der unter dem 08.10.2004 eingegangenen Klageerweiterung. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zur Vornahme solcher Abzüge nicht berechtigt gewesen, sie habe ohne ersichtlichen Grund sein Stundenkonto belastet. Zwar treffe es zu, dass es eine Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto gebe, diese habe aber, so hat er hierzu behauptet, folgenden Inhalt gehabt: Er sei berechtigt gewesen, geleistete Überstunden in das Konto einzubringen. Er habe darum gebeten, dass für ihn ein entsprechendes Stundenkonto im Hinblick auf geleistete Mehrarbeit eingeführt werde, damit er auf diese Art und Weise gegebenenfalls den einen oder anderen freien Tag zusätzlich unter Verrechnung von Stunden aus dem Stundenkonto bekomme. Es sei jedoch keineswegs vereinbart worden, dass auch Minusstunden in das Konto hätten einfließen sollen. Das Stundenkonto habe ausschließlich dazu benutzt werden sollen, von ihm geleistete Mehrarbeit zu einem späteren Zeitpunkt der Gestalt verfügbar zu halten, dass er geleistete Stunden habe abfeiern können. Jedenfalls sei zu keinem Zeitpunkt vereinbart worden, dass die Beklagte berechtigt sein solle, ihn nicht zu beschäftigen und dann Zugriff auf das Stundenkonto zu nehmen. Soweit hin und wieder angewiesen worden sei, nicht zur Arbeitsaufnahme zu erscheinen oder wenn er nach Erscheinen nach Hause geschickt worden sei, handele es sich um einen typischen Fall des arbeitgeberseitigen Annahmeverzuges. Der Kläger hat zuletzt beantragt, festzustellen, dass er Anspruch auf ein zusätzliches Zeitguthaben in Höhe von 160,6 Stunden hat. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, zu den Kontobelastungen berechtigt gewesen zu sein. Die Abzüge seien nicht grundlos erfolgt. Sie habe, so hat sie hierzu behauptet, mit einem Teil der Beschäftigten, zu denen auch der Kläger gehöre, das Führen von individuellen Stundenkonten vereinbart, in die Plus- und Minusstunden eingestellt würden. Bei diesen Mitarbeitern bestehe die betriebliche Übung, Minusstunden monatlich vom individuellen Arbeitszeitguthaben des jeweiligen Mitarbeiters in Abzug zu bringen, wobei sich die Höhe des Abzugs auf der Basis der jeweils arbeitstäglich zu leistenden Normalstunden bemessen. Diese betriebliche Übung umfasse ihre Befugnis, Mitarbeiter im Falle der nicht vorhandenen Einsatzmöglichkeit tageweise nicht zu beschäftigen. Mit Urteil vom 15.12.2004 hat das Arbeitsgericht dem Feststellungsbegehren des Klägers entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, entsprechende Minusstunden vom Guthaben des Arbeitszeitkontos in Abzug zu bringen. Nach dem übereinstimmenden Vortrag sei 1997 die Führung eines Arbeitszeitkontos vereinbart worden, auf dem vom Kläger geleistete Mehrarbeit als Guthaben gutgeschrieben werden solle. Wie der Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt habe, hätten die Parteien in der Vergangenheit über Zeitpunkt und Umfang des zu gewährenden Freizeitausgleichs Einvernehmen erzielt, erstmals im Dezember 2003 sei der Kläger auf Anordnung der Beklagten unter Einsatz seines Zeitguthabens nicht zur Arbeitsleistung herangezogen worden. Zu einer derartigen Anordnung sei die Beklagte weder tarif-, noch arbeitsvertraglich berechtigt gewesen. Ein Recht zur einseitigen Freistellung ergebe sich nicht aus § 4 BMTV. Das von den Parteien geführte Arbeitszeitkonto diene nach übereinstimmendem Vortrag gerade nicht der Feststellung, geleistete und tarifvertraglich geschuldete Arbeitsstunden sich decken. Darüber hinaus liege die Anwendung einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit nicht im einseitigen Belieben des Arbeitgebers, sondern sei einer Betriebsvereinbarung vorbehalten, eine solche bestehe jedoch nicht. Ein Recht zur einseitigen Freistellung des Klägers ergebe sich auch nicht aus individualvertraglichen Vereinbarungen. Auch soweit die Beklagte vortrage, es bestehe eine betriebliche Übung dahingehend, untermauere sie diese Rechtsansicht nicht mit entsprechenden Tatsachen. Sei damit weder tarifvertraglich noch arbeitsvertraglich ein Recht zur einseitigen Freistellung vereinbart, bleibe das Risiko einer mangelnden Beschäftigungsmöglichkeit nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre beim Arbeitgeber. Gegen das unter dem 07.01.2005 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 20.01.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.04.2005 unter dem 07.04.2005 begründet. Sie hält eine Feststellungsklage für unzulässig, da der Kläger eine Leistungsklage habe erheben können. Jedenfalls sei die Klage, so meint die Beklagte, nicht begründet. Sie sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts berechtigt gewesen, den Kläger und auch die übrigen Beschäftigten unter Einsatz der jeweiligen Zeitguthaben nicht zur Arbeitsleistung heranzuziehen. Tarifliche Grundlage dafür sei § 4 BMTV. Die in der tariflichen Vorschrift angesprochene Betriebsvereinbarung bestehe zwar unstreitig nicht; Tatsache sei jedoch, dass die Parteien seit 1997 die Führung eines individuellen Arbeitszeitkontos, so behauptet die Beklagte wieterhin, vereinbart hätten, auf dem die vom Kläger geleisteten Plus- und Minusstunden eingestellt würden. Das Arbeitsgericht gehe fehl in der Annahme, dass bei fehlender Einigung der Parteien die nicht gegebene Möglichkeit eines Einsatzes im Umfang von 37 Stunden pro Woche als Risiko einer mangelnden Beschäftigungsmöglichkeit nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre beim Arbeitgeber verbleibe. Ein Anspruch des Klägers, wöchentlich an 37 Arbeitsstunden beschäftigt zu werden, bestehe nicht. Die tarifliche Bestimmung lege lediglich fest, dass sich die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in einem Zeitraum von 12 Monaten auf 37 Stunden in der Woche belaufe. Diese Tarifbestimmung garantiere keinen Anspruch auf Beschäftigung oder Bezahlung von mindestens 37 Stunden in der einzelnen Woche eines jeden Monats. Gerade der tarifpolitische Zweck der Regelung sei von den Parteien aufgegriffen worden, indem sie individualrechtlich die Führung eines Arbeitszeitkontos vereinbart hätten, in das Plus- und Minusstunden einzustellen seien. Ein Anspruch auf Beschäftigung im Umfang von 37 Stunden in der Woche bestehe ihrer Meinung nach auch nicht deswegen, weil bislang keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden sei. Das Fehlen einer Betriebsvereinbarung führe nicht zu einer festen Wochenarbeitszeit von 37 Stunden in der Woche. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 15.12.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verbleibt bei seiner Behauptung, mit ihm sei lediglich vereinbart worden, dass geleistete Überstunden in ein Stundenkonto einzubringen seien; keineswegs sei vereinbart worden, dass in das Konto auch Minus-Stunden einfließen könnten. Insbesondere habe das Stundenkonto nicht dazu gedient, die nach dem Tarifvertrag geschuldete durchschnittliche Arbeitszeit im Zeitraum von 12 Monaten zu erfassen. Das Stundenkonto sei nach einem Zeitraum von 12 Monaten bislang niemals ausgeglichen gewesen. Das Stundenkonto habe daher ausschließlich dazu benutzt werden sollen, dass er über von ihm geleistete Mehrarbeit zu einem späteren Zeitpunkt verfügen könne. Die Beklagte sei daher weder individualrechtlich, noch ohne Zustimmung des Betriebsrates berechtigt gewesen, einseitig die ihr angebotene Arbeitskraft nicht anzunehmen und dafür im Gegenzug Stunden dem Stundenkonto zu entnehmen. Hierfür könne sich die Beklagte auch nicht auf § 4 Abs. 1 BMTV berufen. Im Wege der Klageerweiterung macht der Kläger einen weiteren Anspruch auf ein zusätzliches Zeitguthaben in Höhe von 29,4 Stunden wegen Belastung des Stundenkontos für den Monat November 2004 geltend. Hilfsweise begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, seinem Stundenkonto nunmehr insgesamt 190 Stunden gutzuschreiben. Der Kläger beantragt daher des weiteren, 1. festzustellen, dass dem Kläger ein weiterer Anspruch auf ein zusätzliches Zeitguthaben in Höhe von 29,40 Sunden zusteht. 2. hilfsweise unter Zurückweisung der Berufung die Beklagte zu verurteilen, dem Stundenkonto des Klägers insgesamt 190 Stunden gutzuschreiben. Die Beklagte beantragt, die klageerweiternden Anträge abzuweisen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe: A Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht. Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO. B Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, Zeiten der Nichtbeschäftigung des Klägers vom Arbeitszeitkonto in Abzug zu bringen. I. Die Berufung der Beklagten hat nicht allein deswegen Erfolg, weil dem Kläger ein Feststellungsinteresse für die begehrte Feststellung nicht zur Seite steht. 1) Grundsätzlich kann nach § 236 Abs. 1 ZPO Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden; Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass wenigstens innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 2 ZPO Tatsachen und Grund der Versäumung erkennbar gemacht werden (Zöller/Greger, ZPO, § 236, Rn. 3 - 5). 2) Zwischen den Parteien ist ein Rechtsverhältnis streitig, da es um die Frage geht, ob eine Berechtigung der Beklagten zur Minderung des Stundenguthabens des Klägers auf dem Arbeitszeitkonto besteht. Ein rechtliches Interesse an Feststellung ist deswegen anzunehmen, weil in Folge unterschiedlicher Auffassung der Parteien hierüber eine tatsächliche Unsicherheit besteht, die durch die erstrebte gerichtliche Feststellung beseitigt werden kann. Da das Arbeitszeitkonto fortlaufend geführt wird, besteht dieses Interesse auch an alsbaldiger Feststellung. Schließlich steht die Möglichkeit einer Leistungsklage dem Feststellungsinteresse nicht entgegen. Grundsätzlich ist zwar mit der Beklagten davon auszugehen, dass einer Leistungsklage Vorrang vor einer Feststellungsklage einzuräumen ist, wenn die klagende Partei den Anspruch beziffern kann; für eine Feststellungsklage kann allerdings trotz der Möglichkeit einer vorrangigen Leistungsklage ein Feststellungsinteresse bestehen, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (BAG, Urteil vom 05.06.2003, EzA § 256 ZPO 2002, Nr. 2). Vorliegend besteht der Streit der Parteien generell darüber, ob die Beklagte Zeiten der Nichtbeschäftigung des Klägers in der Weise berücksichtigen kann, dass sie Abzüge vom Stundenguthaben des Klägers vornehmen kann. Unabhängig von der Frage, dass die Beklagte durch Leistungsklage verpflichtet werden kann, die abgezogenen Stunden dem Guthaben des Klägers wieder gutzuschreiben, wird durch die begehrte Feststellung der Streit über die Abzugsberechtigung für die in Rede stehenden Monate insgesamt beigelegt. II. Das Arbeitsgericht ist auch in der Sache zu Recht davon ausgegangen, dass eine Berechtigung der Beklagten, Minus-Stunden in Abzug zu bringen, nicht gegeben ist. 1) Die Berechtigung der Beklagten, Zeiten der Nichtbeschäftigung vom Stundenguthaben des Klägers in Abzug zu bringen, scheitert zum einen schon daran, dass aus dem Vorbringen der Beklagten nicht in schlüssiger Weise das Vorliegen eines Arbeitszeitkontos in dem von ihr behaupteten Sinn entnommen werden kann. a) Bestünde zwischen den Parteien eine Abrede hinsichtlich Inhalt und Führung des Arbeitszeitkontos entsprechend der Behauptung des Klägers dergestalt, dass nur über eine bestimmte tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleistete Stunden als Mehrarbeit Eingang in das Konto finden und diese Stunden nur auf Veranlassung des Klägers oder zumindest im Einvernehmen in Freizeit ausgeglichen werden konnten, bestand schon von vornherein keine Berechtigung der Beklagten, einseitig auf das Guthaben Rückgriff zu nehmen. b) Eine einseitige Berechtigung der Beklagten, auf Stundenguthaben Zugriff zu nehmen, konnte demgegenüber nur angenommen werden, wenn die Abrede zur Führung des Stundenkontos dahingehend bestand, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 37 Stunden über einen Zeitraum von 12 Monaten zu verteilen und die Beklagte berechtigt sein sollte, Arbeitszeiten über eine bestimmte tägliche oder wöchentliche Dauer hinaus dem Konto gutzuschreiben und Arbeitszeiten unterhalb dieses Umfangs dem Arbeitszeitkonto zu belasten. Zwar ist grundsätzlich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BMTV davon auszugehen, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, starr mit 37 Stunden in der Woche beschäftigt zu werden; wenn es jedoch um die Berechtigung der Saldierung von Stunden über ein längerfristiges Arbeitszeitkonto geht, bedarf es zumindest der Darlegung, welche Regelung insoweit getroffen worden ist. aa) Eine ausdrückliche Vereinbarung konnte dem Vorbringen der Beklagten nicht entnommen werden. Die Beklagte behauptet insoweit, seit 1997 mit einem Teil der Beschäftigten, u.a. dem Kläger, das Führen entsprechender individueller Stundenkonten vereinbart zu haben. Hiermit genügt die Beklagte dem Erfordernis einer substantiierten Darlegung zur Abrede jedoch nicht. Gerade weil Streit der Parteien darüber besteht, welchen Inhalt das Arbeitszeitkonto gehabt haben soll, hätte es einer näheren Darlegung bedurft, welchen Inhalt diese Vereinbarung konkret gehabt hat, wann sie getroffen worden ist und mit wem sie getroffen worden sein soll. Hierauf hat das Arbeitsgericht bereits hingewiesen, ohne dass die Beklagte ihren Vortrag in der Berufung konkretisiert hätte. bb) Soweit die Beklagte des weiteren davon ausgeht, in Folge jahrelanger Handhabung sei diese konkludent Inhalt des Arbeitsvertrages geworden, kann auch dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte behauptet insoweit pauschal eine dahingehende betriebliche Übung, ohne dass Tatsachen erkennbar sind, aus denen eine solche betriebliche Übung ersichtlich wäre. Hierzu hätte es beispielsweise der Darlegung bedurft, in welcher Weise die Konten der Beschäftigten in der Vergangenheit geführt worden sind, um ersehen zu können, ob überhaupt und ggfls. in welcher Weise Saldierungen vorgenommen worden sind. Auf die fehlende Sustanziierung hat das Arbeitsgericht auch insoweit bereits hingewiesen. 2) Selbst wenn man vom Vorliegen einer Abrede, wie die Beklagte sie behauptet, ausgeht, läge eine Berechtigung der Beklagten zur Belastung des Stundenkontos des Klägers nicht vor. a) Die in Rede stehende Maßnahme ist wegen Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechts des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unwirksam. aa) Mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sind Anordnungen des Arbeitgebers zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht dabei bei jeglicher Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist die Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen bei der Festlegung der Lage der Arbeitszeit. Die Lage der Arbeitszeit entscheidet dabei zugleich über die Lage der Zeit, die den Arbeitnehmern zur Gestaltung ihres Privatlebens zur Verfügung steht. Daher sind Arbeitnehmerinteressen bei jeder Veränderung von Beginn und Ende der Arbeitszeit berührt (BAG, Urteil vom 18.09.2002 EzA § 87 BetrVG 2001 Arbeitszeit Nr. 1). bb) Entbehrt eine Maßnahme des Arbeitgebers der notwendigen Mitbestimmung, ist sie rechtswidrig und unwirksam; dies gilt sowohl für einseitige Anordnungen in Ausübung des Direktionsrechts, als auch für einzelvertragliche Vereinbarungen. Die tatsächlich durchgeführte Mitbestimmung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 20.08.1991 EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 29; BAG, Urteil vom 11.06.2002 EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 76; BAG, Urteil vom 18.09.2002, aaO.). Maßnahmen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind allerdings nur solche, die bereits bestehende Rechtsposition der Arbeitnehmer schmälern. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates führt nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergäben, die auch zuvor nicht bestanden haben (BAG, Urteil vom 20.08.1991, aaO; BAG, Urteil vom 18.09.2002 aaO.). cc) Vorliegend ist unter den Parteien unstreitig, dass es eine Betriebsvereinbarung über die Lage und Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit nicht gibt. Die Anweisung der Beklagten, bei fehlender Beschäftigungsmöglichkeit dem Kläger zu Lasten eines Stundenguthabens von der tatsächlichen Arbeitsleistung zu befreien, greift auch in bestehende Rechtspositionen des Klägers ein. Besteht keine Berechtigung, den Arbeitnehmer bei fehlender Einsatzmöglichkeit von einer tatsächlichen Beschäftigung unter Auswirkung auf ein Arbeitszeitguthaben zu entbinden, wird der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aus dem Gesichtspunkts des Annahmeverzuges beeinträchtigt. Jedenfalls wird der Anspruch des Arbeitnehmers darauf beeinträchtigt, wo betriebsübliche Zeiten eingesetzt zu werden, wenn er nicht in vorher festgelegter zulässiger Weise von der Arbeitspflicht entbunden worden ist. b) Selbst wenn die in Rede stehende Maßnahme der Beklagten nicht wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates unwirksam sein sollte, sind Freistellungen in der vorgenommenen Art und Weise unwirksam. aa) Nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt sind. bb) Dies setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob dies geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle ( BAG, Urteil vom 28.09.1977, EzA §4 TVG Rundfunk Nr. 3; BAG, Urteil vom 25.10.1989, EzA § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 9, jeweils zur entsprechenden Bestimmung des § 315 BGB ). Der zur Leistungsbestimmung Berechtigte darf daher nicht einseitig auf seine Bedürfnisse abstellen, sondern muss die Belange seines Vertragspartnern beachten. Hierbei sind vor allem der Zweck der zu gewährenden Leistung und die Folgen, die für die Vertragsparteien durch die in Betracht kommenden Leistungsbestimmungen voraussichtlich eintreten, angemessen zu berückichtigten. Zum billigem Ermessen gehört es daher insbesondere, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer rechtzeitig mitteilen muss, wann er den Freizeitausgleich erhält. Dem Arbeitnehmer muss es ermöglicht werden, sich ausreichend darauf einzustellen und die zusätzliche Freizeit sinnvoll nutzen zu können (BAG, Urteil vom 17.01.1995 EzA § 4 TVG Metallindustrie Nr. 99). Beispielsweise ist es danach insbesondere nicht zulässig, den Arbeitnehmer erst zwischen 15.00 Uhr 17.00 Uhr davon in Kenntnis zu setzen, ob er am folgenden Tag zur Arbeitsleistung verpflichtet ist oder Freizeitausgleich erhält (BAG, Urteil vom 17.01.1995, aaO.). Für Arbeit auf Abruf beispielsweise enthält § 12 Abs. 2 TzBfG die Regelung, dass der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung nur dann verpflichtet ist, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im voraus mitteilt. Selbst wenn man diese Regelung nicht unmittelbar übernehmen will, gibt sie jedoch einen Anhaltspunkt dafür, welche Ankündigungsfrist der Gesetzgeber insoweit für angemessen erachtet. Die vorzeitige Beendigung der Arbeit am selben Tage oder nicht Nichtbeschäftigung in Folge Ankündigung erst am Vortage genügt daher den Anforderungen an die Ausübung billigem Ermessens nicht. Die Leistungsbestimmung ist daher unverbindlich. c) Dies führt dazu, dass es bei der ansonsten maßgeblichen Regelung verbleibt, dass der Arbeitgeber das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko trägt und daher den Lohn auch dann zahlen muss, wenn er die Belegschaft ohne sein Verschulden aus betriebstechnischen Gründen nicht beschäftigten kann oder die Fortsetzung des Betriebes wegen Auftrags- oder Absatzmangels wirtschaftlich sinnlos wird (BAG, Urteil vom 22.12.1980 EzA § 615 BGB Betriebsrisiko Nr. 7). Dies ergibt sich nunmehr auch aus § 615 Satz 3 BGB. Hat die Beklagte daher bislang keinen Gebrauch davon gemacht, die Last des Betriebs- und des Wirtschaftsrisikos mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts in Form einer Betriebsvereinbarung abzumildern, verbleibt es dabei, dass sie das Risiko der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers trägt. C Auf die Klageerweiterung des Klägers im Berufungsverfahren war festzustellen, dass dem Kläger ein weiterer Anspruch auf ein Zeitguthaben in Höhe von 29, 40 Stunden zusteht. Die Klageerweiterung war nach den Anforderungen des §§ 533 ZPO zulässig, da sie sachdienlich ist und auf Tatsachen gestützt werden konnte, die das seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hatte. Die Frage der Berechtigung der Beklagten zur Kürzung des Stundenguthabens im Monat November 2004 fußt auf einem identischen Sachverhalt, wie er für die bislang in Rede stehenden Monate maßgeblich war. D Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte als unterlegene Partei nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG bestanden nicht. Die Entscheidung fußt nicht auf einer Auslegung der tariflichen Bestimmung des § 4 Abs. 1 BMTV. Die Kammer weicht schließlich auch nicht von der Entscheidung der 19. Kammer mit Urteil vom 15.04.2002 im Verfahren 19 Sa 1887/01 LAG Hamm ab.

Ende der Entscheidung

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