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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 1368/04
Rechtsgebiete: Vergütungstarifvertrag für das Cockpitpersonal bei Germanwings


Vorschriften:

Vergütungstarifvertrag für das Cockpitpersonal bei Germanwings
Nach Beförderung vom First Officer zum Kapitän kommt es für den nächsten sog. Stufensprung in der Vergütungstabelle für Kapitäne allein auf die Dauer der Tätigkeit in dieser Beschäftigungsgruppe an; die zurückgelegten Zeiten in der alten Beschäftigungsgruppe der First Officer zählen nicht mit.
Tenor:

Auf die Berufungen der Beklagten werden die Urteile des Arbeitsgerichts Köln vom

- 1 Ca 4447/04 - Kläger G

- 15 Ca 10750/04 - Kläger G

- 17 Ca 3475/04 - Klägerin B

- 17 Ca 3474/04 - Kläger Br

- 2 Ca 7611/04 - Kläger D

- 17 Ca 3476/05 - Kläger Gr

- 17 Ca 3477/04 - Kläger M

- 17 Ca 3478/04 - Kläger T

- 11 (10) Ca 7035/04 - Kläger K

abgeändert:

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung.

Die Kläger sind bei der beklagten Flugverkehrsgesellschaft als Verkehrsflugzeugführer beschäftigt. Ihre Beförderung vom Ersten Offizier/First Officer (FO) zum Kapitän erfolgte im Zeitraum 01.12.2002 bis 05.12.2003. Die Beklagte vergütet die Kläger nach ihrem Haustarifvertrag, dem Vergütungstarifvertrag Nr. 2 für das Cockpitpersonal bei g (VTV). Der VTV sieht in seinen Vergütungstabellen für FO und Kapitäne ein nach Gehaltsstufen aufsteigendes Grundgehalt vor. Nach dem VTV erfolgt jeweils nach 12 vollen Monaten das Aufrücken in die nächst höhere Stufe der jeweiligen Vergütungstabelle (sog. Stufensprung).

Die Parteien streiten nach der Beförderung der Kläger zum Kapitän darüber, ob für den Anspruch auf die Jahressteigerung in der neuen Vergütungstabelle Kapitäne 12 volle Monate im neuen Amt als Kapitän erforderlich sind, der Beginn für die Berechnung der Jahressteigerung also der Zeitpunkt der Höherstufung ist, so die Auffassung der Beklagten, oder ob nach der Ansicht der Kläger für die Berechnung des Stufensprungs auf das Einstellungsdatum abzustellen ist.

In § 2 VTV mit der Überschrift "Eingruppierung/Umgruppierung" heißt es:

Der Mitarbeiter wird in die Vergütungsgruppe der Gehaltstabelle eingruppiert, die sich aus seiner überwiegend ausgeübten Tätigkeit ergibt.

Mitarbeiter beginnen bei Einstellung grundsätzlich in der untersten Stufe der jeweiligen Vergütungsgruppe, sofern tarifvertraglich nichts anderes geregelt ist.

Flugzeugführer, die bei der Einstellung über eine gültige Musterberechtigung für das bei G zu fliegende Flugzeugmuster (derzeit A319/A320) verfügen, werden entsprechend ihrer Erfahrung zum Zeitpunkt der Einstellung auf diesem Flugzeugmuster wie folgt in die jeweils gültige Vergütungstabelle eingruppiert:

mit gültiger Musterberechtigung Stufe 1

mehr als 500 Stunden Stufe 2

Beim Upgrading vom Ersten Offizier zum Kapitän erfolgt die Umgruppierung in die entsprechende Gehaltsstufe der Kapitäne, die mindestens dem bisherigen Gesamtgehalt zuzüglich € 1.350.-entspricht, mindestens jedoch der Stufe 1 der Vergütungstabelle der Kapitäne. Maßgebend hierfür ist das Datum des Lizenzeintrags. Die Jahressteigerung gem. § 3 Abs. 3 bleibt hiervon unberührt."

In § 3 VTV mit der Überschrift "Zahlungsbeginn" ist bestimmt:

Der Beginn der Bezahlung erfolgt nach dem Einstellungsdatum des schriftlichen Arbeitsvertrages (gem. § 2 MTV), bzw. bei der zu erwerbenden Musterberechtigung mit dem Datum des Lizenzeintrages.

...

Jeweils nach 12 vollen Monaten ab Beginn der Bezahlung gem. § 3 Abs. 1 erfolgt die Jahressteigerung in die nächst höhere Stufe der jeweiligen Vergütungstabelle nach § 4 Abs. 1, bis die Endstufe der Tabelle erreicht ist.

Bei Umgruppierung oder Jahressteigerung erhalten die Mitarbeiter die Vergütung ab dem Tag des Ereignisses.

..."

In § 4 Abs. 1 VTV ist geregelt, dass die Mitarbeiter ein monatliches Grundgehalt gemäß gültiger Vergütungstabelle (Anlage 1 - 2) erhalten. Die Anlagen enthalten die Vergütungstabellen für Kapitäne bis zur Endstufe 16 und die Vergütungstabelle für FO mit 13 Stufen.

Der Kläger zu 1), der gemäß Anstellungsvertrag vom 10.01.2000 ab 01.03.2000 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als FO eingestellt und zum 01.06.2003 zum Kapitän befördert worden ist, macht die Jahressteigerung in der neuen Vergütungstabelle Kapitäne von Stufe 2 nach 3 bereits ab 01.03.2004 geltend und hat im Verfahren Arbeitsgericht Köln - 1 Ca 4447/04 - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 168,47 € brutto nebst Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2004 zu zahlen,

festzustellen, dass der sog. "Stufensprung" des Klägers nach § 3 Abs. 3 des z. Zt. gültigen Vergütungstarifvertrags g vom 30.09.2003 jeweils zum 01.03. des jeweiligen Jahres, und zwar erstmals wieder zum 01.03.2005 von der Stufe 3 auf die Stufe 4 der Vergütungstabelle Kapitäne, stattfindet.

In einem weiteren Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln - 15 Ca 10750/04 - hat der Kläger die weiteren Differenzbeträge April bis Juni 2004 eingeklagt und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 505,41 € brutto zu zahlen nebst Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 15.05.2004.

Die Klägerin B (Kläger/in zu 2)), die ab 01.11.1999 als FO eingestellt und zum 01.04.2003 zum Kapitän befördert worden ist, macht die Jahressteigerung von Stufe 2 nach 3 bereits ab 01.11.2003 geltend und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 935,11 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,

festzustellen, dass der sog. "Stufensprung" der Klägerin nach § 3 Abs. 3 des z. Zt. gültigen Vergütungstarifvertrages g vom 30.09.2003 jeweils zum November des jeweiligen Jahres, und zwar erstmals wieder zum 01.11.2004 von der Stufe 3 auf die Stufe 4 der Vergütungstabelle Kapitäne stattfindet.

Der Kläger zu 3), der ab 01.10.1996 als FO eingestellt und im Februar 2003 zum Kapitän befördert worden ist, macht die Jahressteigerung von Stufe 2 nach 3 bereits ab 01.10.2003 geltend und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.498,19 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich aus 827,87 € ergebenden Nettobetrag seit Zustellung der Klageschrift und aus dem sich aus weiteren 670,32 € ergebenden Nettobetrag seit dem 01.11.2004 (mittlerer Verfall) zu zahlen,

festzustellen, dass der sog. "Stufensprung" des Klägers nach § 3 Abs. 3 des z. Zt. gültigen Vergütungstarifvertrags g vom 30.09.2003 jeweils zum Oktober des jeweiligen Jahres stattfindet und letztmals am 01.04.2004 von der Stufe 3 auf die Stufe 4 der Vergütungstabelle Kapitäne stattgefunden hat.

Der Kläger zu 4), der ab 28.07.1996 als FO eingestellt und dem mit Schreiben vom 23.03.2000 mitgeteilt worden ist, er werde in die Gruppe FO Stufe 03 eingruppiert und der nächste Stufensprung werde immer im März vorgenommen, wurde zum 15.12.2003 zum Kapitän befördert. Er macht die Jahressteigerung nach der Vergütungstabelle für Kapitäne von Stufe 1 nach 2 bereits ab 01.03.2004 geltend und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.021,76 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15.07.2004 zu zahlen,

festzustellen, dass der sog. "Stufensprung" von ihm nach § 3 Abs. 3 des z. Zt. gültigen Vergütungstarifvertrags g vom 30.09.2003 jeweils zum 01.03. des jeweiligen Jahres, und zwar erstmals wieder zum 01.03.2005 von der Stufe 2 auf die Stufe 3 der Vergütungstabelle Kapitäne, stattfindet.

Der Kläger zu 5), der ab 12.10.1999 als FO eingestellt und dem mit Schreiben vom 24.04.2000 mitgeteilt worden ist, er werde in die Gruppe FO Stufe 03 eingruppiert und der nächste Stufensprung werde immer im Oktober vorgenommen, wurde zum 01.12.2002 zum Kapitän befördert. Er macht die Jahressteigerung nach der Vergütungstabelle für Kapitäne von Stufe 2 nach 3 bereits ab 01.10.2003 geltend und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 791,22 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich aus 412,11 € ergebenden Nettobetrag seit Zustellung der Klageschrift und aus dem sich aus weiteren 379,11 € ergebenden Nettobetrag seit dem 01.11.2004 (mittlerer Verfall) zu zahlen,

festzustellen, dass der sog. "Stufensprung" des Klägers nach § 3 Abs. 3 des z. Zt. gültigen Vergütungstarifvertrags g vom 30.09.2003 jeweils zum Oktober des jeweiligen Jahres stattfindet und letztmals am 01.10.2004 von der Stufe 3 auf die Stufe 4 der Vergütungstabelle Kapitäne stattgefunden hat.

Der Kläger zu 6), der ab 12.10.1999 als FO eingestellt und dem mit Schreiben vom 07.04.2000 mitgeteilt worden ist, er werde in die Gruppe FO Stufe 02 eingruppiert und der nächste Stufensprung werde immer im Oktober vorgenommen, wurde zum 01.04.2003 zum Kapitän befördert. Er macht die Jahressteigerung nach der Vergütungstabelle für Kapitäne von Stufe 2 nach 3 bereits ab 01.10.2003 geltend und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.586,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich aus 1.122,70 € ergebenden Nettobetrag seit Zustellung der Klageschrift und aus dem sich aus weiteren 463,35 € ergebenden Nettobetrag seit dem 01.11.2004 (mittlerer Verfall) zu zahlen,

festzustellen, dass der sog. "Stufensprung" des Klägers nach § 3 Abs. 3 des z. Zt. gültigen Vergütungstarifvertrags g vom 30.09.2003 jeweils zum Oktober des jeweiligen Jahres stattfindet und letztmals am 01.10.2004 von der Stufe 3 auf die Stufe 4 der Vergütungstabelle Kapitäne stattgefunden hat.

Der Kläger zu 7), der ab 15.02.2000 als FO eingestellt und dem mit Schreiben vom 23.03.2000 mitgeteilt worden ist, er werde in die Gruppe FO Stufe 02 eingruppiert und der nächste Stufensprung werde immer im Februar vorgenommen, wurde zum 01.05.2003 zum Kapitän befördert. Er macht die Jahressteigerung nach der Vergütungstabelle für Kapitäne von Stufe 2 nach 3 bereits ab 01.02.2004 geltend und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 308,83 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

festzustellen, dass der sog. "Stufensprung" des Klägers nach § 3 Abs. 3 des z. Zt. gültigen Vergütungstarifvertrags g vom 30.09.2003 jeweils zum 01.02. des jeweiligen Jahres, und zwar erstmals wieder zum 01.02.2005 von der Stufe 3 auf die Stufe 4 der Vergütungstabelle Kapitäne, stattfindet.

Der Kläger zu 8), der ab 21.05.2002 als FO eingestellt und wegen des mitgebrachten Typeratings zum 01.11.2002 in die Gruppe FO Stufe 03 eingruppiert worden ist, wurde zum 01.07.2003 zum Kapitän befördert. Er macht die Jahressteigerung nach der Vergütungstabelle für Kapitäne von Stufe 1 nach 2 bereits ab 01.11.2003 geltend und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.512,68 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem sich aus 2.007,27 € ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung und aus dem sich aus weiteren 505,41 € ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.2005 (mittlerer Verfall) zu zahlen,

festzustellen, dass der sog. "Stufensprung" des Klägers nach § 3 Abs. 3 des z. Zt. gültigen Vergütungstarifvertrags g vom 30.09.2003 jeweils zum 01.11. des jeweiligen Jahres stattfindet und letztmals am 01.11.2004 von der Stufe 2 auf die Stufe 3 der Vergütungstabelle Kapitäne stattgefunden hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die 17. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat in den bei ihr anhängigen Verfahren eine Auskunft bei den Tarifvertragsparteien eingeholt, auf die verwiesen wird. Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Hiergegen richten sich die Berufungen der Beklagten, die ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt. Im zweiten Rechtszug wurden die Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden. Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die angefochtenen Urteile, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Beklagten sind begründet, denn nach der Beförderung der Kläger zum Kapitän kommt es für den Anspruch auf den nächsten Stufensprung in der Vergütungstabelle Kapitäne auf die im Kapitänsamt erbrachte Wartezeit bzw. Verweildauer von12 vollen Monaten an.

Die Klagen sind daher unbegründet.

I. Auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung (Kläger zu 1), 3) - 7)), Nachwirkung (Klägerin) und betrieblicher Übung die Haustarifverträge der Beklagten, insbesondere der hier interessierende Vergütungstarifvertrag Nr. 2 (VTV) Anwendung. Die Beklagte wendet auf alle ihre Flugzeugführer den zwischen ihr und der Vereinigung Cockpit e. V. abgeschlossenen Vergütungstarifvertrag an.

II. Der Anspruch auf den Stufensprung nach Beförderung zum Kapitän ist in § 2 Abs. 4 S. 3 i. V. m. § 3 Abs. 3 VTV geregelt.

Nach § 3 Abs. 3 VTV erfolgt jeweils nach 12 vollen Monaten ab Beginn der Bezahlung gem. § 3 Abs. 1 die Jahressteigerung in die nächst höhere Stufe der jeweiligen Vergütungstabelle nach § 4 Abs. 1, bis die Endstufe der Tabelle erreicht ist. § 4 Abs. 1 VTV verweist auf die dem VTV als Anlage beigefügten Vergütungstabellen, die für FO 13 und für Kapitäne 16 Gehaltsstufen enthalten.

§ 2 Abs. 4 S. 3 VTV ist i. V. m. § 3 Abs. 3 VTV dahingehend auszulegen, dass mit der Umgruppierung vom FO zum Kapitän die volle Wartezeit von 12 Monaten im Beförderungsamt einzuhalten ist, bevor der nächste Stufensprung in der Vergütungstabelle der neuen Beschäftigungs- bzw. Vergütungsgruppe Kapitäne stattfindet. Die in der alten Vergütungsgruppe FO bereits zurückgelegten Monate für den nächsten Stufensprung haben nur innerhalb derselben Vergütungsgruppe Bedeutung.

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Über den Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Bleiben gleichwohl noch Zweifel am Auslegungsergebnis, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an einer Reihenfolge auf weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch auf die praktische Tarifübung ergänzend zurückgreifen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urt. v. 30.05.2001 - 4 AZR 284/00 -).

2. Nach diesen Grundsätzen spricht mehr für die Auslegung, dass es für den nächsten Stufensprung in der Vergütungstabelle für Kapitäne allein auf die in dieser Beschäftigungsgruppe zurückgelegten Zeiten ankommt.

a) Der Wortlaut des § 3 Abs. 3 VTV stellt für die Jahressteigerung auf die "jeweilige" Vergütungstabelle ab und differenziert mit dem Verweis auf § 4 Abs. 1 VTV zwischen der Vergütungstabelle der Kapitäne und der der FO. Dem steht die Formulierung in § 3 Abs. 3 VTV, dass die Jahressteigerung jeweils nach 12 vollen Monaten "ab Beginn der Bezahlung gem. § 3 Abs. 1 erfolgt," nicht entgegen. Nach § 3 Abs. 1 VTV richtet sich der Beginn der Bezahlung zwar nach dem Einstellungsdatum des schriftlichen Arbeitsvertrages. Dies bedeutet zunächst jedoch nur, dass der Arbeitnehmer in der Vergütungstabelle seiner Beschäftigungsgruppe in einem Turnus von 12 Monaten ab Einstellung in die nächst höhere Stufe aufrückt. Daraus lassen sich aber keine zwingende Schlüsse auf die hier allein interessierende Frage der Rechtslage bei einer Beförderung mit Vergütungsgruppenwechsel (Umgruppierung) ziehen.

b) Gegen ein vergütungsgruppenübergreifendes Durchzählen von Jahresperioden ab Einstellung spricht vor allem der tarifliche Gesamtzusammenhang. Mit der Beförderung zum Kapitän erfolgt auch hinsichtlich der Einstufung in die neue Vergütungstabelle eine Zäsur. So wurden die zum Kapitän ernannten Kläger unter Beachtung des Abstandsgebots gem. § 2 Abs. 4 S. 1 VTV in die Ausgangsstufen 1 oder 2 der Vergütungstabelle für Kapitäne eingestuft, während sie sich vorher als FO in einer zum Teil weit höheren Stufe entsprechend ihrer Beschäftigungszeit als FO befanden. Dies bedeutet, dass bei einer Umgruppierung die in anderen Beschäftigungsgruppen verbrachten Zeiten nicht anzurechnen sind (BAG, Urt. v. 01.06.1988 - 4 AZR 30/88 - AP-Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seniorität; BAG, Urt. v. 11.11.1992 - 4 AZR 117/92 - nicht amtlich veröffentlicht).

Das Begehren der Kläger läuft demgegenüber darauf hinaus, die Verweildauer in der alten Beschäftigungsgruppe für den Stufensprung in der neuen Beschäftigungsgruppe "mitzunehmen". Hätten die Tarifvertragsparteien den Stufensprung ab Einstellungsdatum errechnen wollen, wäre es konsequent gewesen, diese Stufe in die neue Beschäftigungsgruppe mitzunehmen. Davon geht der VTV aber gerade nicht aus, wie sich aus § 2 Abs. 4 VTV ergibt.

Die vom Arbeitsgericht eingeholte Tarifauskunft erbrachte gegensätzliche Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien. Die von der Vereinigung Cockpit vertretene Auffassung, die Jahressteigerung richte sich ungeachtet späterer Beförderung nur nach dem Einstellungsdatum, weil sie dazu diene, die Betriebstreue und Betriebszugehörigkeit zu honorieren, hat im VTV jedenfalls keinen Niederschlag gefunden. Auch die Kläger behaupten nicht, die Einstufung in die Vergütungstabelle für Kapitäne richte sich im Fall der Beförderung nach der Stufe ab Einstellung als FO. Dann vermag es aber nicht zu überzeugen, dass es für den Stufensprung in der neuen Tabelle für Kapitäne auf das Einstellungsdatum als FO ankommen soll. Gerade weil die Beschäftigungszeiten als FO bei der Einstufung in die höhere Beschäftigungsgruppe der Kapitäne unberücksichtigt bleiben, wäre es wenig konsequent, bei der Frage des Stufensprungs innerhalb der neuen Vergütungstabelle doch wiederum auf Zeiten der alten Beschäftigungsgruppe zurückzugreifen.

Die von den Klägern vertretene Auffassung würde auch zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen, weil sie die in der neuen Verantwortung als Kapitäne stehenden Flugzeugführer unterschiedlich behandelt. Wer als FO seinen Stufensprung z. B. immer im Dezember hatte und im November zum Kapitän befördert wurde, bekäme nach dem Gehaltssprung als Kapitän bereits einen Monat später die nächste Gehaltserhöhung aufgrund eines Stufensprungs, während derjenige, der etwa schon sechs Monate früher im Mai befördert worden ist und seinen Stufensprung als FO im April hatte, noch weitere fünf Monate nach der Beförderung des Kapitänskollegen zuwarten muss, bis er die Gehaltsstufe seines erst später beförderten Kapitänskollegen erreicht.

Da der VTV bei der Höherstufung vom FO zum Kapitän die Mitnahme der in der Vergütungstabelle für FO erreichten Stufe in die neue Vergütungstabelle für Kapitäne nicht vorsieht, kann es nicht auf die Betriebszugehörigkeit oder Betriebstreue an sich ankommen. Vielmehr ist die bei Beförderung jeweils neu erfolgte Einstufung und der Stufensprung in der "jeweiligen" Vergütungstabelle so zu verstehen, dass es auf die Dauer der Tätigkeit und damit auf die Erfahrung im jeweiligen Beschäftigungsamt ankommt.

Die Ansicht der Kläger vermag nicht zu überzeugen, dass bei der hier vertretenen Auslegung die Bestimmung des § 2 Abs. 4 S. 3 VTV eine Norm ohne Anwendungsbereich darstelle und überflüssig sei. § 2 Abs. 4 VTV regelt den Fall der Beförderung vom FO zum Kapitän. § 2 Abs. 4 S. 3 VTV macht deutlich, dass die Jahressteigerung auch im Beförderungsfall stattfindet und nicht nur in den Fällen, in denen ein Flugzeugführer als Kapitän eingestellt bzw. übernommen wird. Bei Beförderung ist sodann gem. § 2 Abs. 4 S. 2 VTV für den Beginn der Berechnung der Jahressteigerung die Einstufung in die neue Vergütungstabelle mit dem Datum des Lizenzeintrags als Kapitän maßgebend. In diesem Kontext verweist § 2 Abs. 4 S. 3 VTV auf die erforderliche Verweildauer von jeweils 12 vollen Monaten für den nächsten Stufensprung.

c) Dieses Auslegungsergebnis steht nicht im Widerspruch zu den Mitteilungen, die die Kläger als FO im Jahre 2000 erhalten haben. Diese Schreiben beziehen sich auf die Beschäftigungsgruppe der FO. Den Klägern wurde mitgeteilt, in welcher Gehaltsstufe sie sich innerhalb der Vergütungstabelle für FO befinden und in welchem Monat der Stufensprung stattfindet. Eine Aussage über den Zeitpunkt eines Stufensprungs in der anderen Vergütungstabelle für Kapitäne sollte damit ersichtlich nicht getroffen werden.

d) Soweit die Kläger vortragen, dass nach dem wortgleichen alten VTV Nr. 1 im Sinne ihrer Auslegung verfahren worden sei, kommt dieser Bezugnahme auf eine frühere Anwendungspraxis keine entscheidende Bedeutung zu. Zum einen ist es der Beklagten nicht verwehrt, sich auf eine später für richtig gehaltene Auslegung des Tarifvertrages zu berufen. Zum anderen hatte die Beklagte offensichtlich bereits unter der Geltung des früheren VTV Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung, denn sonst hätte sie die Anwaltskanzlei R nicht zur Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Jahressteigerung nach Umgruppierung zum Kapitän noch unter der Geltung des alten VTV Nr. 1 beauftragt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

IV. Die Revision wurde nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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