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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.08.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 2273/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 362
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.11.2005 - 4 Ca 3209/03 - wird zurückgewiesen.

2) Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.11.2005 - 4 Ca 3209/03 - abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger

a) weitere 1.875,00 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 03.10.2003 und

b) weitere 3.750,00 € brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2004 zu zahlen.

3) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

4) Der Streitwert wird auf 24.508,10 € festgesetzt

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Frage, ob Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Arbeitsentgelt durch Erfüllung erloschen sind.

Der am 27.01.1966 geborene Kläger war bei dem Beklagten auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22.11.2002 seit diesem Tag beschäftigt. Ausweislich des Arbeitsvertrages war er als "Mitarbeiter" eingestellt. Die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten waren verschiedener Art, unter anderem im Trockenbau, als Bauhelfer und als Maurer. Der Beklagte seinerseits unterhält ein Immobilienbüro mit angeschlossener Baubetreuung. Der vertraglich vereinbarte Bruttolohn lag bei 3.750,00 € monatlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf die Fotokopie Blatt 15 ff. der Akte Bezug genommen.

Der Kläger erkrankte am 04.08.2003 und war zumindest ausweislich einer Mitteilung der AOK Westfalen-Lippe bis einschließlich 28.01.2004 arbeitsunfähig. Auf die Fotokopie der Mitteilung der AOK Blatt 272 der Akte wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 27.01.2004 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten zum 29.02.2004 und erteilte dem Kläger zugleich Hausverbot mit sofortiger Wirkung. Auf die Fotokopie des Kündigungsschreibens Blatt 64, 65 der Akte wird ebenfalls Bezug genommen. Diese Kündigung ist vom Kläger nicht angegriffen worden.

Nachdem der Kläger zunächst mit seiner am 17.09.2003 vorab per Fax beim Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage vorgetragen hatte, er habe im Zeitraum November 2002 bis August 2003 keinerlei Abrechnungen erhalten, die er nunmehr verlange, hat er anschließend vorgetragen - bevor die Beklagte auf die Klage erwidert hat -, ihm würden die Abrechnungen für die Monate März, April, Mai und Juni 2003 fehlen. Darüber hinaus hat er vorgetragen, dass seine Ansprüche auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Monate Dezember 2002, Januar, März, Juni, Juli und August 2003 nicht vollständig erfüllt worden seien. Zu einem späteren Zeitpunkt hat er weitere Zahlungen eingeräumt.

Folgende Abrechnungen wurden mindestens erteilt und folgende Beträge mindestens gezahlt: Für Dezember 2002 rechnete der Beklagte mit 3.750,00 € brutto und 3.132,29 € netto ab und zahlte am 10.12.2002 1.200,00 € netto. Für den Monat Januar rechnete der Beklagte 3.750,00 € brutto und 2.447,47 € netto ab und überwies an den Kläger 500,00 € netto. Darüber hinaus erhielt der Kläger eine Zahlung in Höhe von 600,00 € netto, die er quittierte. Den Monat März 2003 rechnete der Beklagte wie den Vormonat ab. Streitlos zahlte der Beklagte an den Kläger in den Monaten April bis Juni 2003 kleinere Beträge in Höhe von 730,00 €, die der Kläger quittierte und sich auf die Vergütungsforderung für den Monat März 2003 anrechnen lässt. Den Monat Juni 2003 rechnete der Beklagte mit 3.750,00 € brutto und 2.692,38 € netto ab. Ab Juli 2003 ließ der Kläger sich eine Lohnabtretung im Umfange von 260,00 € monatlich anrechnen, so dass 2.432,38 € zur Auszahlung verblieben. Ende Mai bzw. Anfang Juni 2003 zahlte der Beklagte an den Kläger 650,00 €. Im Juli rechnete der Beklagte wie im Juni 2003 ab, ebenso im August 2003. Hierauf zahlte der Beklagte am 15.08.2003 1.000,00 € netto und am 25.08.2003 500,00 € netto. Für den Monat September 2003 erhielt der Kläger unter dem 02.09.2003 einen Lohnvorschuss in Höhe von 1.500,00 €.

Der Kläger hat vorgetragen:

Weitere Zahlungen als diejenigen, die er als unstreitig letztendlich eingeräumt habe, seien an ihn nicht geflossen. Soweit der Beklagte sich zum Beweis zur Erfüllung der Arbeitslohnforderung auf Quittungen und unterzeichnete Lohnabrechnungen berufe, die der Kläger nicht eingeräumt habe, seien die dort enthaltenen Unterschriften nicht von ihm, dem Kläger, geleistet worden, sondern gefälscht. Wegen der Lohnabrechnungen, der Überweisungsbelege sowie der Quittungen im Einzelnen wird auf die Fotokopien Blatt 21 bis 47 der Akte Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger

a) für den Monat Dezember 2002 3.750,00 € brutto abzüglich am 11.12.2002 gezahlter 1.200,00 € netto,

b) für den Monat Januar 2003 3.750,00 € brutto abzüglich am 23.01.2003 gezahlter 500,00 € netto,

c) für den Monat März 2003 3.750,00 € brutto abzüglich am 17.04.2003 gezahlter 80,00 € netto, abzüglich am 25.04.2003 gezahlter 100,00 € netto, abzüglich am 09.05.2003 gezahlter 250,00 € netto abzüglich am 15.05.2003 gezahlter 250,00 € netto und abzüglich am 09.06.2003 gezahlter 50,00 € netto,

d) für den Monat Juni 2003 3.750,00 € brutto abzüglich am 01.06.2003 gezahlter 650,00 € netto und eines weiteren Betrages von 260,00 € netto,

e) für den Monat Juli 2003 3.750,00 € brutto abzüglich gezahlter 260,00 € netto,

f) für den Monat August 2003 3.750,00 € brutto abzüglich am 15.08.2003 gezahlter 1.000,00 € netto, abzüglich am 25.08.2003 gezahlter 500,00 € netto und abzüglich eines weiteren Betrages von 260,00 € netto

zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. widerklagend, den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 1.743,10 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen:

Sämtliche Lohnzahlungen seien durch Erfüllung erloschen. Für den Monat Dezember 2002 habe der Beklagte den Restbetrag von 1.932,29 € netto am 18.12.2002 gezahlt, was der Kläger am selben Tage quittiert habe. Im Monat Januar 2003 sei am 23.01.2003 ein weiterer Betrag in Höhe von 1.947,47 € netto gezahlt worden, was der Kläger ebenfalls quittiert habe. Auf der Lohnabrechnung für den Monat März 2003 habe der Kläger durch seine Unterschrift eine weitere Zahlung von 2.447,47 € netto quittiert. Im Juli 2003 habe der Beklagte am 04.07.2003 2.432,38 € netto gezahlt, ebenfalls durch den Kläger auf der Lohnabrechnung quittiert. Der verbleibende Nettolohnanspruch in Höhe von 2.432,38 € für den Monat Juli 2003 habe der Beklagte am 06.08.2003 gezahlt, durch den Kläger auf der Lohnabrechnung quittiert. Verbleibende 932,38 € netto für den Monat August 2003 habe der Beklagte am 02.09.2003 an den Kläger gezahlt, was er ebenso quittiert habe.

Die Übergabe der restlichen Nettovergütung am 18.12.2002 und 23.01.2003 sei in Anwesenheit der Zeugen M3xxx A1xxx und V1xxxx A1xxx geschehen. In Gegenwart des Zeugen M3xxx A1xxx habe der Kläger die Quittung vom 06.04.2003 unterzeichnet. Unter dem 04.07.2003 und 06.08.2003 se dem Kläger jedenfalls an dem Tage der Gehaltsbetrag ausgehändigt worden; Lohnabrechnung bzw. Quittung habe er später in den Briefkasten geworfen. Den in der Quittung vom 02.09.2003 ausgewiesenen Betrag habe der Kläger im Büro des Beklagten in Gegenwart des Zeugen M3xxx A1xxx erhalten; der Kläger habe die Quittung zunächst nicht unterschrieben, sondern mitgenommen. Nach etwa einer halben Stunde sei er zurückgekommen und habe die unterzeichnete Quittung der Zeugin V1xxxx A1xxx übergeben.

Da nach alledem feststehe, dass sämtliche Arbeitslohnansprüche des Klägers erfüllt seien, sei eine Überzahlung eingetreten. Der Kläger habe streitlos an Lohnvorschüssen in den Monaten April 2003 bis Juni 2003 1.380,00 € erhalten. Da er für September 2003 ebenso unstreitig einen Vorschuss von 1.500,00 € netto erhalten habe und der Zeitraum bis zum 15.09.2003 nur mit 1.396,90 € zu berechnen sei, ergebe sich unter Berücksichtigung der streitlosen Lohnabtretung von 260,00 € ein Betrag in Höhe von 1.136,90 €, also eine Überzahlung für September in Höhe von 363,10 €. Die Lohnvorschüsse in Höhe von 1.380,00 € sowie die Überzahlung für September 2003 in Höhe 363,10 € sind Gegenstand der bereits erstinstanzlich erhobenen Widerklage.

Das Arbeitsgericht Bielefeld hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens des Sachverständigen H1xxxxxxx (Bl. 115 ff. d.A.) sowie nach Vernehmung der Zeugen M3xxx und V1xxxx A1xxx der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es sei nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens sowie der Vernehmung der Zeugen nicht davon überzeugt, dass die streitigen Zahlungen tatsächlich an den Kläger geleistet worden seien. Zu den Unterschriften vom 18.12.2002, 23.01.2003 und 06.04.2003 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Unterschriften mit (knapp) hoher Wahrscheinlichkeit nicht vom Kläger herrühren; hinsichtlich der Unterschriften vom 04.07., 06.08. und 02.09.2003 hat der Sachverständige festgestellt, dass diese mit erhöhter Wahrscheinlichkeit nicht von dem Kläger stammen. Wegen des Schriftsatzverständigengutachtens wird auf Blatt 115 ff. der Akte, wegen der durchgeführten Beweisaufnahme auf das Terminsprotokoll vom 16.11.2005, Blatt 176 ff. der Akte, Bezug genommen.

Das Urteil vom 16.11.2005 ist den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 14.12.2005 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die vorliegende, beim Landesarbeitsgericht am 16.12.2005 eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist unter dem 01.03.2005 begründete Berufung.

Der Beklagte trägt vor:

Nicht der Beklagte müsse die Erfüllung der Arbeitslohnforderung beweisen, sondern der Kläger müsse die Nichterfüllung beweisen. Es ergebe sich nämlich eine Umkehr der Beweislast, da der Kläger im Laufe des Rechtsstreits mehrfach falsch vorgetragen habe und diesen Vortrag dann jeweils korrigiert habe. Dieses prozessuale Verhalten des Klägers lasse zwingend Rückschlüsse für die Beweisführung zu. Mit der Klage habe er vortragen lassen, keine einzige Lohnabrechnung erhalten zu haben. Später habe er dann eingeräumt, dass nur Lohnabrechnungen für März, April, Mai und Juni 2003 fehlen würden. Hingegen habe er dann in der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2004 einräumen müssen, die Abrechnungen für April und Mai unterzeichnet zu haben. Nachdem er ebenso dargelegt habe, für Januar 2003 kein Entgelt erhalten zu haben, habe er später einräumen müssen, einen Teilbetrag zumindest in Höhe von 500,00 € erhalten zu haben.

Jedenfalls sei das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten im Hinblick auf die Anforderungen an die Beweislast anders zu bewerten. Es hätte der Gutachter mit überzeugender Wahrscheinlichkeit feststellen müssen, dass die Unterschriften tatsächlich nicht vom Kläger stammten. Ein eindeutiges Ergebnis enthalte das Gutachten indessen nicht. So sei es nicht verständlich, warum der Sachverständige innerhalb der verschiedenen Unterschriften im Hinblick auf den Wahrscheinlichkeitsgrad differenziert habe. Jedenfalls sei deswegen ein schriftsachverständiges Obergutachten einzuholen.

Auch habe das Arbeitsgericht die Beweisaufnahme falsch gewertet. Die Aussagen der Zeugen seien in sich logisch und widerspruchsfrei gewesen; insbesondere hätten die Zeugen sich ausdrücklich an Details erinnern können, weil diese mit verschiedenen anderweitigen Ereignissen hätten verbinden können. Jedenfalls seien die beiden erstinstanzlich vernommenen Zeugen erneut zu vernehmen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.11.2005 - 4 Ca 3209/03 - abzuändern und

1. die Klage abzuweisen,

2. widerklagend, den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 1.743,10 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er beantragt darüber hinaus,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat September 2003 Entgeltfortzahlung in Höhe von 1.875,00 € brutto nebst Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 03.10.2003 zu zahlen und

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat Februar 2004 3.750,00 € brutto nebst Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 03.03.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die klageerweiternden Anträge zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und trägt darüber hinaus vor: Ein widersprüchlicher Sachvortrag, aus dem der Beklagte die Umkehr der Beweislast ableite, sei nicht gegeben. Die Korrektur im Hinblick auf den Vortrag, er habe überhaupt keine Lohnabrechnungen erhalten, sei bereits erfolgt, bevor der Beklagte überhaupt zur Klageschrift Stellung genommen habe. Es beruhe auf einem Informationsversehen zu dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten. Ebenso verhalte es sich mit dem Einräumen der weiteren geleisteten Zahlungen. Diese weiteren Zahlungen habe der Kläger übersehen, weil es sich um Überweisungen auf sein Girokonto gehandelt habe. Dies sei relativ selten gewesen, so dass aufgrund der vielen Abschlagszahlungen eine konkrete Zuordnung nicht immer ohne weiteres möglich gewesen sei.

Damit verbleibe es dabei, dass der Beklagte alle Tatsachen, die den Erfüllungseinwand tragen würden, beweisen müsse.

Insoweit sei die Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht nicht zu bestanden. Das Gutachten des Sachverständigen H1xxxxxxx lasse gerade nicht die Überzeugung zu, dass die Unterschriften auf den Quittungen bzw. Lohnabrechnungen vom Kläger stammen. Demzufolge habe der Beklagte jedenfalls im Hinblick auf das eingeholte Gutachten Erfüllung nicht bewiesen. Auch sei nicht zu beanstanden, wie das Arbeitsgericht die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen M3xxx und V1xxxx A1xxx bewertet habe.

Im Rahmen der Berufung sei die Klage vom Kläger zu erweitern gewesen, da der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte übersehen habe, dass dem Kläger keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Zeit bis zum Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeit im September 2003 gezahlt worden sei. Hieraus ergebe sich für die Zeit bis zum 15.09.2003 der mit der Klageerweiterung geltend gemachte Betrag. Ebenso habe der Kläger einen Anspruch auf die Zahlung der Arbeitsvergütung für den Monat Februar 2004. Da die Kündigung des Beklagten zu diesem Zeitpunkt ausgesprochen worden und der Kläger ab dem 29.01.2004 wieder arbeitsfähig gewesen sei, müsse der Beklagte auch die Vergütung für den Monat Februar 2004 in vollem Umfang, nämlich mit 3.750,00 € brutto, bezahlen.

Zur Klageerweiterung in der Berufungsinstanz trägt der Beklagte vor:

Der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle bis zum 15.09.2003 sei erfüllt. Insofern verweist er auf seinen Sachvortrag, auch im Zusammenhang mit der erhobenen Widerklage.

Für den Monat Februar 2004 könne der Kläger Vergütung nicht verlangen. Insoweit bestreite der Beklagte, dass der Kläger überhaupt wieder arbeitsfähig gewesen ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird im Übrigen ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach der Beschwer (§ 64 Abs. 2 ArbGG) an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG; §§ 516 ff. ZPO) hat keinen Erfolg, da der Kläger einen Anspruch auf Zahlung der Arbeitsvergütung, wie beantragt, hat und darüber hinaus im Wege der als Anschlussberufung zu wertenden Klageerweiterung (vgl. § 64 Abs. 6 ArbGG, § 524 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG) zu Recht die Vergütung für den anteiligen Monat September 2003 als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und für den Monat Februar 2004 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geltend gemacht hat.

I.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der sich aus dem Tenor der angegriffenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.11.2005 ergebenden Arbeitslohndifferenzen gemäß § 611 Abs. 1 BGB. Zwischen den Parteien ist insoweit unstreitig geblieben, dass der Kläger - soweit erstinstanzlich begehrt - bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im August 2003 seine Arbeitsleistung erbracht hat und dementsprechend entweder den Arbeitslohn gemäß § 611 Abs. 1 BGB "ins Verdienen" gebracht hat oder aber für die Zeit ab seiner Erkrankung, dem 04.08.2003, wie in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, gemäß § 3 Abs. 1 EntgFG.

Ausführungen der Berufungskammer zur Höhe der eingeklagten Forderung bzw. zur Höhe des geforderten Bruttoarbeitsentgelts erübrigen sich, da sich der Kläger insofern auf den Arbeitsvertrag bezogen hat und die Höhe auch zwischen den Parteien nicht im Streit war.

I.

Demgegenüber hat der Beklagte nicht bewiesen, dass die vom Kläger zuletzt vorgetragenen Entgeltansprüche durch Erfüllung erloschen sind, vgl. § 362 Abs. 1 BGB.

Vorauszuschicken ist, dass den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Arbeitslohnforderung trifft (grundlegend: BGH, Urteil v. 27.02.1975, III ZR 9/73, WPM 75, 593 und BGH, Urteil v. 17.10.1996, IX ZR 293/95, MDR 1997, S. 193 und BAG, Urteil v. 25.02.1981, 5 AZR 1090/78 zu II. 1. der Gründe). Diese Beweislastverteilung ist Ausdruck des Leistungsrisikos und entspricht allgemeinen beweisrechtlichen Erwägungen. Bei der Erfüllung handelt es sich um einen für den Schuldner, also den Beklagten, günstigen Tatbestand, aus dem er Rechte herleiten will. Dabei gilt die Beweislast des Schuldners nicht für die Leistung selbst, sondern auch dafür, dass die Leistung vollständig war (juris PK-BGB, Kerwer, 2. Aufl. 2004, § 362 BGB m.w.N.).

An dieser Beweislastverteilung ist im vorliegenden Fall festzuhalten. Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass der Kläger seinen Sachvortrag zur Frage, inwieweit seine Arbeitslohnforderungen, auch hinsichtlich der erteilten Abrechnungen, erfüllt seien, gewechselt hat. Allerdings hat der Kläger bereits vor Eingang der Klageerwiderung seinen Sachvortrag zur Erteilung der Lohnabrechnungen richtig gestellt. Auch hat er erläutern können, warum er zwei weitere Zahlungen, von denen er zunächst nichts erwähnt hatte, nachträglich habe feststellen können. Doch selbst wenn man diesen Ausführungen des Klägers nicht folgen würde, so kämen gleichwohl die Grundsätze zum sogenannten "überholten Parteivorbringen" im Zivilprozess zur Anwendung. Das Gericht hat jeweils nur den Sachvortrag zu berücksichtigen, den es entweder für bewiesen erachtet oder aber den die Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung als unstreitig darstellen. Soweit der Kläger somit seinen Vortrag korrigiert hat, war für das Gericht der zuletzt dargestellte Sachvortrag allein maßgeblich. Im Hinblick auf die oben geschilderten Grundsätze zur Beweislastverteilung bei der Erfüllung von Forderungen gemäß § 362 Abs. 1 BGB ist ein Rechtssatz weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung ersichtlich, aus dem sich ergeben könnte, dass nach den Grundsätzen des sogenannten überholten Parteilvorbringens eine Beweislastumkehr anzunehmen wäre.

Damit verbleibt es bei den eingangs genannten Grundsätzen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Erfüllungseinwandes gemäß § 362 Abs. 1 BGB.

Mit der angegriffenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld ist die Berufungskammer gemäß § 286 ZPO nicht davon überzeugt, dass die streitigen Zahlungen an den Kläger tatsächlich geleistet worden sind. Denn im Rahmen der Beweislast ist zu bedenken, dass die Vorschrift des § 286 ZPO nicht nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür verlangt, dass eine zu beweisende Tatsache zutrifft. Nicht einmal eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist ausreichend. Das Gericht muss nach den Maßstäben des § 286 ZPO vielmehr die volle Überzeugung davon gewinnen, dass eine streitige Tatsachenbehauptung wahr ist, was wiederum nicht ausschließt, dass Zweifel verbleiben. Auch wenn danach eine absolute Sicherheit nicht vorliegen muss, so muss das Gericht doch die persönliche Gewissheit besitzen, dass eine behauptete Tatsache zutrifft (h.M.; vgl. z.B.: Zöller, ZPO 242. Aufl., Greger, § 286 Rn. 21 ff.; MünchKom zur ZPO/Prütting, § 286 Rn. 15 ff. jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung).

Nach diesen Maßstäben konnte auch die Berufungskammer die erforderliche Überzeugung nicht gewinnen.

Zum einen spricht das Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht dafür, dass feststeht, dass die auf den Quittungen bzw. Lohnabrechnungen geleisteten Unterschriften tatsächlich vom Kläger stammen. Der Beklagte hat zwar die Feststellungen des Sachverständigen angegriffen; indessen ergibt sich aus dem Gutachten selbst, warum der Sachverständige zu dem von ihm gefundenen Ergebnis hinsichtlich der streitigen Unterschriften gekommen ist. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Gutachters, insbesondere im Hinblick auf die angewandten Untersuchungsmethoden, hat der Beklagte im Berufungsverfahren nicht geführt. Er hat vielmehr auf der Grundlage allgemeiner Erwägungen angezweifelt, dass nicht nachvollziehbar sei, warum der Sachverständige zu einer Differenzierung innerhalb der sechs streitigen Unterschriften komme. Dies indessen hat der Sachverständige in seinem Gutachten auf Blatt 7 ff. (Bl. 121 ff. d.A.) im Einzelnen dargestellt.

Nachdem somit durch die Vorlage von unterschriebenen Lohnabrechnungen und Quittungen durch den Beklagten nicht bewiesen ist, dass der Kläger den Empfang der entsprechenden Zahlungen quittiert hat, war der Beklagte gehalten, weiteren Beweis für den Erfüllungseinwand zu erbringen.

Aus diesem Grunde hatte das Arbeitsgericht zu Recht auf die vom Beklagten angebotenen Beweismittel der Zeugenvernehmung M3xxx und V1xxxx A1xxx zurückgegriffen.

Soweit das Arbeitsgericht aus diesen Aussagen nicht den Schluss ziehen konnte, dass mit der für § 286 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Zahlungen erbracht worden sind, sind die Feststellungen und insbesondere die Beweiswürdigung der angegriffenen Entscheidung nicht zu beanstanden.

Das Arbeitsgericht hat sich umfassend mit den Aussagen der vernommenen Zeugen auseinandergesetzt und im Einzelnen dargestellt, warum es nach der Vernehmung der Zeugen nicht davon überzeugt ist, dass die Zahlungen an den Kläger geflossen sind. Dieser Würdigung schließt sich die Berufungskammer an, vgl. § 69 Abs. 2 ArbGG.

Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren seinen Vortrag hierzu vertieft hat, ist dem Folgendes hinzuzufügen:

Die Berufungskammer bewertet den Umstand, dass der Zeuge M3xxx A1xxx Unterschriften als vom Kläger stammend bezeichnet hatte, die der Sachverständige als mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vom Kläger stammend begutachtet hatte, mit der angegriffenen Entscheidung als sehr hoch. Da im Übrigen zwischen den Parteien unstreitig ist, dass es zu einer größeren Anzahl von Geldübergaben und Quittierungen, auch hinsichtlich von Kleinbeträgen gekommen ist, die zu einem großen Teil unstreitig sind, erscheint zweifelhaft, warum der Zeuge sich ausgerechnet daran erinnern kann, an den sechs streitigen Geldübergaben teilgenommen zu haben. Hierauf hat das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung ausdrücklich hingewiesen. Dem folgt auch die Berufungskammer.

Im Übrigen beschreibt auch die Zeugin A1xxx, dass es ein sogenanntes Kassenbuch bei dem Beklagten gegeben hat. Dies ergibt sich daraus, dass sie bekundet hat, dass sie nicht wisse, ob die Zahlungen in das Kassenbuch eingetragen worden seien. Insoweit hat der Beklagte diese Aussage nicht aufgegriffen und zum Beispiel das Kassenbuch vorgelegt, um die Aussage der Zeugin insoweit zu stützen.

Außerdem hat die Zeugin ausdrücklich eingeräumt, dass sie sich auf den Gerichtstermin, in welchem sie als Zeugin vernommen wurde, vorbereitet habe. Wie diese Vorbereitung konkret ausgesehen hat, ist allerdings der Aussage nicht zu entnehmen.

Wenn nach Bewertung der Aussagen der Zeugen M3xxx und V1xxxx A1xxx Zweifel verbleiben, so müssen diese Zweifel nach den oben genannten rechtlichen Grundsätzen zu Lasten des Beklagten gehen.

Nach alledem verbleibt es dabei, dass der Beklagte trotz der ihm obliegenden Beweislast nicht bewiesen hat, dass die streitigen, offenen Arbeitslohnansprüche des Klägers tatsächlich erfüllt worden sind.

III.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung die Widerklage zu Recht abgewiesen hat. Unmittelbar aus dem Anspruch des Klägers aus § 611 Abs. 1 BGB folgt, dass der Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung eventuell überzahlter Beträge hat, da eine solche Überzahlung eben nicht vorliegt.

IV.

Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung der anteiligen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für den Monat September 2003 aus § 3 Abs. 1 EntgFG sowie einen Anspruch auf Zahlung der Arbeitsvergütung für den Monat Februar 2004 aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 615 Satz 1 BGB.

A.

Die vom Kläger erstmals in der Berufungsinstanz verfolgte Klageerweiterung war im Berufungsverfahren zulässig. Es handelt sich insoweit, auch wenn der Kläger dies nicht ausdrücklich so bezeichnet hat, um eine Anschlussberufung im Sinne des § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 524 Abs. 1 ZPO. Insoweit konnte die Kammer offen lassen, ob eine solche Klageerweiterung nur im Rahmen der Fristen der Berufungsbeantwortung des § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG überhaupt zulässig war, da der Kläger diese Frist eingehalten hat. Denn die Berufung des Beklagten, deren Begründung dem Klägervertreter am 07.03.2006 zugestellt worden ist, ist mit Schriftsatz vom 24.03.2006, bei Gericht eingegangen am 27.03.2006, beantwortet und mit der Klageerweiterung versehen worden.

B.

1.

Der Anspruch im Hinblick auf den anteiligen Monat September 2003 ergibt sich aus § 3 Abs. 1 EntgFG. Der Kläger war streitlos arbeitsunfähig erkrankt; der Beklagte selbst hat den September entsprechend abgerechnet, wobei zwischen den Parteien die Höhe der abgerechneten Forderung nicht im Streit ist. Der Beklagte hat sich insoweit lediglich auf Erfüllung der Forderung und Überzahlung durch Zahlung von Lohnvorschüssen berufen, was indessen nicht zum Erlöschen der Forderung geführt hat, s.o.

2.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Zahlung der Arbeitsvergütung für den Monat Februar 2004.

Dieser Anspruch ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 615 Satz 1 BGB. Denn der Beklagte befand sich im Hinblick auf den Monat Februar 2004 mit der Annahme der Leistung des Klägers in Verzug. Insoweit ist nämlich zu beachten, dass der Beklagte im Monat Februar 2004 dem Kläger einen funktionsfähigen Arbeitsplatz nicht zur Verfügung gestellt hat, da er ihm Hausverbot erteilt hatte. Daraus folgt zugleich, dass der Beklagte als Arbeitgeber seiner gemäß § 296 BGB erforderlichen Mitwirkungshandlung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nicht nachgekommen ist, die darin besteht, dem Kläger eben diesen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Das BAG hat hierzu u.a. wörtlich ausgeführt:

Es bedarf einer Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, deren Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, nämlich der Einrichtung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und der Zuweisung der Arbeit, damit der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann.

(vgl. grundlegend nur: BAG, Urteile vom 19.08.1984 und 21.03.1985, AP Nrn. 34 und 35 zu § 615 BGB Annahmeverzug).

Soweit der Beklagte bestritten hat, dass der Kläger im Februar 2004 überhaupt wieder arbeitsfähig gewesen ist, konnte die Berufungskammer dem nicht folgen. Denn der Kläger hat eine Bescheinigung der AOK Westfalen-Lippe zur Gerichtsakte gereicht, wonach die Arbeitsunfähigkeit, die am 04.08.2003 begonnen hatte, mit dem 28.01.2004 beendet worden ist und erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder eintrat. Diese Bescheinigung ist dem Beklagten auch mit dem entsprechenden Schriftsatz des Klägers übersandt worden, ohne dass der Beklagte hierzu dezidiert Stellung genommen hat. Demzufolge ist das pauschale Bestreiten des Beklagten im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit des Klägers für den Monat Februar 2004 nicht erheblich. Jedenfalls hat die Berufungskammer keinen Grund, an der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung der AOK Westfalen-Lippe zu zweifeln.

Aus diesem Grunde schuldet der Beklagte dem Kläger auch die Vergütung für den Monat Februar 2004.

Nach alledem hatte die Berufung des Beklagten keinen Erfolg; der Beklagte war darüber hinaus im Wege der Anschlussberufung zur Zahlung weiterer Arbeitslohnansprüche, wie geschehen, zu verurteilen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Hiernach hat der Beklagte die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.

Der Streitwert war neu festzusetzen, da er sich in der Berufungsinstanz erhöht hatte. Der Wert des Streitgegenstandes folgt dem Betrag der jeweils eingeklagten Forderungen, vgl. § 6 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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