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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.01.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 36/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, InsVV


Vorschriften:

ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 121 Abs. 2 Satz 1
ArbGG § 11a Abs. 1
InsVV § 5 Abs. 1
1. Einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter ist in massearmen Insolvenzverfahren zur Rechtsverteidigung in einem Arbeitsgerichtsprozess Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Anwalts jedenfalls dann zu gewähren, wenn er selbst kein Fachanwalt für Arbeitsrecht ist und entweder die Vertretung erforderlich erscheint oder - wie hier - der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2. Ist letzteres der Fall, so kommt es auf die Frage, ob die Beiordnung erforderlich ist, grundsätzlich nicht an. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren darf nach § 11a Abs. 2 ArbGG die Beiordnung nur unterbleiben, wenn sie entweder aus besonderen Gründen nicht erforderlich ist, oder wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig ist.


Tenor:

Auf die als sofortige auszudeutende Beschwerde des Beklagten wird der PKH-Bewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 27.04.2004 - 3 Ca 473/03 - teilweise abgeändert:

Dem Beklagten wird für den ersten Rechtszug mit Wirkung vom 24.03.2004 Rechtsanwalt D1xxxx E1xxxxxxx aus B1x O1xxxxxxxx als Anwalt beigeordnet.

Gründe:

I. Mit Beschluss vom 27.04.2004 hat das Arbeitsgericht dem Beklagten für seine Rechtsverteidigung gegen die Kündigungsschutzklage der Klägerin vom 18.03.2003 Prozesskostenhilfe in vollem Umfang ohne Ratenzahlungsverpflichtung mit Wirkung vom 24.03.2004 bewilligt, aber den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts mit der nachfolgenden Begründung zurückgewiesen:

"Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 121 Abs. 2 ZPO war abzulehnen, weil der Beklagte selbst Rechtsanwalt ist. An der Beiordnung eines weiteren Rechtsanwaltes besteht kein Bedarf."

Gegen den am 27.05.2004 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 02.06.2004, bei dem Arbeitsgericht am 03.06.2004 eingegangen, Beschwerde eingelegt und zu ihrer Begründung ausgeführt, auch im arbeitsrechtlichen Verfahren sei dem anwaltlichen Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts dann zu bewilligen, wenn entweder die Vertretung aufgrund der Gesamtumstände erforderlich erscheine oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten sei. Sei der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten, sei die Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung nicht zu prüfen, wenn die sonstigen Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben seien.

Mit Beschluss vom 14.01.2005 hat das Arbeitsgericht der [sofortige] Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, § 121 Abs. 2 ZPO verfolge den Regelungszweck, Chancengleichheit für denjenigen zu erreichen, dem Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei. Dies ergäbe sich daraus, dass die Vorschrift den Fall, dass anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben sei, gleichwohl eine anwaltliche Vertretung erforderlich erscheine, dem Fall gleichstellt, dass der Gegner anwaltlich vertreten sei. Das Gesetz gehe erkennbar daher davon aus, dass eine Chancengleichheit nur dann bestehe, wenn beide Seiten anwaltlich vertreten seien. Der Beklagte selbst sei Rechtsanwalt. Eine ausdrückliche Beiordnung mache deshalb im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO keinen Sinn. Die Chancengleichheit habe von vornherein bestanden.

II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form und fristgerecht eingelegte und als sofortige auszudeutende Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht von einer Anwaltsbeiordnung abgesehen.

1. Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine beklagte Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der bedürftigen Partei besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt (§ 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO). Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bezieht sich in Arbeitsgerichtssachen auch auf die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 Abs. 2 ZPO (LAG Baden-Württemberg v. 28.04.1987 - 6 Ta 18/87, JurBüro 1988, 904).

1.1. Diese Grundsätze gelten auch in der Unternehmensinsolvenz mit der Maßgabe, dass die Kosten vom Insolvenzverwalter aus der ,,verwalteten Vermögensmasse" nicht aufgebracht werden können (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die verwaltete Vermögensmasse ist unzulänglich im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO, wenn die Kosten (Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten) weder aus den vorhandenen Barmitteln noch aus kurzfristig liquidierbaren Mitteln des Anlage- oder Umlaufvermögens aufgebracht werden können. Dabei ist zu beachten, dass der Insolvenzmasse nicht die Mittel entzogen werden dürfen, die zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Insolvenzverfahrens anderweitig benötigt werden (BAG v. 28.04.2003 - 2 AZB 78/02, ZIP 2003, 1947 = ZVI 2003, 556). Bei angezeigter Masseunzulänglichkeit im Sinne des § 208 InsO ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dies der Fall ist (BAG v. 08.05.2003 - 2 AZB 56/02, BAGReport 2005, 27 = ZInsO 2003, 722). Mangelt es an einer Anzeige der Masseunzulänglichkeit, hat aber der Insolvenzverwalter die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO durch Vorlage einer aktuellen Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO dargelegt und glaubhaft gemacht, ist auch schlüssig dargelegt, dass ihm die Zahlung von Prozesskostenvorschüssen nicht zuzumuten ist. In einem solchen Fall ist es dem Beklagten, der als Insolvenzverwalter eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe, nämlich die Abwicklung eines geordneten Insolvenzverfahrens wahrzunehmen, nicht zuzumuten, den Rechtsstreit auf eigenes Risiko zu führen (LAG Düsseldorf v. 30.01.2003 - 2 Ta 370/02, InVo 2003, 438). Daher hat das Arbeitsgericht dem Beklagten zu Recht zur Rechtsverteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe bewilligt.

1.2. Bei der Frage der Anwaltsbeiordnung wird unterschieden, ob vor dem Gericht anwaltlicher Vertretungszwang herrscht oder nicht. Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, ist bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Beiordnung eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts nach Wahl des Antragstellers zwingend. Dies gilt auch, wenn der Insolvenzverwalter als antragstellende Partei selbst Rechtsanwalt ist (BGH v. 25.04.2002 - IX ZB 106/02, BGHReport 2002, 848 = InVo 2002, 496 = MDR 2002, 1142 = ZInsO 2002, 626; BFH v. 09.12.2004 - VII S 29/03 [PKH], BFH/NV 2005, 380 = Rpfleger 2005, 319). Im erstinstanzlichen Verfahren vor den Arbeitsgerichten ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben. Hier ist dem Insolvenzverwalter nach § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf seinen Antrag hin ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl dann beigeordnet, wenn

- entweder die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder

- der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

Ist letzteres der Fall, erfordert der Grundsatz der "Waffengleichheit" stets eine Anwaltsbeiordnung ohne Prüfung der Erforderlichkeit der Beiordnung (BAG v. 25.04.2003 - 2 AZB 5/03, InVo 2003, 349 = ZInsO 203, 772; ebenso OLG Köln v. 07.08.1997 - 14 WF 95/97, MDR 1997, 1153; LAG Sachsen v. 17.12.2002 - 2 Ta 301/02, LAGReport 2003, 285 = ZInsO 2003, 964). Selbst wenn die Vertretung der bedürftigen Partei durch einen Rechtsanwalt zunächst nicht erforderlich im Sinne des § 121 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 1 ZPO erscheint, kann das Erfordernis der Anwaltsbeiordnung nach dem Grundsatz der "Waffengleichheit" gemäß § 121 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 2 ZPO auch nachträglich eintreten, wenn sich der Prozessgegner im Laufe des Verfahrens durch einen Anwalt vertreten lässt (OLG Köln v. 01.08.1997 - 4 WF 184/97, FamRZ 1998, 1522). Dies gilt im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch für einen Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter, wenn dieser kein Fachanwalt für Arbeitsrecht ist. Die gesetzliche Regelung ist zwingend, die Anwaltsbeiordnung darf deshalb nicht mit der Begründung versagt werden, die Sach- und Rechtslage sei einfach (OLG Köln v. 22.02.2002 - 14 WF 19/02, FamRZ 2002, 1198 = MDR 2002, 660).

1.3. Das Arbeitsgericht hat sich in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 14.01.2005 dieser Auffassung mit der Begründung nicht angeschlossen, § 121 Abs. 2 ZPO verfolge den Regelungszweck, "Chancengleichheit" für denjenigen zu erreichen, dem Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei. Da der beklagte Insolvenzverwalter selbst Rechtsanwalt sei, habe die "Chancengleichheit" von vornherein bestanden. Wenn beide Seiten anwaltlich vertreten seien, mache eine ausdrückliche Beiordnung eines [weiteren] Rechtsanwalts deshalb im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO keinen Sinn. Diesen Ausführungen vermag sich die Beschwerdekammer nicht anzuschließen, denn die gesetzliche Regelung in § 121 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 2 ZPO keine Ausnahme vor. Der Grundsatz der "Waffengleichheit" oder "Chancengleichheit", wie das Arbeitsgericht ihn nennt, hat auch in den Regelungen des § 11a ArbGG seinen Niederschlag gefunden; hier besteht sogar eine ausdrücklich normierte Hinweispflicht (§ 11a Abs. 1 Satz 2 ArbGG).

1.3.1. Wenn das Arbeitsgericht schon die Anwaltsbeiordnung nach § 121 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 2 ZPO nicht hat vornehmen wollen, hätte es die Beiordnung nach § 11a Abs. 1 Satz 1 ArbGG wenigstens einmal prüfen müssen, denn die Beiordnung nach dieser Vorschrift und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe schließen sich gegenseitig nicht aus (Bader/Creutzfeldt/Friedrich, § 11a ArbGG Rn. 54 Fn. 89; a.A. LAG Schleswig-Holstein v. 19.01.1987 - 4 Ta 6/87, n.v.; LAG Schleswig-Holstein v. 26.10.2001 - 1 Ta 158/01, n.v.: "Bei beantragter Prozesskostenhilfe verbietet sich die Beiordnung nach § 11a ArbGG"). In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht soll ein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe als "wesensgleiches Minus" einen Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11a ArbGG enthalten. Scheitere der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Erfolgsaussichten der Klage (§ 114 ZPO), habe das Arbeitsgericht auch ohne ausdrücklichen Antrag oder Klarstellung der Partei von Amts wegen zu prüfen, ob ihr ein Rechtsanwalt gemäß § 11a ArbGG beigeordnet werden könnte (so ausdrücklich LAG Sachsen-Anhalt v. 11.06.1997 - 2 Ta 42/97, LAGE § 11a ArbGG 1979 Nr. 6; ArbG Magdeburg v. 21.05.2001 - 8 BV 15/01, ZInsO 2001, 576; ferner LAG Bremen v. 26.02.1986 - 4 Ta 65/85, LAGE § 11a ArbGG 1979 Nr. 3 = MDR 1986, 525; LAG Düsseldorf v. 29.10.1986 - 14 Ta 245/86, LAGE § 11a ArbGG 1979 Nr. 4; LAG Sachsen-Anhalt v. 08.09.1997 - 8 Ta 63/97, LAGE § 11a ArbGG 1979 Nr. 7; zust. Bader, GK-ArbGG, § 11a Rn. 179; Bader/Creutzfeldt/Friedrich, § 11a ArbGG Rn. 57 Fn. 91; Grunsky, § 11a ArbGG Rn. 5; Schwab/Weth/Vollstädt, § 11a ArbGG Rn. 19; a.A. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, § 11a ArbGG Rn. 3: "Beiordnung nach § 11a ArbGG nur auf ausdrücklichen Antrag"; Hauck/Helml, § 11a ArbGG Rn. 2: "Partei muss durch Antrag klarstellen, ob Beiordnung nach § 11a ArbGG begehrt wird"). Wegen der Hinweispflicht des § 11a Abs. 1 Satz 2 ArbGG kann im Einzelfall eine Verpflichtung bestehen, einen Antrag gemäß § 11a Abs. 1 Satz 1 ArbGG anzuregen (Bader/Creutzfeldt/Friedrich, § 11a ArbGG Rn. 57 bei Fn. 92; Grunsky, § 11a ArbGG Rn. 16).

1.3.2. Nach § 11a Abs. 2 ArbGG kann (= darf nur) die Beiordnung unterbleiben,

- wenn sie aus besonderen Gründen nicht erforderlich ist, oder

- wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig ist.

Besondere Gründe, die eine Beiordnung als nicht erforderlich erscheinen lassen, sind nur mit großer Zurückhaltung zu bejahen (Bader/Creutzfeldt/Friedrich, § 11a ArbGG Rn. 61). Sie liegen dann vor, wenn der Rechtsstreit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht derart einfach gelagert ist, dass die bedürftige Partei den Rechtsstreit ohne jegliche Probleme selbst führen oder gegen die geltend gemachten Ansprüche selbst zu Wehr setzen kann und eine Beiordnung damit als völlig überflüssig erscheinen muss (Bader/Creutzfeldt/Friedrich, a.a.O.). Keine dieser beiden Ausnahmen liegt hier vor. In seinem PKH-Ablehnungsbeschluss vom 27.04.2004 führt das Arbeitsgericht lediglich aus, die Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 121 Abs. 2 ZPO sei abzulehnen gewesen, weil der Beklagte selbst Rechtsanwalt sei, so dass an der Beiordnung eines weiteren Rechtsanwaltes kein Bedarf bestehe (ebenso ArbG Dresden v. 19.04.2001 - 10 Ca 1133/01, ZInsO 2002, 391; LAG Sachsen v. 26.11.2001 - 4 Ta 148/01 DD, ZInsO 2002, 391; zust. Schwab/Weth/Vollstädt, §11a ArbGG Rn. 95). Diese Erwägungen reichen nicht einmal zur Ablehnung der Anwaltsbeiordnung nach § 121 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 1 ZPO aus; die Beschwerdekammer vermag sie aus folgenden Überlegungen nicht zu teilen:

1.4. Es versteht sich in einer arbeitsteiligen Organisation von selbst, dass der Insolvenzverwalter, der in der Regel das Schuldnerunternehmen bis zur Beschlussfassung der Gläubigerversammlung (§ 157 InsO) im Berichtstermin (§ 156 InsO) fortzuführen hat (§ 158 InsO), nicht alle Aufgaben allein wahrnehmen kann. Gerade bei einer größeren Firmeninsolvenz, erst recht bei einer längerfristigen Fortführung des Betriebes, ist es jedoch schon rein praktisch nicht durchführbar, dass der Insolvenzverwalter alle Aufgaben in Person wahrnimmt. Es war deshalb nach bisherigem Insolvenzrecht allgemein anerkannt, dass der Konkurs bzw. Gesamtvollstreckungsverwalter zumindest in beschränktem Umfang Vollmachten erteilen und sich bei nichtinsolvenzspezifischen Geschäften -z.B. beim Ausspruch von Kündigungen- ebenso durch Bevollmächtigte vertreten lassen konnte, wie es der Gemeinschuldner ohne Eintritt seiner Verfügungsbeschränkung gekonnt hätte (so zum Konkurs BAG 21.7.1988 - 2 AZR 75/88, KTS 1989, 422 = NZA 1989, 264 = ZIP 1989, 57; so zur Gesamtvollstreckung BAG 22.1.1988 - 2 AZR 266/97, ZAP ERW 1998, 157 [Berscheid] = ZInsO 1998, 190; BAG 22.1.1998 - 2 AZR 267/97, KTS 1998, 499 = NZA 1998, 699 = ZIP 1998, 748).

1.4.1. Zwar ist das Amt des Insolvenzverwalters höchstpersönlich und er kann sich diesem Amt z.B. nicht durch die Erteilung einer Generalvollmacht entziehen (Uhlenbruck/Berscheid, § 117 InsO Rn. 12), dennoch kann er sich auch unter der Geltung der Insolvenzordnung durch Bevollmächtigte vertreten zu lassen. Dabei ist jedoch folgende Unterscheidung vorzunehmen: Die Vorschriften über Bevollmächtigung und Vertretung (§§ 164 ff. BGB) gelten uneingeschränkt, soweit der Insolvenzverwalter nur anstelle des Schuldners Rechtshandlungen vornimmt, die dieser wegen des Verlusts der Verwaltungs und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO) nicht mehr selbst ausführen kann. Dazu zählen bspw. die Kündigung von Arbeitnehmern (Uhlenbruck/Berscheid, § 113 InsO Rn. 23) und die Erstattung der sog. Massenentlassungsanzeige (Uhlenbruck/Berscheid, vor § 113 InsO Rn. 128), die in der Insolvenz von einem entsprechend bevollmächtigten, weiterbeschäftigten Angestellten des Schuldners (bspw. Personalleiter), aber auch von einen Rechtsanwalt im Auftrag des Insolvenzverwalters unterschrieben werden dürfen (BAG v. 14.08.1986 - 2 AZR 683/85, RzK I 8b Nr. 8). Die Vertretungsmöglichkeit gilt auch für die weiteren Abwicklungsvorgänge wie die Ausstellung von Arbeitspapieren und die Erteilung von Arbeitszeugnissen nach § 109 GewO; hierbei kann sich der Insolvenzverwalter - da es sich nicht um eine insolvenztypische Aufgabe handelt - von einer vertretungsberechtigten oder bevollmächtigten Person, die in der betrieblichen Hierarchie über dem Zeugnisinhaber stehen, also ranghöher sein muss (BAG v. 26.06.2001 - 9 AZR 392/00, NZA 2002, 33), vertreten lassen.

1.4.2. Dagegen ist bei sog. insolvenztypischen oder insolvenzspezifischen Rechtshandlungen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht möglich sind, eine Stellvertretung grundsätzlich ausgeschlossen (LAG Schleswig-Holstein v. 14.01.1988 - 6 Sa 400/87, ZIP 1988, 250, 251; OLG Düsseldorf v. 10.05.1988 - 3 Wx 169/88, MDR 1988, 76 = NJW-RR 1988, 1103 = ZIP 1988, 855). Solche insolvenzspezifischen Rechtshandlungen stellen bspw. die Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO oder des Anfechtungsrechts nach §§ 129 ff. InsO dar, so dass insoweit die Verwaltererklärung auch nicht in Vertretung abgegeben werden kann (Uhlenbruck/Berscheid, § 103 InsO Rn. 63). Für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten haftet der Insolvenzverwalter gegenüber Dritten nach § 60 Abs. 1 InsO (LAG Hamm v. 04.12.2003 - 4 Sa 1116/03, ZInsO 2004, 694; BGH v. 06.05.2004 - IX ZR 48/03, NZI 2004, 435 = ZInsO 2004, 609 = ZIP 2004, 1107; Vallender, ZIP 1997, 345 ff.; Meyer-Löwy/Poertzgen, ZinsO 2004, 363 ff.), so dass auch für das PKH-Verfahren eine Abgrenzung nach der Art der Aufgaben mit der Maßgabe vorzunehmen ist, dass einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter kein (weiterer) Rechtsanwalt beigeordnet werden kann, wenn der Rechtsstreit die Klärung von Fragen zu insolvenzspezifischen Aufgaben - z.B. ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren zur Wirksamkeit einer insolvenzrechtlichen Anfechtung eines Sozialplans (siehe dazu und zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte: LAG Hamm v. 20.01.1982 - 12 TaBV 120/81, ZIP 1982, BB 1982, 925 = DB 1982, 1119 = ZIP 1982, 615) - zum Inhalt hat (siehe zu Einzelheiten und zur Abgrenzung dieser Aufgaben: Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 60 InsO Rn. 11-40), ihm aber ein (weiterer) Rechtsanwalt beigeordnet werden kann, wenn es in dem Rechtsstreit um die Klärung von Fragen zu nichtinsolvenzspezifischen Aufgaben - z.B. um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) und/oder um die Durchführung einer Betriebsänderung (§§ 111 112 BetrVG) - geht (siehe zu Einzelheiten und zur Abgrenzung dieser Aufgaben: Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 60 InsO Rn. 41-65).

1.5. Zu Unrecht wird aus der Aufgabe des Insolvenzverwalters, die "Masse zu sichern", also einerseits sämtliche Vermögenswerte des Gemeinschuldners beizutreiben, aber auch andererseits die Masse vor ungerechtfertigten Ansprüchen Dritter zu verteidigen, geschlossen, die Durchführung von notwendigen Rechtsstreitigkeiten - auch und gerade vor den Arbeitsgerichten - gehöre zum Kernaufgabenbereich, den der Insolvenzverwalter höchstpersönlich auszuführen habe (LAG Sachsen v. 26.11.2001 - 4 Ta 148/01 DD, ZInsO 2002, 391; LAG Sachsen v. 06.12.2002 - 4 Ta 326/02-5, InVo 2003, 436). Darf der Insolvenzverwalter sich außergerichtlich zur Erledigung nichtinsolvenzspezifischer Aufgaben eines Bevollmächtigten bedienen, muss er auch die Möglichkeit haben, dies gerichtlich tun zu können, ohne die Vergütung dafür aus eigner Tasche drauflegen zu müssen. Würde man vorliegend keine PKH bewilligen, würde der Insolvenzverwalter in einem Dilemma stecken, denn er ist einerseits verpflichtet, gemäß §§ 85, 86 InsO Prozesse für und gegen die Insolvenzmasse aufzunehmen oder neue Prozesse anzustrengen, wenn für den Fall des Obsiegens eine Anreicherung der Masse zu erwarten ist; macht er andererseits - trotz begründeter Erfolgsaussichten - eine Forderung der Masse nicht gerichtlich geltend, verletzt er eine insolvenzspezifische Pflicht mit der Folge, dass auch die Insolvenzmasse Schadenersatzansprüche gegen ihn hat, die durch einen nachfolgenden oder einen Sonderverwalter geltend zu machen sind (Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 60 InsO Rn. 60).

1.5.1. Nach dem Maßstab des § 5 InsVV ist zu beurteilen, für welche Prozesse der als Anwalt zugelassene Insolvenzverwalter einen sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz richtenden Vergütungsanspruch gegen die Insolvenzmasse hat. Würde man in § 121 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 2 ZPO einen strengeren Maßstab anwenden als in § 5 InsVV, so wäre das Ergebnis, dass - da die Insolvenzmasse in den Fällen des § 121 ZPO stets unzureichend ist - in den Fällen, für die zwar die Voraussetzungen des § 5 InsVV vorliegen, nicht aber die des § 121 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 Alt. 2 ZPO, der als Rechtsanwalt zugelassene Insolvenzverwalter leer ausginge bzw. bei Beauftragung eines Rechtsanwalts diesem nach §§ 55, 61 InsO schadensersatzpflichtig würde. Das wäre ein unauflösbarer Wertungswiderspruch und würde dem Grundsatz zuwiderlaufen, dass der Insolvenzverwalter das Verfahren nicht aus privaten Mitteln finanzieren muss. Deshalb ist es geboten, im Rahmen des § 121 Abs. 2 ZPO dem Insolvenzverwalter unter den Voraussetzungen des § 5 InsVV zumindest in aller Regel einen Rechtsanwalt beizuordnen (BAG v. 28.05.2003 - 2 AZB 78/02, ZIP 2003, 1947 = ZVI 2003, 556; BAG v. 08.05.2003 - 2 AZB 56/02, BAGReport 2005, 27 = DZWIR 2003, 322 = ZInsO 2003, 722).

1.5.2. Nach § 5 Abs. 1 InsVV kann der als Rechtsanwalt zugelassene Insolvenzverwalter "für Tätigkeiten, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter angemessenerweise einem Rechtsanwalt übertragen hätte, nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Gebühren und Auslagen gesondert aus der Insolvenzmasse entnehmen". Nach der zivilgerichtlichen Auslegung dieser Vorschrift ist anerkannt, dass ein Insolvenzverwalter - auch wenn er selbst Volljurist ist - Aufgaben, die ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung im allgemeinen nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstehenden Auslagen aus der Insolvenzmasse entnehmen darf, ohne sich diese auf seinen insolvenzrechtlichen Vergütungsanspruch anrechnen lassen zu müssen (BGH v. 11.11.2004 - IX ZB 48/04, DZWIR 2005, 129 = InVo 2005, 87 = MDR 2005, 593 = NZI 2005, 103 = ZInsO 2004, 1348 = ZIP 2005, 36; ähnl. schon zur Vergütung des Rechtsanwalts als Liquidator: BGH v. 17.09.1998 - IX ZR 237/97, MDR 1998, 1435 = NZI 1998, 77 = ZInsO 1998, 333 = ZIP 1998, 1793). Damit ist klargestellt, dass das Anwalthonorar für das Führen arbeitsgerichtlicher Rechtsstreitigkeiten nicht zu den allgemeinen Geschäftskosten, die mit der Verwaltervergütung abgegolten sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 InsVV), zu rechnen ist (so aber LAG Sachsen v. 06.12.2002 - 4 Ta 326/02-5, InVo 2003, 436). Ebenso unerheblich ist es, dass die insolvenzrechtliche Vergütungsordnung gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. d InsVV einen Zuschlag auf den Regelsatz der allgemeinen Verwaltervergütung bei erheblicher Inanspruchnahme durch arbeitsrechtliche Fragen - zum Beispiel in Bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan - vorsieht, denn es geht bei der Frage der Beiordnung ausschließlich um die forensische Anwaltstätigkeit, während der Zuschlag auf die Verwaltervergütung vor allem die Klärung der außergerichtlich auftretenden arbeitsrechtlichen Fragen betrifft (BAG v. 28.05.2003 - 2 AZB 78/02, a.a.O.; BAG v. 08.05.2003 - 2 AZB 56/02, a.a.O.; a.A. LAG Sachsen v. 06.12.2002 - 4 Ta 326/02-5, a.a.O.). Zur Vermeidung eines Auseinandertriftens der zivilgerichtlichen und der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist der Rechtsbegriff der "Erforderlichkeit" im Sinne des § 121 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 ZPO einheitlich im Lichte des mit § 5 Abs. 1 InsVV bestehenden Zusammenhangs auszudeuten.

2. Damit ist vorliegend dem beklagten Insolvenzverwalter zur Wahrnehmung seiner Interessen bei der Rechtsverteidigung gegen die Kündigungsschutzklage der Klägerin vom 18.03.2003 antragsgemäß Rechtsanwalt D1xxxx E1xxxxxxx aus B1x O1xxxxxxxx als Anwalt seiner Wahl sowohl nach § 121 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 ZPO beizuordnen, weil die Klägerin anwaltlich vertreten war, als auch im Rahmen des § 121 Abs. 2 ZPO beizuordnen, weil gemäß § 5 Abs. 1 InsVV ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter die Verteidigung in dem Kündigungsschutzprozess einem Rechtsanwalt übertragen hätte. Das hier gewonnene Ergebnis ist auch sachgerecht. Die wenigsten Insolvenzverwalter haben ihren Weg zur Insolvenzverwaltung vom Arbeitsrecht her gefunden oder sind gar Fachanwälte für Arbeitsrecht. Die meisten Insolvenzverwalter kommen vom Zivil oder Wirtschaftsrecht her zur Insolvenzverwaltung, eine große Anzahl der Insolvenzverwalter besitzen zusätzlich das Diplom als Betriebswirte, einige sind zugleich Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, viele von ihnen sind auch Fachanwälte für Insolvenzrecht. Es versteht sich in einer arbeitsteiligen Organisation, zu der auch das Büro einer Insolvenzverwaltung gehört, dass sich der Insolvenzverwalter im Wesentlichen auf seine Kernaufgaben beschränkt und im Übrigen Hilfskräfte und Spezialisten einschaltet. Jedenfalls liegt der Schwerpunkt der Aufgaben eines Insolvenzverwalters im insolvenzspezifischen Bereich. Gerade deshalb, weil Fehler im arbeitsrechtlichen Bereich schwerwiegende Folgen für das Insolvenzverfahren haben können und nicht selten zu einem Zusammenbruch des fortgeführten Schuldnerunternehmens führen, lässt dieser Gesichtspunkt es gerechtfertigt erscheinen, dem Insolvenzverwalter in der Regel Anwalt beizuordnen. Mithin war der [sofortigen] Beschwerde stattzugeben.

Ende der Entscheidung

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