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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 24.11.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 1415/05
Rechtsgebiete: TVG


Vorschriften:

TVG § 4 Abs. 5
Eine andere Abmachung i.S.d. § 4 Abs. 5 TVG, durch welche eine nachwirkende tarifliche Regelung ersetzt werden soll, setzt - unabhängig davon, ob eine entsprechende Regelung bereits vorab im Arbeitsvertrag getroffen werden kann - jedenfalls voraus, dass die Abmachung ihrem Inhalt nach auf eine Abänderung der tariflichen Regelung und deren vertragliche Ersetzung gerichtet ist. Im Arbeitsvertrag vereinbarte Ansprüche, welche dem Umfang nach hinter tariflich begründeten Ansprüchen zurückstehen und nach den Regeln der Anspruchskonkurrenz neben den nachwirkenden tariflichen Ansprüchen Geltung beanspruchen, können danach die Nachwirkung der Tarifnorm nicht beseitigen.
Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 06.04.2005 - 2 Ca 159/05 - teilweise abgeändert:

Auf den Hilfsantrag der Klägerin wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 881,73 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.12.2004.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin, welche aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages als Verkäuferin im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten tätig ist, die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2004.

Diesen Anspruch stützt die Klägerin zum einen auf die im Arbeitsvertrag getroffene Regelung und vertritt hierzu den Standpunkt, die verwendete Formulierung

"Diese Gratifikation ist eine jederzeit widerrufliche freiwillige Leistung, aus der ein Anspruch nicht hergeleitet werden kann."

sei wegen des gleichzeitigen Hinweises auf den freiwilligen und widerruflichen Charakter der Leistung intransparent und unterliege aus diesem Grunde den von der Rechtsprechung anerkannten Regeln des Widerrufsvorbehalts gemäß § 308 Ziff. 4 BGB. Da der verwendete Widerrufsvorbehalt den gesetzlichen Anforderungen nicht entspreche, stehe ihr die im Arbeitsvertrag vorgesehene Leistung in Höhe von einem vollen Monatsverdienst zu.

Zum anderen ergebe sich zumindest ein Zahlungsanspruch in Höhe von 62,5% der tariflichen Monatsvergütung aus dem vormals allgemeinverbindlichen und nunmehr nachwirkenden Tarifvertrag über Sonderzahlungen im Einzelhandel. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten stelle die im Arbeitsvertrag getroffene Regelung über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes keine "andere Abmachung" im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG dar, vielmehr erfordere die Ablösung des nachwirkenden Tarifvertrages eine nachträgliche, also nach Wegfall der zwingenden Wirkung des Tarifvertrages geschlossene Vereinbarung.

Durch Urteil vom 06.04.2005 (Bl. 29 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Rechtsstandpunktes weiter und beantragt,

das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 06.04.2005 - 2 Ca 159/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.563,-- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2004 zu zahlen;

hilfsweise

das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 06.04.2005 - 2 Ca 159/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 881,73 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist insoweit begründet, als es den tariflich gestützten Anspruch auf Zahlung einer anteiligen Jahressonderzahlung betrifft. Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin hingegen unbegründet.

I

In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil ergibt sich aus der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung kein Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation. Vielmehr hat die Beklagte mit der im Tatbestand wiedergegebenen Formulierung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein Rechtsanspruch auf die fragliche Leistung nicht besteht. Allein die Tatsache, dass die Leistung zugleich als widerruflich und freiwillig gekennzeichnet wird, führt unter Einbeziehung der weiteren Formulierung, dass ein Rechtsanspruch nicht besteht, zu keiner Unklarheit.

a) Diese Vertragsauslegung steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung der früher für Gratifikationsstreitigkeiten zuständigen 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts. Soweit im Verfahren 10 Sa 965/98 durch Urteil vom 16.04.1999 entschieden worden ist, die Klausel

"Der Arbeitgeber zahlt als freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung eine Weihnachtszuwendung."

sei mangels Eindeutigkeit allein im Sinne eines Widerrufsvorbehaltes auszulegen, fehlt es nach dem klaren Wortlaut der Klausel bereits an einem Hinweis auf das Fehlen eines Rechtsanspruchs. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber "freiwillig" eine Leistung erbringt, ist zum Ausschluss eines Rechtsanspruchs ohnehin nicht genügend (vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 28.04.2004 - 10 AZR 481/03 - AP Nr. 175 zu § 4TVG Ausschlussfristen).

b) Auch aus der - der Kammer erst nachträglich bekannt gewordenen - Entscheidung der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27.06.2005 - 6 Sa 29/05 -, nach welcher die Kombination eines Widerrufsvorbehalts mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt in vorformulierten Arbeitsbedingungen wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB die Unwirksamkeit beider Vorbehalte nach sich zieht, lässt sich für die hier vorliegende Vertragsklausel nichts herleiten. Ausweislich der genannten Entscheidung der 6. Kammer sah das dort verwendete Vertragswerk unter verschiedenen Ziffern und Sätzen sowohl einen Freiwilligkeitsvorbehalt als auch ein teils unbeschränktes, teils an bestimmte Voraussetzungen geknüpftes Widerrufsrecht vor, so dass sich insgesamt eine unklare und unverständliche Regelung ergab. Demgegenüber liegt hier eine einheitliche Vertragsklausel vor, deren Sinngehalt mit Rücksicht auf die Formulierung, dass ein Rechtsanspruch nicht besteht, auch für den juristischen Laien eindeutig ist.

c) Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht eine Klausel mit dem Wortlaut

"Angestellte erhalten als freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung, auf die auch zukünftig kein Rechtsanspruch besteht, zusätzlich die Differenz zu einem Monatsgehalt"

im Sinne eines hinreichend klar gefassten Freiwilligkeitsvorbehalts ausgelegt und zur Begründung ausgeführt, durch den Hinweis auf die jederzeitige Widerrufbarkeit der Leistung wolle die Beklagte lediglich klarstellen, dass es ihr jährlich freigestellt sein solle, die bislang freiwillig gewährten Zahlungen nicht mehr zu erbringen, sie also zu "widerrufen" (BAG, Urteil vom 26.03.1997 - 10 AZR 612/96 - AP Nr. 50 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).

d) Von dieser Beurteilung abzuweichen, sieht die Kammer keinen Anlass. Soweit in der zwischenzeitlich veröffentlichten Entscheidung des LAG Brandenburg (Urt. v. 13.10.2005 - 9 Sa 141/05 - DB 2006, 160) - abweichend von der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts - ausgeführt wird, eine derartige Klausel sei trotz des Hinweises auf den Ausschluss von Rechtsansprüchen als widersprüchlich anzusehen, überzeugt dies nicht. Unklar und widersprüchlich ist allein die gleichzeitige Erwähnung der Begriffe "freiwillig" und "widerruflich". Die so begründete Unklarheit wird jedoch - auch für den Laien verständlich - durch die nachfolgende Klarstellung beseitigt, dass ein Rechtsanspruch nicht besteht.

II

Der Klägerin steht jedoch auf der Grundlage des nachwirkenden, vormals allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über Sonderzahlungen im Einzelhandel ein Zahlungsanspruch in Höhe von 62,5% der tariflichen Vergütung zu, woraus sich ein - rechnerisch unstreitiger - Anspruch in Höhe von 881,73 € ergibt.

1. Unabhängig von der fehlenden Tarifgebundenheit der Klägerin und unabhängig vom Verbandsaustritt der Beklagten zum 31.12.1996 fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der seinerzeit für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag über Sonderzahlungen Anwendung. Die zwingende Wirkung des Tarifvertrages endete zwar mit dem Auslaufen des Tarifvertrages zum 31.01.2000, womit zugleich die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages entfiel. Hieran schloss sich jedoch die Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG an.

2. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist diese Nachwirkung nicht durch die im Arbeitsvertrag getroffene Regelung "verdrängt" worden.

a) Die Vorschrift des § 4 Abs. 5 TVG sieht nicht etwa ein Ende der Nachwirkung infolge einer "Verdrängungswirkung" vermeintlich "wiederauflebender" Vertragsvereinbarungen vor, sondern ordnet die Nachwirkung außer Kraft getretener tariflicher Regelungen bis zu dem Zeitpunkt an, zu dem "sie durch eine anderweitige Abmachung ersetzt werden". Schon hieraus - aus dem Wort "ersetzt" - ergibt sich in Übereinstimmung mit der h.M. die Notwendigkeit einer nachträglichen Änderung (BAG AP Nr. 10 zu § 3 TVG; ; Rieble, 2. Aufl., § 4 TVG Rz. 401; Stein, Tarifvertragsrecht Rz 38 mit FN 111; offen gelassen von BAG AP Nr. 26, 27 zu § 4 TVG Nachwirkung; differenzierend Wank in Wiedemann, 6. Aufl., § 4 TVG Rz 359). Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - DB 2005, 2305) sich der Auffassung angeschlossen, eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, welche die Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG ablösen solle, könne auch schon vor Eintritt der Nachwirkung abgeschlossen werden. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz der Privatautonomie, welche auch den Abschluss von Verträgen umfasse, welche erst in Zukunft Wirkung entfalten sollten. Allein der Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift stehe dem nicht entgegen.

b) Auch auf dieser Grundlage ergibt sich indessen kein abweichendes Ergebnis. Anders als nach dem Sachverhalt der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts fehlt es nämlich hier in inhaltlicher Hinsicht an einer vorweggenommen, auf Beseitigung der Nachwirkung gerichteten vertraglichen Regelung. Allein die Tatsache, dass der Arbeitsvertrag der Klägerin Leistungen vorsieht, welche von anderen als den tariflich maßgeblichen Voraussetzungen abhängig sind, bedeutet nicht, dass die vertragliche Regelung darauf gerichtet ist, die tarifliche Regelung zu dem Zeitpunkt, zu welchem sie ihre zwingende Wirkung einbüßt, zu ersetzen.

Die von der Beklagten vertretene Vorstellung, eine arbeitsvertragliche Regelung werde durch eine abweichende (günstigere) tarifliche Regelung für die Dauer der Geltung des Tarifvertrages "verdrängt", "lebe" sodann im Fall des § 4 Abs. 5 TVG "wieder auf" und stelle damit eine den nachwirkenden Tarifvertrag ablösende andere Abmachung dar, wird - ganz unabhängig von der Frage des Vereinbarungszeitpunkts - in rechtsdogmatischer Hinsicht dem Verhältnis zwischen Arbeitsvertrag und Tarifvertrag nicht gerecht.

Allein die Tatsache, dass ein Arbeitsvertrag ungünstigere Arbeitsbedingungen als ein (bei Vertragsschluss bereits geltender oder später das Arbeitsverhältnis ergreifender) Tarifvertrag vorsieht, führt nicht etwa zur "Tarifwidrigkeit" und damit zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages gemäß § 134 BGB - nichtig wäre allein eine Vertragsklausel über den Verzicht auf tarifliche Rechte. Vielmehr handelt es sich bei dem Nebeneinander von arbeitsvertraglicher und tariflicher Regelung um einen Fall der Anspruchskonkurrenz mit der Folge, dass die jeweils dem Arbeitnehmer günstigere Regelung praktische Geltung erlangt, ohne dass dies für die Rechtswirksamkeit der jeweils anderen Anspruchsnorm von Belang ist. Insoweit gilt nichts anderes als für das Verhältnis von vertraglicher und tariflich bestimmter Lohnhöhe und die Frage der "Anrechnung" übertariflicher Lohnbestandteile im Falle von Tariflohnerhöhungen. Auch insoweit handelt es sich allein um Fragen der Anspruchskonkurrenz zwischen vertraglich vereinbarter und tariflich geregelter Arbeitsvergütung (zutreffend Ramrath, DB 1990, 2593).

Die im Arbeitsvertrag getroffene Regelung, nach welcher auf die in Aussicht gestellte Gratifikation kein Rechtsanspruch bestehe, ist damit für den tariflich gestützten Rechtsanspruch auf Gewährung einer tariflichen Sonderzuwendung ohne jede Bedeutung. Auch wenn der Arbeitsvertrag einen Rechtsanspruch - etwa über eine Sonderzahlung von 500,-- € - vorsähe, würde durch eine tarifliche Regelung über eine Sonderzahlung in Höhe von 600,-- € der vertragliche Anspruch weder beseitigt noch vorübergehend suspendiert, sondern träte allein in seiner praktischen Bedeutung hinter den höheren tariflichen Anspruch zurück, und zwar bis zum vollständigen Wegfall des tariflichen Anspruchs bzw. der Kürzung auf ein geringeres als das arbeitsvertraglich vereinbarte Niveau.

Vorliegend ist allein durch das Außerkrafttreten des Tarifvertrages und das Ende der Allgemeinverbindlichkeit der tarifliche Anspruch nicht weggefallen, entfallen ist allein die Unabdingbarkeit, so dass durch Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien auf den nachwirkenden Tarifanspruch ganz oder teilweise hätte verzichtet werden können. Einen solchen Verzicht haben die Arbeitsvertragsparteien hier jedoch zu keinem Zeitpunkt - auch nicht im Vorhinein durch die im Arbeitsvertrag von Anfang an enthaltene "Freiwilligkeitsklausel", welche sich auf die in Aussicht gestellte vertragliche Gratifikationsleistung bezieht -, vereinbart. Die Frage, ob eine "andere Abmachung", welche den nur noch nachwirkenden tariflichen Anspruch beseitigen soll, bereits im Arbeitsvertrag - im Vorgriff auf den erwarteten Wegfall der zwingenden Wirkung - vereinbart werden kann, stellt sich danach überhaupt nur für den Fall, dass die arbeitsvertragliche Klausel ihrem Inhalt nach darauf gerichtet ist, die (ansonsten fortgeltende) tarifliche Regelung zu beseitigen. Ein solcher vertraglicher "Ablösungswille" liegt aber nicht schon darin, dass die Arbeitsvertragsparteien, ohne die tarifliche Regelung zu erwähnen, eine eigenständige Vertragsregelung vereinbaren, gleich ob diese inhaltlich der tariflichen Regelung entspricht oder von dieser in der einen oder anderen Richtung abweicht.

3. Soweit die Beklagte schließlich Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vorschrift des § 4 Abs. 5 TVG mit der Begründung erhebt, die zeitlich unbeschränkte, von der Beklagten als "Außenseiter" nicht zu beeinflussende und im Wege der Änderungskündigung praktisch kaum zu beseitigende Nachwirkung des Tarifvertrages verstoße gegen Verfassungsrecht, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Auch Rieble (§ 4 TVG Rz. 398), welcher von einer "unerträglich ewigen Nachwirkung" spricht, verweist auf den Umstand, dass die Tarifparteien selbst in der Lage sind, die Nachwirkung auszuschließen oder zeitlich zu begrenzen. Allein die Tatsache, dass die Beklagte - wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat - zum 31.12.1996 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist und sich so des möglichen Einflusses auf die weitere Entwicklung des Tarifgeschehens begeben hat, rechtfertigt nicht die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Weiter ist zu beachten, dass es im vorliegenden Zusammenhang um die Nachwirkung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages geht. Mit dem Instrument der Allgemeinverbindlichkeitserklärung sollen in einer Branche einheitliche Mindestarbeitsbedingungen gewährleistet werden. Von diesem - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Zweck wird auch die gleichermaßen für Verbandsmitglieder und Außenseiter geltende Nachwirkung des Tarifvertrages umfasst. Zum einen wird es in den Arbeitsverträgen - möglicherweise gerade wegen der Allgemeinverbindlichkeit bestimmter Branchentarifverträge - nicht selten an eigenständigen vertraglichen Regelungen fehlen, so dass ohne die gesetzlich angeordnete Nachwirkung die Gefahr einer entsprechenden "Inhaltsleere" der Arbeitsverträge bestünde. Zum anderen wäre es mit dem Ziel einheitlicher Mindestarbeitsbedingungen nicht vereinbar, in der Frage der Nachwirkung zwischen tarifgebundenen Parteien und Außenseitern zu unterscheiden. Das mit der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erstrebte Ziel deckt nicht allein die aktuelle, sondern auch die nachwirkende Geltung von Tarifnormen.

4. Über die Berechnung der Klageforderung besteht kein Streit.

II

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 2 ArbGG.

III

Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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