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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.09.2003
Aktenzeichen: 4 Ta 470/02
Rechtsgebiete: ZPO, BRAO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 121
BRAO § 48 Abs. 2
1. Die mittellose Partei ist durch § 48 Abs. 2 BRAO nicht gehindert, selbst oder durch den neu beauftragten zweiten Anwalt die Aufhebung der Beiordnung des ersten Anwalts zu beantragen. In der Vertretungsanzeige des zweiten Anwalts ist konkludent den Antrag auf Aufhebung der Beiordnung des ersten Anwalts mit der Folge zu sehen, daß der erste Anwalts mit Wirkung der Bestellung des zweiten Anwalts zu entpflichten ist und für eine von ihm noch eingereichte Klageerweiterung nicht mehr als Anwalt beigeordnet werden darf.

2. Entzieht eine mittellose Partei dem ihr im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordneten Anwalt das Mandat, so hat sie dann Anspruch auf Beiordnung eines anderen Anwalts, wenn entweder für die Kündigung ein triftiger Grund bestand oder wenn die neue Beiordnung nicht zu Mehrkosten für die Landeskasse führt. Letzteres kommt bei teilweisem Verzicht beider Anwälte auf Gebühren oder dann in Betracht, wenn der zweite Anwalt zu erkennen gibt, daß er mit einer Beschränkung seines Vergütungsanspruchs auf die restlichen Gebühren einverstanden ist.


Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss

4 Ta 470/02

In Sachen

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgericht HAMM ohne mündliche Verhandlung am 12. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Berscheid

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde werden die PKH-Beschlüsse des Arbeitsgerichts vom 15.04.2002 und vom 14.05.2002 -3 Ca 2557/01 - unter teilweiser Abänderung zur Titelklarstellung aufgehoben.

Die Beiordnung des V2xxxx K3xxxxx aus R1xxxxxx wird mit Wirkung des 15.04.2002 aufgehoben.

... bleibt die Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug im bisherigen Umfang gemäß Beschluß des Arbeitsgerichts vom 30.11.2001 -3 Ca 2557/01 - mit Wirkung vom 30.08.2001 bewilligt. wird auch für die Klageerweiterung gemäß vom 11.04.2002 mit einem Streitwert in Höhe von 10.583,74 € Prozeßkostenhilfe bewilligt und es wird zur Wahrnehmung Rechte im ersten Rechtszug K2xxx B2xxxxxxx aus R1xxxxxx unter Ausschluß der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort beschränkt auf die Klageerweiterung gemäß vom 11.04.2002 mit Wirkung vom 17.04.2002 mit der Maßgabe beigeordnet, daß einstweilen keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozeßführung zu leisten braucht.

Gründe:

I. Das Arbeitsgericht hat zunächst zur eines Kündigungsschutzprozesses mit Beschluß vom 30.10.2001 - 3 Ca 2557/01 - in vollem Umfang mit Wirkung vom 30.08.2001 Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und antragsgemäß V2xxxx K3xxxxx aus R1xxxxxx beigeordnet. Mit vom 11.04.2002, bei dem Arbeitsgericht am 12.04.2002 eingegangen, hat K3xxxxx für die Klage auf Zahlung der rückständigen Gehälter für die Monate August 2000 bis März 2001 und auf Zahlung der künftigen Gehälter ab April 2001 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhoben und seine Beiordnung als Anwalt beantragt. Mit vom 10.04.2002, bei dem Arbeitsgericht am 15.04.2002 eingegangen, hat B2xxxxxxx unter Vorlage einer Prozeßvollmacht vom 09.04.2003 angezeigt, daß er die Vertretung übernommen hat, und um Akteneinsicht gebeten. Das Arbeitsgericht hat für die Klageerweiterung gemäß vom 11.04.2002 mit einem Streitwert in Höhe von 1.175,97 € mit Wirkung vom 12.04.2002 mit Beschluß vom 15.04.2002 - 3 Ca 2557/01 - Prozeßkostenhilfe bewilligt und zur Wahrnehmung Rechte in diesem Rechtszug V2xxxx K3xxxxx aus R1xxxxxx zu den Bedingungen eines in B3xxxx zugelassenen Anwalts mit der Maßgabe beigeordnet, daß einstweilen keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozeßführung zu leisten braucht. Mit vom 17.04.2002, bei dem Arbeitsgericht am gleichen Tage per Telefax eingegangen, hat B2xxxxxxx mitgeteilt, daß den Schriftsatz von K3xxxxx vom 11.04.2002 erhalten habe und nicht dessen Beiordnung wünsche, sondern die Beiordnung von B2xxxxxxx beantrage. Mit vom 17.04.2002, bei dem Arbeitsgericht am 18.04.2002 per Telefax eingegangen, hat K3xxxxx das Mandat niedergelegt. Mit vom 13.05.2002, bei dem Arbeitsgericht am 14.05.2002 eingegangen, hat B2xxxxxxx unter Bezugnahme auf die Mandatsniederlegung K3xxxxx folgendes vorgetragen:

Er kann, da er beigeordnet ist, dies so ohne weiteres nicht tun. Ich lege seinen Antrag aber dahingehend aus, daß er um Entpflichtung gebeten hat. Andererseits habe ich um Prozeßkostenhilfe für die Klägerin nachgesucht. Das Gericht hat bislang hier noch nicht ordentlich entschieden. Hier ist Rechtsanwalt K3xxxxx auf seinen Wunsch hin zu entpflichten und der Unterzeichner zu verpflichten.

Das Arbeitsgericht hat daraufhin mit Beschluß vom 15.04.2001 - 3 Ca 2557/01 - wie folgt entschieden:

Die Beiordnung des Rechtsanwalts K3xxxxx wird mit Wirkung ab seiner Mandatsniederlegung aufgehoben.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B2xxxxxxx wird zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß hat mit vom 14.05.2002, bei dem Arbeitsgericht am gleichen Tage eingegangen, "Rechtsmittel" eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, das Arbeitsgericht gehe von dem Umstand aus, daß B2xxxxxxx für , die Klägerin, einen Antrag auf Entpflichtung von K3xxxxx gestellt habe. Dies sei nicht zutreffend. Die entsprechende Auslegung Vortrages durch das Arbeitsgericht sei fehlerhaft. Hier hätte das Arbeitsgericht nachfragen müssen und hätte nicht einen entsprechenden Vortrag den Schriftsätzen entnehmen dürfen. Mit vom 13.05.2002 sei vorgetragen worden, daß der Antrag des K3xxxxx als Antrag auf Entpflichtung anzusehen sei. Es sei ausdrücklich ausgeführt, daß K3xxxxx auf seinen eigenen Wunsch hin zu entpflichten sei und nicht auf Wunsch neuen Prozeßvertreters.

Mit vom 05.06.2002, bei dem Arbeitsgericht am 11.06.2002 eingegangen, hat K3xxxxx ein bei ihm per Telefax am 11.04.2002 eingegangenes außergerichtliches Schreiben des B2xxxxxxx vom 10.04.2002 vorgelegt, in dem dieser ihn unter Hinweis auf seine Bevollmächtigung und auf dessen Mandatsniederlegung wegen der "Kostenteilung" angesprochen und vorgeschlagen hat, sich in der Form zu "verständigen, daß von Ihnen gegenüber meiner Partei keine weiteren Kosten mehr zukommen und daß das Verfahren von hieraus weiterbetrieben wird". Desweiteren hat K3xxxxx sein Antwortschreiben vom 17.04.2002 an B2xxxxxxx eingereicht, in dem es unter anderem heißt:

Zeitgleich habe ich gegenüber dem Arbeitsgericht Bochum die Niederlegung des Mandats angezeigt.

Es versteht sich von selbst, dass meine bisherige Tätigkeit, soweit sie von der gewährten Prozeßkostenhilfe gedeckt ist, mit dem Arbeitsgericht abgerechnet werden wird.

Die darüber hinaus weitergehend entstandenen Kosten werde ich mit Ihrer Mandant abrechnen. Dies gilt auch für die hier noch entfalteten anderweitigen Tätigkeiten.

Ich bitte hierfür um Verständnis.

Gegen die Übernahme des Mandats durch Sie bestehen selbstverständlich keine Bedenken.

Mit Beschluß vom 08.07.2002 - 3 Ca 2557/01 - hat das Arbeitsgericht die Gebühren und Auslagen für K3xxxxx auf 513,02 € festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß vom 14.05.2002 nicht abgeholfen.

II. Das als sofortige Beschwerde auszudeutende Rechtsmittel ist zulässig, denn es ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO). Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Zutreffend ist das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die mittellose Partei berechtigt ist, selbst oder durch den neu beauftragten zweiten Anwalt die Aufhebung der erfolgten Beiordnung des ersten Anwalts zu beantragen. Zwar enthält § 48 Abs. 2 BRAO nur ein Antragsrecht des beigeordneten Rechtsanwalts; dies bedeutet aber nicht, daß die Partei selbst nicht die Aufhebung der Beiordnung beantragen kann (OLG Koblenz v. 13.12.1985 - 15 WF 1432/85, FamRZ 1986, 375; OLG Köln v. 13.03.1992 - 13 W 8/92, FamRZ 1992, 966 = JurBüro 1992, 619 = OLGR Köln 1992, 222; insoweit a.A. OLG Düsseldorf v. 05.07.1994 - 1 WF 112/94, FamRZ 1995, 241 = OLGR Düsseldorf 1994, 249; OLG Zweibrücken v. 25.11.1993 - 6 WF 102/93, JurBüro 1994, 749 [Mümmler]; LSG Sachsen v. 31.01.2000 - L 3 AL 158/97, juris KSRE055641105). Wenn die Partei nach § 121 Abs. 1 ZPO einen Rechtsanwalt ihrer Wahl benennen darf, muß es ihr im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes auch möglich sein, aus eigenem Recht die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen oder durch einen anderen Anwalt beantragen zu lassen. Andernfalls könnte der Anwalt, der den Antrag selbst nicht stellt, an der Beiordnung festhalten, obwohl er zur Vertretung im Rechtsstreit nicht mehr in der Lage ist (LSG Thüringen v. 11.07.2002 - L 6 RA 606/97, juris KSRE035020508).

1.1. Einen derartigen Antrag hat das Arbeitsgericht hier für durch B2xxxxxxx mit seiner Vertretungsanzeige gleichzeitig als (konkludent) erklärt angesehen und weiter auch seinem Schriftsatz vom 13.05.2002 entnommen. Die Beiordnung des K3xxxxx war daher nicht erst mit Wirkung ab seiner Mandatsniederlegung, dem Eingang des vom 17.04.2002 am 18.04.2002 aufzuheben. Entscheidend war auch nicht der Zeitpunkt des Erhalts des außergerichtlichen Widerrufs der Bevollmächtigung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.04.2002 hat B2xxxxxxx zwar dem zuerst beigeordneten K3xxxxx unter Hinweis auf seine Bevollmächtigung den (eingeschränkten) mitgeteilt und wegen der "Kostenteilung" (richtig: "Gebührenteilung") angesprochen. Da K3xxxxx das außergerichtliche Schreiben des B2xxxxxxx vom 10.04.2002 per Telefax bereits am 11.04.2002 erhalten hat, hätte dies jedoch der Zeitpunkt für seine Entpflichtung nur sein können, wenn dem Arbeitsgericht der Anwalts- und Mandatswechsel zeitgleich mitgeteilt worden wäre. Maßgeblich ist nämlich der Zeitpunkt, in dem das Gericht mit Schriftsatz des zuletzt beigeordneten Rechtsanwaltes von dem Anwalts- und Mandatswechsel in Kenntnis gesetzt wird (LSG Sachsen v. 31.01.2000 - L 3 AL 158/97, juris KSRE055641105). Mithin ist vorliegend für den Zeitpunkt der Entpflichtung des K3xxxxx der Eingang des Bestellungsschriftsatzes des B2xxxxxxx vom 10.04.2002 am 15.04.2002 entscheidend. Auch das Arbeitsgericht in seinem Beschluß vom 14.05.2002 in der Vertretungsanzeige des B2xxxxxxx konkludent den Antrag auf Aufhebung der erfolgten Beiordnung des K3xxxxx gesehen. Warum das Arbeitsgericht dennoch mit Beschluß vom 15.04.2002 für die Klageerweiterung gemäß vom 11.04.2002 mit Wirkung vom 12.04.2002 K3xxxxx und nicht (bereits) B2xxxxxxx mit Wirkung vom 15.04.2002 (oder nach Tage späteren Entscheidung mit Wirkung vom 17.04.2002) beigeordnet hat, erschließt sich weder aus den beiden erwähnten PKH-Beschlüssen noch aus der Nichtabhilfeentscheidung vom 11.06.2002. Da B2xxxxxxx mit vom 10.04.2002, bei dem Arbeitsgericht am 15.04.2002 eingegangen, unter Vorlage einer Prozeßvollmacht vom 09.04.2003 angezeigt hat, daß er die Vertretung übernommen hat, war es dem Arbeitsgericht verwehrt, mit Beschluß vom 15.04.2002 für die Klageerweiterung K3xxxxx überhaupt noch beizuordnen. Dies erhellt sich aus folgenden Überlegungen:

1.2. Ein Beschluß, der nicht zu verkünden, sondern der Partei gemäß § 329 Abs. 2 ZPO formlos mitzuteilen ist, ist nämlich erst dann erlassen, wenn er aus dem inneren Bereich des Gerichtes herausgelangt ist (vgl. BGH v. 05.02.1954 - IV ZB 3/54, BGHZ 12, 248; BGH v. 28.11.1973 - VIII ZB 23/73, VersR 1974, 365), und zwar mit dem Zeitpunkt des ersten Hinausgehens der Entscheidung (BGH v. 27.06.1957 - III ZR 51/56, LM Nr. 1 zu § 775 ZPO = NJW 1957, 1480). Dazu ist erforderlich, daß der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Beschluß entweder (bei größeren Gerichten) einem Gerichtswachtmeister (BFH v. 24.07.1990 - VII R 62/89, BB 1991, 195 = DGVZ 1991, 54 = NJW 1991, 1975) oder der Post (OLG Hamm v. 02.03.1978 - 4 W 15/78, BB 1978, 574; OLG Köln v. 18.10.1982 - 4 WF 181/82, NJW 1983, 460) zur Beförderung übergeben bzw. ausgefertigt in das Abtragefach (OLG Koblenz v. 12.05.1982 - 14 W 259/82, MDR 1982, 858 = VersR 1982, 1058) oder in das bei einigen Arbeitsgerichten vorhandene Anwaltsabholfach (OLG Koblenz v. 11.12.1985 - 14 W 727/85, NJW-RR 1986, 935 = VersR 1985, 1215) gelegt hat, was jeweils durch einen entsprechenden Ab-Vermerk zu dokumentieren ist (OLG Brandenburg v. 03.03.1999 - 8 W 363/98, NZI 1999, 498; LAG Hamm v. 04.12.2000 - 4 Ta 165/00, LAGE § 124 ZPO Nr. 13).

1.3. Bis zu diesem Zeitpunkt liegt nur ein innerer Vorgang des Gerichts vor (OLG Frankfurt/Main v. 12.03.1974 - 20 W 486/73, NJW 1974, 1389). Selbst wenn der Beschluß unterschrieben ist, so ist er bis zum Verlassen der Gerichtsakten noch nicht mit unabänderbarer Wirkung erlassen, so daß Eingaben bis zu diesem Zeitpunkt als rechtzeitig eingegangen gelten (BGH v. 19.11.1981 - III ZR 85/80, JurBüro 1982, 705 = MDR 1982, 557 = NJW 1982, 888 = VersR 1982, 268) und damit vom Gericht zu beachten sind (OLG Frankfurt/Main v. 20.09.1973 - 2 Ws [B] 183/73 OWiG, NJW 1973, 2218; BayObLG v. 13.08.1997 - 3Z BR 331/97, MDR 1997, 1153). Der Beschluß kann bis zur Herausgabe vom Gericht jederzeit beseitigt oder geändert werden (OLG Koblenz v. 17.09.1990 - 14 W 590/90, JurBüro 1991, 435 [Mümmler]). Gegebenenfalls ist das Gericht zu einer Änderung (OLG Schleswig v. 25.09.1981 - 9 W 176/81, JurBüro 1981, 1903) oder zum Zurückstellen der beabsichtigten Entscheidung (BGH v. 11.03.1987 - IVb ZR 13/85, BGHR § 16 Abs. 1 FGG Änderung 1) verpflichtet (LAG Hamm v. 04.12.2000 - 4 Ta 165/00, LAGE § 124 ZPO Nr. 13). Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Nichtberücksichtigung des Bestellungsschriftsatzes des B2xxxxxxx vom 10.04.2002 und des darin liegenden (konkludenten) Antrages auf Aufhebung der erfolgten Beiordnung des K3xxxxx rechtsfehlerhaft. Der besagte vom 10.04.2002 ist am 15.04.2002 beim Arbeitsgericht eingegangen. Ob dieser dem Vorsitzenden bei Abfassung des PKH-Beschlusses vom 15.04.2002 bereits vorgelegen hat, kann dahingestellt bleiben. Der PKH-Beschluß ist ausweislich des Ab-Vermerks erst am 16.04.2002 gefertigt und zur Zustellung worden. Damit war er bei Eingang des vom 10.04.2002, der die Bestellung des B2xxxxxxx und den (konkludenten) Antrag auf Aufhebung der Beiordnung des K3xxxxx enthält, noch nicht existent. Der PKH-Beschluß vom 15.04.2002 war daher teilweise aufzuheben und K3xxxxx mit Wirkung von diesem Zeitpunkt als Anwalt zu entpflichten. Im Hinblick auf den vom 05.06.2002 und den eingereichten außergerichtlichen Schriftwechsel mit B2xxxxxxx hat K3xxxxx vor seiner Entpflichtung nicht erneut angehört zu werden brauchen.

2. Von der Entpflichtung des ersten Anwalts ist die Frage zu trennen, ob der mittellosen Partei ein anderer Anwalt im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordnet werden darf (AG Charlottenburg v. 10.09.1993 - 142 F 9394/91, FamRZ 1995, 749). Bei der Beantwortung dieser Frage ist zunächst von der Grundnorm des § 114 ZPO auszugehen. Nach dieser Vorschrift erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, daß bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der mittellosen Partei besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen des § 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO genügt.

2.1. Bei der Prüfung dieser Bewilligungsvoraussetzungen ist das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Antrag der mittellosen Partei, ihr statt des zunächst beigeordneten einen anderen beizuordnen, regelmäßig voraussetzt, daß dieses Begehren nicht mutwillig ist (OLG Köln v. 13.03.1992 - 13 W 8/92, FamRZ 1992, 966 = JurBüro 1992, 619 = OLGR Köln 1992, 222). Dies ist dann der Fall, wenn eine vermögende, vernünftige Partei die durch einen Anwaltswechsel entstehenden Mehrkosten auf sich nehmen würde (OLG Frankfurt/Main v. 17. Februar 1988 - 14 W 17/88, MDR 1988, 501; OLG Zweibrücken v. 25.11.1993 - 6 WF 102/93, JurBüro 1994, 749 [Mümmler]; KG Berlin, Bes. v. 09.01.1995 - 20 W 7486/94, KGR Berlin 1995, 92). Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn die Partei ihrem zunächst beigeordneten Rechtsanwalt das Mandat aus einem triftigen Grund -z.B. wegen einer nachhaltigen und tiefgreifenden Störung des Vertrauensverhältnisses - gekündigt hat (OLG Düsseldorf v. 05.07.1994 - 1 WF 112/94, FamRZ 1995, 241 = OLGR Düsseldorf 1994, 249; LSG Sachsen v. 31.01.2000 - L 3 AL 158/97, juris KSRE055641105; LSG Thüringen v. 11.07.2002 - L 6 RA 606/97, juris KSRE035020508; a.A. bei Entscheidungsreife der Hauptsache OLG Frankfurt/Main v. 16.09.1988 - 22 U 222/86, AnwBl 1988, 643 = MDR 1989, 167) oder wenn der zunächst beigeordnete Anwalt das Mandat ohne einen von der mittellosen Partei zu vertretenen Grund niedergelegt hat (VGH Kassel v. 01.07.1986 - 10 D 2654/85, JurBüro 1987, 1563). Zutreffend ist das Arbeitsgericht zu dem Zwischenergebnis gekommen, daß ein nachvollziehbarer Grund für den Anwalts Wechsel weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist.

2.2. Desweiteren hat das Arbeitsgericht ausgeführt, daß eine teilweise Beiordnung des B2xxxxxxx unter Ausschluß bereits angefallener Gebühren nicht habe erfolgen können. Wechselt die mittellose Partei, der Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist, den Prozeßbevollmächtigten, so darf eine Beiordnung des neuen Prozeßbevollmächtigten gemäß § 121 ZPO im allgemeinen nicht mit der Beschränkung seines Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse in Form des Abzugs der Gebühren, die schon der zuerst beigeordnete Rechtsanwalt erhält, verbunden werden (OLG Karlsruhe v. 26.09.1990 - 16 WF 125/89, JurBüro 1991, 80; OLG Hamm v. 30.11.1993 - 13 WF 395/93, FamRZ 1995, 748 = OLGR Hamm 1994, 143; a.A. LSG Baden-Württemberg v. 20.01.1993 - L 2 PKH 203/92 B, n.v.). Im Rahmen der Beiordnung nach § 121 ZPO hat das Gericht in der Regel nur die Wahl zwischen uneingeschränkter Beiordnung oder vollständiger Ablehnung der Beiordnung (OLG Köln v. 25.04.2001 - 26 WF 61/01, BRAGOreport 2001, 144 = NJW-RR 2002, 133 = OLGR Köln 2002, 132). Ohne Vorliegen eines sog. Entschlagungsgrundes kommt eine Auswechslung der Beiordnung lediglich bei teilweisem Verzicht beider Anwälte auf Gebühren in Betracht, so daß insgesamt der Gebührentatbestand nur einmal entsteht (OLG Bremen v. 14.07.1992 - 5 WF 54/92, JurBüro 1993, 51; a.A. OLG Karlsruhe v. 15.04.1987 - 16 WF 202/86, Justiz 1987, 429, das die Möglichkeit einer gebührenrechtlich beschränkten Beiordnung eines Anwaltes generell verneint). Eine derartige Verzichtserklärung ist vorliegend nicht abgegeben worden, K3xxxxx hat vielmehr auf seinem vollen Gebührenanspruch bestanden und diesen auch mit Beschluß vom 08.07.2002 durch das Arbeitsgericht auf 513,02 € festsetzen lassen.

2.3.Dennoch hat vorliegend B2xxxxxxx, obwohl kein sog. Entschlagungsgrund glaubhaft gemacht worden ist, eingeschränkt beigeordnet werden können. Entzieht eine mittellose Partei dem ihr im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordneten Anwalt das Mandat, so hat sie dann Anspruch auf Beiordnung eines anderen Anwalts, wenn entweder für die Kündigung ein triftiger Grund bestand oder wenn die neue Beiordnung nicht zu Mehrkosten für die Landeskasse führt (OLG Celle v. 15.03.1990 - 10 WF 56/90, NdsRpfl 1990, 155; OLG Zweibrücken v. 25.11.1993 - 6 WF 102/93, JurBüro 1994, 749 [Mümmler]; teilw. a.A. LSG Sachsen v. 31.01.2000 - L 3 AL 158/97, juris KSRE055641105, das kumulativ das Vorliegen eines triftigen Grundes fordert). Dies ist vor allem im arbeitsgerichtlichen Verfahren von besonderer Bedeutung. Besteht ein Klagebegehren bspw. aus mehreren Streitgegenständen, werden die Erfolgsaussichten aber nicht für alle bejaht, dann wird nicht etwa die PKH-Bewilligung insgesamt versagt, sondern sie wird nur teilweise, beschränkt auf die Streitgegenstände, bei den die Erfolgsaussichten bejaht werden, bewilligt. Verneint das Arbeitsgericht bspw. bei einer Zahlungsklage deshalb die Erfolgsaussichten für einen Teil der Ansprüche, weil es sie gemäß den tariflichen Ausschlußfristen für verfallen hält, darf es nur für die übrigen Ansprüche Prozeßkostenhilfe bewilligen. Der mittelosen Partei bleibt es jedoch unbenommen, die Zahlungsklage uneingeschränkt weiter zu verfolgen und Anträge in vollem Umfang stellen zu lassen. Über die Staatskasse kann der beigeordnete Anwalt die Gebühren nur im Umfang der PKH-Bewilligung und seiner (eingeschränkten) Beiordnung liquidieren. Diese Grundsätze lassen sich auf die Fälle, in denen -wie vorliegend - im Zuge einer Klageerweiterung ein Anwalts- und Mandatswechsel stattfindet, übertragen. Der neue Anwalt kann -beschränkt auf die Klageerweiterung - beigeordnet werden, so daß der zuerst beigeordnete Anwalt nur die Gebühren für die ursprüngliche Klage liquidieren kann. Der neue Anwalt seinerseits kann dann nicht für die ursprüngliche Klage, sondern nur für die Klageerweiterung liquidieren. Grundsätzlich darf der Vergütungsanspruch des zweiten Anwalts ohne seine Zustimmung zwar nicht eingeschränkt werden (OLG Celle v. 15.03.1990 - 10 WF 56/90, NdsRpfl 1990, 155), aber ein Anwalt, der mit dem zuerst beigeordneten Anwalt über eine Gebührenteilung mit dem Ziel verhandelt, daß auf die nunmehr von ihm vertretene Partei "keine weiteren Kosten mehr zukommen", wie es vorliegend in dem K3xxxxx per Telefax am 11.04.2002 zugeleitete außergerichtliche Schreiben des B2xxxxxxx vom 10.04.2002 heißt, gibt damit konkludent zu erkennen, daß er mit einer Beschränkung seines Vergütungsanspruchs auf die "restlichen" Gebühren einverstanden ist. war daher B2xxxxxxx aus R1xxxxxx unter Ausschluß der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort beschränkt auf die Klageerweiterung gemäß vom 11.04.2002 mit Wirkung vom 17.04.2002 beizuordnen. Der Ausschluß der Erstattung von Reisekosten und Tagegeldern folgt aus § 121 Abs. 3 ZPO analog.

3. Das bedeutet zusammenfassend folgendes: bleibt die Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug im bisherigen Umfang gemäß Beschluß des Arbeitsgerichts vom 30.11.2001 mit Wirkung vom 30.08.2001 bewilligt, auch wenn insoweit nun kein Anwalt mehr ausdrücklich beigeordnet ist. Die Verpflichtung, für auch im übrigen, nämlich für die Kündigungsschutzklage, tätig zu werden, ergibt sich für B2xxxxxxx aus der konkludenten Zustimmung zur Gebührenteilung. , die nach persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozeßführung nicht tragen kann, war ergänzend nur noch für die Klageerweiterung gemäß vom 11.04.2002 ratenfreie Prozeßkostenhilfe (§ 115 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 2, 2a BSHG) rückwirkend zum Zeitpunkt der Antragstellung, dem 17.04.2002, zu bewilligen. Das Arbeitsgericht hat in seinem PKH-Beschluß vom 15.04.2002 zwar zutreffend ausgeführt, das der Wert der Klageerweiterung beschränkt ist, aber er beläuft sich nicht nur -wie darin angenommen - auf ein Bruttogehalt. Wird im Zusammenhang mit einer Bestandsschutzklage ein Antrag auf wiederkehrende Leistungen gestellt, dessen Begründetheit vom Ausgang des Feststellungsantrags abhängig ist, findet zwar § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG keine Anwendung. Die bei Urteilserlaß oder sonstiger Erledigung des Rechtsstreits fälligen Teilbeträge sind in vollem Umfang, die Folgeansprüche jedoch nicht mit dem Wert des dreijährigen Bezugs, sondern insgesamt lediglich mit einem Monatsentgelt des Arbeitnehmers zu bewerten (LAG Hamm v. 28.01.2002 - 9 Ta 44/01, FA 2002, 248; LAG Hamm v. 30.01.2002 - 9 Ta 592/98, NZA-RR 2002, 267; LAG Hamm v. 30.01.2002 - 9 Ta 591/00, AR-Blattei ES 160.13 Nr.234 = LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 126 = AE 2002, 85 = ArbRB 2002, 77 [Boudon] = LAGReport 2002, 79 = MDR 2002, 1015 = NZA-RR 2002, 380 = ZInsO 2002, 644). Nach dieser Rechtsprechung beläuft sich der Streitwert für den Antrag zu 3) auf 9.407,77 € und für den Antrag zu 4) auf 1.175,97 €, insgesamt für die Klageerweiterung mithin 10.583,74 €. In Höhe dieses Streitwertes haben die PKH-Bewilligung und die Anwaltsbeiordnung erfolgen können. Mit dieser Maßgabe hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

Ende der Entscheidung

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