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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 912/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 130 Nr. 6
Weist der per Telefax eingereichte Einspruch gegen ein Versäumnisurteil anstelle einer eigenhändigen Unterschrift allein den Vor- und Zunamen in Kursivschrift aus, so genügt dies weder den Erfordernissen des § 130 Abs. 6 ZPO, noch kann allein deshalb vom Unterschriftserfordernis abgesehen werden, weil der Einspruch Aktenzeichen und Datum des zuvor ergangenen Versäumnisurteils aufführt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 10.05.2005, NJW 2005, 2086).
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 05.04.2005 - 4 Ca 3315/04 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen. Tatbestand:

Durch Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 03.03.2005 (Bl. 51 d.A.) ist der Beklagte zur Zahlung rückständiger Arbeitsvergütung an den Kläger verurteilt worden. Gegen das ihm am 08.03.2005 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte zunächst am 11.03.2005 mit nicht unterzeichnetem Telefax (Bl. 54 d.A.) Einspruch eingelegt. Auf gerichtlichen Hinweis hat der Beklagte sodann erneut, eingegangen am 16.03.2005, einen von ihm unterzeichneten Einspruch eingereicht und mit Anwaltschreiben vom 24.03.2005 Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand mit der Begründung beantragt, unter Berücksichtigung des verbreiteten Einsatzes moderner Telekommunikationsmittel sei vom Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung des Einspruchs abzusehen. Jedenfalls könne unter den vorliegenden Umständen die fehlende Unterzeichnung des Einspruchs nicht als schuldhaft angesehen werden, weswegen die beantragte Wiedereinsetzung zu bewilligen sei.

Durch Urteil vom 05.04.2005 (Bl. 73 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 03.03.2005 unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages verworfen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, entgegen den vom Kläger erhobenen Bedenken sei am Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift festzuhalten, da nur so erkennbar sei, dass die fragliche Prozesshandlung auch wirklich von der betreffenden Partei eingelegt worden sei. Das verfolgte Wiedereinsetzungsgesuch scheitere daran, dass der Beklagte es versäumt habe, sich innerhalb der Einspruchsfrist über bestehende Formerfordernisse zu informieren.

Mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wiederholt und vertieft der Beklagte seinen Rechtsstandpunkt zur Entbehrlichkeit der Unterschrift. Schon die Tatsache, dass der Einspruch von seinem Faxgerät aus übermittelt worden sei, schließe jeden vernünftigen Zweifel daran aus, dass er selbst den Einspruch verfasst habe. Ebenso wenig sei zweifelhaft, dass das Fax auch nicht einen bloßen Entwurf dargestellt habe. Nachdem die höchstrichterliche Rechtsprechung auch die Übermittlung eines Textes mit eingescannter Unterschrift für ausreichend erachte, müsse in Übereinstimmung mit dem Standpunkt von Zöller/Greger, § 130 ZPO Rz 21, 22, das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift als Wirksamkeitserfordernis bestimmender Schriftsätze aufgegeben werden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils

1. dem Beklagten in die am 15.03.2005 abgelaufene Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren,

2. das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 03.03.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den vom Beklagten eingelegten Einspruch vom 11.03.2005 als nicht formgerecht angesehen und den am 16.03.2005 nachgereichten formgerechten Einspruch unter gleichzeitiger Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs als unzulässig verworfen.

I

Entgegen der Auffassung des Beklagten genügt der nicht unterzeichnete Einspruch des Beklagten vom 11.03.2005 nicht den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO. Die in Computerschrift erfolgte Wiedergabe des Vor- und Nachnamens des Beklagten stellt keine Unterschrift im Sinne des Gesetzes dar. Auch die Umstände im Zusammenhang mit der Übermittlung des Einspruchs lassen nicht mit ausreichender Sicherheit die Überzeugungsbildung zu, dass der Einspruch vom Beklagten persönlich verantwortet und von ihm bewusst in Verkehr gebracht worden ist. Demgemäß kann auch nicht ausnahmsweise das Fehlen der Unterschrift als unschädlich erachtet werden.

1. Nach ständiger Rechtsprechung bedürfen bestimmende Schriftsätze gemäß § 130 Nr. 6, 1. Halbsatz ZPO der Unterschrift. Trotz der Formulierung als "Sollensvorschrift" handelt es sich bei der Unterschrift um ein Wirksamkeitserfordernis. Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 10.05.2005 - IX ZR 124/104 - BB 2005, 1470 ff. m.w.N.). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist.

Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung allerdings im Hinblick auf den technischen Fortschritt gewisse Ausnahmen - insbesondere für Telegramme, Fernschreiben und Telefax - zugelassen. In der allseits bekannten und nicht unumstrittenen Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (BGHZ 144, 160) ist sogar die elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift sowie der Hinweis für ausreichend erachtet worden, dass wegen der gewählten Übertragungsform eine Unterschrift nicht möglich sei.

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann hieraus jedoch nicht ein genereller Verzicht auf das Unterschriftserfordernis für bestimmende Schriftsätze abgeleitet werden. Soweit im Schrifttum insbesondere von Greger (Zöller/Greger, 25. Aufl., § 130 ZPO, Rz 21, 22) die Forderung erhoben wird, in Anbetracht der zahlreichen Durchbrechungen des Unterschriftserfordernisses sei dieses überhaupt aufzugeben, kann dem nicht gefolgt werden. Aus der Tatsache, dass die Rechtsprechung bei Telegramm und Fernschreiben vom Unterschriftserfordernis abgesehen hat, um auf diese Weise für Sonderfälle einen erleichterten Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, lässt sich dies schon mangels vergleichbarer Umstände auf das Massenkommunikationsmittel von Telefax oder Computerfax nicht übertragen. Soweit es die Zulassung des Telefax zur Übermittlung bestimmender Schriftsätze betrifft, wird im Übrigen auch nicht auf das Unterschriftserfordernis verzichtet, vielmehr geht dem Gericht die originalgetreue Abbildung des tatsächlich unterzeichneten Schriftsatzes zu. Auch beim Computerfax handelt es sich immerhin noch um die Übermittlung einer zuvor eigenhändig geleisteten, eingescannten Originalunterschrift, welche auf elektronischem Wege mit der übermittelten Textdatei verbunden und gemeinsam mit dieser dem Gericht übermittelt wird. Eben hierdurch unterscheidet sich das Computerfax vom Faksimilestempel, bei welchem dem Gericht nicht - wie bei der eingescannten Unterschrift - durch ein bildgebendes Verfahren unmittelbar ein Abbild der Originalunterschrift übermittelt wird. Demgegenüber wird dem Gericht bei der Verwendung eines Unterschrift-Stempels allein der Abdruck derselben übermittelt. Gleich ob letztlich die im Schrifttum gegen die Zulassung des Computerfax erhobenen Bedenken durchgreifen, kann jedenfalls hierin eine vollständige Aufgabe des Unterschrifterfordernisses nicht gesehen werden.

Soweit in der Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe (a.a.O.) weitergehend auch eine Ersetzung der Unterschrift durch den Hinweis für ausreichend erachtet wird, wegen der gewählten Übertragungsform könne das Schreiben nicht unterzeichnet werden, dürfte dieser Standpunkt im Hinblick auf die Neufassung des § 130 Nr. 6, 2. Halbsatz ZPO als überholt anzusehen sein. Wenn der Gesetzgeber nunmehr "die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie" verlangt, kann ein nichtunterzeichneter bestimmender Schriftsatz keinesfalls als formgerecht angesehen werden. Eben dies trifft hier auf den Einspruch des Beklagten zu.

3. Entgegen dem Standpunkt des Klägers kann vom Formerfordernis der eigenhändigen Unterschrift im vorliegenden Zusammenhang auch nicht deshalb abgesehen werden, weil sich etwa eindeutig aus den Umständen im Zusammenhang mit der Übermittlung der Einspruchsschrift eine mit der eigenhändigen Unterzeichnung vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Beklagten und die Übernahme der Verantwortung für den eingereichten Schriftsatz herleiten ließe. Dies gilt auch unter Beachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.07.2002 - 2 BvR 2168/00 - NJW 2002, 3534 ff..

Nach der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es bei der Auslegung und Anwendung gesetzlicher Schriftformerfordernisse jeweils der Berücksichtigung, welcher Grad von Formenstrenge nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvollerweise zu fordern ist. Kennzeichnend für das Strafbefehlsverfahren, zu welchem die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangen ist, ist hierbei der Umstand, dass der - an sich dem Schriftformerfordernis des § 410 StPO unterliegende - Einspruch gegen den Strafbefehl die erste und einzige Möglichkeit für den Beschwerdeführer darstellte, die im schriftlichen summarischen Verfahren ergangene Strafbefehlsentscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen. Schon der Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs gebietet damit im Strafbefehlsverfahren die besondere Prüfung, ob trotz fehlender Unterschrift von der Urheberschaft des Einspruchsführers ausgegangen werden kann.

Auch wenn man diese Grundsätze mit Vorbehalt auf den Zivilprozess überträgt - rechtliches Gehör war dem Beklagten freilich bereits im Gütetermin gewährt worden - und dementsprechend die Frage stellt, inwiefern hier aus den Umständen im Zusammenhang mit Übermittlung der Einspruchsschrift mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann, dass der Beklagte diese selbst verfasst und trotz fehlender Unterschrift willentlich in den Verkehr gebracht hat, können hier für den Zivilprozess ausreichend sichere Feststellungen nicht getroffen werden. Allein die Tatsache, dass das Telefax anstelle einer Unterschrift den Vor- und Zunamen des Beklagten - anders als den übrigen Text des Einspruchs - in Kursivschrift wiedergibt, ist schon deshalb ohne Aussagekraft, weil nicht allein der Namenszug, sondern auch die Grußformel in der selben Weise formatiert ist. Ob der anstelle der Unterschrift wiedergegebene Namenszug auf dem Schriftstück deshalb enthalten ist, weil hierdurch die Unterschrift "ersetzt" werden soll oder ob - wie im Geschäftsleben weit verbreitet - der Name des Unterzeichners zusätzlich zur handschriftlichen, häufig unleserlichen Unterschrift allein zu Klarstellungszwecken hinzugefügt werden soll, ist aus dem Schriftstück selbst nicht zu erkennen. Die Tatsache, dass der Einspruch Angaben zum Absender sowie das maßgebliche Aktenzeichen und eine Bezugnahme auf das Urteil vom 03.03.2005 enthält, spricht zwar dagegen, dass ein völlig Unbeteiligter als Urheber der Einspruchsschrift in Betracht kommt. Andererseits ist allein nach Akteninhalt und Einspruchsschrift keine Beurteilung möglich, ob der Beklagte sein Unternehmen allein oder mit Hilfspersonal führt, so dass etwa im Falle der Abwesenheit des Beklagten die Abfassung des Einspruchs durch einen Mitarbeiter erfolgt sein könnte. Ebenso wenig kann mangels einer Unterschrift mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der nicht unterzeichnete Einspruch lediglich einen Entwurf darstellt, welcher ohne abschließende Willensbildung - etwa durch Büropersonal - in den Verkehr gebracht worden ist. Die Tatsache, dass der Beklagte - wie das erneute Einspruchsschreiben zeigt - über einen Firmenstempel verfügt, mit welchem im Geschäftsverkehr üblicherweise Schriftstücken eine gewisse Authentizität vermittelt wird, bestätigt die dargestellten Zweifel. Unter Beachtung der rechtlichen Maßstäbe, wie sie zuletzt in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.05.2005 dargestellt worden sind, kann nach alledem nicht von der Unschädlichkeit der fehlenden Unterschrift ausgegangen werden.

II

Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

III

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Beklagte zu tragen.

IV

Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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