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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.01.2002
Aktenzeichen: 5 Sa 1782/01
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 616
GG Art. 2
GG Art. 4 Abs. 1
GG Art. 4 Abs. 2
GG Art. 14
1. Ein Arbeitnehmer verzichtet nicht auf seine Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG, weil er bei Abschluss des Arbeitsvertrages damit rechnen musste, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten mit seinen Verpflichtungen gegenüber seinem Glauben kollidieren könnten.

2. Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 geschützte Gebetspausen des muslimischen Arbeitnehmers während der Arbeitszeit hinzunehmen, wenn hierdurch betriebliche Störungen verursacht werden.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 5 Sa 1782/01

Verkündet am: 18.01.2002

In dem Verfahren

auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2002 durch den Direktor des Arbeitsgerichts Krasshöfer als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Hopmann und Grunau

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers vom 05.12.2001 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 23. November 2001 - 4 Ga 52/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung eine bis zu dreiminütige Freistellung von der Arbeit zwischen 06.00 und 08.00 Uhr morgens, um sein Morgengebet verrichten zu können.

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und Muslime. Er ist seit dem 04.10.1994, mit einer Unterbrechung vom 03.04. bis 04.07.1996 als gewerblicher Arbeitnehmer mit einem Bruttomonatslohn in Höhe von 1.622,53 € beschäftigt. Wegen der Einzelheiten der schriftlichen Arbeitsverträge wird auf deren Fotokopien als Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 07.01.2002 (Blatt 169 und 171 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Oberflächenveredelung tätig. Es werden Stückbeschichtungen von Bauteilen vollzogen. Bis zum 31.12.2001 waren dort 163 Arbeitnehmer beschäftigt, ab dem 01.01.2002 sind 144 Arbeitnehmer. Davon sind seit Januar 2002 48 Arbeitnehmer Moslems.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht ungestört. Die Beklagte erteilte dem Kläger bereits einer Ermahnung vom 30.05.1995 wegen Schlechtleistung, eine Abmahnung vom 15.01.2001 wegen unentschuldigtem Fernbleibens vom Arbeitsplatz, eine Abmahnung vom 15.01.2001 wegen der Weigerung, die leeren Haken abzunehmen und in die Behälter zu legen, eine Abmahnung vom 15.01.2001 wegen Abhaltung von ungenehmigten Pausen zum Zwecke des Betens, eine Abmahnung vom 25.06.2001 wegen Arbeitsverweigerung und Handgreiflichkeit, eine Abmahnung vom 27.06.2001 wegen Arbeitsverweigerung, eine Abmahnung vom 05.10.2001 wegen Entfernung vom Arbeitsplatz zum Beten und eine Abmahnung vom 13.11.2001 wegen Nichttragens des Schutzhelms. Über die Ansprüche des Klägers auf Entfernung der Abmahnungen, insbesondere wegen der von ihm vorgenommenen Arbeitspausen zum Zwecke des Betens sind zwei Rechtsstreitigkeiten anhängig (ArbG Münster 4 Ca 915/01 nunmehr LAG Hamm 5 Sa 1582/01; ArbG Münster 4 Ca 2710/01).

Eine Vereinbarung über das Abhalten von Gebetspausen besteht zwischen den Parteien nicht.

Der Kläger seit einigen Monaten ist an der Vertikalanlage/Beschichtungsanlage (V-Anlage) tätig. Seit dem 01.01.2002 beginnt dort die Arbeitszeit um 06.00 Uhr und endet um 14.30 Uhr. Montags läuft die Anlage erst nach eventuell durchzuführenden Reinigungsarbeiten. Hierdurch kommt es zu entsprechenden Verschiebung der Arbeitszeit. Die Pausenzeit beginnt nicht vor 09.30 Uhr. Der Kläger hat die Arbeitsaufgabe, die beschichteten Teile, die in einer Kette mit gleichmäßigem Vortrieb hängen, abzunehmen. Dabei hat er gleichzeitig auch den Haken, an dem das Werkstück hängt, aus der Aushängung auszuklinken. In der Regel haben die einzelnen Profile eine Läge bis zu 6,50 Meter. In der V-Anlage sind zwei Arbeitnehmer eingesetzt.

Mit dem am 06.11.2001 beim Arbeitsgericht eingegangen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung macht der Kläger eine tägliche dreiminütige Arbeitsbefreiung zwischen 06.00 und 08.00 Uhr morgens zur Wahrnehmung seiner religiösen Pflichten geltend. Der Kläger hat behauptet, er müsse nach den Vorschriften seines Glaubens als gläubiger Moslem in der Winterzeit ab dem 12.11.2001 bis zu deren Ablauf zum 21.02.2001 ein Gebet zwischen 06.00 Uhr und 08.00 Uhr verrichten. Die Arbeitsunterbrechung betrage maximal drei Minuten. Die zeitliche Lage der täglichen Gebete hänge jeweils vom Sonnenstand ab. Die Einhaltung der Gebetspausen führe auch nicht zu betrieblichen Problemen. Es bestehe die Möglichkeit, etwas vorzuarbeiten, um dadurch etwa bis zu drei Minuten Luft herauszuarbeiten. Zudem werde die Kette nach den Erfahrungen in der betrieblichen Praxis mindestens fünf- bis zehnmal gestoppt, z. B. für das Nachfüllen von Lackpulver. Auch hier ergebe sich wegen Stillstandes des Bandes ein mindestens dreiminütiger freier Zeitraum zur Abhaltung des Gebetes. Schließlich bestehe eine Aushilfsmöglichkeit. Auch andere Arbeitnehmer im Betrieb würden schon einmal eine Zigarette rauchen oder zur Toilette gehen, ohne dass hierdurch der Betriebsablauf mehr als nur unerheblich gestört werde. Die Angelegenheit sei auch eilbedürftig. Aufgrund der Jahreszeit sei er ab dem 12.11.2000 wieder darauf angewiesen, den Vorschriften seiner Religion Genüge zu tun und während der Arbeitszeit ein Frühgebet zu verrichten.

Der Kläger hat hierzu seine eidesstattliche Versicherung überreicht (Bl. 7 d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

der Verfügungsbeklagten aufzugeben, dem Kläger zu gestatten, ab dem 04.01.2002 seinen religiösen Pflichten in Form eines dreiminütigen Frühgebetes, genaue zeitliche Lage nach Wahl des Klägers, während der Arbeitszeit zwischen 06.00 und 08.00 Uhr, ohne Anrechnung auf diese - hilfsweise mit Anrechnung auf diese -, nachzugehen, bis zu einer einvernehmlichen Regelung der Parteien, längstens bis zum Ablauf der diesbezüglichen Winterzeit am 21.02.2002.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat bestritten, dass der Kläger nach seinem Glauben verpflichtet sei, die Gebete während der Arbeitszeit zu verrichten. Nach islamischer Lehre sei es durchaus möglich, die Gebete nachzuholen. Es bestehe nach islamischer Lehre kein Zwang zur Verrichtung der sogenannten "mittleren Gebete". Zudem sei eine Arbeitsunterbrechung von drei Minuten für das Frühgebet nicht ausreichend. Der Kläger müsse sich zunächst vom Arbeitsplatz entfernen, sich zur Toilette begeben, Waschungen vornehmen und einen ungestörten Raum aufsuchen, an dem er das Gebet ausführen könne. Der Kläger hätte sich auch nicht regelmäßig seit etwa sechs Jahren während der Arbeitszeit zu Gebeten zurückgezogen. Die durch das Beten eingetretenen Arbeitsunterbrechungen führten auch zu betrieblichen Störungen. Es könne durch Vorarbeiten keine freie Zeit herausgearbeitet werden. Auch werde die Kette nicht für das Nachfüllen von Lackierpulver gestoppt. Das Pulver werde während des Laufs der Anlage nachgefüllt. Das Rauchen und Kaffeetrinken geschehe am Arbeitsplatz. Der Gang zur Toilette werde grundsätzlich in der Pause erledigt. Wenn es dennoch vorkomme, müsse sich das Team einen Springer aus der Arbeitsvorbereitung holen. Da dort auch im Zweiter-Team gearbeitet werde, könne der nicht abgezogene Vorbereiter während dieser Zeit ebenfalls nicht arbeiten. Hierdurch entstünden Ausfälle.

Die Beklagte hat hierzu jeweils eidesstattliche Versicherungen der Arbeitnehmer K1xxxx-Q1xxxxx vom 14.11.2001 und C1xxxxxxx K1xxxx vom 14.11.2001 (Blatt 72 und 73 d. A.) überreicht.

Durch Urteil vom 23.11.2001 hat das Arbeitsgericht die Verfügungsklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gebetspausen zu. Wegen seiner Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag für eine bestimmte Zeit Arbeitsleistungen zu erbringen, fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Die Vereinbarung einer anderen zeitlichen Lage der Arbeitszeit würde zu für die Verfügungsbeklagte nicht hinnehmbaren betrieblichen Störungen führen.

Gegen das dem Kläger am 13.12.2001 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat der Kläger am 05.12.2001 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 07.12.2001 beim Landearbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, er habe Anspruch auf entsprechende Gebetespausen. Das Morgengebet müsse in der Zeit zwischen Imsak (Beginn der Morgendämmerung) und dem Sonnenaufgang verrichtet werden. Das Nicht-Beten zu diesen Zeiten ohne unabweisbaren Hinderungsgrund sei nach der islamischen Religion eine Sünde. Der Kläger überreicht hierzu Auskunft der türkischen Republik - Generalkonsulat Münster - vom 03.07.2001 (Blatt 214 d. A.). Die Einhaltung dieses religiösen Gebots führe auch nicht zu betrieblichen Beeinträchtigungen. Das Gebet könne am Arbeitsort ausgeführt werden. Es reiche ein 1,5 Meter großer Platz, an dem ein sauberes Tuch ausgebreitet werden könne. Die Waschung könne zu Hause oder in den regulären Pausen erfolgen. Es gehe nur um die Gebetsphase von drei Minuten. Es käme zu keinen Produktionsstörungen. So benutzten Mitarbeiter auch den Kaffeeautomaten im Pausenraum während der Arbeitszeit. Die Arbeit könne auch vorgeholt werden, da das Band nicht mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 1,1 Meter pro Minute sondern langsamer, maximal 0,9 Meter pro Minute laufe. Er habe auch am 04.10.1994 festgestellt, dass die Arbeitnehmer I1xxx, Ö1xxxx und H4xxxxxxx auch ihre Arbeit für das Beten hätten unterbrechen können. Der Kläger habe dies seit diesem Zeitpunkt ebenfalls getan und bis zu den streitigen Abmahnungen keinerlei Rückmeldungen erhalten. Es sei den Schichtführern B2xx und den Betriebsleitern A3xx und D4xxxxx ebenso wie zahlreichen anderen Arbeitskollegen bekannt, dass er die Arbeiten unterbrochen habe, um zu beten. Dies gelte auch für den damaligen Schichtführer B3x.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 23.11.2001 - 4 Ga 52/01 - abzuändern und die Beklagte im Wege einer einstweiligen Verfügung zu verurteilen, dem Kläger bis zum Ablauf der derzeitigen Winterzeit mit dem 21.02.2002 zu gestatten, während seiner Arbeitszeit bei der Beklagten seine Arbeit außerhalb der normalen Arbeitspausen zusätzlich unterbrechen zu dürfen, um während dieser zusätzlichen Arbeitspause beten zu können, mit den Maßgaben, dass dabei der Kläger diese zusätzliche Arbeitspause arbeitstäglich nur einmal und hierbei lediglich zwischen 06.00 und 08.00 Uhr in Anspruch nehmen darf, dass diese einmalige arbeitstäglich zusätzliche Arbeitspause des Klägers jeweils nur zwischen 06.00 Uhr sowie 08.00 Uhr und zudem jeweils nicht mehr als drei Minuten dauern darf, dass sich der Kläger während seiner vorstehenden jeweiligen arbeitstäglichen zusätzlichen Arbeitspause von jeweils maximal nur drei Minuten des weiteren ausschließlich in unmittelbarer Nähe zu seinem jeweiligen Arbeitsplatz bei der Beklagten - also höchstens zwei Meter von seinem jeweiligen Arbeitsplatz bei der Beklagten entfernt - aufhalten darf, um dort zu beten, und dass ferner dem Kläger seitens der Beklagten auch die vorstehende arbeitstägliche zusätzliche Arbeitspause von maximal drei Minuten - wie jede andere normale Pause - nicht als Arbeitszeit zu bezahlen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte, ist nach wie vor der Auffassung, dass kein Anspruch auf Arbeitspausen zum Zwecke des Gebets bestehe. Der Kläger sei an der V-Anlage seit etwa einem Jahr eingesetzt. Ein einzelner Arbeitnehmer könne die Profile nicht handhaben. Es müssten jeweils zwei Mitarbeiter abnehmen. Er könne auch nicht in unmittelbarer Nähe zu seinem jeweiligen Arbeitsplatz die Gebete verrichten. Gerade der Betriebsrat lege Wert darauf, den Abnahmeraum durch Gitter zu sichern, um etwaigen Gefahren entgegenzuwirken.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Gewährung einer dreiminütigen Arbeitspause zum Zwecke des Gebets abgelehnt.

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig.

Sie ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG) und auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 516, 518, 519 ZPO).

II.

Die Berufung ist in der Sache nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gebetspausen während der Arbeitszeit in der Winterzeit bis zum 21.02.2002.

1. Der erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Bei der Klage auf Arbeitsfreistellung handelt es sich um eine Leistungs- oder Befriedigungsverfügung, die ausdrücklich im Gesetz nicht geregelt ist. Wegen der Befriedigungswirkung dieser Art der einstweiligen Verfügung sind an den Verfügungsgrund allerdings besonders strenge Anforderungen zu stellen. Nach § 62 Abs. 2 ArbGG, § 936 ZPO i. V. m. §§ 917, 918 ZPO ist ein Verfügungsgrund nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer auf die sofortige Erfüllung des Anspruchs im Sinne einer Notlage dringend angewiesen ist (LAG Hamm vom 18.02.1998 - 3 Sa 297/98 - LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 41, unter 1. der Gründe). Vorliegend ergibt sich bereits aus dem drohenden Zeitablauf, dass die erforderliche Dringlichkeit zum Erlass der einstweiligen Verfügung gegeben ist. Der Kläger hätte sonst keine Möglichkeit, seine Gebetspausen noch innerhalb des beantragen Zeitraums gerichtlich durchsetzen zu können.

2. Ein Verfügungsanspruch ist nach zutreffender Auffassung des Arbeitsgerichts nicht gegeben.

a) Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich weder aus § 616 BGB, noch aus § 242 BGB i. V. m. dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Grundsätzlich unterliegt auch die Festlegung der Zeit der Arbeitsleistung dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dieses ermöglicht ihm, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen. Beschränkungen können sich nur aus Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag ergeben (vgl. BAG vom 07.12.2000 - 6 AZR 444/99 - AP Nr. 61 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Der zwischen den Parteien unter dem 07.10.1994 geschlossene Arbeitsvertrag regelt keine Beschränkung des Direktionsrechts der Beklagten. Danach ist der Arbeitnehmer vielmehr nach näherer Anweisung der Betriebsleitung und der einzelnen Vorgesetzten beschäftigt und verpflichtet, auch andere zumutbare Arbeiten zu verrichten. Lediglich die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ist vereinbart. Tarifvertragliche Regelungen oder eine Betriebsvereinbarung über Arbeitspausen bestehen nicht. Der Anspruch kann sich aber aus § 616 BGB ergeben. Zu den subjektiven Leistungshindernissen im Sinne von § 616 BGB gehören auch die Erfüllung einer vorrangig religiösen Verpflichtung und die ungestörte Religionsausübung, da sie gemäß Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG unter Verfassungsschutz stehen (BAG vom 27.04.1983 - 4 AZR 506/80 - AP Nr. 61 zu § 616 BGB). Ein tägliche nur dreiminütige Arbeitspause führt auch im Sinne von § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB zu einer Arbeitsverhinderung nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit. Darüber hinaus kann sich der Anspruch auch aus dem Arbeitsverhältnis in Verbindung mit § 242 BGB ergeben. Die Arbeitsvertragsparteien begründen mit Abschluss des Arbeitsvertrages auch die Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Durch verfassungskonforme Auslegung der Generalklausel des § 242 BGB können auch Grundrechte des Arbeitnehmers eine Pflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme begründen (ErfK/Dieterich, Art. 10 GG RdNr. 21). Dabei ist anerkannt, dass sich die Grundrechte auch über den Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 3 GG ganz oder teilweise an Privatpersonen werden können. Sie wirken vor allem auf dem Wege über die Auslegung wertausfüllungsfähiger und wertausfüllungsbedürftiger Generalklauseln auch im Privatrecht (vgl. Herzog in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 5 Abs. 1, 2 RdNr. 30).

aa) Die vom Kläger begehrten Gebetspausen unterliegen dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 GG. Dabei kommt es nicht darauf an, ob daneben auch der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG betroffen ist. Das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung ist nämlich bereits im Begriff der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Artikel 4 Abs. 1 GG enthalten (BVerfG vom 05.02.1991 - 2 BvR 263/86 - NJW S. 2623, 2624). Jedenfalls gehört zum Recht auf ungestörte Religionsausübung nach Art. 4 Abs. 2 GG auch das Durchführen von Gebeten (Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG I Art. 4 Rndr. 53 mit weiteren Nachweisen). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es dabei nicht darauf an, ob die Religion das Beten während der vom Kläger begehrten Zeit zwingend vorschreibt. Ausreichend ist, dass der Gläubige die religiöse Handlung als verbindlich ansieht (Böckenförde, NJW 2001, S. 723, 724). Selbst wenn ein zwingender Charakter des religiösen Gebots erforderlich wäre, steht dem nicht entgegen, dass die Religion in Ausnahmefällen auf die Gewissensnot von Gläubigen Rücksicht nimmt (BVerfG vom 15.01.2002 - 1 BvR 1783/99 - unter B II 1 b (3) (b) der Gründe, noch nicht veröffentlicht). Nach der Auskunft des Islamrates handelt es sich auch bei dem Frühgebet um ein Pflichtgebet. Das Nachholen sei nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die Einhaltung der religiösen Regeln sei in die Gewissensentscheidung des einzelnen Gläubigen gestellt. Damit hat der Kläger ausreichend glaubhaft gemacht, dass auch das Frühgebet durch Art. 4 Abs. 2 GG geschützt ist. Selbst wenn der Islam auf besondere Lebensumstände des Gläubigen Rücksicht nimmt und Abweichungen bei den Pflichtgebeten erlaubt, findet die Entscheidung des Klägers zur Abhaltung des Frühgebetes während der Arbeitszeit dennoch seine ausreichende Grundlage in den Regeln des Islam. Das Gericht hat sich einer Bewertung dieser religiösen Gewissensentscheidung des Gläubigen zu enthalten.

bb) Der Kläger hat mit Arbeitsvertragsschluss nicht auf seine Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verzichtet. Ein solcher Verzicht wird unter anderem angenommen, wenn der Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrages damit rechnen musste, dass die ordnungsgemäße Erfüllung des Arbeitsvertrages mit seinen Verpflichtungen gegenüber seinem Glauben und Gewissen kollidieren könnte (LAG Düsseldorf, vom 14.02.1963 - 7 Sa 581/62 - BB 1964, S. 597). Ein solcher Grundrechtsverzicht wird für zulässig erachtet, da die Verfügung über Grundrechtspositionen eine wesentliche Form des Grundrechtsgebrauchs darstelle (ErfK/Dieterich Einl. Art. 10 GG Rndr. 63). Freiwillig eingegangene Privatrechtliche Verpflichtungen soll man nicht unter Berufung auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit abstreifen können (Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, a. a. O., Art. 4 Abs. 1, 2 RdNr. 116; Zippelius, in: Dolzer/Vogel (Hg.), BK, Art. 4 RdNr. 53). Es ist schon fraglich, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses davon ausgehen musste, dass er sein Frühgebet nur während der Arbeitszeit und außerhalb der Pausen hätte durchführen können. Hierfür spricht allerdings, dass vor Abschluss des letzten Arbeitsvertrages ab dem 04.07.1996 bereits ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Vertrag vom 04.10.1994 bestanden hatte. Der Kläger musste daher die betrieblichen Gegebenheiten kennen. Ihm kann jedoch nicht entgegengehalten werden, er hätte bei Vertragsschluss die Gewährung der Gebetspausen vereinbaren können. Sein Schweigen führt nicht zum konkludenten Verzicht auf die begehrte Religionsausübung. Eine solche Betrachtungsweise verkennt die Umstände, in denen vertragliche Klauseln zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verhandelt werden. Des weiteren berücksichtigt sie nicht ausreichend den Schutzbereich des Art. 4 GG. Bei Arbeitsvertragsschluss stehen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht als gleichwertige Vertragspartner gegenüber. Die Vertrags- und Verhandlungsschwäche des Arbeitnehmers ergibt sich schon daraus, dass er auf den Arbeitsplatz angewiesen ist und der Arbeitsmarkt in der Regel wenig nutzbare Ausweichmöglichkeiten bietet. Diese geringe Verhandlungsstärke macht es ihm praktisch unmöglich, für den Arbeitgeber ungünstige Nebenbedingungen zu vereinbaren (vgl. auch Dieterich, RdA 1995, S. 129, 135). Der Arbeitnehmer müsste damit sein religiöses Bekenntnis bei den Arbeitsvertragsverhandlungen offenbaren und eine Benachteiligung wegen dieses Bekenntnisses möglicherweise in Kauf nehmen. Zur Sicherung der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG sind aber Fragen nach der Religionszugehörigkeit bei Bewerbung um einen Arbeitsplatz und bei den Vertragsverhandlungen nur zulässig, wenn es sich um einen religiös bestimmten Tendenzbetrieb oder eine kirchliche Einrichtung handelt (MünchArbR/Richardi § 10 RdNr. 47). Es stellt daher wiederum einen unzulässigen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG dar, vom Arbeitnehmer zu verlangen, seine Religion und die Regeln seiner Religion bereits vor Arbeitsvertragsschluss dem Arbeitgeber zu offenbaren. Wenn schon ein Fragerecht nicht besteht, ist der Arbeitnehmer erst recht nicht zur Offenbarung verpflichtet. Etwas anderes wird nur zu gelten haben, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seines religiösen Bekenntnisses nur erheblich eingeschränkt oder überhaupt nicht in der Lage ist, die vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen. Dies kann bei einer dreiminütigen täglichen Gebetspause jedoch nicht angenommen werden. Nimmt man die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit des Grundrechtsverzichts an (so ErfK/Dieterich Einl. Art. 10 GG RdNr. 65), kommt es auf diese Abwägung ohnehin nicht an. Zumindest mit Klageeinreichung hat der Kläger dann den Grundrechtsverzicht konkludent widerrufen.

cc) Der Kläger hat jedoch nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass sein Anspruch auf Religionsausübung gegenüber den ebenfalls grundgesetzlich gewährleisteten Schutzrechten der Beklagten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG überwiegt. Die Beklagte ist als juristische Person im Rahmen der auch in Art. 2 Abs. 1 GG enthaltenen wirtschaftlichen Betätigungsrechte Grundrechtsträgerin (Dürig in Maunz/Dürig, a. a. O.). Das mit Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG schützt ebenfalls juristischen Personen (BVerfG vom 17.02.1998 - 1 BvF 1/91 - NJW 1998, S. 1627). Die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG können ihre Grenze an anderen grundrechtlich geschützten Interessen finden (Zippelius, a. a. O. RdNr. 46 und 86). Bei einer solchen Grundrechtskollision von gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen muss ein Ausgleich der gegenläufigen Interessen mit dem Ziel ihrer Optimierung gefunden werden. Ist dies nicht möglich, ist danach zu entscheiden, wessen geschützte Interessen überwiegen. Aus den streitigen und gegenläufig glaubhaft gemachten Tatsachen lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger sein Frühgebet ohne betriebliche Störungen ausüben kann. So ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn C1xxxxxxx K1xxxx vom 08.01.2002, dass der Kläger bei seinem Kollegen nicht in der Lage sei, soweit vorzuarbeiten, dass die Gebetspause eingehalten werden könne. Auch technisch bedingte Störungen der Anlagen könnten dies nicht gewährleisten. Soweit der Kläger vorträgt, es könnten Springer für ihn eingesetzt werden, hat er nicht substantiiert dargelegt, dass solche arbeitsfreien Springer überhaupt vorhanden sind. Der Beklagte trägt hierzu nämlich vor, die Springer müssten aus anderen Arbeitsabläufen abgezogen werden, so dass dort wieder Arbeitsunterbrechungen eintreten würden. Die Beklagte ist nach Auffassung der Kammer auch im Hinblick auf den Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG nicht verpflichtet, Betriebsablaufstörungen hinzunehmen, damit der Kläger seine Gebetspausen einhalten kann. Insoweit hat die Vertragstreue Vorrang (vgl. hierzu Starck, a. a. O. Art. 4 Abs. 1, 2 GG RdNr. 116). Der Arbeitnehmer hat sich grundsätzlich mit Vertragsschluss dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterworfen. Soweit der Arbeitgeber dieses Direktionsrecht ausübt, um einen ungestörten Betriebsablauf zu gewährleisten, muss der Arbeitnehmer auch trotz Schutz durch sein Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG den daraus folgenden Weisungen des Arbeitgebers Folge leisten. Allerdings ist der Arbeitgeber verpflichtet, im zumutbaren Umfang durch betriebliche Organisationsmaßnahmen die Religionsausübung durch den Kläger zu gewährleisten. Solche Organisationsmaßnahmen sind im vorliegenden Verfahren jedoch nicht vorgetragen.

b) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus konkludenter Vertragsänderung oder Vertrauensschutzgesichtspunkten. Soweit der Kläger hierzu vorträgt, er habe sechs Jahre lang in Kenntnis von Betriebs- und Schichtleitern gebetet, ist der Vortrag unsubstantiiert. Hieraus ergibt sich nicht, dass er genau außerhalb der ordnungsgemäßen Pausenzeiten und innerhalb der durch den Islam vorgegebenen Zeiten des Frühgebetes arbeitsfreie Pausen in Anspruch genommen hat. Zudem trägt der Kläger selbst vor, dass er erst seit kurzer Zeit an der Vertikal-Anlage beschäftigt sei. Damit ist es durchaus denkbar, dass zuvor die Gebetspausen ohne betriebliche Störungen eingehalten werden konnten. Zudem ist nicht vorgetragen, dass die Duldung der Pausen durch Führungskräfte erfolgte, die bevollmächtigt gewesen sind, mit Wirkung für die Beklagte entsprechende Entscheidungen zu treffen.

III.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Gegen dieses Urteil findet kein Rechtsmittel statt.

Die Revision ist nach § 72 Abs. 4 ArbGG nicht zulässig.

Ende der Entscheidung

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