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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: 4 Ta 216/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
1. Der Anwalt ist selbst dann, wenn er für die Partei den Antrag auf PKH-Bewilligung und Beiordnung stellt, nicht Verfahrensbeteiligter des PKH-Prüfungsverfahrens. Da der Anwalt keinen Anspruch auf seine Beiordnung hat, steht ihm gegen deren Ablehnung grundsätzlich auch kein Beschwerderecht zu (BGH, Urt. v. 26.10.1989 - III ZR 147/88, MDR 1990, 318 = NJW 1990, 836).

2. Der Grundsatz der freien Anwaltswahl erfordert die Benennung des gewählten Anwalts. Eine Änderung der Wahl bis zur Beiordnung ist beliebig möglich, und das Gericht hat die Änderung zu beachten. Selbst der Anwalt, der das PKH-Gesuch gestellt hat und zunächst als beizuordnender Anwalt benannt war, kann von der Partei abgewählt werden. Gleiches gilt für die Wahl eines Korrespondenzanwalts.

3. Ein subjektives Recht auf Beiordnung mit der Folge eines Gebührenanspruchs gegen die Staatskasse hat der ursprüngliche Korrespondenzanwalt auch dann nicht, wenn das Gericht über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht alsbald nach Prüfung der PKH-Unterlagen, sondern erst nach Wahrnehmung mehrerer Termine zu einem Zeitpunkt entscheidet, zu dem ein anderer Anwalt als Korrespondenzanwalt benannt ist.


LANDESARBEITSGERICHT HAMM BESCHLUSS

Geschäfts-Nr.: 4 Ta 216/01

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts HAMM ohne mündliche Verhandlung am 30. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Berscheid

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. C2xxxxxxx T2xxx gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Dortmund vom 23.03.2000 - 9 Ca 2279/98 - wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I. Die Parteien haben über Entgeltansprüche des Klägers gegen die Beklagte gestritten. Der in B2xxxx wohnhafte Kläger hat mit der Behauptung, daß für die beiderseitige Leistungspflichten gemeinsamer Erfüllungsort B2xxxx sei, vor dem dortigen Arbeitsgericht Zahlungsklage über Restlohn in Höhe von 6.821,00 DM netto erhoben. Das Arbeitsgericht Berlin hat sich auf die Rüge des Beklagten durch Beschluß vom 30.04.1998 (53 Ca 5139/98) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Dortmund verwiesen.

In seiner Klageschrift vom 28.01.1998 hat der Kläger unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 14.11.1997 um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung von RAin L1xxxx aus B2xxxx nachgesucht.

Mit Schriftsatz vom 15.06.1998, bei dem Arbeitsgericht Dortmund am 16.06.1998 eingegangen, hat sich für den Kläger und RAin L1xxxx Rechtsanwalt Dr. T2xxx aus D1xxxxxx als Unterbevollmächtigter gemeldet und den Gütetermin vom 22.06.1998 sowie die Kammertermine vom 19.08.1998 und 04.11.1998 wahrgenommen.

Mit Telefax vom 12.08.1999 hat die Hauptbevollmächtigte dem Arbeitsgericht mitgeteilt, daß Dr. T2xxx den Kläger nicht mehr vertrete und die Untervollmacht widerrufen werde. Nunmehr werde Rechtsanwalt T3xxxxxx aus S2xxx für den Kläger in Untervollmacht den Kammertermin vom 18.08.1999 wahrnehmen. Gleichzeitig hat die Hauptbevollmächtigte um Verbescheidung des PKH-Gesuchs des Klägers vom 28.01.1998 unter Berücksichtigung der Beiordnung des Korrespondenzanwalts T3xxxxxx gebeten. Mit Schriftsatz vom 12.08.1999, bei dem Arbeitsgericht am 16.08.1999 eingegangen, hat RA Dr. T2xxx um Mitteilung gebeten, ob zwischenzeitlich Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung seiner Person bewilligt worden sei.

Mit Urteil vom 18.08.1998 (9 Ca 2279/98) hat das Arbeitsgericht Dortmund der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Mit Beschluß vom 23.03.2000 (9 Ca 2279/98) hat das Arbeitsgericht Dortmund dem Kläger in vollem Umfange "unter Beiordnung von Rechtsanwältin L1xxxx und Rechtsanwalt T3xxxxxx" mit Wirkung vom 16.02.1998 Prozeßkostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, daß er monatliche Raten in Höhe von 120,00 DM zu zahlen hat. Auf die Beschwerde des Klägers hin hat das Arbeitsgericht durch weiteren Beschluß vom 10.04.2000 (9 Ca 2279/98) den PKH-Bewilligungsbeschluß dahingehend abgeändert, daß der Kläger keinen eigenen Beitrag mehr zu den Kosten des Verfahrens zu leisten hat.

Nachdem RA Dr. T2xxx nach Zurückweisung seiner Kostennote auf seine Anfrage vom 24.11.2000 hin der Beschluß vom 23.03.2000 (9 Ca 2279/98) unter dem 01.12.2000 per Post zur Kenntnisnahme übersandt worden ist, hat dieser mit Schriftsatz vom 02.01.2001 um Überprüfung gebeten, ob nicht bis zum Zeitpunkt des Widerrufs der Untervollmacht am 13.08.1999 eine Beiordnung seiner Person als Unterbevollmächtigter hätte erfolgen müssen.

Der Vorsitzende hat ihm daraufhin mit Schreiben vom 10.01.2001 mitgeteilt, daß die Beiordnung eines zweiten Unterbevollmächtigten nicht in Betracht käme. Ein Antrag auf Beiordnung seiner Person als Unterbevollmächtigter sei nicht gestellt worden, vielmehr habe der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.08.1999 die Beiordnung von RA T3xxxxxx als Korrespondenzanwalt beantragt. Auf dieser Grundlage sei der Beschluß vom 23.03.2000 ergangen.

Hierauf hat RA Dr. T2xxx mit Schriftsatz vom 21.02.2001, bei dem Arbeitsgericht am 22.02.2001 eingegangen, Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe offensichtlich vorgelegen hätten und entsprechende Beiordnung schon mit der Klageschrift beantragt worden sei, hätte er nach seiner Meldung als Unterbevollmächtigter ab Eingang der Klageschrift anstelle von RA T3xxxxxx beigeordnet werden müssen.

II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, denn dem Rechtsanwalt, dessen Beiordnung im Rahmen bewilligter Prozeßkostenhilfe abgelehnt wird, steht hiergegen kein eigenes Beschwerderecht zu.

Die Prozeßkostenhilfe dient dem Zweck, unbemittelten Personen den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu eröffnen. Sie stellt als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtsschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar, die ihre verfassungsrechtliche Legitimation im Gebot des sozialen Rechtsstaates und im allgemeinen Gleichheitssatz findet (BGH v. 19.01.1978 - II ZR 124/76, MDR 1978, 472 = NJW 1978, 938). Daraus folgt, daß die §§ 114ff. ZPO neben dem Allgemeinwohl das Interesse des einzelnen Rechtsuchenden an der Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes im Blick haben. Ihm eröffnet der Richter, indem er ihm Prozeßkostenhilfe bewilligt und, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist, einen Rechtsanwalt beiordnet, den Zugang zum staatlichen Gericht, der ihm sonst infolge seiner Unbemitteltheit verschlossen oder nur unter unzumutbaren Opfern eröffnet wäre. Es sind deshalb neben dem öffentlichen Interesse an der Wahrung verfassungsrechtlicher Grundwerte die Belange des einzelnen Rechtsuchenden, die nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung der dem Richter nach §§ 114ff. ZPO obliegenden Amtsgeschäfte geschützt und gefördert werden sollen.

Dagegen fallen die gebührenrechtlichen Interessen des Rechtsanwalts, über dessen Beiordnung im Prozeßkostenhilfeverfahren entschieden wird, regelmäßig nicht in den Schutzbereich der richterlichen Prüfungs- und Entscheidungspflichten. Er ist, auch wenn er für die Partei den Antrag auf Prozeßkostenhilfebewilligung und Beiordnung stellt, nicht verfahrensbeteiligt. Daraus folgt, daß für das PKH-Prüfungsverfahren weder Prozeßkostenhilfe gewährt noch ein Anwalt beigeordnet werden darf (BGH v. 30.05.1984 - VIII ZR 298/83, MDR 1984, 931 = NJW 1984, 2106; OLG München v. 21.11.1986 - 21 WF 1437/86, MDR 1987, 239). Soweit das Gesetz vorschreibt, daß der Partei ein zur Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl beizuordnen ist (§ 121 Abs.1-4 ZPO), steht das Wahlrecht allein der Partei zu; die Mitwirkung des Anwalts beschränkt sich darauf, ausdrücklich oder stillschweigend seine Bereitschaft zur Übernahme des Mandats zu bekunden. Da er selbst keinen Anspruch auf seine Beiordnung hat, steht ihm gegen deren Ablehnung grundsätzlich auch kein Beschwerderecht zu (BGH v. 26.10.1989 - III ZR 147/88, MDR 1990, 318 = NJW 1990, 836, m.w.N.). Dies gilt selbst dann, wenn der Anwalt -wie hier der Beschwerdeführer- bereits als Prozeßvertreter tätig geworden ist und Gerichtstermine wahrgenommen hat. Der Anwalt wird durch die Ablehnung seiner Beiordnung in der Regel nicht in seinen Rechten betroffen, weil ihm sein Gebührenanspruch gegen die Partei erhalten bleibt; ein subjektives Recht auf Beiordnung mit der Folge eines Gebührenanspruchs gegen die Staatskasse hat der Anwalt nicht (OLG Braunschweig v. 10.10.1995 - 2 WF 104/95, OLGR Braunschweig 1995, 286). Ist der Mandant nicht in der Lage, die Kosten der Prozeßführung zu tragen, muß sich der Unterbevollmächtigte ggf. an die Hauptbevollmächtigte halten, die ihn beauftragt hat, und gegen diese eine Gebührenklage erheben.

Ob die vorgenannten Grundsätze ausnahmslos gelten, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben. Ein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts ist - ausgenommen im Anwaltsprozeß (§ 121 Abs.1 ZPO) - erforderlich (§§ 121 Abs.2-5 ZPO n.F.). Der Grundsatz der freien Anwaltswahl erfordert die Benennung des gewählten Anwalts. Eine Änderung der Wahl bis zur Beiordnung ist beliebig möglich, und das Gericht hat die Änderung zu beachten (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2.Aufl. 1999, S.208 Rz.536). Selbst der Anwalt, der das PKH-Gesuch gestellt hat und zunächst als beizuordnender Anwalt benannt war, kann von der Partei abgewählt werden (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O.). Gleiches gilt für die Wahl eines Korrespondenzanwalt. Vorliegend fehlt es an einer Benennung des Beschwerdeführers als Unterbevollmächtigter, denn die Hauptbevollmächtigte hat mit Telefax vom 12.08.1999 die Untervollmacht des Beschwerdeführers widerrufen. Sie hat an seine Stelle RA T3xxxxxx benannt und für diesen die Beiordnung als Korrespondenzanwalt beantragt. Wäre der Beschwerdeführer benannt worden, hätte das Arbeitsgericht nicht von Amts wegen und ohne besondere Begründung RA T3xxxxxx als Korrespondenz- und Verkehrsanwalt auswählen und beiordnen dürfen. Von einer solchen willkürlichen Vorgehensweise kann vorliegend jedoch keine Rede sein. Mißlich ist für den Beschwerdeführer, daß das Arbeitsgericht über die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht alsbald nach Prüfung der PKH-Unterlagen, sondern erst nach Instanzbeendigung entschieden hat. Bei einem "steckengebliebenen" PKH-Antrag kann dem Antragsteller zwar auch nach Beendigung der Instanz oder des Verfahrens insgesamt Prozeßkostenhilfe gewährt werden, wenn bis zur Beendigung der Instanz oder des Verfahrens die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung tatsächlich aussichtsreich (OLG Hamm v. 09.12.1996 - 12 WF 219/96, FamRZ 1997, 1018) und ein formgerechter Antrag mit den erforderlichen Belegen eingereicht war (OLG Brandenburg v. 13.06.1997 - 10 WF 20/97, FamRZ 1998, 249), vorliegend mangelt es jedoch an einem Antrag, den Beschwerdeführer als Unterbevollmächtigten beizuordnen. Der Beschwerdeführer ist daher schon mangels entsprechender Antragstellung nicht beschwert, so daß seine Beschwerde als unzulässig zu verwerfen war.

Ende der Entscheidung

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