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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.05.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 80/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, EFZG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 611
EFZG § 3
ZPO § 138 Abs. 2
Einzelfallentscheidung zum Anspruch auf Verzugslohn.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 14.12.2005 - 4 Ca 639/05 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand:

Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Zahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit von Januar 2002 bis Dezember 2004 (36 Monate).

Diesen Anspruch stützt der Kläger, welcher selbst bis zum Jahre 2000 Inhaber eines Transportunternehmens war und anschließend den Betrieb aus Insolvenzgründen auf die Beklagte als seine damalige Lebensgefährtin übertragen hatte, auf den Vortrag, er habe, obgleich er durchgängig vom 10.10.2001 bis zum 03.03.2003 von seinem Hausarzt arbeitsunfähig krankgeschrieben war, seine arbeitsvertragliche Aufgabe - die betriebswirtschaftliche und technische Leitung des Transportunternehmens - in Abstimmung mit der Beklagten fortgeführt und sogar auch einzelne Touren selbst gefahren. Nachdem die Beklagte am 15.03.2003 aus der gemeinsamen Wohnung der Parteien ausgezogen und dem Kläger unter dem 18.03.2003 verboten habe, das Betriebsgelände zu betreten sowie den Fahrern Anweisungen zu geben, befinde sich die Beklagte in Annahmeverzug. Insgesamt stehe ihm damit für 36 Monate ein Betrag von 30.194,77 € brutto zu. Hierauf lässt sich der Kläger die im Anspruchszeitraum bezogene Grundsicherung des Sozialamtes in Höhe von insgesamt 12.816,00 € anrechnen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Die Kammer folgt dem zutreffend begründeten arbeitsgerichtlichen Urteil. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Entscheidung.

I

Dem Kläger steht der verfolgte Lohnanspruch weder als erdiente Arbeitsvergütung, noch als Krankenlohn, noch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu.

1. Dies gilt zunächst für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 03.03.2003, währenddessen der Kläger unstreitig vom behandelnden Arzt arbeitsunfähig krankgeschrieben war.

a) Soweit der Kläger vorträgt, er habe trotz seiner Arbeitsunfähigkeit weiterhin Aufgaben der Betriebsleitung erledigt und auch einzelne Touren gefahren, kann nicht von einem hinreichend substantiierten Vortrag ausgegangen werden, welcher einen Lohnanspruch nach § 611 BGB in bestimmter Höhe rechtfertigt. Eine vollschichtige Tätigkeit im Sinne einer uneingeschränkten Erfüllung seiner Arbeitspflicht trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit will der Kläger ersichtlich selbst nicht vortragen, konkrete Angaben, an welchem Tag der Kläger während welcher genauen Arbeitszeit tätig geworden sein will, liegt nicht vor.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Kläger während des genannten Zeitraums eine Lebensgemeinschaft mit der Beklagten führte, in deren Rahmen die Beklagte den Kläger zeitweilig gegen entsprechende Pflegegeldleistung der Krankenkasse versorgte, und der Kläger selbst Leistungen des Sozialamtes bezog. Wenn der Kläger unter diesen Umständen trotz der ärztlich bestätigten Arbeitsunfähigkeit die Beklagte bei der Führung des Transportbetriebes unterstützte, indem er etwa Telefonate führte, Fahrern Anweisungen erteilte oder bei einzelnen Touren einsprang, so sind diese Tätigkeiten unter den vorliegenden Umständen nicht ohne weiteres als Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht anzusehen - diese war für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen -, vielmehr spricht eine gelegentliche Tätigkeit des Klägers eher für eine Mithilfe im Betrieb der Lebensgefährtin auf der Grundlage der bestehenden Lebensgemeinschaft, wie sie unter Eheleuten nicht selten auf familienrechtlicher Grundlage geleistet wird. Grundlage dafür, dass der Kläger das früher von ihm selbst geführte Unternehmen auf die Beklagte übertragen hatte, war erklärtermaßen das Ziel, das Unternehmen bzw. die vorhandenen Betriebsmittel (LKW) nicht an die ihn bedrohenden Gläubiger fallen zu lassen, sondern seiner Lebensgefährtin und sich die Existenzgrundlage zu sichern. Dem entspricht auch die getroffene Vergütungsvereinbarung, nach welcher der Kläger als Betriebsleiter lediglich einen Bruttoverdienst von seinerzeit 1.200,00 DM nebst Zuschuss zur privaten Krankenversicherung erhielt. Wenn der Kläger alsdann aus gesundheitlichen Gründen zur regulären Arbeitsleistung nicht mehr in der Lage war, Sozialhilfe bezog und von seiner Lebensgefährtin gepflegt wurde, so können die vom Kläger etwa erbrachten Dienstleistungen den Umständen nach nicht als vergütungspflichtige Tätigkeit angesehen werden.

b) Entgeltfortzahlungsansprüche scheiden für den genannten Zeitraum aus, nachdem der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum des § 3 EFZG zu Beginn des Jahres 2002 bereits abgelaufen war.

c) Ebenso scheiden für den vorgenannten Zeitraum Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges aus. Jedenfalls bis zum Auszug der Beklagten aus der gemeinsamen Wohnung bzw. bis zu dem späteren Hausverbot können die etwa vom Kläger erledigten Einzeltätigkeiten aus den dargestellten Gründen weder im Sinne entgeltlicher Arbeitsleistung noch im Sinne eines umfassend zu verstehenden, auf die Zukunft gerichteten Arbeitsangebots gewertet werden. Im Übrigen war die Beklagte zur Annahme der Arbeitsleistung ohnehin nicht verpflichtet, solange der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einreichte. Legt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, so ergibt die Auslegung ohne weiteres, dass die Arbeitsleistungen gerade nicht angeboten, sondern eine krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung geltend gemacht werden soll.

2. Für die Zeit ab dem 03.03.2004 hat der Kläger allerdings keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Allein aus der Nicht-Vorlage einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung folgt jedoch keine Änderung der tatsächlichen Gegebenheiten. Der Kläger trägt selbst nicht vor, er habe gegenüber der Beklagten erklärt, nunmehr sei er von der vorangehenden Erkrankung genesen, wieder arbeitsfähig und wolle seine reguläre, arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit anbieten.

3. Soweit es schließlich den Zeitraum ab dem 18.03.2003 betrifft, verweist der Kläger zwar zu Recht auf die Tatsache, dass wegen des erklärten Hausverbots, das Betriebsgelände zu betreten, ein tatsächliches Arbeitsangebot entbehrlich war. Gleichwohl steht dem Kläger kein Lohnanspruch zu, da der Kläger nicht arbeitsfähig war.

a) Auch wenn man im Grundsatz davon ausgeht, dass im fortbestehenden Arbeitsverhältnis die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers den Arbeitgeber trifft, kann sich die Überzeugung von der Richtigkeit des arbeitgeberseitigen Einwandes schon aus Indiztatsachen ergeben.

b) Vorliegend ist zu beachten, dass der Kläger immerhin seit Oktober 2001 bis zum 03.03.2003 arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Mit Rücksicht auf Dauer und S5xxxxx der Erkrankung kann der Umstand, dass der Kläger für die Folgezeit keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr vorgelegt hat, nicht ohne weiteres damit erklärt werden, die Krankheit sei nunmehr ausgeheilt und die hierauf gestützte Arbeitsunfähigkeit beendetet. Dementsprechend war es hier Sache des Klägers, im Rahmen der "sekundären Darlegungslast" gemäß § 138 Abs. 2 ZPO seinen Vortrag zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit durch nähere Angaben zum erfolgreichen Heilungsverlauf zu konkretisieren. Das hierzu im zweiten Rechtszuge vorgelegte Attest des Dr. H5xxxxxxx belegt indessen gerade nicht, dass der Kläger bereits im Jahre 2004 seine Arbeitsfähigkeit wieder erlangt hatte. Die Bescheinigung vom 21.02.2006 beschreibt vielmehr, dass der Kläger an einer "chronisch degenerativen Erkrankung des Nervensystems" leidet, welche eine dauernde Therapie erforderlich mache. Bescheinigt wird allein, dass es "in der letzten Zeit zu einem Stillstand der Symptomverschlechterung gekommen" sei. Hieraus muss gefolgert werden, dass nicht etwa eine Ausheilung oder auch nur Verbesserung der Symptomatik stattgefunden hat, lediglich eine weitere Verschlechterung der Symptomatik ist ausgeblieben, der vorangehende Prozess der "Symptomverschlechterung" zum Stillstand gekommen. Die nachfolgende Beurteilung des Arztes, "zur Zeit" werde der Patient als für die Beschäftigung im Bürobereich arbeitsfähig angesehen, kann unter diesen Umständen keinesfalls als Grundlage für die Schlussfolgerung dienen, bereits lange zuvor, nämlich ab dem 18.03.2003 sei der Kläger wieder arbeitsfähig gewesen. Erst recht lässt die vorgelegte Bescheinigung nicht die Würdigung zu, der behandelnde Arzt habe bereits zu diesem Zeitpunkt den Kläger für arbeitsfähig gehalten und eben aus diesem Grunde eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Folgezeit nicht ausgestellt. Träfe dieser Standpunkt zu, wäre unverständlich, dass der behandelnde Arzt von einer Stabilisierung erst "in der letzten Zeit" berichtet.

c) Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Arbeitsfähigkeit des Klägers im Anspruchszeitraum war unter den vorliegenden Umständen kein Raum. Weder macht der Kläger nähere Angaben zu Krankheitsursachen, Behandlungsmethoden und Heilungsverlauf, noch lässt sich seinem Vorbringen entnehmen, aufgrund welcher Umstände die frühere Erkrankung - abweichend von der damaligen und aktuellen Beurteilung des Hausarztes - in Wirklichkeit schon seit mehreren Jahren ausgeheilt und seine Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt gewesen sei. Auch wenn vom Kläger als Laien keine fundierten fachmedizinischen Aussagen erwartet werden können, kann es doch andererseits nicht genügen, dass der Kläger ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit - im Gegensatz zum Inhalt des vorgelegten Attestes - ab einem früheren Zeitpunkt behauptet. Zwar ist es dem Kläger im Prozess nicht grundsätzlich versagt, ggfls. auch eine Fehldiagnose der ihn behandelnden Ärzte zu behaupten. Auch insoweit fehlt es jedoch im Klägervortrag an entsprechenden Anhaltspunkten, worauf er als Laie seine abweichende Überzeugung von einer vorzeitigen Genesung stützt. Allein die Tatsache, dass der Kläger nach seiner Behauptung schon während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeitsdauer gelegentlich Touren gefahren hat, stellt nicht einmal ein Indiz dafür dar, dass er - entgegen der damaligen und aktuellen Einschätzung des Dr. H6xxxxxx - zu diesem Zeitpunkt oder jedenfalls noch im Jahre 2004 seine Arbeitsfähigkeit in vollem Umfang wiedererlangt hatte. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Kläger nach seiner Behauptung - in nicht näher bezeichnetem Umfang - Bürotätigkeiten erledigt, Telefonate geführt und Anweisungen erteilt hat. Da das Gesetz eine Teil-Arbeitsunfähigkeit nicht kennt, kann die Tatsache, dass der Kläger nach Bedarf bestimmte Tätigkeiten für die Beklagte entfaltet hat, nicht als Beleg dafür dienen, in Wahrheit sei seine Arbeitsfähigkeit uneingeschränkt ab dem 18.03.2003 wieder hergestellt gewesen. Mangels irgendwelcher plausibler Anhaltspunkte, welche die Richtigkeit der vom Kläger selbst vorgelegten Bescheinigung des Dr. H6xxxxxx infrage stellen könnten, liefe die vom Kläger beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.

d) In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil ist vielmehr festzuhalten, dass auch für die Zeit vom 18.03.2003 bis zum 31.12.2004 keine Anhaltspunkte für die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit des Klägers ersichtlich sind. Dies rechtfertigt die Schlussfolgerung, dass der Kläger im Anspruchszeitraum nach wie vor leistungsunfähig war, so dass Ansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges ausscheiden.

II

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger zu tragen.

III

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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