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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 62/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Zur Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer im Falle wiederholter Schlechtleistung (Unzuverlässigkeit bei Sicherheitsmontagen in der Automobilproduktion) zur Vermeidung einer Kündigung auf einen vertragsgerechten Arbeitsplatz mit geringerer Verantwortung umzusetzen.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 11.11.2004 - 3 Ca 793/04 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.02.2004 nicht mit Ablauf des 31.07.2004 beendet worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Montagearbeiter weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1966 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger, welcher aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages seit dem 28.03.1988 im Betrieb der Beklagten als Montagearbeiter gegen ein monatliches Bruttoeinkommen von zuletzt 2.501,50 € brutto beschäftigt ist und zuletzt in der Fertigmontage eingesetzt war, gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung vom 18.02.2004 mit Wirkung zum 31.07.2004.

Diese Kündigung stützt die Beklagte, welche in B2xxxx einen Betrieb der Automobil- Industrie unterhält, auf den im Wesentlichen unstreitigen Vorwurf, der Kläger habe am 02.02.2004 die ihm zugewiesene Operation "Verschraubung Sicherheitsgurte und Höhenversteller rechts" nicht ordnungsgemäß ausgeführt, indem er am Fahrzeug mit der Liniennummer 2284 die Schrauben am Aufrollautomat C-Säule und am Umlenkbeschlag nur lose angesetzt und diese anschließend, ebenso wie die Schrauben am bereits vormontierten Aufrollautomaten an der D-Säule nicht auf Drehmoment verschraubt habe. Gleichwohl habe der Kläger auf der Wagenbegleitkarte die Operation als "o.k." gestempelt. Nachdem dem Kläger bereits am 24.03.2003 der gleiche Fehler unterlaufen und ihm deshalb eine schriftliche Abmahnung erteilt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger nicht bereit und in der Lage sei, seine arbeitsvertraglichen Pflichten korrekt zu erfüllen. Eben aus diesem Grunde scheitere auch eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, da auch dort ein erhebliches Risiko weiterer Pflichtverletzungen bestehe.

Durch Urteil vom 11.11.2004 (Bl: 84 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den verfolgten Kündigungsfeststellungs- und Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die ausgesprochene Kündigung sei wegen der genannten arbeitsvertraglichen Schlechtleistung nach einschlägiger Abmahnung sozial gerechtfertigt. Unstreitig habe der Kläger, nachdem er wegen eines gleichartigen Verhaltens bereits am 27.03.2003 abgemahnt worden sei, erneut die von ihm auszuführende Sicherheitsoperation nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Hierin liege ein schuldhafter Pflichtenverstoß, ohne dass hierfür erforderlich sei, dass der Kläger bewusst oder wider besseren Wissens die von ihm durchzuführende Sicherheitsoperation mit dem Stempel "o.k." als durchgeführt bestätigt habe. Jedenfalls liege nämlich im Streitfall im erheblichen Maße ein fahrlässiges Verhalten vor, da der Kläger den Stempelvorgang nur habe durchführen dürfen, wenn er sich völlig sicher gewesen sei, tatsächlich die Sicherheitsoperation durchgeführt zu haben. Die Erklärung des Klägers, er sei durch einen Materialtransport abgelenkt worden, mildere den Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens nicht. Unter diesen Umständen sei weder eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Bereich von Sicherheitsoperationen noch an sonstigen Montagearbeitsplätzen dauerhaft zumutbar. Vielmehr müsse sich die Beklagte darauf verlassen können, dass auch Operationen außerhalb des Sicherheitsbereichs zuverlässig und ordnungsgemäß durchgeführt würden. Wie die wiederholten Pflichtverletzungen des Klägers bei der Erledigung von Sicherheitsoperationen zeigten, sei die Zuverlässigkeit des Klägers nachhaltig beeinträchtigt, wobei die relativ zeitliche Nähe zwischen den erheblichen Pflichtverletzungen eine nicht mehr hinzunehmende Wiederholungsgefahr belege. Angesichts dessen sei es der Beklagten nicht zuzumuten, den Kläger über die Kündigungsfrist hinaus - während welcher die Möglichkeit einer erhöhten Kontrolle bestanden habe - dauerhaft weiterzubeschäftigen. Ebenso wenig könne von der Beklagten die Einführung eines speziellen Sicherheitssystems, welches auf derartige Fehlleistungen reagiere, verlangt werden, vielmehr habe die Beklagte zu Recht bei ihrer Kündigungsentscheidung die vorhandene Arbeitsorganisation berücksichtigt. Auch unter Berücksichtigung von Alter, familiärer Situation und Betriebszugehörigkeit des Klägers müsse die Interessenabwägung unter diesen Umständen zu Lasten des Klägers ausgehen. Hierbei müsse insbesondere die Tatsache berücksichtigt werden, dass bei Nichtentdeckung des Fehlers erhebliche Folgen für spätere Fahrzeuginsassen bzw. für das Automobilwerk der Beklagten ein erheblicher Ansehensverlust eintreten könne. Allein die Tatsache, dass derartige Fehler gegebenenfalls noch bei der Qualitätskontrolle entdeckt würden, lasse das Interesse der Beklagten an der erforderlichen Zuverlässigkeit der in der Montage eingesetzten Arbeitnehmer nicht entfallen.

Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens gegen den Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung.

Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils handele es sich bei der aktuellen Fehlleistung des Klägers nicht um die Wiederholung eines bereits abgemahnten Verhaltens, vielmehr sei es aufgrund gänzlich anderer Umstände zu einem erneuten Fehler bei der Arbeit gekommen. In der Vergangenheit - vor Erteilung der ersten Abmahnung - sei es üblich gewesen, die Wagenbegleitkarte bereits zu einem Zeitpunkt zu stempeln, in welchem noch nicht alle Arbeitsschritte durchgeführt worden seien. Diese vorschriftswidrige Arbeitsweise habe der Kläger im Anschluss an die Abmahnung vom 27.03.2003 abgestellt. Die neuerliche Fehlleistung beruhe demgegenüber darauf, dass er bei seiner Arbeit durch eine Materialanlieferung abgelenkt worden sei, subjektiv aber beim Abstempeln der Wagenbegleitkarte in der Überzeugung gehandelt habe, die entsprechenden Arbeitsschritte tatsächlich vollzogen zu haben. Damit fehle es aber bereits am Erfordernis der "einschlägigen" Abmahnung.

Unabhängig hiervon verstoße die ausgesprochene Kündigung jedenfalls gegen den ultima-ratio-Grundsatz. Das Risiko entsprechender Fehlleistungen lasse sich nämlich ohne weiteres durch das Poka-Yoke-System, welches auch im Bereich der Lenkungsmontage einsetzt werde, vermeiden. Aufgrund entsprechender Programmierung des Systems lasse sich erreichen, dass eine Warnmeldung oder Bandabschaltung für den Fall erfolge, dass innerhalb der vorgegebenen Taktzeit der erforderliche Einsatz des Luftdruckschraubers unterbleibe. Auch der Betriebsrat habe bereits in der Vergangenheit die Einführung dieses Sicherheitssystems gefordert. Wenn die Beklagte gleichwohl - etwa aus Kostengründen - eine derartige Optimierung der Arbeitsorganisation versäume, müsse es ihr jedenfalls verwehrt werden, einen Mitarbeiter wegen solcher Fehlleistungen zu entlassen, welche bei entsprechender technischer Aufrüstung des Arbeitsplatzes vermieden bzw. rechtzeitig aufgedeckt worden wären. Auch der frühere Werksdirektor der Beklagten habe sich wiederholt für die Einrichtung eines solchen Sicherheitssystems eingesetzt.

Ein weiterer Verstoß gegen den ultima-ratio-Grundsatz liege im Übrigen darin, dass die Beklagte zu Unrecht die Möglichkeit einer innerbetrieblichen Umsetzung verneint habe. Unstreitig sei der Kläger nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrages nicht speziell für die Sicherheitsoperationen eingestellt und dementsprechend während der Kündigungsfrist mit der Operation "Montage Türabdichtung Vorder- und Hintertür" beschäftigt worden. Da es sich hierbei nicht um eine Sicherheitsoperation handele, fielen hier etwaige Montagefehler weit weniger ins Gewicht als am bisherigen Arbeitsplatz des Klägers. Der strenge Maßstab, welchen die Beklagte im Bereich der Sicherheitsmontagen anlege mit der Folge, dass schon einzelne Fehlleistungen trotz 16-jähriger Betriebszugehörigkeit der Beschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz entgegenstünden, könne jedenfalls nicht für sämtliche Arbeitsplätze im Betrieb gelten. Für die Einschätzung der Beklagten, das jetzt aufgetretene Fehlverhalten des Klägers rechtfertige ganz allgemein die Befürchtung, der Kläger werde bei einem Einsatz außerhalb der Sicherheitsmontagen es erst recht an der notwendigen Sorgfalt fehlen lassen, entbehre jeder Grundlage.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.02.2004 zum 31.07.2004 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger tatsächlich als Montagearbeiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend. Besonderes Gewicht erhalte das Fehlverhalten des Klägers gerade dadurch, dass er die unvollständige Verschraubung der Sicherheitsgurte in der Wagenbegleitkarte mit dem Stempel "o.k." versehen und so den Eindruck einer durchgeführten Arbeitskontrolle erweckt habe, obgleich er nach seinem eigenen Vorbringen keine ausreichende Grundlage dafür gehabt habe, von der Erledigung der Sicherheitsoperation überzeugt zu sein. Nicht die Unaufmerksamkeit des Klägers und die fehlende Arbeitserledigung stehe dementsprechend im Vordergrund, vorzuwerfen sei dem Kläger vielmehr der Verstoß gegen die Verpflichtung, auf der Wagenbegleitkarte die nicht durchgeführte Operation mit dem Stempel "nok" - also nicht ordnungsgemäß - zu versehen. Gerade auf der Grundlage des eigenen Vorbringens des Klägers müsse nämlich davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Wagenbegleitkarte bewusst falsch "o.k." abgestempelt habe. Gleich ob dem Kläger bewusst gewesen sei, dass er die Sicherheitsoperation nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe oder aber der Kläger insoweit lediglich unsicher gewesen sei, habe er auf der Wagenbegleitkarte nicht "o.k." stempeln dürfen. Aus welchem Grunde der Kläger angeblich - trotz der vorgetragenen Ablenkung - subjektiv überzeugt gewesen sein wolle, er habe die Arbeit korrekt erledigt, sei in keiner Weise nachvollziehbar. Zumindest liege damit eine Fahrlässigkeit in erheblichen Maße vor, da der Kläger sich beim Abstempeln nochmals durch den Kopf habe gehen lassen müssen, ob er tatsächlich die Arbeit korrekt abgeschlossen habe oder nicht.

Zu Unrecht ziehe der Kläger im Übrigen die Gleichartigkeit der neuerlichen Pflichtverletzung mit der früher abgemahnten Pflichtverletzung in Zweifel. In der vorangehenden Abmahnung werde nicht darauf abgestellt, aus welchem Grunde die Sicherheitsoperation unterblieben und gleichwohl die Wagenbegleitkarte mit "o.k." gestempelt worden sei. Damals wie jetzt gehe es vielmehr um den Vorwurf, dass der Kläger mit "o.k." gestempelt habe, obgleich die Operation nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.

Entgegen dem Standpunkt des Klägers sei die Beklagte auch nicht verpflichtet gewesen, zur Vermeidung möglicher Fehler am Arbeitsplatz des Klägers das Poka-Yoke-System einzuführen. Weder seien der Beklagten hiermit verbundene Kosten zumutbar - nach Behauptung der Beklagten belaufen sich diese allein für die hier maßgebliche Operation "Sicherheitsgurte an der C- und D-Säule" auf ca. 75.000,00 € ohne Installation eines Bandstopps und weitere 10.000,00 € bei der Installation eines zusätzlichen Bandstopps -, noch sei der hier aufgetretene Fehler überhaupt durch Einführung von Poka-Yoke-Schraubern zu vermeiden. Voraussetzung für eine automatisierte Warnmeldung sei nämlich, dass der Luftdruck-Schrauber überhaupt angesetzt werde, um den programmierten Warnvorgang gegebenenfalls auszulösen. Da der Kläger aber den Schrauber gar nicht angesetzt habe, würde selbst die Installation eines derartigen Sicherheitssystems den hier aufgetretenen Fehler nicht verhindert haben. Letztlich müsse es der Beklagten überlassen bleiben, an welchen Arbeitsplätzen sie ein solches Sicherheitssystem einführe. Nach der gegenwärtigen Betriebsorganisation sei die Installation des Poka-Yoke-Systems auf Operationen von höchster Sicherheitspriorität beschränkt, für die übrigen sicherheitsrelevanten Operationen habe die Beklagte das System der Wagenbegleitkarte eingeführt. Bei richtig ausgefüllter Wagenbegleitkarte seien Fehlleistungen der vorliegenden Art weitestgehend ausgeschlossen. Entgegen der Darstellung des Klägers komme es auch keineswegs häufig, sondern nur in äußerst geringem Umfang vor, dass erst in der Endkontrolle - trotz "o.k." gestempelter Wagenbegleitkarte - Sicherheitsmängel festgestellt würden. Hierüber werde ausnahmslos die Personalabteilung informiert, welche entsprechende Maßnahmen einleite. Die Darstellung des Klägers, vielfach erfahre die Personalabteilung von derartigen Vorgängen nichts, sei in keiner Weise zutreffend.

Entgegen dem Standpunkt des Klägers liege auch ein Verstoß gegen den ultima-ratio-Grundsatz nicht vor. Insbesondere könne der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, sie habe anstelle der ausgesprochenen Beendigungskündigung eine Versetzung des Klägers in einen nicht sicherheitsrelevanten Bereich vornehmen müssen. Auch wenn der Kläger nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrages umfassend in der Montage einsetzbar sei, könne von der Beklagten nicht erwartet werden, dass sie den Kläger, nachdem dieser bei der Erledigung von Sicherheitsoperationen in besonders gravierender Form seine vertraglichen Pflichten verletzt habe, nunmehr in einem Arbeitsbereich mit geringerer Verantwortung einsetze. Abgesehen davon, dass die Beklagte an sämtlichen Montagearbeitsplätzen auf korrekter Arbeitserledigung bestehen müsse, da die Kundschaft Qualität und Zuverlässigkeit der Marke Opel nicht allein in sicherheitsrelevanten Bereichen erwarte, bestehe beim Kläger ersichtlich ein gesteigertes Risiko von Fehlleistungen. Wenn der Kläger sich nämlich im Bereich der Sicherheitsoperationen, obgleich dort die erforderlichen Arbeitsschritte nebst Kontroll- und Dokumentationspflichten besonders detailliert ausgestaltet seien und die hier beschäftigten Mitarbeiter hierüber laufend belehrt und unterwiesen würden, über die bestehenden Vorgaben leichtfertig hinweggesetzt habe, sei ein verantwortliches Handeln des Klägers in weniger streng regulierten Arbeitsbereichen nicht zu erwarten. Wer sich bewusst über die - erkennbar aus Sicherheitsgründen geschaffenen - Arbeitsvorschriften hinwegsetze, sei insgesamt im Betrieb der Beklagten nicht mehr zuverlässig einsetzbar. Unter diesen Umständen müsse auch die erforderliche Interessenabwägung zu Lasten des Klägers ausgehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist begründet. Sie führt unter Abänderung der arbeitgerichtlichen Entscheidung zur antragsgemäßen Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht beendet worden ist. Weiter ist die Beklagte zur arbeitsvertragsgemäßen Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss verpflichtet.

I

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 18.02.2004 nicht beendet worden. Die ausgesprochene Kündigung verstößt gegen den ultima-ratio-Grundsatz und muss deshalb als sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG angesehen werden.

1. Die Kammer teilt allerdings den Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils, dass der Kläger, indem er das Festziehen der Schrauben versäumt und gleichwohl den Vorgang in der Wagenbegleitkarte als korrekt erledigt abgestempelt hat, in erheblichem Maße gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat.

Unabhängig davon, dass die Beklagte zusätzlich eine nachgelagerte Qualitäts- und Sicherheitskontrolle durchführt, dient das System der Wagenbegleitkarte nicht nur allgemein dazu, den mit der Montage befassten Arbeitnehmer zu einer besonders sorgfältigen Arbeitsweise anzuhalten. Mit dem Abstempeln als "o.k." erklärt der betreffende Arbeitnehmer vielmehr zugleich, sich von der Korrektheit der erledigten Arbeit überzeugt zu haben. Die so umschriebene Kontroll- und Dokumentationspflicht dient dabei ersichtlich der Gewährleistung der gebotenen Sicherheitsstandards durch eine formalisierte "Werker-Selbstkontrolle". Anders als die bloße Dokumentation der erledigten Arbeitsmenge - z.B. durch Führung einer Strichliste über die Anzahl verbauter Teile zwecks Anforderung von Materialnachschub - stellt sich danach die Dokumentationspflicht des Klägers nicht als begleitende Nebentätigkeit, sondern als gleichwertiger Teil der Haupt-Arbeitsaufgabe dar. Dies wird anschaulich durch die Tatsache belegt, dass der Kläger gegebenenfalls einen "nok"-Stempel anzubringen hat, wenn die Befestigung des Sicherheitsgurts nicht bzw. nicht vollständig erledigt ist oder hierüber eine gedankliche Unsicherheit besteht.

Wenn der Kläger also, nachdem er durch die Materiallieferung von der konzentrierten Arbeit abgelenkt war, die fragliche Montageoperation als korrekt erledigt abstempelte, obgleich ihm die Störung des Arbeitsablaufs als solche nicht verborgen geblieben war und gerade deshalb Anlass zu einer besonders gewissenhaften gedanklichen Kontrolle bestand, kann ihm der Vorwurf eines schweren Pflichtenverstoßes nicht erspart bleiben. Gerade wegen der sich in kurzer Taktfolge laufend wiederholenden Arbeitsschritte und der sich heraus ergebenden Gefahr routinebedingter Unaufmerksamkeiten wird mit dem System der Wagenbegleitkarte dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben und zur Aufgabe gemacht, bei geringsten Zweifeln an der vollständigen Durchführung der Montageoperation den Vorgang als "nok" zu stempeln. Inwiefern der Kläger trotz ausreichender Anspannung von Sinneskräften und Verantwortungsbewusstsein guten Gewissens von der korrekten Arbeitserledigung ausgehen und den Vorgang mit "ok" stempeln konnte, ist - in Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil - in keiner Weise nachvollziehbar.

2. Weiter stimmt die Kammer auch in der Einschätzung mit dem Arbeitsgericht überein, dass die Beklagte - unabhängig von den aufgeworfenen technischen Fragen und der anfallenden Kostenbelastung - nicht gehalten war, anstelle des gegenwärtigen Systems der "Werker-Selbstkontrolle" mittels Wagenbegleitkarte das Sicherheitssystem Poka-Yoke im Arbeitsbereich des Klägers einzuführen. Auch wenn man die Darstellung des Klägers als richtig unterstellt, dass auf diese Weise Fehler der vorliegenden Art rechtzeitig bemerkt und abgestellt worden wären und so ein höherer Sicherheitsstandard als nach dem vorhandenen Kontrollsystem gewährleistet wäre, besteht keine Rechtsgrundlage dafür, von der Beklagten die Einführung eines entsprechenden Sicherheitssystems zu verlangen bzw. wegen fehlender Ausschöpfung einer technisch möglichen Optimierung eine durch Fehlleistungen des Arbeitnehmers veranlasste verhaltensbedingte Kündigung als sozialwidrig anzusehen. Die Gestaltung der Arbeitsabläufe einschließlich der Einführung arbeitserleichternder und sicherheitssteigernder technischer Maßnahmen gehört - nicht anders als die Festlegung wirtschaftlicher Zielvorgaben - zur unternehmerischen Gestaltungsfreiheit, soweit gesetzliche Vorschriften nicht bestehen, ohne dass die Gerichte für Arbeitssachen ihrerseits dem Arbeitgeber weitergehende Vorgaben für die Produktionsweise machen können. Ob und an welchen Arbeitsplätzen der Arbeitgeber zur Vermeidung mangelhafter Produktion - einschließlich möglicher Sicherheitsmängel - automatisierte Prüf- und Meldeverfahren einführt, stellt sich als Zweckmäßigkeitsfrage dar. Der Schutz des Arbeitnehmers vor unberechtigter Entlassung durch das Kündigungsschutzgesetz reicht nicht so weit, dass der Arbeitnehmer vor den Folgen fehlerhafter Arbeit durch ein Höchstmaß an technischem Aufwand ohne Rücksicht auf Kostengesichtspunkte bewahrt wird. Das Sicherheitsmodell der Wagenbegleitkarte mit der Kontrolle und dem Abstempeln erledigter Arbeitsschritte ist jedenfalls nicht offensichtlich unzureichend und führt auch nicht per se zu einer Überforderung der beschäftigten Arbeitnehmer, erforderlich ist allein, dass der Arbeitnehmer die Verpflichtung zur Kontrolle und Dokumentation ebenso ernst nimmt wie die Montageaufgabe selbst und nur dann einen "o.k."-Stempel anbringt, wenn er den Umständen nach sicher sein kann und sicher ist, hiermit eine tatsächlich durchgeführte Operation zu bestätigen. Das Vorbringen der Parteien bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der vorgegebene Arbeitstakt lasse hierfür keinen Raum. Ebenso wenig kann aus der Tatsache, dass bei einer Taktzeit von 71 Sekunden ca. 50 Operationen je Stunde zu erledigen sind und dementsprechend Montage, Kontrolle und Dokumentation ein hohes Maß an Konzentration erfordern, hergeleitet werden, das vorhandene System der Sicherheitskontrolle führe zwangsläufig zu einer Überforderung der Arbeitnehmer, weswegen selbst ein wiederholtes Versagen keine Kündigungsrelevanz besitze. Gleich ob es durch Überforderung des öfteren - wie der Kläger vorträgt - oder nur äußerst selten - wie die Beklagte angibt - zu vergleichbaren Fehlern kommt, ist daran festzuhalten, dass das von der Beklagten praktizierte System der Wagenbegleitkarte geeignet, üblich und rechtlich nicht zu beanstanden ist. Allein die Möglichkeit, durch das Poka-Yoke-System ein höheres Maß an Sicherheit zu erzielen und zugleich die Arbeitnehmer vor den Gefahren von Fehlleistungen zu bewahren, genügt nach alledem nicht für die Annahme, die Kündigung verstoße wegen fehlender Optimierung der Produktionskontrolle gegen das ultima-ratio-Prinzip.

3. Auch wenn man auf dieser Grundlage dem Standpunkt der Beklagten folgt, dass ein weiterer Einsatz des Klägers am bisherigen Arbeitsplatz bzw. im Bereich anderweitiger Sicherheitsoperationen ausscheidet, nachdem es zum zweiten Mal zu einer schuldhaften Arbeitsvertragsverletzung bei der Ausfüllung der Wagenbegleitkarte gekommen ist, macht dies die Prüfung nicht entbehrlich, inwiefern eine Kündigung durch Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes vermieden werden kann, an welchem entsprechend hohe Anforderungen nicht bestehen.

a) Der ultima-ratio-Grundsatz, nach welchem eine Kündigung erst als letztes Mittel in Betracht kommt und dementsprechend grundsätzlich die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem geeigneten - freien oder im Wege der Umsetzung freizumachenden - Arbeitsplatz zu prüfen ist, beschränkt sich nicht auf den Fall der betriebsbedingten Kündigung, sondern gilt umfassend für sämtliche Formen der arbeitgeberseitigen Kündigung einschließlich der Kündigung, welche auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützt werden (KR-Etzel, 7. Auflage, § 1 KSchG, Rz. 305 ff.). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat nämlich der Arbeitgeber vor jeder Beendigungskündigung zu prüfen, ob eine Umsetzung oder Versetzung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz möglich und zumutbar ist (BAG, Urteil vom 16.01.1997, RzK I 5 i Nr. 124; Urteil vom 31.03.1993 -EzA § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 5; KR-Etzel a.a.O. Rz. 406).

Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung auf der Grundlage einer Umsetzung oder Versetzung steht dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung allerdings nur dann entgegen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Arbeitnehmer bei einem Einsatz auf diesem anderen Arbeitsplatz das beanstandete Verhalten nicht fortsetzen wird. Steht dagegen die vom Arbeitnehmer begangene Pflichtverletzung in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem wahrzunehmenden Aufgabenbereich, so wird durch eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz in aller Regel die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Es hängt daher maßgeblich von der Art der jeweiligen Pflichtverletzung ab, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen - freien bzw. durch Umsetzung problemlos freizumachenden - Arbeitsplatz möglich und zumutbar ist (KR-Etzel, a.a.O., Rz. 407; BAG, Urteil vom 22.07.1982 - EzA § 1 KSchG Verhaltenbedingte Kündigung Nr. 10).

b) Wie vorstehend ausgeführt, ist der bislang vom Kläger inne gehabte Arbeitsplatz durch besonders gesteigerte Sorgfaltsanforderungen gekennzeichnet. Dies ergibt sich zum einen aus der Bedeutung der Sicherheitsoperation (Montage von Sicherheitsgurten) im Hinblick auf mögliche Folgen unbemerkt gebliebener Produktionsmängel. Zum anderen zeigen sich die besonderen Arbeitsplatzanforderungen auch bei der Kontroll- und Dokumentationspflicht des Arbeitnehmers, der mit seinem Stempel entweder die ordnungsgemäße Durchführung und Kontrolle des Arbeitsergebnisses bestätigt oder durch Anbringung des "nok"-Stempels die Notwendigkeit einer Nachkontrolle oder Nacharbeit dokumentiert.

Eben diese besonders hohen Anforderungen an die Sorgfalt und Zuverlässigkeit der bei Sicherheitsoperationen eingesetzten Arbeitnehmer rechtfertigt es, auch bereits bei einer geringen Anzahl von Fehlleistungen während einer langjährigen Beschäftigungsdauer vom Einsatz des Arbeitnehmers in diesem Arbeitsbereich abzusehen. Da der Kläger indessen nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrages nicht speziell für Sicherheitsoperationen eingestellt ist, sondern - ohne dass sich dies notwendig auf die Höhe der Arbeitsvergütung auswirkt - auch in anderen Montagebereichen ohne Sicherheitsoperationen eingesetzt werden kann, war die Beklagte gehalten, eine Beschäftigung des Klägers als Monteur außerhalb von Sicherheitsoperationen in Erwägung zu ziehen.

Wie bereits der Umstand belegt, dass der Kläger während der Dauer der Kündigungsfrist - also ca. fünf Monate - im Bereich der Türdichtungsmontage eingesetzt worden ist, scheitert eine solche Umsetzung nicht etwa am Fehlen eines freien Arbeitsplatzes. Vielmehr ist den Umständen nach davon auszugehen, dass die Beklagte die bislang vom Kläger besetzte Position im Bereich der Sicherheitsoperationen nicht eingespart, sondern durch Umsetzung eines anderen Monteurs neu besetzt hat mit der Folge, dass durch einen direkten oder indirekten Arbeitsplatztausch ein Beschäftigungsbedarf im Bereich der Nicht-Sicherheitsoperationen vorhanden war, wo sodann der Kläger eingesetzt werden konnte. Die Beklagte hat zur Begründung dafür, dass sie zu einer dauerhaften Beschäftigung des Klägers als Monteur ohne Sicherheitsoperationen nicht bereit sei, auch nicht etwa auf fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten, sondern darauf verwiesen, dass - erst Recht - bei einer Umsetzung des Klägers auf einen weniger verantwortungsvollen Arbeitsplatz die Gefahr nicht hinnehmbarer Schlechtleistungen bestehe. Auch das Arbeitsgericht ist dieser Einschätzung gefolgt und hat dementsprechend die Verpflichtung der Beklagten, die ausgesprochene Kündigung durch eine Umsetzung zu vermeiden, mit der Erwägung verneint, die Beklagte müsse sich darauf verlassen können, dass auch andere als Sicherheitsoperationen zuverlässig und ordnungsgemäß durchgeführt würden. Die zutage getretenen Pflichtverletzungen zeigten, dass die Zuverlässigkeit des Klägers erheblich beeinträchtigt sei, wobei die relative zeitliche Nähe zwischen den Pflichtverletzungen eine nicht mehr hinzunehmende Wiederholungsgefahr anzeige.

c) Diese Ausführungen berücksichtigen nach Auffassung der Kammer nicht in ausreichendem Maße die unterschiedlichen Arbeitsplatzanforderungen im Bereich der Sicherheitsoperationen einerseits und sonstiger Montagetätigkeiten andererseits.

(1) Richtig ist zwar, dass jeden Monteur die Verpflichtung zu korrekter und zuverlässiger Arbeit trifft und dass wiederholte Pflichtverletzungen nach Abmahnung zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung geeignet sind. Hieraus folgt aber nicht, dass ein Arbeitnehmer, welcher an einem Arbeitsplatz mit gesteigerten Zuverlässigkeitsanforderungen versagt hat, von vornherein auch für den Einsatz an einem anderen Arbeitsplatz ungeeignet ist. Handelt es sich bei den aufgetretenen Pflichtverletzungen um solche, welche an jedem anderen Arbeitsplatz ebenso gut auftreten und ebenso schwere Folgen nach sich ziehen könnten, fehlt es allerdings am kausalen Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Pflichtverletzung mit der Folge, dass die Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz als milderes Mittel zur Vermeidung der Kündigung ungeeignet ist (KR-Etzel a.a.O.). Stehen hingegen die aufgetretenen Pflichtverletzungen mit den spezifischen Arbeitsplatzanforderungen in Zusammenhang, so bedarf es der Prüfung, inwiefern an einem anderen geeigneten und vorhandenen Arbeitsplatz ebenfalls Arbeitsvertragsverletzungen von kündigungsrelevantem Gewicht nicht auszuschließen sind.

(2) Dabei kann allerdings nicht zum Maßstab genommen werden, dass der Kläger in seiner 16-jährigen Beschäftigungszeit insgesamt nur zwei Fehlleistungen erbracht hat, welche im Bereich der Sicherheitsoperationen Kündigungsrelevanz besitzen, hingegen bei sonstigen Montagetätigkeiten vom Arbeitgeber durchweg hingenommen werden müssten, weil jeder Arbeitnehmer in gewissem Maße Fehler macht. Maßgeblich ist vielmehr die Art der Pflichtverletzung. Schon hieraus kann sich nämlich im Einzelfall ergeben, dass bereits ein einmaliger Vorfall oder eine einzelne wiederholte Pflichtverletzung nach einschlägiger Abmahnung der Weiterbeschäftigung an jedem Arbeitsplatz im Betrieb entgegensteht.

(3) Träfe allerdings die Einschätzung der Beklagten zu, der Kläger habe durch seinen erneuten Pflichtverstoß gezeigt, dass er sich bewusst über bestehende (Sicherheits-) Regeln hinwegsetze und nicht bereit oder nicht in der Lage sei, sich an die produktionsnotwendigen Vorgaben zu halten, weswegen erst recht bei einer weniger verantwortungsvollen Beschäftigung mit Fehlleistungen des Klägers zu rechnen sei, so wäre in der Tat eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch außerhalb von Sicherheitsoperationen über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Müsste die Beklagte jederzeit damit rechnen, dass der Kläger aus Uneinsichtigkeit, Unwilligkeit oder Unfähigkeit vorgegebene Arbeitsabläufe oder Weisungen der Vorgesetzten übergeht mit der Folge, dass etwa Türdichtungen falsch montiert oder Karosserieteile aus bewusster Nachlässigkeit nicht korrekt festgeschraubt werden, so würde durch eine Umsetzung die fehlerhafte und unverantwortliche Arbeitsweise nur von einer Abteilung in die andere verlagert.

(4) Die Einschätzung der Beklagten, das vom Kläger zuletzt gezeigte Fehlverhalten belege zweifelsfrei, dass der Kläger nicht bereit oder nicht in der Lage sei, sich an zentrale Arbeitsvorschriften zu halten, wird indessen durch das konkret festgestellte Fehlverhalten des Klägers nicht gestützt. Während das frühere, von der Abmahnung erfasste Fehlverhalten des Klägers in der Tat im Sinne eines leichtfertigen und erkennbar gegen den Sinn der Anweisungen verstoßenden Verhaltens gewürdigt werden konnte, indem Kläger - wie auch seine Kollegen - vorab nicht erledigte Arbeitsgänge mit dem "o.k."-Stempel versah und so die angestrebte Kontrollfunktion der Wagenbegleitkarte zunichte gemacht wurde, hat der Kläger hier - zweifellos pflichtwidrig - einen Arbeitsvorgang als erledigt abgestempelt, obwohl er den Umständen nach keine ausreichende Grundlage für die subjektive Sicherheit besitzen konnte, er habe den Sicherheitsgurt korrekt angeschraubt. Ohne dass hiermit das Gewicht der Pflichtverletzung und das erhebliche Verschulden des Klägers abgeschwächt werden sollen, ist doch festzuhalten, dass von einem "bewussten Hinwegsetzen" über die vom Arbeitgeber vorgegebenen Abläufe nicht ausgegangen werden kann. Der Kläger hat nicht etwa vorsätzlich gegen die bestehenden Regeln verstoßen, indem er - etwa wegen der Lästigkeit der vorgeschriebenen Arbeitsweise - den "o.k."-Stempel angebracht hat, obgleich er wusste oder billigend in Kauf nahm, dass diese Dokumentation den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprach. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass der Kläger beim Abstempeln der Wagenbegleitkarte im Sinne bewusster Fahrlässigkeit in der Vorstellung gehandelt hat, möglicherweise sei es zwar zu einer Fehlleistung gekommen, gleichwohl sehe er von einer entsprechenden Kennzeichnung in der Erwägung ab, "es werde schon gut gehen", das Risiko einer für möglich erachteten Unrichtigkeit der Dokumentation sei hinnehmbar, da ohnehin noch eine Endkontrolle stattfinde. Vielmehr muss auf der Grundlage des nicht zu widerlegenden Klägervortrages davon ausgegangen werden, dass er in der Tat durch den Materialtransport abgelenkt war und - zweifellos vorwerfbar - seine Einschätzung, er habe die Schrauben bereits angezogen, vor der Dokumentation nicht noch einmal überprüft hat. Die Wertung der Beklagten, der Kläger habe sich bewusst über die bestehenden Vorschriften hinweggesetzt und werde diese Haltung erst recht bei einer weniger verantwortungsvollen Aufgabenstellung zur Geltung bringen, entbehrt damit einer nachvollziehbaren Grundlage und ist jedenfalls nicht durch entsprechende Indiztatsachen zu belegen. Im Gegenteil wäre bei einer derartigen Arbeitseinstellung des Klägers, wie sie die Beklagte hier annimmt, mit Sicherheit davon auszugehen, dass es in der Vergangenheit in weit höherem Maße zu Fehlleistungen des Klägers gekommen wäre, wenn dieser grundsätzlich seine Kontroll- und Dokumentationsaufgabe so leichtfertig gehandhabt hätte, wie dies von der Beklagten unterstellt wird. Auch im Hinblick auf die bestehende Beweislastverteilung muss damit im Zweifel zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass kein bewusster Verstoß gegen die bestehenden Arbeitsanweisungen vorgelegen hat. Davon, dass der Kläger eine unrichtige Dokumentation durch Falschabstempeln der Wagenbegleitkarte mit Eventualvorsatz oder bewusster Fahrlässigkeit vorgenommen hat, kann nach alledem nicht ausgegangen werden.

(5) Auf dieser Grundlage erweist sich aber die Einschätzung der Beklagten, bei einem Einsatz des Klägers an einem anderen Arbeitsplatz müsse zumindest mit vergleichbaren oder gar mit vermehrten Fehlleistungen gerechnet werden, weil dem Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit fehle, als unberechtigt. Berücksichtigt man weiter, dass der Kläger, wenn er auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarung bereits in der Vergangenheit im Bereich der nicht sicherheitsrelevanten Operationen eingesetzt worden wäre, nach 16-jähriger Betriebszugehörigkeit wohl kaum wegen einer wiederholten fahrlässigen Pflichtverletzung nach einschlägiger Abmahnung zur Kündigung vorgesehen worden wäre, so wird auch hieran deutlich, dass die unterschiedlichen Arbeitsplatzanforderungen im Bereich der Sicherheitsoperationen einerseits und der übrigen Montagearbeiten andererseits allein die Entscheidung der Beklagten tragen, den Kläger nicht mehr im Sicherheitsbereich einzusetzen. Die volle Überzeugung, der Kläger könne überhaupt nicht mehr ohne die gesteigerte Gefahr von Schlechtleistungen als Montagearbeiter im Betrieb eingesetzt werden, kann die Kammer unter den hier vorliegenden Umständen hingegen nicht gewinnen.

II

Aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt sich zugleich die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Montagearbeiter weiterzubeschäftigen.

III

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist.

IV

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere weicht die Kammer nicht von den rechtlichen Maßstäben ab, welche die 18. Kammer im Verfahren LAG Hamm 18 Sa 1942/99 ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Nach dem von der 18. Kammer festgestellten Sachverhalt hatte der dortige Kläger das erneut versäumte Festziehen der Befestigungsschrauben zunächst nur allgemein mit einer "Unkonzentriertheit" erklärt und sich erst später darauf berufen, möglicherweise seien die Schrauben bei einer nachträglichen Demontage gelöst worden. Den letztgenannten Vortrag hat das Arbeitsgericht - wie aus der Berufungsentscheidung ersichtlich - zu Recht als verspätet zurückgewiesen, weswegen im zweiten Rechtszuge allein das Verteidigungsvorbringen des Klägers zur "Unkonzentriertheit" zu berücksichtigen war. Wenn die 18. Kammer unter diesen Umständen in jenem Verfahren zu der Auffassung gelangt ist, das Verhalten des Klägers sei grob fahrlässig gewesen, der Kläger habe die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, indem er ohne jedwede Überlegung die Arbeit als korrekt erledigt abgestempelt habe, und das Gericht auf der Grundlage dieser Bewertung zu der weiteren Überzeugung gelangt ist, auch im Falle einer Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz sei wegen der Unkonzentriertheit und Leichtfertigkeit des Klägers mit weiteren Schlechtleistungen zu rechnen, so steht dies schon aus rein tatsächlichen Gründen mit der hier vorgenommenen Würdigung nicht in Widerspruch.



Ende der Entscheidung

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