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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.07.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 487/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 17
KSchG § 18
BGB § 613 a Abs. 1
BGB § 613 a Abs. 4
Mit Urteil des EuGH vom 27.01.2005 - C 188/03 - wurde der nationale Gesetzgeber aufgefordert, die §§ 17, 18 KSchG an die Ratsrichtlinie 98/59/EG vom 20.07.1998 entsprechend seiner Auslegung (Entlassung = Kündigung) anzupassen. Der private Arbeitgeber ist hieraus noch nicht verpflichtet, zumal eine Richtlinien konforme Auslegung über die allgemeinen Auslegungskriterien nicht erreicht werden kann.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 20.01.2005 - 4 Ca 2575/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das seit dem 14.02.1994 bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 26.07.2004 mit dem 30.11.2004 beendet worden ist oder darüber hinaus fortbesteht.

Die Beklagte war Zulieferer der Automobilindustrie. Ihre Kunden waren u. a. die VW AG, Daimler-Chrysler, BOS, Fanrecea, Zauner, Lemförder etc.. Die Beklagte war für die Automobilindustrie zertifiziert. Sie belieferte diese Kunden weltweit. Von der Automobilindustrie bzw. von Zulieferern der Automobilindustrie war sie eingebunden in die Großserienproduktion von 100.000 bis 800.000 Stück pro Kalenderjahr. Produziert wurden u. a. Schaltgestänge, Schalthebel und Halterungen für Auspuffanlagen. Zulieferer der Automobilindustrie waren ebenfalls die D1xx C2 und die D1xx U3. Beide Unternehmungen waren jedoch nicht zertifiziert. In 2002 hat in A1xxxx die D1xx K1xxxxxxxxxxx GmbH eine eigenständige Produktion auf diesem besonderen Fachgebiet aufgenommen. Die K1xxxxxxxxxxxxx beliefert u. a. die Fa. B4xxx mit hochwertigen Schrauben. Gesellschafter dieser GmbH sind neben U2xxxx H3xxxxx und A2xxxxxx S6xxx, der Sohn des Gesellschafters/Geschäftsführers der Beklagten, M1xxxxx D1xx, der zugleich Mitgeschäftsführer der Beklagten war. Geschäftsführer dieser Gesellschaft sind U2xxxx H3xxxx, zugleich Prokurist der Beklagten und A2xxxxxx S6xxx.

Die Beklagte produzierte in acht Hallen. In einer Halle - der Halle 7 - betrieb sie ein Hochregallager. Für ihre kaufmännischen Aufgaben nutzte sie ein mehrstöckiges Bürogebäude. Sie beschäftigte zeitweise bis zu 180 Mitarbeiter. Bedingt durch die Absatzprobleme der Automobilindustrie verringerte sich ihre Belegschaft bis Mitte 2004 auf nahezu 100 Arbeitnehmer. Da in 2004 ein weiterer Umsatzrückgang von nahezu 20 % festgestellt wurde - verursacht durch die weiter fortbestehenden Absatzprobleme in der Automobilindustrie, die Rückholung von Fremdvergaben in die Produktionsstätten de r Automobilindustrie und den Verlust von Aufträgen aufgrund technischer Probleme - entschloss sich der Gesellschafter/Geschäftsführer R3xx D1xx zur Stilllegung der Produktion der Beklagten. Diesen Beschluss formulierte er schriftlich am 22.07.2004. Nach seinen Vorstellungen sollte die Produktion endgültig zum 31.03.2005 eingestellt sein. Zugleich beauftragte er die Geschäftsführung, den Arbeitnehmern zeitnah unter Beachtung der unterschiedlichen Kündigungsfristen zu kündigen und alle darüber hinaus notwendigen Maßnahmen zu treffen. Aus diesem Anlass fertigte die Beklagte am 26.07.2004 nahezu 100 Kündigungsschreiben. Hiervon war auch die Klägerin betroffen. Am 27.07.2004 reichte der Prokurist U2xxxx H3xxxxx die erste Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit Iserlohn, Büro Werdohl, ein. Eine weitere Anzeige erfolgte am 28.10.2004.

Nach Zugang der Kündigung wurde am 06.08.2004 die A3x W3xxxxxxxxxxxxx GmbH, N1xx-xxxxx, gegründet. Geschäftsgegenstand dieser Gesellschaft ist die Konstruktion und Entwicklung von Einzelteilen (Prototypen) und die Fertigung von Kleinserien. Gesellschafter sind zu gleichen Teilen die D1xx K1xxxxxxxxxxxxx GmbH A1xxxx und M1xxxxxx D1xx. Zu Geschäftsführern wurden A2xxxxxx S6xxx und U2xxxx H3xxxxx bestellt. Die A3x hat ihre Tätigkeit Anfang Oktober 2004 aufgenommen. Sie setzt neun CNC-Pressen und -Biegemaschinen und fünf Schweißanlagen aus dem früheren Maschinenpark der Beklagten ein.

Mit der beim Arbeitsgericht Iserlohn am 09.08.2004 erhobenen Klage wehrt sich die am 15.04.1956 geborene und seit dem 14.02.1994 bei der Beklagten als Mitarbeiterin in den Bereichen: "Walzen/Pressen/Schweißen" zum monatlichen Bruttoentgelt von 1.700,00 € (Lohngruppe 2) tätige Klägerin gegen die ihr am 27.07.2004 zugegangene Kündigung. Zur Begründung hat sie die Auffassung vertreten, diese Kündigung sei nicht geeignet, das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.11.2004 zu beenden. Diese Kündigung sei nämlich sozialwidrig. Entgegen ihrer Ankündigung sei die Beklagte nicht in der Lage betriebsbedingte Gründe vorzutragen. Schließlich befänden sich in ihren Hallen weiterhin Mehrstufenpressen, an denen gearbeitet werde. Zur Vervollständigung des verbliebenen Maschinenparks habe die Beklagte einen Schweißautomaten erworben. Zudem habe die Beklagte die Grundsätze der sozialen Auswahl nicht hinreichend beachtet. Entgegen ihren Andeutungen habe sie nämlich nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen. So sei das Arbeitsverhältnis der Leiterin der Qualitätssicherung aufrecht erhalten worden. Darüber hinaus beschäftige die Beklagte Mitarbeiter des Vertriebs ohne Kündigung weiter. Schließlich sei der Beklagten entgegenzuhalten, dass sie in der Qualitätssicherung zuvor tätige und entlassene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im September bzw. Oktober als Leiharbeitnehmer zurückgefordert habe. Sie sei durchaus in der Lage, deren Aufgaben wahrzunehmen. Da die Beklagte nicht nur am Standort N1xxxxxxx sondern auch in örtlich angrenzenden Bereichen die Produktion fortsetze, sei sie verpflichtet, sie über das Kündigungsende hinausgehend zu beschäftigen. Diesen Anspruch hat die Klägerin ausdrücklich mit der Klageerweiterung vom 18.10.2004 geltend gemacht. Schließlich vertritt die Klägerin die Auffassung, die Kündigung sei auch aus den Gründen der §§ 17, 18 KSchG rechtsunwirksam. Entgegen den Einlassungen der Beklagten müsse sie bezweifeln, dass die Beklagte den gesetzlichen Anforderungen gerecht geworden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 26.07.2004 mit Wirkung zum 30.11.2004 beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie auch über den 30.11.2004 hinausgehend weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bewertet die Klage als unbegründet. Hierzu hat sie behauptet, in ihrer Gesellschaft bestehe für die Klägerin kein Beschäftigungsbedarf mehr. Sie habe den Stilllegungsbeschluss vom 22.07.2004 unverzüglich umgesetzt, indem sie die kündbaren Arbeitsverhältnisse am 26.07.2004 aufgekündigt, eine Massenentlassung am 27.07.2004 angezeigt, ihre Kunden über den Beschluss vom 22.07.2004 in Kenntnis gesetzt und keine neuen Aufträge (Kunden) angenommen habe. Sie habe zugleich damit begonnen, die Verlagerung von Doppeldruckpressen, Pressen, Biegemaschinen und Schweißanlagen nach Tschechien und Großbritannien vorzubereiten. Im Rahmen der bestehenden Aufträge habe sie vorproduziert und diese Produktion im Hochregallager zwischengelagert. Die für die Produktion nicht mehr benötigten Schweißanlagen (BT01/B11/B13/B17/B18) sowie Bieger und Pressen (P1/P11/P25) habe sie nach Ausspruch der Kündigungen stillgelegt. Mit dem Abtransport von Maschinen habe sie Ende September (28., 29. und 30.09.2004) begonnen. Ihre Kundenbeziehungen sollten nach Einstellung der Produktion vor Ort über die D1xx C2, die eine Zertifizierung im Automotiv-Bereich anstrebe, und über die D1xx U3 fortgesetzt werden. Zu diesem Zweck seien nach Tschechien insgesamt acht Pressen und Bieger und fünf Schweißanlagen sowie nach Großbritannien eine Schweißanlage und drei Pressen bzw. Bieger sowie eine Großanlage OMCD verlagert worden. Zwei Maschinen (D4 und P21) seien zur K1xxxxxxxxxxxxx GmbH, A1xxxx, transportiert worden. Eine Maschine (P15) werde zum Hersteller zurückgebracht. Zusätzlich seien zwei Maschinen verschrottet und drei Maschinen "endgültig" außer Betrieb gesetzt worden. Die zu verlagernden Maschinen habe sie nach der Vorproduktion demontieren und umfassend reinigen lassen. Diese Maßnahmen hätten es ihr ermöglicht, schon im September 22 Mitarbeiter während der noch laufenden Kündigungsfristen frei zu stellen. Parallel zu den Kündigungen und zur Massenentlassungsanzeige habe sie beim Integrationsamt um Zustimmung zur Entlassung von drei beschäftigten schwerbehinderten Menschen nachgesucht. Nach erteilter Zustimmung habe sie auch diesen Mitarbeitern gekündigt. Die befristeten Arbeitsverhältnisse habe sie auslaufen lassen. Entgegen früherer Handhabung habe sie keine neuen Ausbildungsverhältnisse begründet. Ihre Produktion habe sie endgültig eingestellt. Mit Ausnahme ihres Prokuristen und der im ruhenden Arbeitsverhältnis befindlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftige sie keine Arbeitnehmer mehr. Nach August habe sie keine Leiharbeitnehmer beschäftigt. Von der Entlassung seien neben der Leiterin der Qualitätssicherung auch die Mitarbeiter des Vertriebs erfasst worden. Andere, von der Klägerin ausdrücklich angesprochene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Qualitätssicherung seien nunmehr Arbeitnehmer der A3x.

Mit Urteil vom 20.01.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Hierfür genüge der Entschluss vom 22.07.2004, die Produktion befristet auslaufen zu lassen um sie sodann endgültig einzustellen, zumal dieser Entschluss durch die Beklagte tatsächlich umgesetzt worden sei. Hierfür sprächen die nachfolgenden Umstände: Keine Annahme von Neuaufträgen, Kündigung aller Arbeitnehmer zum nächst möglichen Termin, Anzeige einer Massenentlassung, Einsatz eigener Arbeitnehmer zur Abproduktion, Bekanntgabe der Stilllegungsabsicht nach außen, Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes zur Entlassung schwerbehinderter Arbeitnehmer, Freistellung von Arbeitnehmern während der Kündigungsfrist sowie die Verlagerung erheblicher Teile des Maschinenparks nach Tschechien, Großbritannien und an ein in N1xxxxxxx ansässiges Unternehmen. Die umfassende Umsetzung dieses Stilllegungsentschlusses sei u. a. deshalb zu unterstellen, zumal die Klägerin das Vorbringen der Beklagten nicht substantiiert bestritten habe. Die Kündigung sei auch nicht aus anderen Gründen sozial ungerechtfertigt bzw. rechtsunwirksam. Aufgrund endgültiger Produktionseinstellung und Entlassung aller Arbeitnehmer könne eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten nicht verlangt werden. Eine Verletzung der Bestimmungen zur Massenentlassung sei nicht erkennbar; ebenso wenig eine Rechtsunwirksamkeit der Kündigung aus den Gründen des § 613 a Abs. 1 und 4 BGB. Die Übertragung von Betriebsteilen sei weder in Bezug auf die D1xx C2 und die D1xx U3 noch in Bezug auf die A3x W3xxxxxxxxxxxxx, N1xxxxxxx, zu erkennen. Die Verlagerung jeweils eines Teils des früheren Maschinenparks bewirke nicht die Wahrung der Identität des vorausgehenden Produktionsbetriebes. Hieraus folge konsequent, dass eine Weiterbeschäftigung nicht durchgesetzt werden könne.

Gegen dieses, ihr am 14.02.2005 zugestellte, vorgetragene und wegen der sonstigen Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 14.03.2005 Berufung eingelegt, die am 17.05.2005 nach vorausgehender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tage begründet worden ist. Die Klägerin greift das angefochtene Urteil in vollem Umfang an. Zur Begründung vertritt sie die Auffassung, die Kündigung sei nicht nur sozial ungerechtfertigt sondern auch wegen Nichteinhaltung der Anzeigepflicht vor Ausspruch der Kündigung rechtsunwirksam. Die Beklagte habe nicht erkannt, dass nach Überzeugung des EuGH die Anzeige vor der Kündigungserklärung zu erfolgen habe und dass die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes zur individual-rechtlichen Rechtsunwirksamkeit der Kündigung führe. Entgegen der Bewertung im angefochtenen Urteil sei auch festzuhalten, dass ihr Arbeitsplatz nicht weggefallen sei. Die Beklagte führe entgegen ihrer früheren Einlassung die gesamte Produktion nebst Einkauf, Verkauf, Vertrieb und Versand in ihren früheren Betriebsräumen fort. Veränderungen zu Früher seien nicht feststellbar. Sie könne zwar nicht ausschließen, dass die in diesem Bereich eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Arbeitnehmer der A3x seien. Deren Beschäftigung sei jedoch aus den nachfolgenden Gründen der Beklagten zuzuordnen. Die Beklagte gehöre dem Konzernverbund D1xx an. Ihrerseits werde sie beherrscht durch die Holding-Gesellschaft, die D1xx GmbH & Co. KG. Sie beherrsche selbst die A3x, die D1xx T1x GmbH und die D1xx K1xxxxxxxxxxxx GmbH. Nur deshalb sei es möglich, die Bestellungen bei den früheren Lieferanten auf ihrem Briefkopf vorzunehmen. Sie verantworte auch weiterhin die Auslieferung an ihre früheren Kunden. Nur deshalb habe sie sich um die sog. A-Zertifizierung bemüht. Ein weiteres Indiz für den Konzernverbund sei die einheitlich fortgeführte Telefonliste.

Mit Schriftsatz vom 08.06.2005 hat die Klägerin der A3x W3xxxxxxxxxxxxx GmbH den Streit verkündet.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 26.07.2004 mit Wirkung zum 30.11.2004 beendet worden ist;

2. die Beklagte des Weiteren zu verurteilen, die Klägerin auch über den 30.11.2004 hinaus weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie bewertet weiterhin die Kündigung als rechtswirksam. Zur Begründung führt sie aus, mit der Auslegung: "Kündigung = Entlassung" wende sich der EuGH an den nationalen Gesetzgeber und nicht an den privaten Arbeitgeber. Der Gesetzgeber sei deshalb gehalten, die Bestimmungen zur Massenentlassung entsprechend anzupassen, zumal eine richtlinienkonforme Auslegung mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen sei. Zudem genieße sie Vertrauensschutz. Sie habe in Anwendung der gefestigten Rechtsprechung des BAG (trotz Kenntnis des Vorlagebeschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.04.2003) nach Gesetz gehandelt. Letztlich dürfte eine evtl. Nichteinhaltung dieser Bestimmungen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Auch diesbezüglich berufe sie sich auf die gefestigte Rechtsprechung des BAG. Sie bekräftigt zudem die Ausführungen des angefochtenen Urteils zur Produktionseinstellung und trägt hierzu vor, sie habe ihre Produktion spätestens Ende Dezember 2004 beendet. Sie vertritt hierzu die Auffassung, ihr Betrieb sei nicht von der A3x übernommen worden. Sie habe ihren Maschinenpark aufgelöst, ihre Betriebsorganisation sei nicht mehr vorhanden. Zudem produziere die A3x lediglich in einer Halle, nutze weder das Hochregallager noch das Bürogebäude. Die A3x sehe ihr Schwergewicht der unternehmerischen Tätigkeit auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion und produziere Auspuffhalter bzw. Schaltgestänge lediglich in Kleinserien. Die A3x unterscheide sich insofern von ihrer Unternehmensform, zumal sie überwiegend im Rahmen von Großserien beteiligt worden sei. Diese Großserien habe sie in der Form der Inselfertigung abgearbeitet. Für die Kleinserienfertigung habe die A3x eine automatische Linienfertigung aufgebaut. Kleinserien hätten ein Volumen von 150 bis 200 Stück. Dies erfordere ein ständiges Umrüsten der Maschinen. Für die Linienfertigung habe die A3x zum Teil neue Maschinen, u. a. einen Cloos-Roboter (Schweißmaschine B997) und einen Roboter mit TCP Vermessungseinheit, Drehtisch und Werkzeugaufspannvorrichtung (Schweißanlage B19) beschafft. Diese Technik habe die Beklagte zu keiner Zeit vorgehalten. Zur Überwachung dieser automatischen Maschinen benötige sie Fachpersonal. Ihrer Meinung nach habe die A3x auch keinen Betriebsteil aus ihrem Unternehmen übernommen. Den sog. Mittelgang habe sie nicht als solchen vorgehalten. Zudem beschäftige die A3x einschließlich der Fremdeinstellungen erheblich weniger Mitarbeiter als von der Klägerin angegeben. Entgegen den Andeutungen der Klägerin produziere sie nicht mittels A3x. Dass von der Klägerin angesprochene Organisationspapier halte lediglich ein Gedankenmodell fest. Eine Holding existiere tatsächlich nicht. Eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung mit beherrschender Leitung der Beklagten bestünde unter den angesprochenen Gesellschaften nicht. Die Beklagte wickle nur bestehende Verträge ab. In diesem Rahmen habe sie die A3x, die D1xx C2 und die D1xx U3 als Subunternehmer eingeschaltet. Neugeschäfte sei sie nicht eingegangen.

Wegen der sonstigen Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Berufungsgericht hat im Berufungsverfahren 7 Sa 685/05 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des 51-jährigen Betriebswirts und Prokuristen U2xxxx H3xxxxx sowie des 32-jährigen Industriemechanikers M2xx L3xxx als Zeugen. Die Parteien dieses Rechtsstreits haben das Ergebnis dieser Beweisaufnahme zum Gegenstand des eigenen Berufungsverfahrens gemacht. Der Zeuge H3xxxxx wurde zudem ergänzend als Zeuge gehört. Bezüglich dieses Teils der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 11.06.2005 (Bl. 208 - 210 der Akten).

Entscheidungsgründe:

Die nach der Beschwer (§ 64 Abs. 2 ArbGG) statthafte, form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) hat keinen Erfolg.

A.

Die gem. § 256 ZPO allgemein zulässige und in der Frist des § 4 KSchG erhobene Feststellungsklage der Klägerin ist nicht begründet. Die Kündigung der Beklagten ist vielmehr durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin auf Dauer entgegenstehen (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 KSchG (I)). Die Kündigung ist auch nicht aus sonstigen Gründen wie z. B. wegen Verstoßes gegen § 613 a Abs. 1 und 4 BGB oder wegen Nichtbeachtung der §§ 17, 18 KSchG rechtsunwirksam (II).

I.

Die Kündigung vom 26.07.2004 ist nicht sozial ungerechtfertigt i. S. des § 1 Abs. 1 KSchG. Sie ist vielmehr durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die der Weiterbeschäftigung der Klägerin auf Dauer entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG). Dringende betriebliche Erfordernisse können sich aus innerbetrieblichen Umständen wie z. B. der Umstellung der Produktion oder Schließung einer Abteilung oder durch außerbetriebliche Umstände wie z. B. Umsatzrückgänge ergeben. Dringend sind betriebliche Erfordernisse dann, wenn sie eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Auftragsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung dann rechtfertigen, wenn durch ihn die anfallende Arbeit soweit zurückgeht, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt und die Kündigung nicht durch innerbetriebliche Maßnahmen vermieden werden kann. Das Arbeitsgericht ist hierbei gehalten zu überprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, die den endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes bewirkt und ob diese Entscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit kann eine Unternehmerentscheidung nicht überprüft werden (BAG, Urteil vom 17.06.1999 - 2 AZR 522/98 -).

Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber. Die bloße Einstellung der Produktion bedeutet allerdings noch keine Betriebsstilllegung. Unter Betriebsstilllegung ist vielmehr die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächst möglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt. Abgeschlossen ist die Stilllegung erst dann, wenn die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer beendet sind (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. hierzu z. B. Urteil vom 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - AP Nr. 237 zu § 613 a BGB; Urteil vom 24.02.2005 - 2 AZR 214/04 -). Der Arbeitgeber ist allerdings nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betreffenden betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Solche greifbaren Formen liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (BAG, a. a. O., mit weiteren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des BAG).

1. Der Beklagten ist es gelungen, diese Voraussetzungen nachzuweisen. Die Beklagte hat durch ihren Gesellschafter/Geschäftsführer letztendlich am 22.07.2004 den zuvor gereiften Entschluss formal fixiert, den Betrieb zum 31.03.2005 stillzulegen. Zugleich hat er mit diesem Beschluss die Geschäftsführung beauftragt, alles Erforderliche zu veranlassen, um diesen Entschluss so zeitnah als möglich umzusetzen. Die Arbeitsverhältnisse sollten unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist und unter Beachtung von produktionstechnischen Gegebenheiten beendet werden. Dass dieser Beschluss so gefasst wurde, hat der Prokurist der Beklagten, U2xxxx H3xxxxx, als Zeuge bestätigt. Er war nach seiner Einlassung bei der Unterzeichnung zugegen. Er hat die auszuführenden Hinweise entgegengenommen.

Dieser Entschluss wurde auch entsprechend den Vorstellungen des Gesellschafter/Geschäftsführers zeitnah realisiert. Die Arbeitsverhältnisse der kündbaren Arbeitnehmer wurden am 26.07.2004 aufgekündigt. Am 27.07.2004 wurde bei der Agentur für Arbeit Iserlohn, Büro Werdohl, die erste Massenentlassungsanzeige eingereicht. Zeitgleich hat die Beklagte bei dem Integrationsamt um Zustimmung zur Entlassung der drei schwerbehinderten Arbeitnehmer gebeten. Auch ihnen wurde nach erteilter Zustimmung gekündigt. Diesen personellen Vollzug des Entschlusses hat der Zeuge H3xxxxx ebenfalls aus eigener Kenntnis bestätigt. Als Personalleiter habe er die Kündigungen unterschrieben und veranlasst, dass diese zur Post gegeben wurden. Persönlich habe er am 27.07.2004 gegen 10 Uhr die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingereicht. Danach hätten in den Räumen der Beklagten ausführliche Unterredungen zwischen Mitarbeitern der Agentur und den betroffenen Arbeitnehmern stattgefunden. Er hat zudem bestätigt, dass das Integrationsamt zur beabsichtigten Kündigung der Schwerbehinderten beteiligt wurde. Dessen Zustimmung lag am 10.08.2004 vor.

Zur weiteren Ausführung dieses Beschlusses wurde die sog. Ausproduktion eingeleitet. Die Beklagte hat im Rahmen der bestehenden Verträge vorproduziert, um Schweißmaschinen, Doppeldruckpressen, Pressen und Bieger zur Verlagerung nach Tschechien, Großbritannien und A1xxxx demontieren und reinigen zu können. Zeitgleich wurde von Fremdfirmen die hierfür notwendig werdende Logistik vorbereitet. Maschinen wurden ab Ende September fortlaufend abtransportiert. Auch diese Angaben hat der Zeuge H3xxxxx bestätigt. Er hat ausgeführt, die Verlagerung der Maschinen und die damit verbundene Vorproduktion sei Bestandteil des Entschlusses vom 22.07.2004 gewesen. Der Maschinentransport habe der Erweiterung der in Tschechien und Großbritannien vorhandenen Kapazität gedient. D1xx C2 habe, wie zur Akte gelangt, weitere Flächen angemietet, um diese Maschinen in den bisherigen Maschinenpark eingliedern zu können. Der Abtransport sei wie geplant erfolgt. Hierzu gehöre auch die Verlagerung von zwei Maschinen zur K1xxxxxxxxxxxxx GmbH, A1xxxx. Nach seinen weiteren Begründungen habe diese Maßnahme dazu geführt, dass im September 2004 insgesamt 22 Mitarbeiter hätten freigestellt werden können.

Diesen Entschluss unterstützend hat die Beklagte alle befristeten Verträge auslaufen lassen. Sie hat sich darum bemüht, für den Auszubildenden einen anderen Ausbildungsplatz zu finden. Entgegen ihrer früheren Handhabung hat sie im Sommer 2004 kein neues Ausbildungsverhältnis begründet. Sie hat darüber hinaus keinen neuen Auftrag angenommen. Dies alles ist entweder unstreitig oder vom Zeugen H3xxxxx bestätigt worden. Hinzu kommt, dass die Beklagte ihren Entschluss u. a. durch den Zeugen H3xxxxx sowie den Mitarbeiter P3xxxxxx den Kunden gegenüber bekannt gegeben hat.

Die Beklagte beschäftigt schließlich - mit wenigen Ausnahmen - keine Arbeitnehmer mehr. Der Zeuge H3xxxxx hat in diesem Zusammenhang in seiner Zeugenaussage darauf hingewiesen, dass die Belegschaft entweder durch auslaufende Befristung, durch Kündigung der Beklagten, durch Aufhebungsvertrag oder durch Eigenkündigung der Arbeitnehmer ausgeschieden seien. Auch dieser Teil der Aussage ist zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer glaubhaft. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass der Zeuge nicht in der Lage war, die Beendigungsart und den Beendigungszeitpunkt derjenigen, von der Klägerin aus einer Liste benannten drei bis vier Arbeitnehmer konkret darzustellen. Diese Zurückhaltung ist nachzuvollziehen. Der Zeuge H3xxxxx hat diesen Prozess begleitet. Er ist verständlicherweise nicht in der Lage, alle Einzelheiten im Gedächtnis zu behalten und ohne Einsicht in die Personalunterlagen hierauf spontan Rede und Antwort zu stehen. Auch wenn die Klägerin eine Liste mit 54 Namen früherer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beklagten erst am 05.07.2005 erhalten haben sollte, ist es ihr aus Gründen des rechtlichen Gehörs verwehrt, diese Liste zur Grundlage der ergänzenden Beweisaufnahme zu machen. Die Beklagte muss zuvor in der Lage sein, diese Liste anhand ihrer Personalakten überprüfen zu können. Dem Zeugen H3xxxxx muss als früherem Personalleiter die Möglichkeit eingeräumt werden, seiner Befragung zu einzelnen Mitarbeitern Unterlagen der früheren Personalabteilung zugrunde zu legen.

Nach seiner Erinnerung hat er ausführen können, dass die Leiterin der Qualitätsprüfung (S. S9xxxxxx), die Mitarbeiterin des Rechnungswesens (S8xxxxx) und der Mitarbeiter R4xxxxx wohl durch Aufhebungsvertrag aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten ausgeschieden sind.

2. Entgegen den Andeutungen der Klägerin ist die Stilllegungsabsicht der Beklagten nicht dadurch entfallen, weil sie von Anfang an beabsichtigte ihren Betrieb zu veräußern. Zwar ist die Veräußerung des Betriebes, wie sich aus der Wertung des § 613 a BGB ergibt, keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebes gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet. Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich nämlich systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die geplante Maßnahme sich als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung bewertet (BAG, Urteil vom 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - AP Nr. 237 zu § 613 a BGB).

Eine derartige Absicht ist nicht erkennbar. Zwar wurde am 06.08.2004, folglich zeitnah zum Stilllegungsentschluss, die A3x W3xxxxxxxxxxxxx GmbH gegründet. Diese hat in den Räumen der Beklagten ihre Produktion Anfang Oktober 2004 aufgenommen. Sie beschäftigte zu Beginn in etwa 20 Arbeitnehmer der Beklagten und produziert mit mindestens neun CNC-Pressen und -Bieger und fünf Schweißmaschinen der Beklagten. D6xxx liegt jedoch keine Veräußerung ihres Betriebes i. S. des § 613 a Abs. 1 BGB. Letztere war zumindest nicht beabsichtigt, d. h. nicht vom Entschluss des Gesellschafter/Geschäftsführers erfasst.

a) Ein Betriebsübergang i. S. des § 613 a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identität fortführt. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen hierfür zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen und die Dauer einer evtl. Unterbrechung der Betriebstätigkeit (ständige Rechtsprechung des BAG im Anschluss an EuGH vom 11.03.1997 - RsC -13/05 - AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187; BAG, Urteile vom 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - AP Nr. 237 zu § 613 a BGB und vom 22.07.2004 - 8 AZR 394/03). Die A3x ist nicht Rechtsnachfolgerin der Beklagten. Sie führt nicht deren wirtschaftliche Einheit unter Wahrung deren Identität fort. Die A3x hat lediglich einen Teil des Maschinenparks übernommen und beschäftigt auch nur 1/5 bis 1/4 der früheren Belegschaft der Beklagten. Entscheidend ist allerdings der unterschiedliche Geschäftsgegenstand und die veränderte betriebliche Organisation. Die A3x lehnt sich an die Kaltformtechnik an und bietet der Automobilindustrie andersartige Produkte an, als dies die Beklagte konnte. Darüber hinaus ist sie im Gegensatz zur Beklagten nicht in die Großserienfertigung eingebunden. Dazu wäre sie auch gar nicht in der Lage. Sie beteiligt sich ausschließlich an Kleinserien, die einen hohen Aufwand an Rüstzeiten veranlassen. Schließlich ist die A3x ganz anders organisiert. Während die Beklagte eine für die Massenproduktion typische Inselfertigung mit Puffern und Zwischenlagerungen im Hochregallager vorsah, hat die A3x von Anfang an eine Linienfertigung mit kontinuierlichem Materialverlauf eingerichtet. Um dies zu bewerkstelligen musste sie Roboter hinzukaufen, die den Transport zwischen den Maschinen gewährleisten. Hinzu kommt, dass die A3x nur etwas mehr als eine Halle ohne Hochregallager und ohne Bürogebäude nutzt. Mit diesem, vom Zeugen H3xxxxx bestätigten Sachverhalt, wird die Beklagte nicht fortgeführt; deren Einheit wurde vielmehr aufgelöst (vgl. hierzu auch: BAG, Urteil vom 17.06.2003 - 2 AZR 134/02 - AP Nr. 260 zu § 613 a BGB).

Diesen Ausführungen des Zeugen H3xxxxx stehen die Erläuterungen des Zeugen L3xxx nicht entgegen. Er hat diese veränderte Betriebsorganisation zwar nicht in dieser Klarheit bestätigt. Dennoch hat er etwas zurückhaltend gemeint, die A3x unterhalte gegenüber früher eine einheitliche Produktionslinie bis zur endgültigen Fertigstellung des Produktes. Vorher, also bei der Beklagten seien die Maschinen verstreuter aufgestellt gewesen; bei der Beklagten sei mehr zwischengelagert worden. Nunmehr sei alles enger beieinander und im Ablauf besser angepasst. Außerdem fertige die A3x Einzelaufträge während die Beklagte mit der Großteilfertigung befasst gewesen sei.

b) Der Stilllegungsabsicht steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte an die A3x einen Betriebsteil "Zwischengang" übertragen hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer fest, dass die Beklagte einen entsprechenden Betriebsteil, dem die Klägerin zuzuordnen wäre, nicht vorgehalten hat.

Der Übergang eines Betriebsteils steht für dessen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gleich. Auch bei dem Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt. Betriebsteile sind Teileinheiten = Teilorganisationen des Betriebs. Es muss sich um eine selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit handeln, die innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks einen Teilzweck erfüllt. Das Merkmal des Teilzwecks dient dabei zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit. Im Teilbetrieb müssen nicht andersartige Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden. Bei den übertragenen sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln muss es sich um eine organisatorische Untergliederung handeln, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt. § 613 a BGB setzt für den Teilbetriebsübergang voraus, dass die übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten (BAG, Urteile vom 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 - AP Nr. 237 zu § 613 a BGB, vom 17.04.2003 - 8 AZR 253/02 - AP Nr. 253 zu § 613 a BGB; vom 25.01.2005 - 9 AZR 258/04).

In dieser Form wurde von der Beklagten ein Betriebsteil "Zwischengang" nicht vorgehalten. Es ist schon unsicher, ob für diesen Bereich ein Betriebsleiter zum Zeitpunkt des Stilllegungsentschlusses bestellt war. Der Zeuge H3xxxxx hat dies eindeutig verneint. Der Zeuge L3xxx konnte mangels ausreichender Kenntnisse hierzu keine klare Aussage machen. Ihr war zumindest ein solcher Bereich nicht ausschließlich personell zugeordnet. Diesem Bereich war auch nicht ein personell abgegrenzter Personenkreis zugewiesen. Er wollte sich nicht als Abteilungsleiter dieses Bereichs sehen, zumal er für den gesamten Bereich Technik zuständig war. In diesem Teilbereich war letztlich zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer keine selbständige, vom übrigen abtrennbare organisatorische Untergliederung erkennbar. Diese Annahme wird dadurch bestärkt, dass für diesen Teilbereich keine eigenständige bzw. einheitliche Kostenstelle vorgehalten wurde. Die Kostenstellen waren nach den Angaben des Zeugen H3xxxxx jeder einzelnen Maschine zugeordnet. Ob die Qualitätssicherung diesen Bereich zuzuordnen war oder ob die Qualitätssicherung seitens der Beklagten als eigenständiger Betriebsteil angesehen wurde, ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen.

c) Schließlich fehlt die Absicht der Beklagten, ihren Betrieb oder lediglich einen Betriebsteil "Zwischengang" zu veräußern. Der Gesellschafter/Geschäftsführer R3xx D1xx hatte zwar den Entschluss gefasst, den Maschinenpark aufzuteilen. Die Gründung der A3x war jedoch nicht Bestandteil dieses Entschlusses. Dies hat der Zeuge H3xxxxx glaubhaft dargestellt. Auch nach seiner Einschätzung hatte die Umformtechnik keine Zukunft mehr; deren Produkte waren in Zukunft nicht mehr absetzbar. Deshalb habe er mit dem Mitarbeiter des C3xxxxxxxxx, B6xxx, überlegt, in N1xxxxxxx etwas vergleichbares zu A1xxxx auf dem Gebiet der Kaltformtechnik aufzubauen. Diese Überlegungen seien dem Gesellschafter/Geschäftsführer R3xx D1xx in einem Gespräch nach dem Stilllegungsentschluss vorgetragen worden. Ohne seine Beteiligung und Unterstützung sei dann mit dem Engagement seines Sohnes, M1xxxxxx D1xx, die A3x W3xxxxxxxxxxxxx GmbH gegründet worden. Sie habe schließlich den bekannten Teil des früheren Maschinenparks der Beklagten übernommen und für ihre betriebliche Organisation um weitere Maschinen ergänzt.

3. Für die Kündigung sind auch nicht nachträglich die aufgezeigten dringenden betrieblichen Erfordernisse entfallen. Entgegen den weiteren Einwendungen der Klägerin scheitert die Betriebsstilllegung nicht daran, dass die Beklagte weiterhin gegenüber der Automobilindustrie zuvor eingegangene Lieferverpflichtungen erfüllt. Dies führt zumindest nicht zu der Annahme, dass die Beklagte auch jetzt noch produziert und deshalb Bedarf an Produktionsmitarbeitern hat. Zum einen hat sich die erkennende Berufungskammer auch durch das Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugen lassen, dass die Beklagte allenfalls handelt, aber nicht produziert. Da die Beklagte als zertifizierter Zulieferer nicht in der Lage war - ohne sich Schadenersatzverpflichtungen auszusetzen -, die übernommenen Aufträge ohne weiteres aufzukündigen, hat sie die A3x für Kleinserien und die D1xx T2xxxxxxxx sowie die D1xx U3 für Großserien als Subunternehmer eingebunden. Dass die A3x nur die Kleinserien auftragsgemäß erfüllt, hat der Zeuge H3xxxxx in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung erhärtet. Hierin wurde er durch den Zeugen L3xxx bestärkt. Dadurch kehrt die Beklagte jedoch nicht wieder zum Produktionsbetrieb zurück. Dass der Beklagten dieser Produktionsanteil nicht als Eigenproduktion zuzuordnen ist, ist damit zu begründen, dass beide Gesellschaften keinen gemeinschaftlichen Betrieb führen. Es fehlt sowohl an der einheitlichen Leitungsmacht als auch am gemeinsamen Betriebszweck. Im Übrigen ist festzuhalten, dass eine nachträgliche, zuvor nicht erkennbare Entwicklung keinerlei Auswirkungen auf den Kündigungsgrund hat. Die soziale Rechtfertigung ist für den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zu überprüfen (vgl. hierzu auch: BAG, Urteil vom 16.05.2002 - a. a. O., zu B III 2 der Gründe).

Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass der frühere Mitgeschäftsführer der Beklagten M1xxxxx D1xx trotz des Stilllegungsbeschlusses noch Mitte September Anzeigen zur Anwerbung von zwei Technikern geschaltet hat. Der Stilllegungsbeschluss sah schließlich als Produktionsende Ende März 2005 vor. Kündigungsfristen liefen teilweise bis zum 28.02.2005. Der Zeuge H3xxxxx meinte zudem, sich daran erinnern zu können, dass die D1xx T1x Bedarf für einen Techniker gehabt habe. Welches Ziel der damalige Mitgeschäftsführer M1xxxxxx D1xx mit dieser Anzeige letztlich verfolgt habe sei ihm nicht bewusst; sei für ihn schon damals nicht erkennbar gewesen.

Der Beklagten ist die unternehmerische Tätigkeit der A3x auch nicht aus anderen Gründen zuzuordnen. Die Beklagte ist nicht beherrschendes Unternehmen der Gesellschaften: D1xx Tec und A3x. Nach den weiteren Einlassungen des Zeugen H3xxxxx sei zwar eine Konzernholding, die D1xx GmbH & Co. KG angedacht gewesen. Zu dieser gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung sei es jedoch nicht gekommen. Diese Gesellschaft sei weiterhin ausschließlich Hauptgesellschafterin der Beklagten. D7xxx Kapitalgeber sei R3xx D1xx als alleiniger Kommanditist und Gesellschafter ihrer persönlich haftenden Gesellschaft (GmbH). An der K1xxxxxxxxxxxxx (A3x und Kaltform A1xxxx) sei er weder personell noch wirtschaftlich beteiligt.

II.

Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam (§ 13 Abs. 3 KSchG).

1. Die Beklagte hat die Kündigung nicht wegen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs erklärt (§ 613 a Abs. 1 und 4 BGB). Die erkennende Berufungskammer hatte zuvor dargestellt, dass nicht einmal eine Betriebsteilveräußerung Inhalt des Entschlusses vom 22.07.2004 war. Im Übrigen sieht die erkennende Berufungskammer die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 BGB nicht als erfüllt an.

2. Die Kündigung ist auch nicht wegen verspätet eingereichter Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit rechtsunwirksam (§§ 17, 18 KSchG i. V. m. § 134 BGB).

a) Zwar hat die Beklagte zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer die Kündigungserklärungen vor erstatteter Massenentlassungsanzeige abgegeben. Mit der Unterzeichnung durch ihren Prokuristen U2xxxx H3xxxxx am 26.07.2004 und dem nachfolgenden einkuvertieren aller Kündigungen hat die Beklagte ihren rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäußert, dass an der Endgültigkeit der Kündigung kein Zweifel möglich war. Die Kündigungen waren auch mit ihrem Willen in den Verkehr gebracht worden. Die kaufmännische Mitarbeiterin der Beklagten war mit allen Kündigungen am 26.07.2004 auf der Post erschienen. Dass die Kündigungen entgegen den Vorstellungen der Beklagten nicht schon an diesem Tage in den weiteren Postlauf gelangten, entsprach nicht ihrem Willen. Dies wurde ausschließlich von der Sachbearbeiterin der Post beeinflusst. Diese sah sich wegen des Schützenfestes nicht in der Lage, diese große Anzahl an Einschreiben entgegen zu nehmen. Dass die Kündigungen dementsprechend erst nach erfolgter Massenentlassungsanzeige endgültig in den Postlauf gelangt sind hat nicht zur Rechtsfolge, dass die Beklagte die Kündigungserklärungen erst am 27.07.2004 und nicht schon am 26.07.2004 abgegeben hat (BGH, Urteil vom 18.12.2002 - VI ZR 39/05 - NJW RR 2003, 384: Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen muss die Erklärung mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht sein; Palandt/Heinrichs, § 130 Rdnr. 2 BGB).

b) Dieser zeitliche Ablauf bewirkt jedoch nicht die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung.

(1) Gem. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KSchG war die Beklagte verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, da sie mehr als 10 % der in ichrem Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen wollte. Die Anzeige musste vor der Entlassung der für ihren Betrieb zuständigen Agentur für Arbeit erstattet werden. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte gerecht geworden. Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des BAG (BAG, Urt. v. 18.09.2003 - 2 AZR 79/02 - NZA 2004, 375 ff.) ist unter Entlassung i. S. der §§ 17, 18 KSchG nicht schon der Ausspruch der Kündigung, sondern die damit beabsichtigte tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemeint. Danach kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte unter dem Datum des 26.07.2004 eine entsprechende Anzahl an Kündigungen ausgesprochen hat. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt, zudem die betroffenen Arbeitsverhältnisse tatsächlich beendet werden sollten.

(2) An dieser Beurteilung ändert sich zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer durch das Urteil des EuGH vom 27.01.2005 (C 188/03: Irmtraud Jung ./. Wolfgang Kühnel, NZA 2005, 213) nichts. In diesem Urteil hat der EuGH auf Vorlage des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.04.2003 entschieden, dass als Entlassung i. S. der Richtlinie 98/59/EG die Kündigungserklärung zu verstehen ist. Dieses Urteil betrifft unmittelbar nur die Richtlinie 98/59/EG, die im Verhältnis zwischen Privaten keine unmittelbare Wirkung entfaltet. Für die Frage, welche Auswirkungen dieses Urteil auf die streitgegenständliche Kündigung hat, ist entscheidend, ob die Regelungen der §§ 17 ff. KSchG richtlinienkonform ausgelegt werden können und - bei Bejahung - ob die Einbeziehung von "Altfällen" mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes vereinbar ist. Beides ist zu verneinen.

(3) Die Vorschriften der §§ 17 ff. KSchG lassen die von der Klägerin erhoffte Auslegung nicht zu. Ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privaten anhängig ist, muss bei der Anwendung der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung der in einer Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen erlassen worden sind, das gesamte nationale Recht berücksichtigen und es soweit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie auslegen, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel vereinbar ist (EuGH, Urteil vom 05.10.2004 - Rs C 379/01 - Pfeiffer, AP Nr. 12 zu EWG-Richtlinie Nr. 93/104; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 30.06.2005 - C-144/04 - Mangold ./. Rüdiger Helm, EzA Schnelldienst, Heft 14/05 vom 08.07.2005). Lassen Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang oder Sinn und Zweck des Gesetzes mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem Gemeinschaftsrechtskonformen Ergebnis führt, so ist die Auslegung geboten, die mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung darf aber nicht im Widerspruch zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers stehen (BAG, Beschluss vom 18.02.2003 - 1 ABR 2/02 -; BAG, Urteil vom 18.09.2003 - 2 AZR 79/02 -; a. A., K. Riesenhuber/R. Domröse, richtlinienkonforme Auslegung der §§ 17, 18 KSchG und Rechtsfolgen fehlerhafter Massenentlassungen, NZA 2005, 568 ff.: für deutsche Gerichte bedeutet dies, dass sie nationales Recht grundsätzlich auch contra legem fortbilden müssen). Von diesen Grundsätzen ausgehend ist zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer eine richtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG nicht möglich. Zwar kann bei isolierter Betrachtung das Wort "Entlassung" sowohl im Sinne von "Ausspruch der Kündigung" wie auch im Sinne von "Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses" verstanden werden. Hätte der Gesetzgeber ein Verständnis im erstgenannten Sinne gewollt, so hätte es nahe gelegen, in §§ 17 ff. KSchG wie in den vorangehenden §§ 1 - 16 KSchG den Begriff der Kündigung zu verwenden. Durch den abweichenden Begriff "Entlassung" wird jedoch bewusst ein anderes Wort verwandt. Hieraus lässt sich ableiten, dass nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich etwas anderes als mit dem Wort "Kündigung" in den §§ 1 - 16 KSchG gemeint sein soll. Dies legt eine Auslegung i. S. des bisherigen Verständnisses nahe, dass mit Entlassung die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemeint ist (so auch: Bauer/Krieger/Powietzka, Der Betrieb 2005, 445 ff.; a. A., Riesenhuber/Domröse, a. a. O.; ArbG Bochum, Urteil vom 17.03.2005 - 3 Ca 307/04). Die bewusste Verwendung eines anderen Begriffes deutet wieter darauf hin, dass der Gesetzgeber mit den Vorschriften in den §§ 17 ff. KSchG ein bestimmtes Regelungskonzept verfolgte, in das mit einer Auslegung dieser Vorschriften i. S. des Urteils des EuGH vom 27.01.2005 erheblich eingegriffen würde. Dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff "Entlassung" in §§ 17 ff. KSchG als tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstanden haben wollte, spricht schließlich, dass diese Regelungen - trotz der häufigen Änderungen im Kündigungsschutzgesetz, Kenntnis der Rechtsprechung des BAG und Kenntnis der Richtlinien - in diesem Punkt nie geändert worden sind.

(4) Die sofortige Umsetzung des Urteils des EuGH vom 27.01.2005 auch auf "Altfälle" ist mit den Grundsätzen des rechtsstaatlichen Prinzips des Vertrauensschutzes nicht vereinbar. Zwar hat der EuGH von der Möglichkeit, die Rückwirkung seiner Entscheidung selbst auszuschließen, im Urteil vom 27.01.2005 keinen Gebrauch gemacht. Zu Berücksichtigen ist aber erneut, dass diese Entscheidung sich unmittelbar nur auf die Richtlinie 1998/59/EG bezieht. Wollte man aus dem Urteil vom 27.01.2005 das Gebot einer richtlinienkonformen Auslegung der §§ 17 ff. KSchG auch für die Vergangenheit ableiten, so wäre dies mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht vereinbar (Bauer/Krieger/ Powietzka, Der Betrieb 2005, §§ 445 ff.; LAG Köln, Urteil vom 25.02.2005 - 11 Sa 767/04 -; LAG Berlin, Urteil vom 27.04.2005 - 17 Sa 2646/04 -; a. A., ArbG Bochum, a. a. O.; ArbG Berlin, Urteil vom 01.03.2005 - 36 Ca 19726/02 -; Riesenhuber/ Domröse, a. a. O.). Es handelte sich um eine unechte Rückwirkung, da die Parteien über die Frage der Wirksamkeit der Kündigung gerade streiten. Eine solche unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig. Schranken ergeben sich jedoch aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und ist dieses Vertrauen bei einer Abwägung der Interessen des Einzelnen mit denjenigen der Allgemeinheit schutzwürdig, ist die unechte Rückwirkung unzulässig. Dieser Schutz ist nicht etwa deshalb eingeschränkt, weil jeder Arbeitgeber mit einer möglichen Änderung in der Rechtsprechung rechnen muss. Schließlich ist eine veränderte Rechtsanwendung aufgrund neuer Rechtserkenntnisse nicht ohne Weiteres mit einer Änderung der objektiven Rechtslage durch ein neues Gesetz und der hierbei zu beachtenden Beschränkung echter Rückwirkung gleichzusetzen. Allerdings gewinnt der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebene Vertrauensschutz um so größere Bedeutung, je mehr die Rechtsprechung sich der Rechtsetzung nähert. Trotz des Vorlagebeschlusses des ArbG Berlin vom 30.04.2003 durfte die Beklagte mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage in einem derartigen Maß rechnen, dass ihr diesbezügliches Vertrauen bei einer Abwägung mit den Belangen der anderen Partei und dem Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug verdient. Sowohl die langjährige gefestigte Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG, Urteil vom 18.09.2003 - 2 AZR 79/02 -, NZA 2004, 375 ff.) als auch der Hinweis in den Merkblättern sowie in den Formularen zur Erstattung von Massenentlassungsanzeigen der Bundesagentur für Arbeit gingen ausdrücklich davon aus, dass es für die Erstattung der Massenentlassungsanzeige nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung, sondern auf den der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der Kündigungsfrist ankomme. Dieses Vertrauen des in Unkenntnis der durch die Entscheidung des EuGH vom 27.01.2005 geänderten Rechtsprechung kündigenden Arbeitgebers ist schützenswert (so ausdrücklich: LAG Köln, Urteil vom 25.02.2005 - 11 Sa 767/04 - und LAG Berlin, Urteil vom 27.04.2005 - 17 Sa 2646/04 -).

(5) Ein weiterer Vertrauenstatbestand ist für die Beklagte dadurch eingetreten, dass die Bundesagentur für Arbeit sowohl mit Bescheid vom 10.08.2004 als auch mit Bescheid vom 20.11.2004 die am 27.07.2004 und am 28.10.2004 erstatteten Anzeigen unter Berücksichtigung der damals hinlänglich bekannten Auslegungskriterien für rechtswirksam erachtet hat. Entgegen der vom Arbeitsgericht Bochum vertretenen Rechtsauffassung erfahren die Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der §§ 17, 18 KSchG Tatbestandswirkung für das arbeitsgerichtliche Kündigungsschutzverfahren. Die Massenentlassungsanzeige hat ausschließlich arbeitsmarktpolitische Qualität. Der Bundesagentur für Arbeit soll die Möglichkeit eingeräumt werden, einer durch diese unternehmerische Entscheidung auf die Agentur hinzukommende ungewöhnlich hohe Vermittlungspflicht gerecht zu werden. Sie soll rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen treffen können, um eine Weitervermittlung zu ermöglichen. Bestätigt dann die Bundesagentur für Arbeit der Beklagten ihre ordnungsgemäße Beteiligung, so ist es der Arbeitsgerichtsbarkeit verwehrt, nachträglich deren Rechtswidrigkeit zu überprüfen, um hieraus mögliche individualrechtliche negative Rechtsfolgen für das Kündigungsschutzverfahren abzuleiten. Im Übrigen teilt die erkennende Berufungskammer die vom BAG konsequent vertretende Rechtsauffassung (beispielhaft: BAG, Urteil vom 18.09.2003 - 2 AZR 403/02 -), dass Fehler in der Anzeigepflicht nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung führen. Das Kündigungsschutzgesetz sanktioniert Fehler des Arbeitgebers nicht mit der individualrechtlichen Unwirksamkeit der Kündigung. Die §§ 17, 18 KSchG sind auch nicht Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB.

c) Die Beklagte ist den Anforderungen ihrer Anzeigepflicht gem. den §§ 17, 18 KSchG gerecht geworden. Mit ihren Anzeigen vom 27.07.2004 und 28.10.2004 hat sie die für den Zeitraum 30.09.2004 bis 31.01.2005 festzustellenden Massenentlassungen ordnungsgemäß vorbereitet.

B.

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 30.11.2004 beendet worden ist, hat die Klägerin gegenüber der Beklagten keinen, aus § 611 BGB durchsetzbaren Beschäftigungsanspruch.

C.

Aus den zuvor beschriebenen Gründen konnten die Feststellungs- und Beschäftigungsklage von Anfang an keinen Erfolg haben. Der an sich statthaften Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn war der gewünschte Erfolg zu versagen; sie war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Angesichts der ungeklärten Rechtslage zur Massenentlassung hat die erkennende Berufungskammer die Revision ausdrücklich zugelassen.



Ende der Entscheidung

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