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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 06.03.2006
Aktenzeichen: 8 (10) Sa 1932/04
Rechtsgebiete: BGB, SGB IX


Vorschriften:

BGB § 297
BGB § 615
BGB § 315
SGB IX § 81
Kein wirksames Angebot der Arbeitsleistung bei fehlender Leistungsfähigkeit
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 06.07.2004 - 2 Ca 3822/03 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Mit seiner Klage macht der im Jahre 11xx geborene und mit einem GdB von 90 schwerbehinderte Kläger Ansprüche auf Arbeitsvergütung für den Zeitraum vom 25.10.2002 bis zum 31.12.2003 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geltend.

Der Kläger ist als gelernter Elektroinstallateur seit dem Jahre 1977 im Montageunternehmen der Beklagten auf der Dauerbaustelle der Firma C2xxxxxx (vormals M1xxxxx) beschäftigt, wurde sodann im Jahre 1988 als Obermonteur in das Angestelltenverhältnis übernommen wurde und war in den Jahren 1994 bis 1997 zusätzlich als Vertreter des Baustellenleiters eingesetzt. Nachdem der Kläger zuletzt seit August 2001 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt und nach Auffassung der Beklagten aus gesundheitlichen Gründen betrieblich nicht mehr einsatzfähig war, beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, nahm diesen Antrag jedoch später zurück. Hierauf bot der Kläger - nach seiner Behauptung auch bereits in der Kündigungsverhandlung bei der örtlichen Fürsorgestelle mit Wirkung ab dem 25.10.2002 - wiederholt seine Arbeitsleistung an.

Der Kläger ist der Auffassung, unter diesen Umständen stehe ihm die arbeitsvertragsgemäße Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu. Sowohl mit Rücksicht auf die vorliegende Schwerbehinderung als auch unter dem Gesichtspunkt der Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Ermessen die Beklagte zur Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes verpflichtet. Seine Asthma-Erkrankung führe allein dazu, dass er keine reine Monteurstätigkeit ausüben könne, seine Aufgaben als technischer Angestellter mit Aufsichtsaufgaben könne er hingegen ohne weiteres vertragsgerecht erledigen.

Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, weder habe der Kläger zum genannten Zeitpunkt seine Arbeitsleistung angeboten, noch sei der Kläger wegen der fortbestehenden Erkrankung zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Aufgaben in der Lage, so dass ohnehin ein ordnungsgemäßes Arbeitsangebot ausscheide. Wie das medizinische Gutachten des BAD vom 05.08.2002 (Bl. 20 f. d.A.) belege, seien dem Kläger nur noch leichte körperliche Arbeiten möglich. Eine Beschäftigung des Klägers mit reinen Aufsichtsaufgaben scheide jedoch nach der bestehenden Arbeitsorganisation auf der Dauerbaustelle der Firma C2xxxxxx aus, vielmehr müsse der Kläger - wie aus der Arbeitsplatzbeschreibung vom 15.10.2001 (Bl. 42 d.A.) ersichtlich - bei den laufenden Umbau- und Montagetätigkeiten auf der Baustelle selbst mitarbeiten, wobei die aufgeführten Belastungsfaktoren wie Nässe, Kälte, Hitze, Zugluft und Staubentwicklung mit der bestehenden Asthma-Erkrankung nicht vereinbar seien.

Durch Urteil vom 06.07.2004 (Bl. 51 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Arbeitsvergütung in Höhe von 46.802,51 € brutto abzüglich bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 14.843,24 € netto nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der zuerkannte Anspruch rechtfertige sich aus der Vorschrift des § 615 BGB. Schon durch die Tatsache, dass die Beklagte im September 2001 beim Landschaftsverband einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers wegen fehlender Leistungsfähigkeit gestellt, diesen Antrag sodann aber im Anschluss an die Kündigungsverhandlung vom 04.09.2002 zurückgenommen habe, habe sie deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sei, die zur Arbeitsleistung erforderliche Mitwirkungshandlung vorzunehmen. Dementsprechend sei ein tatsächliches Arbeitsangebot des Klägers als entbehrlich anzusehen. In der Tatsache, dass die Beklagte einerseits von ihrer Kündigungsabsicht abgerückt sei, ohne andererseits dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, liege zugleich ein widersprüchliches Verhalten. Da die Beklagte den Kläger ohnehin nicht habe beschäftigen wollen, komme es auf die Frage gesundheitlicher Leistungseinschränkungen innerhalb des Verzugszeitraums nicht an.

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält die Beklagte den Ausführungen des Arbeitsgerichts entgegen, die Beklagte habe sich im Anspruchszeitraum nicht im Annahmeverzug befunden. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht die Tatsache unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen gar nicht in der Lage gewesen sei, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Tatsächlich sei der Kläger auch über den 25.10.2002 hinaus arbeitsunfähig krank gewesen und auch auf Dauer außerstande, den bestehenden Arbeitsplatzanforderungen zu genügen. Die arbeitsvertragliche Tätigkeit des Klägers beschränke sich nämlich nicht auf eine aufsichtsführende Bauleitertätigkeit im Sinne reiner Büroarbeit, im Vordergrund stehe vielmehr die Mitarbeit als Obermonteur, wohingegen die Leitung der Baustelle - unstreitig - beim Baustellenleiter G1xxxxxxx liege. Welche Tätigkeiten der Kläger zuletzt erledigt habe, ergebe sich aus der Auswertung der vom Kläger selbst erstellten Aufzeichnungen aus dem Zeitraum Januar bis August 2001 (Bl. 137 ff. d.A.). Danach seien Aufsichts- und Überwachungstätigkeiten allein in einer Größenordnung von 10% angefallen. Eine Umorganisation der Arbeit im Sinne einer leidensgerechten Beschäftigung des Klägers ohne gesundheitsbelastende körperliche Tätigkeiten scheide nach den maßgeblichen betrieblichen Anforderungen aus. Auch auf der Grundlage des § 315 BGB und des § 81 SGB IX könne der Kläger nur eine Beschäftigung im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten, nicht hingegen die Einrichtung oder Freikündigung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes verlangen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 06.07.2004 - 2 Ca 3822/03 - aufzuheben und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis als zutreffend, wiederholt sein Vorbringen zum Angebot seiner Arbeitsleistung und tritt insbesondere der Behauptung der Beklagten entgegen, er sei aus gesundheitlichen Gründen zur vertragsgemäßen Arbeitsleistung nicht in der Lage gewesen. Richtig sei zwar, dass er an einer Asthma-Erkrankung leide, welche in der Vergangenheit zu gesundheitlichen Einschränkungen und zuletzt zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Eine Leistungsunmöglichkeit liege gleichwohl nicht vor, vielmehr ergebe sich aus dem Gutachten des BAD vom 05.08.2002 allein, dass bei einem Einsatz des Klägers als Monteur von hohen Ausfallzeiten, nicht hingegen von einem fehlenden Leistungsvermögen auszugehen sei. Im Übrigen seien gesundheitliche Bedenken allein gegen die Ausübung einer reinen Monteurstätigkeit zu erheben. Aufsichtsaufgaben seien nicht allein vom Baustellenleiter G1xxxxxxx zu verrichten, welchem die Oberbauleitung zustehe, vielmehr habe auch der Kläger als aufsichtführender Obermonteur überwiegend geistige Tätigkeiten erledigt. Sämtliche körperlich schwierigen Aufgaben würden demgegenüber von den gewerblichen Monteuren erledigt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.04.2005 hat der Kläger weiter behauptet, sein Gesundheitszustand habe sich in den letzten beiden Jahren deutlich verbessert, so dass gegen die Fortführung der Arbeit keine gesundheitlich begründeten Bedenken bestünden. Auch aus dem vom Landesarbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachten folge nichts anderes. Entgegen den Ausführungen im Sachverständigengutachten (Bl. 157 ff. d.A.) seien die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers seit dem Jahre 1999 keineswegs ausschließlich auf die Asthma-Erkrankung zurückzuführen, im Gegenteil sei zu berücksichtigen, dass im Jahre 2003 eine Arbeitsunfähigkeit allein für den Zeitraum vom 22. bis 28.10.2003 attestiert worden sei. Seine Schlussfolgerung, der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen zur Ausübung der ihm übertragenen Tätigkeit außerstande, stütze der Sachverständige im Übrigen wesentlich auf die vorangehenden ärztlichen Beurteilungen vom 12.11.2001 und 10.07.2002, welche den tatsächlich verbesserten Gesundheitszustand des Klägers im Anspruchszeitraum nicht berücksichtigten. Überdies habe der Gutachter die maßgeblichen Arbeitsbedingungen allein nach Aktenlage und ohne Besichtigung des Arbeitsplatzes beurteilt, weshalb das Gutachten insgesamt als wenig aussagekräftig und nicht verwertbar angesehen werden müsse. Auch die mündliche Erläuterung des Gutachtens gemäß dem Terminsprotokoll vom 06.03.2006 sei nicht geeignet, ohne jeden Zweifel die von der Beklagten aufgestellte Behauptung zu belegen, der Kläger könne die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ohne Gefährdung seiner Gesundheit ausüben. Nach der bestehenden Beweislastverteilung seien damit die Voraussetzungen für die Zahlung von Verzugslohn gegeben.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zur Abweisung des vom Kläger verfolgten Zahlungsbegehrens.

I

Der Kläger kann den verfolgten Zahlungsanspruch nicht auf die Grundsätze des Annahmeverzuges gemäß § 615 BGB stützen.

Dabei kann offen bleiben, ob der Standpunkt des Arbeitsgerichts zutrifft, schon der Antrag der Beklagten beim Integrationsamt auf Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung mache das in § 615 BGB geforderte Arbeitsangebot des Arbeitnehmers entbehrlich, weil der Arbeitgeber bereits hiermit - und nicht erst durch den tatsächlichen Ausspruch der Kündigung - zum Ausdruck bringe, er wolle die erforderliche Mitwirkungshandlung, nämlich die Bereitstellung einer vertragsgemäßen Beschäftigungsmöglichkeit, endgültig verweigern. Offen bleiben kann ferner, ob der Kläger bereits in der Kündigungsverhandlung beim Integrationsamt oder im Zusammenhang mit dem Abholen der Arbeitsbescheinigung gegenüber der Beklagten seine Arbeitsleistung angeboten hat oder ob erst das Schreiben des Klägervertreters vom 23.12.2002 als wörtliches Angebot der Arbeitsleistung anzusehen ist, welches die Beklagte alsdann mit Schreiben vom 15.01.2003 ausdrücklich abgelehnt hat.

Abweichend vom Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils scheitert der verfolgte Anspruch aus Annahmeverzug jedenfalls an dem Erfordernis, dass der Kläger im Anspruchszeitraum zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung gesundheitlich außerstande war (§ 297 BGB). Dies gilt zum einen in Bezug auf die in der Vergangenheit ausgeübten Tätigkeiten nach Maßgabe der vorliegenden Arbeitsplatzbeschreibung (1). Auch soweit der Kläger zum anderen Verzugslohnansprüche daraus herleiten will, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihm - insbesondere unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung - auf der Grundlage des Direktionsrechts gemäß § 315 BGB eine leidensgerechte Beschäftigung anzubieten, führt dies zu keinem anderen Ergebnis (2).

1. Nach dem Ergebnis der im zweiten Rechtszuge durchgeführten Beweisaufnahme steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger die ihm zuvor zugewiesene und von ihm zuletzt - bis zu seiner durchgehenden Erkrankung ab dem 16.08.2001 - ausgeübte Tätigkeit nicht ohne die Gefahr einer Leidensverschlimmerung ausüben kann.

a) Die vom Kläger zuletzt ausgeübte vertragliche Tätigkeit umfasst neben der Erledigung von Aufsichtstätigkeiten auch die Mitarbeit auf der Baustelle. Nicht hingegen kann von einer reinen Leitungsaufgabe des Klägers ausgegangen werden.

(1) Auf der Grundlage des schriftlichen Einstellungsbogens vom 17.01.1977 war der Kläger als gelernter Elektroinstallateur zunächst als Monteur tätig, wurde sodann mit Wirkung ab dem 01.01.1988 als Obermonteur in das Angestelltenverhältnis übernommen, übernahm ab dem 06.06.1994 die Verantwortung als Vertreter des Baustellenleiters und war dementsprechend gemäß dem Schreiben vom 12.02.1997, betreffend die Beendigung dieser Vertretungsaufgabe, vertraglich wiederum in der Funktion des Obermonteurs beschäftigt. Wie sich aus der arbeitgeberseitig erstellten Arbeitsplatzbeschreibung vom 15.10.2001 ergibt, umfasste diese Tätigkeit sowohl überwachende Tätigkeiten als auch die Mitarbeit auf der Baustelle mit körperlichem Einsatz, wobei unstreitig die Oberbauleitung auf der Dauerbaustelle der Firma C2xxxxxx beim Baustellenleiter und Vorgesetzten G1xxxxxxx lag.

Auch wenn auf dieser Grundlage davon auszugehen ist, dass der Kläger keineswegs "reine Monteurstätigkeiten" auszuüben und insbesondere nach seiner Beförderung zum Angestellten und Obermonteur auch Aufsichtsaufgaben zu erledigen hatte, kann hieraus weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht gefolgert werden, die Aufgabenstellung des Klägers habe sich ganz überwiegend auf Überwachungs- oder Büro-Tätigkeiten beschränkt. Der Kläger selbst hat die von der Beklagten unter dem 15.10.2001 erstellte Arbeitsplatzbeschreibung eingereicht, in welcher es heißt, dass der Kläger als Elektroinstallateur "als Bauleiter mit körperlichem Einsatz ..." beschäftigt sei. Auch die Auswertung der vom Kläger selbst erstellten Tätigkeitsberichte aus dem Zeitraum Januar bis August 2001 belegt, dass neben organisatorischen und kontrollierenden Tätigkeiten die Mitwirkung bei Monteurstätigkeiten den Arbeitsalltag des Klägers geprägt hat. Dementsprechend ist die vertragliche Aufgabenstellung des Klägers durch das Zusammentreffen geistiger (überwachender) und körperlicher Arbeitsanforderungen gekennzeichnet.

(2) Wie sich aus der - in ihrer Richtigkeit nicht oder jedenfalls nicht wirksam bestrittenen - Arbeitsplatzbeschreibung vom 15.10.2001 weiter ergibt, ist die Tätigkeit des Klägers, soweit sie nicht im Bürocontainer im Sinne einer Schreibtätigkeit erledigt wird, durch die aufgeführten Belastungsfaktoren gekennzeichnet, wobei im vorliegenden Zusammenhang insbesondere Zugluft und starke Staubentwicklung zu nennen sind. Wie die Beklagte unwidersprochen ausgeführt hat, fallen bei der Arbeit auf der Dauerbaustelle der Firma C2xxxxxx, bei welcher laufend die Produktionsanlagen einzurichten, zu verändern und zu unterhalten sind, immer wieder derartige belastende Arbeitsumstände an. Auch wenn der Kläger selbst etwa nicht auf Leitern steigen oder durch Tunnel kriechen muss, ändert dies auch für seine Arbeitsleistung vor Ort nichts daran, dass die Umgebungsbedingungen zum Teil durch extreme Hitze oder Kälte gekennzeichnet sind. Ferner zu erwähnen ist die im Schriftsatz der Beklagten vom 02.02.2004 aufgeführte Staubbelastung. Auch auf der Grundlage des Klägervortrages kann nicht davon ausgegangen werden, die Tätigkeit des Klägers finde ausschließlich oder ganz überwiegend im Bürocontainer - ohne die genannten äußeren Belastungsfaktoren - statt. Dies gilt selbst bei einer beaufsichtigenden Tätigkeit, soweit die Arbeit unter staubigen Verhältnissen oder bei Hitze oder Kälte zu erledigen ist.

(3) Unter diesen Umständen geht auch der Einwand des Klägers gegen die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen getroffenen Feststellungen fehl, der Gutachter habe die am Arbeitsplatz auftretenden Belastungsfaktoren ohne Arbeitsplatzbesichtigung beurteilt. Dass der Kläger keine verwaltende Bürotätigkeit auszuüben, sondern jedenfalls in ganz erheblichem Umfang auch auf der Baustelle mitzuarbeiten hat, ist aus den dargestellten Gründen als unstreitig anzusehen. Eine exakte Erfassung der Zeitanteile erscheint unter den vorliegenden Umständen als entbehrlich und wäre ohnehin nicht als Aufgabe des Sachverständigen anzusehen. Ebenso muss als unstreitig angesehen werden, dass in der Arbeitsplatzbeschreibung vom 15.10.2001 die maßgeblichen äußeren Einflüsse und Belastungsfaktoren zutreffend wiedergegeben sind. Auch wenn nicht verkannt wird, dass hieraus auf eine bestimmte Häufigkeit und Intensität der Belastungsfaktoren nicht geschlossen werden kann, muss mangels anderweitigen Parteivortrages jedenfalls doch davon ausgegangen werden, dass es sich keineswegs um vollkommen untypische oder gar beliebig vermeidbare Belastungsfaktoren handelt. Die genannten Umstände betreffen auch nicht etwa einen abgrenzbaren Arbeitsbereich, so dass etwa durch organisatorische Maßnahmen vermieden werden könnte, dass der Kläger entsprechenden Belastungen ausgesetzt ist. Dagegen, dass es sich bei den genannten Belastungsfaktoren um untypische und für die Arbeit nicht kennzeichnende Umstände handelt, spricht schließlich auch die Tatsache, dass der Kläger, ohne dass Anhaltspunkte für eine Veränderung der Arbeitsbedingungen erkennbar sind, in der Vergangenheit immer wieder wegen seiner Asthma-Erkrankung ausgefallen und auch aus der Rehabilitationsmaßnahme im Jahre 2002 als weiter arbeitsunfähig entlassen worden ist. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, inwiefern durch die vom Kläger vermisste Arbeitsplatzbesichtigung sich eineandere, für den Kläger günstigere Beurteilung seiner gesundheitlichen Situation und Leistungsfähigkeit ergeben hätte. Für eine entsprechende Ergänzung des Sachverständigengutachtens besteht unter diesen Umständen keine prozessuale Grundlage.

b) Bezogen auf die vorstehend dargestellten Arbeitsplatzverhältnisse muss in Übereinstimmung mit dem eingeholten Sachverständigengutachten davon ausgegangen werden, dass der Kläger die ihm zugewiesene und von ihm zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht ohne Gefährdung seiner Gesundheit ausüben kann.

(1) Unstreitig besteht beim Kläger eine Asthma-Erkrankung, welche auch keineswegs als ausgeheilt angesehen werden kann. Soweit der Kläger zuletzt behauptet hat, das Krankheitsbild habe sich zuletzt wesentlich verbessert, fehlt es hierfür an greibaren und objektivierbaren Anhaltspunkten. Weder hat der Kläger von veränderten Behandlungsmethoden, neueren medizinischen Erkenntnissen o.ä. berichtet, welche - anders als die ärztlichen Beurteilungen der Vergangenheit - auf eine positive Veränderung des Leistungsvermögens schließen lassen, noch kommt der Tatsache, dass zuletzt Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht mehr aufgetreten sind, unter den vorliegenden Umständen eine entsprechende Indizwirkung zu. In Anbetracht der Tatsache, dass nicht die Asthma-Erkrankung als solche die Einsatzfähigkeit des Klägers beeinträchtigt, vielmehr erst durch die Schadstoffexposition am Arbeitsplatz entsprechende Atemnot-Anfälle ausgelöst werden, muss nämlich davon ausgegangen werden, dass es zu konkreten Gesundheitsstörungen nicht mehr bzw. in deutlich geringerem Maß gekommen ist, seit der Kläger den Belastungen des Arbeitsplatzes nicht mehr ausgesetzt war. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger dann, wenn er seine Arbeit unter den bisherigen Bedingungen fortführen würde, ohne entsprechende Gesundheitsbeschwerden arbeiten könnte, weil sich der Gesundheitszustand dauerhaft geändert hätte, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dementsprechend kann die Aussagekraft des Sachverständigengutachtens nicht mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, der Gutachter habe veraltete Fremdbefunde berücksichtigt und selbst keine Anzeichen für eine fortbestehende Asthma-Erkrankung festgestellt.

(2) Richtig ist allerdings, dass - wie der Sachverständige ausgeführt hat - bereits das Entstehen eines Atemnotanfalls in der Regel durch den rechtzeitigen Einsatz geeigneter Medikamente - zum Beispiel des verordneten Sprays - unterdrückt werden kann. Dementsprechend käme theoretisch die Möglichkeit in Betracht, dass der Kläger seine Tätigkeit auf der Baustelle trotz der bestehenden Belastungsfaktoren fortführt und jeweils bei ersten Anzeichen für einen Asthmaanfall das verordnete Medikament einsetzt. Auf die Frage, ob ein solches Vorgehen als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden könnte, hat der Sachverständige jedoch ausdrücklich erklärt, dies erscheine aus ärztlicher Sicht nicht als vertretbar, da für diesen Fall eine weitergehende ernsthafte Gesundheitsschädigung in Form eines Lungenemphysems nicht auszuschließen sei. Unter Berücksichtigung des Präventionsgedankens müsse aus ärztlicher Sicht vielmehr die Exposition von Schadstoffen von vornherein vermieden werden.

Geht man also davon aus, dass beim Kläger unverändert eine nicht ausgeheilte Asthma-Erkrankung vorliegt, so kann eine angemessene Lösung der Krankheitsproblematik nicht darin gesehen werden, dass die Krankheitssymptome über das medizinisch indizierte Maß hinaus medikamentös unter Inkaufnahme nachteiliger Folgen unterdrückt werden. Dementsprechend fehlt es dem Arbeitnehmer nicht erst dann an der gesundheitlichen Eignung, wenn er die übertragene Aufgabe gar nicht mehr erledigen kann, vielmehr begründet auch bereits die Gefahr, dass bei Fortführung der Arbeit die Gesundheit geschädigt wird, die mangelnde gesundheitliche Eignung des Arbeitnehmers für die fragliche Tätigkeit. Allein die Tatsache, dass der Arbeitnehmer möglicherweise bereit ist, eine solche Gefahr hinzunehmen, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten, vermag den rechtlichen Beurteilungsmaßstab nicht zu verändern. Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, sehenden Auges hinzunehmen, dass der Arbeitnehmer trotz entgegenstehender medizinischer Bedenken eine für ihn gesundheitlich ungeeignete und damit schädliche oder jedenfalls ernsthaft gesundheitsgefährdende Tätigkeit fortführt und so seine Gesundheit "ruiniert".

c) Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass in Bezug auf die bislang vom Kläger ausgeübte Tätigkeit von einem Leistungsunvermögen des Klägers auszugehen ist.

2. Soweit der Kläger unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung und die Vorschrift des § 315 BGB geltend macht, die Beklagte sei gegebenenfalls verpflichtet gewesen, die Arbeitsbedingungen seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit anzupassen und so eine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit zu eröffnen, scheitert diese Überlegung jedenfalls daran, dass im Rahmen der arbeitsvertraglichen Tätigkeit als angestellter Obermonteur für eine reine Aufsichtstätigkeit unter Ausschluss der aufgeführten Belastungsfaktoren kein Raum ist. Vorliegend geht es nicht um rein organisatorische Maßnahmen mit dem Ziel, einzelne, krankheitsauslösende Tätigkeiten aus der Aufgabenstellung des Klägers herauszunehmen, vielmehr wäre zu einer leidensgerechten Beschäftigung eine grundlegende Änderung der Arbeitsaufgabe erforderlich, indem der Kläger - neben dem Bauleiter G1xxxxxxx - nur noch für Aufsichtstätigkeiten ohne körperliche Mitarbeit bei den konkreten Arbeitseinsätzen auf der Baustelle bzw. zu reinen Bürotätigkeiten verpflichtet wäre. Eine Verpflichtung zur Vertragsänderung kann jedoch aus der Vorschrift des § 315 BGB nicht hergeleitet werden (BAG, Urteil vom 06.12.2001 - 2 AZR 422/00; BAG, Urteil vom 23.01.2001 - 9 AZR 287/99 - AP Nr. 1 zu § 81 SGB IX).

3. Nach alledem scheitert der verfolgte Verzugslohnanspruch jedenfalls daran, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen weder die ihm konkret zugewiesene noch eine auf der Grundlage des Direktionsrechts zu ändernde Arbeitsleistung erbringen konnte.

II

Dem Kläger steht der verfolgte Zahlungsanspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu.

1. Zwar ist der Arbeitgeber nach § 81 SGB IX verpflichtet, den schwerbehinderten Arbeitnehmer behinderungsgerecht zu beschäftigen. Soweit dies nicht auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrags erfolgen kann, umfasst die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 81 SGB IX gegebenenfalls auch eine entsprechende Anpassung der Arbeitsvertragsbedingungen durch Vertragsänderung. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Verpflichtung, kann sich hieraus zu Gunsten des Arbeitnehmers ein entsprechender Schadensersatzanspruch ergeben, welcher auch entgangene Vergütungsansprüche umfasst (BAG, Urteil vom 04.10.2005 - 9 AZR 632/04 - bisl. n. v.; BAG, Urteil vom 03.12.2002 - 9 AZR 481/01 - AP Nr. 2 zu § 81 SGB IX; BAG, Urteil vom 23.01.2001 - 9 AZR 287/99 - AP Nr. 1 zu §81 SGB IX).

2. Die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch können vorliegend jedoch nicht festgestellt werden. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass bei der Beklagten ein freier Arbeitsplatz vorhanden sei, auf welchem er gegebenenfalls zu geänderten Vertragsbedingungen eingesetzt werden könnte. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass allein durch eine mögliche und der Beklagten zumutbare Änderung der bestehenden Arbeitsvertragsbedingungen eine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger geschaffen werden könnte. Für eine zusätzliche Aufsichtskraft auf der Baustelle besteht ersichtlich kein Bedarf. Diejenigen Tätigkeiten, bei welchen der Kläger den gesundheitsschädlichen Belastungsfaktoren ausgesetzt ist, lassen sich auch weder von gesundheitlich unbedenklichen Aufgaben abgrenzen, noch fallen die gesundheitsbelastenden Tätigkeiten nur in so geringem Maße an, dass eine leidensgerechte Beschäftigung etwa durch vereinbarte Teilzeitarbeit - unter Beschränkung auf Organisations- und Aufsichtstätigkeiten - ermöglicht werden könnte. Dann scheidet aber auch unter Berücksichtigung der strengen Anforderungen, welche sich für den Arbeitgeber aus der Verpflichtung zur leidensgerechten Beschäftigung schwerbehinderter Arbeitnehmer und der Notwendigkeit der Durchführung von Maßnahmen gem. § 84 SGB IX ergeben, die Feststellung aus, die Beklagte habe eine vorhandene Möglichkeit, dem langjährig beschäftigten Kläger sein Arbeitsverhältnis zu erhalten, vorwerfbar versäumt.

III

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen, da er unterlegen ist.

IV

Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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