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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.06.2004
Aktenzeichen: 8 Sa 956/04
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 2
BetrVG § 102 Abs. 5
BetrVG § 102 Abs. 3
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 1
BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 3
KSchG § 1
KSchG § 17 Abs. 2
BGB § 242
Ein ordnungsgemäßer Widerspruch gem. § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG liegt nicht vor, wenn der Betriebsrat geltend macht, erfahrungsgemäß sei bei einer Massenentlassung damit zu rechnen, dass durch intensive Vermittlungsbemühungen und freiwillige Abfindungsaktionen freie Arbeitsplätze entstünden, auf welchen gegebenenfalls einige der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer eingesetzt werden könnten.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.03.2004 - 3 Ga 9/04 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zwischen den Parteien geführten Kündigungsrechtsstreits auf der Grundlage des § 102 Abs. 5 BetrVG. Insbesondere ist streitig, ob der vom Betriebsrat erhobene Widerspruch als "ordnungsgemäß" i.S. des § 102 Abs. 3 Nr. 3 angesehen werden kann. Das Widerspruchsschreiben hat folgenden Wortlaut:

"...

In Ihrem Kündigungsantrag erläutern Sie in großem Umfang, aus welchen Gründen Sie Ihre einseitig getroffenen Maßnahmen durchführen wollen. Der Betriebsrat kann diese Gründe nicht nachvollziehen. Sie gehen davon aus, dass eine Sozialauswahl stattgefunden hat. Der Betriebsrat widerspricht dem ganz entschieden. Sie betonen in Ihrem Antrag ausdrücklich, das Sie mit dieser Maßnahme eine ausgewogene Altersstruktur planen. Sie erklären, dass Sie beabsichtigen, einige Abteilungen wegfallen zu lassen, dass Sie in anderen Bereichen umfassende Kosteneinsparungsmaßnahmen eingeleitet und durchgeführt haben. Sie erklären weiter, dass Sie Mitarbeiter der Produktion in die Logistik versetzen, und Sie erklären, dass Sie Ihr aufgeführtes Punktesystem zur Sozialauswahl, mal mehr und mal weniger zur Anwendung gebracht haben. Sie verstoßen damit gegen von Ihnen selbst aufgestellte Auswahlrichtlinien (entspr. § 95 BetrVG), die mit dem Betriebsrat nicht vereinbart sind, an die Sie sich selbst wenigstens zu halten haben. Dadurch wurde der Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit völlig außer Acht gelassen. Zeugnis hierfür ist, dass Sie Schwerkranke und ältere Mitarbeiter als geringer schutzwürdig eingestuft haben.

Der Betriebsrat nimmt wie folgt Stellung:

Die Absicht, 395 Beschäftigte zu entlassen, stellt eine Betriebsänderung dar. Ein Interessenausgleich und Sozialplan liegt nicht vor. Der Betriebsrat ist über die Pläne und geplanten betrieblichen Änderungen nicht informiert. Die Gründe für die beabsichtigten Entlassungen wurden bisher nicht mitgeteilt. Sie haben zu keiner Zeit Gespräche oder Verhandlungen mit dem Betriebsrat geführt. Die in Ihrem Antrag aufgeführten Prognosen hat der Betriebsrat zur Kenntnis genommen, sieht sich allerdings außer Stande, diese zu kommentieren, da Sie es unterlassen haben, detaillierte und nachvollziehbare Zahlen vorzulegen. So entsteht der Eindruck, dass Ihre Maßnahme einzig und allein dazu dient, den Konzern auf Kosten von 395 Arbeitsplätzen zu sanieren. Aus diesem Grund sind die einzeln vorgelegten Kündigungsanträge inhaltlich vollkommen unbegründet.

Frau N1xxxxx ist seit 1994 in diesem Betrieb beschäftigt. Sie übt seit Jahren die Tätigkeit einer SMD Automatenbedienerin aus. Frau N1xxxxx ist verheiratet und betreut ihre pflegebedürftige Mutter. Sie ist auf ihren Verdienst dringend angewiesen und ist selbstverständlich auch nach einer dem Arbeitgeber zumutbaren Umschulung und evtl auch unter geänderten Vertragsbedingungen an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb einsetzbar, z.B. als Materialversorgerin für die SMD Automatenbestückung (Kostenstelle 55320), als Handbestückerin (Kostenstellen 55332, 55336) oder als Anlagenmontiererin (Kostenstellen 55432, 55321).

..."

Durch Urteil vom 25.03.2004, auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der vom Betriebsrat eingelegte Widerspruch sei nicht ordnungsgemäß im Sinne des Gesetzes. Auch wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstelle, der Betriebsrat habe mit der Angabe von Kostenstellen hinreichend deutlich gemacht, in welchen Arbeitsbereichen eine Weiterbeschäftigung der Klägerin in Betracht komme, lasse sich dem Widerspruch jedenfalls nicht entnehmen, dass auch nur in einem der Bereiche ein freier Arbeitsplatz zu besetzen sei. Auch wenn nicht allein der Wortlaut, sondern sämtliche für den Arbeitgeber erkennbaren Umstände für die Auslegung des Betriebsrats-Widerspruchs herangezogen würden, sei in Anbetracht der Vielzahl der eingelegten Widersprüche völlig lebensfremd, dass die Beklagte bei einer Massenentlassung von mehreren hundert Arbeitnehmern über eine solche Zahl freier Stellen verfüge, dass für sämtliche zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer andernorts ein entsprechender Beschäftigungsbedarf bestehe. Nicht anders als bei einem Widerspruch nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG, welcher auf eine fehlerhafte Sozialauswahl gestützt werde, müsse aber auch dann, wenn der Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG auf eine freie Stelle verweise, erkennbar sein, für welchen zur Entlassung anstehenden Arbeitnehmer der angeblich freie Arbeitsplatz in Frage komme. Letztlich ergebe sich aus der Vielzahl der vom Betriebsrat erhobenen Widersprüche, dass lediglich geltend gemacht werde, irgendwo müsse eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb gegeben sein. Dies sei zu pauschal. Entgegen dem Standpunkt der Klägerin sei es der Beklagten auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die mangelnde Spezifizierung des Widerspruchs zu berufen. Selbst wenn die Beklagte im Vorfeld der Kündigung gegen ihre Informationspflichten aus § 17 Abs. 2 KSchG und der EG-Richtlinie 98/59/EG verstoßen haben sollte, folge hieraus weder die Unwirksamkeit der Kündigung, noch könne mit diesem Einwand der dargestellte Mangel des Betriebsrats-Widerspruchs überwunden werden. Insbesondere sei nicht erkennbar, inwiefern der Betriebsrat auf der Grundlage ergänzender Informationen seinen Widerspruch ordnungsgemäß unter Hinweis auf einen für die Klägerin geeigneten freien Arbeitsplatz begründet hätte.

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf vorläufige Weiterbeschäftigung weiter und wendet sich insbesondere gegen den Standpunkt des Arbeitsgerichts, der Widerspruch des Betriebsrats sei nicht ordnungsgemäß. Inwiefern tatsächlich die vom Betriebsrat angegebenen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestünden, sei keine Frage der Ordnungsgemäßheit, sondern der Begründetheit des Widerspruchs, welche im Hauptsacheverfahren zu klären sei. Ersichtlich habe das Arbeitsgericht im Übrigen den Widerspruch des Betriebsrats unrichtig in dem Sinne verstanden, der Betriebsrat habe quasi einen Ringtausch der Beschäftigten vorgeschlagen, ohne dass zusätzliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt worden seien. Den Umständen nach sei vielmehr für die Beklagte erkennbar gewesen, dass der Betriebsrat auf der Grundlage des von ihm vorgelegten Vorschlags für einen Interessenausgleich und Sozialplan vom 11.11.2003 von der berechtigten Erwartung ausgegangen sei, dass durch freiwillige Abfindungsaktionen und intensive Vermittlungsbemühungen eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen frei werden würde, die danach zur Neubesetzung mit eigentlich zur Entlassung anstehenden Belegschaftsmitgliedern stünden. Als "frei" seien nämlich nicht allein die im Zeitpunkt der Kündigung bereits zur Verfügung stehenden, sondern bei Ablauf der Kündigungsfrist gegebenenfalls frei werdenden Arbeitsplätze zu berücksichtigen. Wie die Erfahrung zeige, gebe es in derartigen Fällen der Massenentlassung vielfach die Möglichkeit, die Anzahl der notwendigen Entlassungen durch anderweitige Maßnahmen wie etwa den Wechsel von Arbeitnehmern zu anderen Konzerngesellschaften, Versetzungen sowie freiwilliges Ausscheiden gegen Abfindung zu verringern. Die anderweit untergebrachten oder ausgeschiedenen Arbeitnehmer machten dann entsprechende Arbeitsplätze frei. Auf einem solchen Arbeitsplatz habe die Klägerin dann, und zwar in der durch die Kostenstellenangabe hinreichend bestimmbaren Abteilung, beschäftigt werden können. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht zu Unrecht im vorliegenden Zusammenhang die Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG vom 20.07.1998 unberücksichtigt gelassen. Die Mitteilung von geplanten Massenentlassungen am 21.10.2003 bei nahezu gleichzeitiger Einleitung des Anhörungsverfahrens gemäß § 102 BetrVG mit Anhörungsbogen vom 22.10.2003 stelle alles andere als eine rechtzeitige Unterrichtung und Beratungsbeteiligung im Sinne der genannten Vorschrift dar. Dies führe zum einen nicht allein zur Unwirksamkeit der Entlassung, sondern zur Unwirksamkeit der Kündigung selbst. Zum anderen führe der Mangel rechtzeitiger Unterrichtung auch im vorliegenden Zusammenhang dazu, dass sich die Beklagte nicht auf die angebliche mangelnde Spezifizierung des Betriebsrats-Widerspruchs berufen könne. Bereits in der Entscheidung vom 14.08.1986 - 2 AZR 561/85 - AP Nr. 43 zu § 102 BetrVG 1972 habe das Bundesarbeitsgericht anerkannt, dass der Arbeitgeber u.U. rechtsmissbräuchlich handele, wenn er sich bei einer Massenentlassung auf den Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 1 BetrVG berufe, obgleich dem Betriebsrat innerhalb dieses Zeitraums keine hinreichende Möglichkeit zur Informationsbeschaffung zur Verfügung gestanden habe. Richtig sei zwar, dass im vorliegenden Fall durch Betriebsvereinbarung eine Verlängerung der Anhörungsfrist gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG auf zwei Wochen vereinbart worden sei. In Anbetracht der Vielzahl der vorgesehenen Entlassungen sei dieser Zeitraum jedoch nicht ausreichend gewesen, um dem Betriebsrat die Möglichkeit eines konkreter formulierten Widerspruchs zu verschaffen. Dies müsse letztlich zu Lasten des Arbeitgebers gehen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.03.2004 - 3 Ga 9/04 - die Berufungsbeklagte zu verurteilen, im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines vom Gericht für jeden Tag der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes die Berufungsbeklagte zu verpflichten, die Berufungsklägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits - 3 Ca 3423/03 - des Arbeitsgerichts Bochum zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Feinwerkerin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt:

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) die Verfügungsbeklagte und Berufungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Verfügungsklägerin zu entbinden.

Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Rechtsausführungen als zutreffend.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

I

Der Klägerin steht der verfolgte Verfügungsanspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG nicht zu. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts kann der vom Betriebsrat formulierte Widerspruch nicht als ordnungsgemäß im Sinne des § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG angesehen werden. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ergibt sich nichts anderes.

1. Die Kammer folgt in der Beurteilung der Rechtslage im vollen Umfang der ausführlich begründeten arbeitsgerichtlichen Entscheidung, auf welche insbesondere wegen der rechtlichen Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Widerspruch Bezug genommen wird. Die im Berufungsrechtszug vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Auch wenn man nämlich zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass diejenigen Erwägungen zum Merkmal des "freien Arbeitsplatzes", auf welche sich die Berufungsbegründung stützt, für den Arbeitgeber bei Abschluss des Anhörungsverfahrens erkennbar waren - der Widerspruch des Betriebsrats datiert allerdings vom 05.11.2003, der Betriebsratsentwurf für den Interessenausgleich und Sozialplan ist dem Arbeitgeber erst danach, nämlich am 11.11.2003 übergeben worden; überdies erscheint im Hinblick auf das Erfordernis der Schriftlichkeit des Betriebsrats-Widerspruchs zweifelhaft, ob bei Auslegung eines Widerspruchs auch solche Umstände Berücksichtigung finden können, welche im schriftlichen Widerspruch nicht einmal angedeutet sind -, handelt es sich jedenfalls bei den vom Betriebsrat ins Auge gefassten Beschäftigungsmöglichkeiten nicht um "freie Arbeitsplätze" im Sinne des Gesetzes.

a) Richtig ist zwar, dass nicht allein im Zeitpunkt der Kündigung freie Arbeitsplätze, sondern auch zum Ablauf der Kündigungsfrist frei werdende Arbeitsplätze zur Begründung eines ordnungsgemäßen Widerspruchs herangezogen werden können (BAG AP Nr. 66, 67 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung), richtig ist ferner, dass die Frage, ob ein vom Betriebsrat benannter Arbeitsplatz tatsächlich frei ist, keine Frage der Ordnungsgemäßheit des Widerspruchs, sondern seiner Begründetheit ist. Die entsprechende Tatsachenfeststellung bleibt dem Weiterbeschäftungs-Entbindungs- oder Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die rechtliche Bewertung, inwiefern die vom Betriebsrat benannten Beschäftigungsmöglichkeiten im Rechtssinne als freier Arbeitsplatz anzusehen sind, betrifft demgegenüber die Frage der Ordnungsgemäßheit des Widerspruchs.

b) Als "freier Arbeitsplatz" im Sinne des § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG können aber nur solche Arbeitsplätze angesehen werden, welche nach der vom Arbeitgeber getroffenen Organisationsentscheidung - welche wiederum die Anzahl von Entlassungen und den künftigen Beschäftigungsbedarf bestimmt - tatsächlich zur Besetzung zur Verfügung stehen. Mit Rücksicht darauf, dass der Betriebsrat mit seinem Widerspruch nicht geltend machen kann, in Wahrheit fehle es an einem ausreichenden Kündigungsgrund, der Beschäftigungsbedarf am bisherigen Arbeitsplatz sei unverändert (BAG AP Nr. 7 zu § 102 BetrVG 1972), vielmehr die im Gesetz genannten Widerspruchsgründe allein auf eine Vermeidbarkeit der Kündigung durch anderweitige Beschäftigung an einem freien Arbeitsplatz oder im Rahmen der Sozialauswahl zielen, stellt es keinen zulässigen Widerspruchsgrund im Sinne des Gesetzes dar, wenn der Betriebsrat geltend macht, es sei eine geringere Anzahl an Entlassungen notwendig oder es seien zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten etwa durch Ausweitung der Produktion, Kündigung von Werkverträgen o.ä. zu schaffen. Derartige Einwände des Betriebsrats sind keineswegs unzulässig, sondern stellen zulässige Bedenken im Sinne des § 102 Abs. 2 BetrVG dar. Als Gründe für einen Widerspruch scheiden sie jedoch in Anbetracht der abschließenden Aufzählung in § 102 Abs. 3 BetrVG aus.

c) Nach diesen Maßstäben erweist sich aber der Standpunkt des Betriebsrats, erfahrungsgemäß sei mit dem Freiwerden von Arbeitsplätzen zu rechnen, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer zu anderen Unternehmen vermittle, in andere Betriebe versetze oder aufgrund von Abfindungsvereinbarungen zu einem Ausscheiden aus dem Betrieb bewege, nicht als Aufzeigen einer real bestehenden Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz, vielmehr geht es nach der Vorstellung des Betriebsrats darum, Arbeitsplätze frei zu machen und so die Anzahl der erforderlichen Entlassungen zu verringern. Vom Widerspruchsgrund des § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ist dies nicht gedeckt.

d) Darüber hinaus handelt es sich bei den Überlegungen des Betriebsrats um vollständig abstrakte Erwägungen, aus welchen sich ein konkreter Vorschlag, wie die Entlassung der Klägerin vermieden werden kann, nicht ableiten lässt. Dementsprechend kann offen bleiben, ob als "frei werdender Arbeitsplatz" auch ein solcher angesehen werden könnte, welcher vom Betriebsrat dem Arbeitgeber konkret mit der Begründung genannt wird, der dort beschäftigte Arbeitnehmer sei zu einem Ausscheiden bereit und wolle etwa allein zur Vermeidung sozialrechtlicher Nachteile keine Eigenkündigung aussprechen; eben dieser Arbeitsplatz solle einem bestimmten Arbeitnehmer zur Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zugewiesen werden. Demgegenüber ist im vorliegenden Fall vollständig ungewiss, ob und in welchem Umfang Beschäftigungsmöglichkeiten für einen oder mehrere der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer dadurch entstehen, dass sich (etwa wegen besonders großzügiger Dotierung des Sozialplans) eine größere Anzahl von Arbeitnehmern zu einem freiwilligen Ausscheiden entschließt. Selbst wenn es im Übrigen einen sicheren Erfahrungswert gäbe, dass bei einer Massenentlassung der vorliegenden Größenordnung in jeder betroffenen Abteilung stets zumindest ein Arbeitnehmer freiwillig ausscheide, so dass dort zumindest ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung stünde, wäre weder der konkrete Arbeitsplatz noch - in Anbetracht der Vielzahl der erhobenen Betriebsrats-Widersprüche - für den Arbeitgeber erkennbar, für welchen der zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer dieser frei werdende Arbeitsplatz beansprucht werde. Schon hieran zeigt sich, dass die Erwägungen des Betriebsrats den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Widerspruch nicht entsprechen. Die weitreichenden Rechtsfolgen, die sich an einen wirksamen Widerspruch des Betriebsrats gegen eine Kündigung knüpfen, erfordern das Aufzeigen konkreter kündigungsvermeidender Beschäftigungsmöglichkeiten für den einzelnen Arbeitnehmer. Dem werden die vom Betriebsrat genannten Überlegungen nicht gerecht.

2. In Übereinstimmung mit der arbeitsgerichtlichen Entscheidung ist es der Beklagten auch nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die mangelnde Spezifizierung des Betriebsrats-Widerspruchs zu berufen.

Unabhängig von der Frage, welche Rechtsfolgen sich aus einer unzureichenden oder nicht rechtzeitigen Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung im Falle einer Massenentlassung für die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung ergeben, ist im vorliegenden Zusammenhang von Belang, dass eine etwa unvollständige Unterrichtung des Betriebsrats keinen Widerspruchsgrund im Sinne des § 102 Abs. 3 BetrVG darstellt. Ist die Kündigung ohne Betriebsratsanhörung ausgesprochen und die Kündigung deshalb offensichtlich unwirksam, so kann ein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung aus dem allgemeinen - vertragsrechtlich begründeten - Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers hergeleitet werden. Der betriebsverfassungsrechtlich gestützte Weiterbeschäftigungsanspruch knüpft demgegenüber daran an, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber konkrete kündigungsvermeidende Alternativen nach Maßgabe der Ziffern 1 bis 5 des § 102 Abs. 3 BetrVG nennt. Dies gilt grundsätzlich auch im Falle einer Massenentlassung.

Wie das Bundesarbeitsgericht in der von Klägerseite zutreffend zitierten Entscheidung AP Nr. 43 zu § 102 BetrVG 1972 überzeugend dargestellt hat, war dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 102 BetrVG das Phänomen der Massenentlassung durchaus bekannt, ohne dass für diesen Fall Sonderregelungen - etwa in Form verlängerter Anhörungsfristen, zusätzlicher Widerspruchstatbestände oder einer Absenkung der Begründungsintensität für einen ordnungsgemäßen Widerspruch - in das Gesetz aufgenommen worden sind. Gleichwohl kann - wie sich aus der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt - ein Rechtsmissbrauch des Arbeitgebers darin liegen, dass er grundlos ein Verlangen des Betriebsrats nach Verlängerung der Anhörungsfrist gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ablehnt. Ein derartiger Rechtsmissbrauch kann sodann zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG führen. Ob demgegenüber mit derselben Erwägung bei einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Arbeitgebers die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Widerspruch so abgesenkt werden können, dass der Betriebsrat mangels ausreichender Beratungszeit den beabsichtigten Kündigungen "unspezifiziert" widersprechen und trotz fehlender konkreter Bezeichnung freier Arbeitsplätze den Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gemäß § 102 Abs. 5 auslösen kann, unterliegt zumindest ernstlichen Zweifeln.

Diese Frage bedarf aber letztlich hier keiner Entscheidung. Unstreitig ist nämlich durch Betriebsvereinbarung die Anhörungsfrist des § 102 Abs. 1 BetrVG unter gleichzeitiger Arbeitsfreistellung sämtlicher Betriebsratsmitglieder auf zwei Wochen verlängert worden. In Anbetracht dieser einvernehmlichen Regelung scheidet jedenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber der Beklagten aus. Im Übrigen ist auch nach dem zweitinstanzlichen Vortrag der Klägerin nicht erkennbar, welche zusätzlichen Beschäftigungsmöglichkeiten auf einem freien Arbeitsplatz der Betriebsrat für die Person der Klägerin hätte aufzeigen können, wenn eine frühere und ausführlichere Information erfolgt wäre. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang mit der Berufungsbegründung auf ihren erstinstanzlichen Vortrag verweist und vorträgt, dem Betriebsrat habe bei Abfassung des Widerspruchs die befristete Beschäftigung der Frau H1xxxx S3xxxx und das Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrages vor Augen gestanden, handelt es sich erklärtermaßen nicht um Erkenntnisse, welche dem Betriebsrat mangels ausreichender Information zunächst fehlten und erst nach Abfassung des Widerspruchs bekannt geworden sind. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen unzureichender Betriebsratsinformation und mangelnder Spezifizierung des Widerspruchs liegt danach ohnehin nicht vor.

II

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat die Klägerin zu tragen.

Ende der Entscheidung

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