Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 6 (15) Sa 1636/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 280
BGB § 286
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 18.05.2005 - 4 Ca 3519/04 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass dem Kläger im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. R2xxxx V2xxxxxxxxx GmbH eine Insolvenzforderung in Höhe von 3.259.43 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2004 zusteht.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erstattung einer Vorfälligkeitsentschädigung wegen verspäteter Lohnzahlung.

Der Kläger stand vom 01.04.1995 bis zum 31.10.2003 im Arbeitsverhältnis zu der Fa. R2xxxx V2xxxxxxxxx GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin bzw. Insolvenzschuldnerin). Diese zahlte seit Juli 2002 den Lohn verspätet. Mit Schreiben vom 19.12.2002 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2003. Diese Kündigung wurde zurückgenommen. Rückständige Beträge für Mai bis Juli 2003 machte der Kläger im Rechtsstreit 7 (4) Ca 2578/03 vor dem Arbeitsgericht Bielefeld rechtshängig. Die Arbeitgeberin wurde mit Urteil vom 26.05.2004 antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Mit Schreiben vom 22.07.2003 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen wandte der Kläger sich im Rechtsstreit 7 (4) Ca 2564/03 vor dem Arbeitsgericht Bielefeld. Durch Prozessvergleich einigten sich die damaligen Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2003. Wegen der rückständigen Beträge für Mai bis Juli 2003 und wegen Nichtzahlung von Arbeitsvergütung für die Folgezeit geriet der Kläger in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sein Girokonto wies seit Ende Juli bis Ende November 2003 ein Soll von durchschnittlich 3.000 EUR aus (Abl. Kontoentwicklung Bl. 20 - 24 d.A.). Monatlich fällige Raten für Darlehen der Wüstenrot Bausparkasse in Höhe von 422,88 EUR wurden wie auch die fälligen Leistungen an das Energieversorgungsunternehmen, die IG Metall, die Volksfürsorge, seit August 2003 zurückgebucht. Die Wüstenrot Bausparkasse AG bot mit Schreiben vom 01.09.2003 (Abl. Bl. 25 f. d.A.) eine Rückführung des negativen Saldos durch monatliche Raten von 457,90 EUR an. Mit Schreiben vom 25.09.2003 (Abl. 27 d.A.) bot die Wüstenrot Bausparkasse AG an, mit den Raten bis einschließlich November 2003 auszusetzen, dafür aber ab Dezember 2003 bis Oktober 2004 monatlich 507,90 EUR zu zahlen. Der Kläger vereinbarte in dieser Situation mit der Sparkasse Bielefeld eine Umschuldung, die zu monatlichen Raten von 24,59 EUR und 245,84 EUR führte. Wegen der Ablösung der Darlehen der Wüstenrot Bausparkasse AG wurden dem Kläger eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 3.259,43 EUR in Rechnung gestellt. Die Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung macht der Kläger hier als Schadensersatz wegen der verspäteten Lohnzahlungen geltend. Wegen weiterer Streitgegenstände haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.259,43 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die verklagte Arbeitgeberin hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die verklagte Arbeitgeberin hat vorgetragen:

Die Wüstenrot Bausparkasse AG habe keine Kündigung beabsichtigt. Zudem habe der Kläger bis einschließlich November 2003 mit der Zahlung der Raten aussetzen können. Die Vorfälligkeitsentschädigung sei nicht wegen des Verzugs mit der Lohnzahlung zu erstatten.

Das Arbeitsgericht Bielefeld hat die Klage mit Urteil vom 18.05.2005 - 4 Ca 3519/04 - abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf deren Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen.

Das Urteil ist dem Kläger am 20.07.2005 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 17.08.2005 eingelegte und mit dem - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.11.2005 - am 16.11.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.

Über das Vermögen der verklagten Arbeitgeberin wurde unter dem 27.01.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestimmt. Der nach § 240 ZPO unterbrochene Rechtsstreit ist durch den Kläger mit Schriftsatz vom 18.05.2006 gegenüber der Insolvenzverwalterin aufgenommen worden.

Der Kläger wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage gegen das erstinstanzliche Urteil. Er trägt ergänzend vor: Wegen der verspäteten Zahlungen der Insolvenzschuldnerin sei er nicht in der Lage gewesen, die Raten an die Wüstenrot Bausparkasse AG zu zahlen. Er sei zur Umschuldung gezwungen gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 18.05.2005 - 4 Ca 3519/04 - die Beklagte zu verurteilen, einen Anspruch des Klägers in Höhe von 3.259,43 EUR netto als Insolvenzforderung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 518 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 519 Abs. 2 S. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) begründet worden. Sie hat in der Sache Erfolg.

I. Der nach § 240 ZPO unterbrochene Rechtsstreit ist durch den Schriftsatz des Klägers vom 18.05.2006 ordnungsgemäß nach § 87 InsO iVm. §§ 178 ff. InsO aufgenommen worden. Die Forderung ist zuvor als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet und von der Insolvenzverwalterin bestritten worden. Nach den klarstellenden Äußerungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.10.2006 zielt der umgestellt Klageantrag auf die Feststellung der Insolvenzforderung.

II. Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht der Anspruch auf Ersatz der Vorfälligkeitsentschädigung als Insolvenzforderung nebst Zinsen zu.

1. Die Rechtsgrundlage für die Klagehauptforderung auf Ersatz des durch Verzögerung der Lohnzahlungen entstandenen Schadens findet sich in § 280 Abs. 1 u. 2 BGB iVm. § 286 BGB.

Die Insolvenzschuldnerin befand sich während des gesamten 2. Halbjahres 2003 mit erheblichen Beträgen im Zahlungsverzug, nämlich für Mai 2005 mit 610,30 EUR, für Juni 2003 mit 1.430,92 EUR (vgl. Abl. Abrechnung Bl. 39 d.A.), für Juli 2003 mit 1.402,72 EUR (vgl. Abrechnung Bl. 40 d.A.) und für August bis Oktober 2003 mit monatlich ca. 1.400 EUR (jeweils ohne Berücksichtigung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge). Der Verzug trat für die jeweilige monatlich zu zahlende Arbeitsvergütung mit dem ersten Werktag des Folgemonats nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 614 S. 2 BGB ein.

2. Inhalt und Umfang des Anspruchs auf Schadensersatz richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB. Der Kläger ist so zu stellen, wie er bei rechtzeitiger Leistung der Insolvenzschuldnerin stehen würde. Zwischen dem Verzug und dem Schaden muss ein Ursachenzusammenhang bestehen. Zu ersetzen sind die entstandenen Nachteile, anzurechnen im Wege des Vorteilsausgleichs entstehende Vorteile.

2.1. Wegen der erheblichen Rückstände befand sich das Girokonto des Klägers während des gesamten Zeitraums vom 01.08. - 29.12.2003 im Soll mit durchschnittlich 3.000 EUR. Der Zahlungsverzug führte dazu, dass Lastschriften der IG Metall, der Energieversorgungsunternehmen und auch der Wüstenrot Bausparkasse AG nicht bedient wurden.

2.2. Bei rechtzeitiger Zahlung der Rückstände von insgesamt 7.643,94 EUR durch die Insolvenzschuldnerin wäre insbesondere die Zahlung der Raten an die Wüstenrot Bausparkasse möglich gewesen. Die monatlichen Raten beliefen sich auf 422,88 EUR. Die Bausparkasse bot dem Kläger zunächst mit Schreiben vom 01.09.2003 monatliche Raten ab Oktober 2003 in Höhe von 457,90 EUR einschließlich Aufholraten von monatlich 100,00 EUR (Aufholraten bis April 2004) an. Eine Annahme dieses Angebots war dem Kläger beim Stand seines Girokontos nicht möglich. Sodann bot die Bausparkasse ein Aussetzen der Raten bis einschließlich November 2003 an bei Zahlung von Raten ab Dezember 2003 bis Oktober 2004 in Höhe von monatlich 507,90 EUR. Auch dieses Angebot konnte der Kläger nicht annehmen, weil das Soll auf dem Konto wegen des Zahlungsverzugs keine Ratenzahlung zuließ.

2.3. Ein Zuwarten auf die fristlose Kündigung der Darlehen durch die Wüstenrot Bausparkasse AG war dem Kläger nicht zumutbar. Die Umschuldung erweist sich so als die notwendige (adäquat kausale) Konsequenz des Zahlungsverzugs der Insolvenzschuldnerin. Durch die Umschuldung konnte der Kläger die laufenden Kreditraten senken und sein Konto ab dem 29.12.2003 wieder ins Haben bringen. Wegen der Umschuldung musste der Kläger die Vorfälligkeitsentschädigung aufbringen. Damit ist auch die Vorfälligkeitsentschädigung eine adäquat kausale Folge des Zahlungsverzugs der Insolvenzschuldnerin. Ansatzpunkte dafür, dass dem Kläger ein weniger kostenträchtiger Weg möglich und zumutbar war, sind nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht eingewandt worden. Unstreitig hat der Kläger im Jahr 2004 eine neue Anstellung gefunden. Bei rechtzeitiger Zahlung der Rückstände durch die Insolvenzschuldnerin hätte der Kläger während der Zeit der Arbeitslosigkeit die Forderungen der Wüstenrot Bausparkasse AG bedienen können. Dies war ihm allein wegen des Zahlungsverzugs nicht möglich.

III. Die Zinsforderung findet ihre Grundlage in § 291 ZPO iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1 ZPO iVm. § 97 ZPO und § 91a ZPO.

V. Gründe, die Revision nach § 72 Abs.2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück