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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.06.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 514/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 622 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.02.2007 - Az. 1 Ca 1781/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigungen.

Der am 04.09.1969 geborene Kläger war seit dem 20.02.2006 als Transportarbeiter bei der Beklagten beschäftigt.

Grundlage der Beschäftigung war ein schriftlicher befristeter Arbeitsvertrag, der unter anderem folgende Regelungen vorsah:

"§ 1 Dauer des Arbeitsverhältnisses/Probezeit/Kündigung

Der Arbeitnehmer tritt am 20.02.2006 in die Dienste des Arbeitgebers ein. Der Arbeitsvertrag ist befristet und endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am 19.02.2007.

Das Arbeitsverhältnis kann auch während der Befristung beiderseits gekündigt werden. Während der Probezeit; die für die ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird, kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Kündigungsfrist von 2 Wochen gekündigt werden. Außerhalb der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden."

Ob der Kläger regelmäßig acht Stunden je Arbeitstag tätig war, wie die Beklagte behauptet, oder regelmäßig zehn Stunden, wie er behauptet, ist unter den Parteien streitig.

Streitig ist daher auch, ob der durchschnittliche Verdienst des Klägers bei 1.750,00 € brutto oder lediglich bei 1.393,00 € brutto lag.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig ca. 2.000 Arbeitnehmer.

Ein Betriebsrat besteht bei ihr nicht.

Mit Schreiben vom 27.06.2006, das dem Kläger unter dem 30.06.2006 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 13.07.2006. Unterzeichnet war die Kündigung vom Einzelprokuristen S6 der Beklagten.

Darüber, ob die Unterzeichnung dem Schriftformerfordernis genügt, herrscht unter den Parteien Streit.

Mit weiterem Schreiben vom 28.07.2006, das dem Kläger unter dem 29.07.2006 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich und hilfsweise ordentlich "innerhalb der Probezeit zum nächstmöglichen Termin".

Gegen die Wirksamkeit der Kündigungen wendet sich der Kläger mit der unter dem 11.07.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und der am 08.02.2007 zu Protokoll erklärten Klageerweiterung.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 27.06.2006 habe das Arbeitsverhältnis nicht wirksam aufgelöst, da das Schriftformerfordernis nicht eingehalten sei.

Eine Kündigung erfordere, dass das Kündigungsschreiben vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sei.

Eine Unterschrift setze ein aus Buchstaben einer üblichen Schrift bestehendes Gebilde voraus, das allerdings nicht lesbar zu sein brauche. Erforderlich sei jedoch, dass es sich um einen individuellen Schriftzug handele, der sich als Wiedergabe eines Namens darstelle und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lasse. Eine Unterzeichnung mit einer Buchstabenfolge, die sich als bewusste und gewollte Namensabkürzung darstelle, sei nicht als formgültige Unterschrift anzuerkennen.

Diesen Anforderungen genüge die Unterschrift unter der streitbefangenen Kündigungserklärung nicht. Das Schriftbild lasse nicht die Identität des Unterzeichners erkennen.

Hinsichtlich der zweiten Kündigung hat der Kläger die Auffassung vertreten, diese habe nicht mit einer verkürzten Kündigungsfrist von zwei Wochen während einer Probezeit ausgesprochen werden können, da eine Probezeitvereinbarung von sechs Monaten bei seiner einfachen Tätigkeit als gewerblicher Arbeitnehmer unzulässig sei.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2006 nicht zum 13.07.2006 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.08.2007 fortbestanden hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat das Schriftformerfordernis für die Kündigung vom 27.06.2006 als erfüllt angesehen. Bei der Unterschrift seien der Anfangsbuchstabe sowie ein angedeutetes "d" und ein weiter angedeutetes "u" zu erkennen, wobei durch die Verlängerung der rechten Linie zum Ausdruck gebracht werde, dass sich hieran noch ein weiterer Buchstabe anschließe. Dem Betrachter werde daher verdeutlicht, dass nicht nur die Anfangsbuchstaben eines Namens gesetzt worden seien, sondern ein vollständiger Name. Der Schriftzug lasse auch eindeutig - zumindest andeutungsweise - Buchstaben erkennen.

Hinsichtlich der weiteren Kündigung hat die Beklagte die Auffassung vertreten, wirksam mit einer Frist von zwei Wochen kündigen zu können.

Mit Urteil vom 08.02.2007 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2006 nicht zum 13.07.2006 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.08.2006 fortbestanden hat.

Zur Begründung hat es ausgeführt, das Schreiben der Beklagten vom 27.06.2006 enthalte keine wirksame Unterschrift, die den Anforderungen des § 126 BGB entspreche.

Die Unterschrift unter dem Kündigungsschreiben müsse einen kennzeichnenden individuellen Schriftzug aufweisen, es müssten zumindest einzelne Buchstaben erkennbar sein, die für eine Namensunterschrift und nicht für eine Paraphe sprächen. Aus der Unterzeichnung des Kündigungsschreibens ließen sich jedoch keineswegs deutlich einzelne Buchstaben erkennen, wenn überhaupt sei der Anfang der Unterschrift ein bruchstückhaftes "S". Weitere Buchstaben seien nicht erkennbar.

Das Arbeitsverhältnis sei rechtswirksam allerdings durch die zweite Kündigung vom 28.07.2006 aufgelöst worden, jedoch erst zum 31.08.2006. Die Vereinbarung einer sechsmonatigen Probezeit für die relativ einfache Tätigkeit des Klägers sei unwirksam. Die Dauer der Probezeit unterliege dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Zeitpunkt der Kündigung sei der Kläger mehr als fünf Monate bereits tätig gewesen, eine derartige Probezeit sei in jedem Fall zu lang, so dass die Beklagte die gesetzliche Kündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende habe einhalten müssen.

Gegen das unter dem 28.02.2007 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 20.03.2007 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Sie rügt zum einen, das Arbeitsgericht verkenne die Anforderungen, die an eine Unterschrift im Sinne des § 126 BGB zu stellen seien. Das Arbeitsgericht stelle fehlerhaft darauf ab, dass nur dann eine Unterschrift vorliege, wenn mehrere Buchstaben deutlich zu erkennen seien. Dieser Maßstab gehe deutlich über die Anforderungen des § 126 BGB hinaus.

Zudem verkenne das Arbeitsgericht die Bedeutung der Vorschrift des § 622 Abs. 3 BGB. Nach dieser Vorschrift könne eine Probezeit längstens für die Dauer von sechs Monaten vereinbart werden. Besondere Voraussetzungen für die Vereinbarung einer Probezeit, insbesondere für deren Länge, schreibe das Gesetz nicht vor.

Die richtige Anwendung des § 622 Abs. 3 BGB müsse dazu führen, dass die Parteien des Arbeitsvertrages völlig frei seien bei der Vereinbarung einer vorgeschalteten Probezeit bis zur Länge von sechs Monaten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.02.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu den Anforderungen an die Schriftform.

Im Übrigen verbleibt der Kläger bei seiner Auffassung, die vereinbarte Probezeit sei unwirksam; die Qualifikationen eines Transportmitarbeiters könne die Beklagte schon nach einem Monat feststellen, jedenfalls benötige sie hierfür keine sechs Monate.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

A.

Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.

Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 c) ArbGG.

Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.

B.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigung der Beklagten vom 27.06.2006 zu Recht wegen Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses die Wirksamkeit versagt und im Übrigen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.08.2006 fortbestanden hat.

I.

Die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2006 konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auflösen, da die Kündigung nach § 623 BGB i.V.m. § 126 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

Die Beklagte hat die Schriftform bei der streitbefangenen Kündigungserklärung nicht gewahrt.

1) Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung der Schriftform.

Nach § 126 Abs. 1 BGB muss die Kündigungserklärung daher vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein.

Sinn und Zweck des § 126 Abs. 1 BGB ist die eindeutige Identifizierbarkeit des Ausstellers einer privatschriftlichen Urkunde. Das gesetzliche Schriftformerfordernis hat vor allem Klarstellungs- und Beweisfunktion. Es soll Rechtsicherheit für die Vertragsparteien und eine Beweiserleichterung im Rechtsstreit bewirken.

Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift erfüllt darüber hinaus zusätzliche Zwecke: Durch die eigenhändige Unterschrift wird der Aussteller der Urkunde erkennbar. Die Unterschrift stellt damit eine unzweideutige Verbindung zwischen der Urkunde und dem Aussteller her und erfüllt damit eine Identitätsfunktion. Außerdem wird durch die Verbindung zwischen Unterschrift und Erklärungstext gewährleistet, dass die Erklärung inhaltlich vom Unterzeichner herrührt und hat damit Echtheitsfunktion. Schließlich erhält der Empfänger der Erklärung die Möglichkeit, zu überprüfen, wer die Erklärung abgegeben hat und ob die Erklärung echt ist; dem Unterschriftserfordernis wird daher eine Verifikationsfunktion zuteil.

Die Schriftform des § 623 BGB schützt damit vor allem dem Kündigungsempfänger, der bei einem Zugang der Kündigung, die nicht in seiner Anwesenheit abgegeben wird, hinsichtlich der Identität des Ausstellers, der Echtheit der Urkunde und der Frage, wer die Erklärung abgegeben hat, regelmäßig nicht beim Erklärenden sofort nachfragen kann (BAG, Urteil vom 21.04.2005, EzA § 623 BGB 2002 Nr. 4).

Was unter einer "Unterschrift" zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift.

Eine Unterschrift setzt danach ein aus Buchstaben einer üblichen Schrift bestehendes Gebilde voraus, das allerdings nicht lesbar zu sein braucht. Erforderlich, aber auch genügend, ist das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzuges, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, der sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Handzeichen, die allenfalls einen Buchstaben verdeutlichen, sowie Unterzeichnungen mit einer Buchstabenfolge, die erkennbar als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheint, stellen demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar (BGH, Urteil vom 22.10.1993, NJW 1994, S. 55 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 29.10.1986, NJW 1987, S. 1333 m.w.N.).

Unterschiedlich beurteilt wird lediglich die Frage, ob es zu einer Unterschrift auch gehört, dass mindestens einzelne Buchstaben erkennbar sind, weil es sonst an dem Merkmal einer Schrift fehle (vgl. zum Streitstand die Urteile des BGH vom 22.10.1993 und 29.10.1986, aaO.).

Ob ein Schriftzeichen dabei eine Unterschrift oder eine lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild. Der Wille des Unterzeichnenden ist dabei nur insoweit von Bedeutung, als er in dem Schriftzug auch seinen Ausdruck gefunden hat (BGH, Urteil vom 22.10.1993, aaO.).

An das Schriftbild einer wirksamen Unterschrift dürfen jedoch keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Vereinfachungen, Undeutlichkeiten und Verstümmelungen sind unschädlich. Es muss sich aber gleichwohl vom äußeren Erscheinungsbild her um einen Schriftzug handeln, der erkennen lässt, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen. Die Unterschrift muss daher erkennen lassen, dass es sich um eine endgültige Erklärung und nicht nur um die Abzeichnung eines Entwurfs mit einer sogenannten Paraphe handelt (BAG, Urteil vom 29.07.1981, EzA § 518 ZPO Nr. 28).

3) Diesen Anforderungen genügt die Unterzeichnung des Kündigungsschreibens vom 27.02.2006 durch den Einzelprokuristen S6 der Beklagten auch nach Auffassung der Kammer nicht.

Der Schriftzug unter der Kündigungserklärung stellt sich nicht als Wiedergabe eines Namens dar und lässt nicht die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen.

Es bestehen insoweit schon Bedenken, ob der Beginn der Unterzeichnung überhaupt einen Buchstaben verdeutlicht.

Die Unterzeichnung weist insoweit lediglich einen nach rechts ansteigenden langen Strich auf, der in einem Bogen in einen waagerecht nach links verlaufenden Strich mit einem weiteren nach rechts verlaufenden Haken ausläuft.

Nur mit großem Wohlwollen kann daher nach Auffassung der Kammer bereits der Beginn der Unterzeichnung als Andeutung eines Buchstabens verstanden werden.

Jedenfalls aber stellt sich der weitere Schriftzug nicht als Wiedergabe eines Namens mit der Absicht einer vollen Unterschriftsleistung dar. Der Rest der Unterschrift besteht lediglich in einem langem, flach nach rechts gerichteten Aufstrich mit einem kurzen Haken und einem weiteren schräg nach rechts oben gerichteten Aufstrich.

Selbst dann, wenn man nicht erfordern will, dass mindestens einzelne Buchstaben erkennbar sein sollen, stellt sich der an den Anfangsbuchstaben angeknüpfte Schriftzug nicht als ein solcher dar, der die Absicht voller Namensunterschrift erkennen lässt.

II.

Die Kammer teilt darüber hinaus die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die weitere Kündigung der Beklagten vom 28.07.2006 das Arbeitsverhältnis der Parteien erst zum 31.08.2006 wirksam auflösen konnte.

1.) Die Vereinbarung der Parteien ist an den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB zu messen.

a) Die §§ 305 ff. BGB finden zum einen Anwendung auf Arbeitsverhältnisse, die ab dem 01.01.2002 begründet worden sind.

Um ein solches Arbeitsverhältnis handelt es sich im Fall des Klägers.

b) Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt.

Vorliegend handelt es sich um solche allgemeinen Geschäftsbedingungen, da die Beklagte Verträge der in Rede stehenden Art regelmäßig mit der in Rede stehenden Probezeitvereinbarung Arbeitsverhältnissen zugrunde legt.

2) Die Vereinbarung einer Probezeit von 6 Monaten ist unwirksam, da sie den Kläger unangemessen benachteiligt.

a) Unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Vertragsbestimmung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel ist mit dem Interesse des Vertragspartners am Wegfall und deren Durchsetzung durch die maßgebliche gesetzliche Bestimmung abzuwägen, wobei der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen ist (BAG, Urteil vom 31.08.2005, EzA § 6 AZG Nr. 6).

Bei Verbraucherverträgen sind im Individualprozess nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, was auch für Arbeitsverträge gilt, da der Arbeitnehmer Verbraucher im Sinne von § 310 Abs. 3 BGB ist (BAG, Urteil vom 25.05.2005, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3).

Zu den Begleitumständen gehören insbesondere persönliche Eigenschaften des Vertragspartners, die sich auf seine Verhandlungsstärke auswirken, Besonderheiten der konkreten Abschlusssituation und untypische Sonderinteressen des Vertragspartners (BAG, Urteil vom 31.08.2005, aaO).

b) Die Vereinbarung einer Probezeit auch für einfach gelagerte Tätigkeiten benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben auch nach Auffassung der Kammer in unangemessener Weise.

aa) Die Begründung eines Probearbeitsverhältnisses hat den Zweck aus der Sicht des Arbeitgebers, ihm die Möglichkeit zu geben, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob der Arbeitnehmer für die ihm übertragene Tätigkeit und Stellung im Betrieb geeignet ist.

Ausgehend von diesem Zweck muss auch die Dauer der vereinbarten Probezeit verhältnismäßig sein. Sie darf dabei keinen längeren Zeitraum erfassen, als er zur Erprobung für die vorgesehene Tätigkeit erforderlich ist. Dabei gibt es kein einheitliches Maß (vgl. beispielsweise Ermann/Belling, BGB, § 622, Rz. 8; Schaub/ArbRHdb, § 40, Rdnr. 13; APS/Linck, § 622 BGB, Rz. 86; Küttner/Kania, Personalbuch 2007, Probearbeitsverhältnis, Rz. 3; KR-Spilger, § 622 BGB, Rz. 155 b; Muench ArbR/Richardi, § 44, Rdnr. 56; Hromadka, BB 1993, S. 2372; LAG Hamm, Urteil vom 03.03.1995, LAGE § 611 BGB Probearbeitsverhältnis Nr. 3).

bb) § 622 Abs. 3 BGB geht zwar davon aus, dass regelmäßig sechs Monate hierfür ausreichen; bei einfach gelagerten Tätigkeiten wird jedoch eine Höchstdauer von drei bis vier Monaten für verhältnismäßig erachtet (vgl. beispielsweise Schaub, aaO.; Küttner/Kania, aaO.).

cc) Als Orientierungshilfe kann dabei auch von Bedeutung sein, welche Dauer die Tarifvertragsparteien für angemessen erachtet haben (so beispielsweise auch Hromadka, aaO.).

Der einheitliche Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Fleischwarenindustrie Westfalen in der maßgeblichen Fassung sieht dabei in § 2 Ziff. 3 b) bei gewerblichen Arbeitnehmern eine Probezeit von längstens zweiwöchiger Dauer vor.

Hiervon entfernt sich die von der Beklagten vorgenommene Regelung bei der als einfach gelagert anzusehenden Tätigkeit des Klägers als Transportmitarbeiter in deutlicher Weise.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um eine solche, bei der in der Tat innerhalb kurzer Zeit eine ausreichende Eignung oder Nichteignung für den Arbeitsplatz festgestellt werden kann. Hierfür erscheinen allenfalls drei Monate als noch verhältnismäßig. Jedenfalls ist eine sechsmonatige Probezeit für die in Rede stehende Art der Tätigkeit unangemessen.

dd) Die Interessen des Arbeitgebers werden hierdurch auch nicht unangemessen beeinträchtigt.

Er bleibt weiterhin auch ohne Rücksicht auf die Dauer einer vereinbarten Probezeit berechtigt, innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG das Arbeitsverhältnis ohne Erfordernis sozialer Rechtfertigung zu kündigen.

Die Beeinträchtigung des Arbeitgebers besteht lediglich darin, eine längere Kündigungsfrist wahren zu müssen, wobei die Einhaltung der gesetzlichen Grundkündigungsfrist aus § 622 Abs. 1 BGB gegenüber der verkürzten Kündigungsfrist von zwei Wochen in einer Probezeit keine erhebliche Beeinträchtigung darstellt.

c) Der Anwendbarkeit des § 307 Abs. 1 steht nicht § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entgegen, wonach die Absätze 1 und 2 nur für Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden.

aa) § 622 Abs. 3 BGB enthält keine Regelung dahingehend, dass eine Probezeit generell für eine Dauer von sechs Monaten vereinbart werden kann.

bb) Die Auslegung von Gesetzen hat zunächst vom Wortlaut auszugehen.

Über den reinen Wortlaut hinaus ist der Wille des Gesetzgebers und der von ihm beabsichtigte Sinn und Zweck dann mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in der gesetzlichen Bestimmung ihren Niederschlag gefunden haben. Dabei ist auch auf den Gesamtzusammenhang abzustellen, der schon deswegen mitberücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Norm auf den wirklichen Willen geschlossen werden kann.

cc) Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen lässt sich nach Auffassung der Kammer dem § 622 Abs. 3 BGB nicht entnehmen, dass die Vereinbarung einer Probezeit bis zur Dauer von sechs Monaten generell als Möglichkeit den Arbeitsvertragsparteien zur Verfügung gestellt wird und einer gerichtlichen Überprüfung entzogen ist.

Die in Rede stehende gesetzliche Bestimmung eröffnet den Vertragsparteien die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwar während einer "vereinbarten" Probezeit, lässt diese Kündigungsmöglichkeit mit verkürzter Frist allerdings lediglich "längstens" für die Dauer von sechs Monaten zu.

Mit der Regelung, dass die verkürzte Kündigungsfrist längstens für einen bestimmten Zeitraum gelten kann, wird in ausreichender Weise zum Ausdruck gebracht, dass damit nicht generell die bloße Vereinbarung der Dauer der Probezeit maßgeblich für die verkürzte Kündigungsfrist sein soll.

Dies führt zum Ergebnis, dass eine verkürzte Kündigungsfrist nur dann zur Anwendung gelangt, wenn sie innerhalb solcher Dauer einer Probezeit erfolgt, die zum Zwecke der Erprobung im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit angemessen und Verhältnismäßig ist (so ausdrücklich auch KR-Spilger, aaO.; Hromadka, aaO.).

Im Übrigen geht die Literatur, soweit ersichtlich, weitgehend übereinstimmend davon aus, dass es keine gesetzliche Vorgabe für eine bestimmte Dauer einer Probezeit gibt (anderer Auffassung MuenchKomm BGB/Hesse, § 622, Rdnr. 31).

3) Das Arbeitsverhältnis konnte daher lediglich mit der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB gekündigt werden, so dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit dem 31.08.2007 gegeben war.

4) Eine andere Beurteilung ergäbe sich auch nicht außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. BGB.

Ende der Entscheidung

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