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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.02.2006
Aktenzeichen: 11 (13) Sa 1246/05
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 8 Abs. 4
Die Entscheidung einer Bank, im Interesse der Kundennähe in Zukunft auf allen Arbeitsplätzen mit Kundenkontakt den Teilzeitbegehren der Mitarbeiter nicht mehr stattzugeben, stellt allein keinen entgegenstehenden "betrieblichen Grund" i. S. d. § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG dar.

Je näher das behauptete unternehmerische Konzept an die Entscheidung, keine Teilzeitbeschäftigung zuzulassen, heranrückt, um so höher sind die Anforderungen an die Darlegung dieses Konzepts.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.06.2005 - 3 Ca 273/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die von der Klägerin beantragte Reduzierung der Arbeitszeit.

Die Klägerin ist am 12.06.1973 geboren, verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Sie hat Elternzeit in Anspruch genommen bis zum 07.02.2005. Zur Zeit steht für das Kind nur ein Kindergartenplatz bis 14.00 Uhr zur Verfügung. Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit August 1994 zunächst als Auszubildende später als Bankangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Volksbanken und Raiffeisenbanken vom 08.07.2004 Anwendung. Dort heißt es unter § 9 Nr. 5 "Umwandlungswünschen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Arbeitszeitvolumens ist Rechnung zu tragen, sofern die arbeitsorganisatorischen Gegebenheiten sowie die personelle Situation dies zulassen". Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer. Sie ist hervorgegangen aus diversen Fusionen von Volks- und Raiffeisenbanken. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten beträgt 18 %.

Am 29.11.2004 führte die Klägerin mit der Beklagten ein Gespräch im Rahmen dessen sie mündlich den Antrag stellte, zukünftig in Teilzeit beschäftigt zu werden, nämlich mit der Hälfte der Arbeitszeit. Diesen Antrag bestätigte die Beklagte schriftlich mit Schreiben vom 02.12.2004 und lehnte den Antrag ab. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellte den Antrag mit Schreiben vom 03.12.2004 noch einmal, dieses mal mit genauer Verteilung der beabsichtigten Arbeitszeit. Auch im Hinblick auf dieses Schreiben hat die Beklagte das Teilzeitbegehren der Klägerin abgelehnt mit dem Hinweis auf ein Organisationskonzept, das dem Teilzeitbegehren entgegenstehe.

Mit ihrer seit dem 18.01.2005 beim Arbeitsgericht anhängigen Klage hat die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zu einer Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit begehrt.

Sie hat vorgetragen, der mündliche Antrag vom 29.11.2004 entfalte unter Einhaltung der 3-Monatsfrist Wirkung ab dem 29.02.2005. Sie vertrete die Auffassung, dass die tarifvertragliche Regelung über den Geltungsbereich des TzBfG hinausgehe und die Beklagte selbst dann zum Abschluss eines Teilzeitvertrages verpflichte, wenn das von der Beklagten vorgetragene Konzept zutreffend sei. Den von der Beklagten behauptete Beschluss des Vorstandes zum Organisationskonzept bestreite sie mit Nichtwissen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin vom 29.11.2004 auf Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit von 39 auf 20 Wochenstunden ab dem 01.03.2005 zuzustimmen,

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin vom 08.12.2004 auf Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit von 39 auf 20 Wochenstunden ab dem 08.03.2003 zuzustimmen,

die Beklagte zu verurteilen, die Verteilung der Arbeitszeit der Klägerin auf montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr, hilfsweise von 8.45 Uhr bis 12.24 Uhr, hilfsweise von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr festzulegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dem Teilzeitanspruch der Klägerin stünden betriebliche Gründe in Form eines Organisationskonzeptes entgegen. Sie leide seit mehreren Jahren unter dem erheblichen Konkurrenzdruck auf dem Bankenmarkt, der insbesondere von Großbanken und Direktbanken ausgeübt werde. Es habe in der Vergangenheit deshalb diverse Fusionen von Volks- und Raiffeisenbanken gegeben. Die Strategie sei, den Vorteil der Kundennähe auszunutzen. Daher sei im Juli 2003 durch den Vorstand die Entscheidung getroffen worden, auf den kundennahen Arbeitsplätzen nur noch Vollzeitarbeitskräfte zu beschäftigen. Das Konzept bestehe darin, dass aus Gründen der Kundennähe und zur Sicherstellung der Eigenheiten eines genossenschaftlichen Bankwesens sowie der Existenz der Beklagten und in Abgrenzung zu ebenso marktüblichen wie tarifbekannten Verhaltensweisen der Großbanken und Sparkassen Kundenkontinuität und durchgehende Zuständigkeit aller Bankmitarbeiter in volltägiger Beschäftigung stattfinden soll. Das Konzept werde auch durchgesetzt. Es sei zwar richtig, dass es viele Teilzeitfälle gebe. Diese seien aber aufgrund der diversen Verschmelzungen und Betriebsübergänge ererbt. Die Unternehmerentscheidung gehe dahin, keine neuen Teilzeitvereinbarungen abzuschließen und die bestehenden durch natürliche Fluktuation abzubauen. Lediglich in den Geschäftsstellen L und G bestünde ein Bedürfnis für zwei Teilzeitstellen, da dort die Öffnungszeiten entsprechend begrenzt seien. Würde dem Teilzeitbegehren der Klägerin gefolgt, so müsse erstmals gegen das unternehmerische Konzept verstoßen werden. Bei einer Anerkennung des Teilzeitwunsches der Klägerin werde das Organisationskonzept auch wesentlich beeinträchtigt, denn die Anerkennung würde es ad absurdum führen. Jeder weitere Mitarbeiter könne sich dann darauf berufen, dass das Konzept nicht durchgesetzt werde. Der Kundenkreis der Beklagten bestehe in erster Linie aus solchen Kunden, die die entpersonifizierte Betreuung durch Direkt- oder Großbanken als unpersönlich empfänden und auf ein durchgehendes Vertrauensverhältnis zu einem Kundenberater besonders Wert legten. Sie vertrete die Auffassung, dass sie nicht darlegen müsse, warum das so sei. Gegen eine Teilzeitvereinbarung sprächen darüber hinaus folgende Gesichtspunkte: Es sei nicht möglich, auf dem Arbeitsmarkt eine Bankangestellte zu finden, die bereit sei, nachmittags zu arbeiten. Durch mehr Teilzeitkräfte steigere sich das Sicherheitsrisiko. Die Arbeitszeit steigere sich insgesamt durch die erforderlichen Übergabe- und Einarbeitungszeiten. In der Personalabteilung erweitere sich der Verwaltungsaufwand.

Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 23.06.2005 der Klage stattgegeben mit der Verteilung der Arbeitszeit von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr. Zur Begründung hat es ausgeführt, es lägen keine betrieblichen Gründe vor, die dem Teilzeitbegehren der Klägerin entgegenstünden.

Gegen das ihr am 12.08.2005 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte am 08.09.2005 Berufung eingelegt und diese am 07.10.2005 begründet.

Sie trägt vor, der bei der Beklagten "verortete" typische Traditionskunde und die Mitglieder der Beklagten hätten die Erwartung, dass sie in ihrer jeweiligen Geschäftsstelle "ihren" Sachbearbeiter vorfänden, der sie mit Namen und Kontonummer kenne. Die zusätzliche persönliche Bindung des Kunden an "den" Betreuer kompensiere die teilweise etwas ungünstigeren Kreditbedingungen (0,3 % - 0,4 %) im Vergleich zur Konkurrenz. Eine umfassende Betreuung des Kunden sei durch Halbtagskräfte jedenfalls im Filialgeschäft nicht möglich. Im Rahmen der Kundenbetreuer seien drei Hierarchieebenen zu unterscheiden, nämlich der Privatkundenbetreuer (hochqualifiziert, Außendienst), der Privatkundenberater (zuständig für Geschäfte jenseits der Routine) und der Serviceberater. Der Serviceberater sei der "erste Kontakt" und müsse die Verhältnisse und Bedürfnisse der Kunden kennen. Es existierten im Filialdienst 102 Vollzeitstellen (52 Privatkundenberater und 50 Serviceberater) und 15 Teilzeitstellen (1 Privatkundenberater und 14 Serviceberater). Alle Stellen seien besetzt. Nach den diversen Fusionen habe es durchaus Kunden gegeben, die nach dem bisherigen Kundenberater gefragt hätten. Ein Interesse des Kunden an der durchgehenden Betreuung bestehe also durchaus. Ein Teilzeitarbeitsplatz könne nicht freigemacht werden. Teilzeit komme nur in größeren Filialen in Betracht. Dort seien sämtliche Teilzeitstellen besetzt. Die Klägerin sei in der sog. Personalreserve tätig. Aufgabe der Personalreserve sei es, Arbeitsausfälle durch Krankheit und Urlaub aufzufangen. Wegen der Aufgabenstruktur der Personalreserve müsse diese notwendig dem sonstigen Stellenbesetzungsplan der Beklagten folgen, da insofern eine Aufgabenparallelität zwischen Personalreserve und sonstiger Zweigstellenbelegschaft der Beklagten bestehe. Der Anteil der Teilzeitkräfte in der Personalreserve müsse dem Anteil der Teilzeitkräfte in den Zweigstellen entsprechen. Aus dem dargestellten Organisationskonzept folge zwingend, dass auch im Vertretungsfall ein Stammbeschäftigter durch nur einen Vertreter ersetzt werde. Zur Zeit seien neben 4 Vollzeitmitarbeiterinnen 14 Teilzeitmitarbeiter in der Personalreserve tätig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.06.2005 - 3 Ca 273/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

Im Übrigen haben die Parteien auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1, 519, 520 ZPO).

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der von der Klägerin begehrten Arbeitszeitreduzierung zuzustimmen.

1. Die Klage ist zulässig. Die Antragstellung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Mit ihrer Leistungsklage auf Abgabe einer zustimmenden Willenserklärung der Beklagten zu der von ihr begehrten Vertragsänderung hat sie die zutreffende Verfahrensart gewählt (Urteil vom 30.09.2003 - 9 AZR 665/02 - AP Nr. 5 zu § 8 TzBfG; LAG Köln, Urteil vom 09.04.2003 - 3 Sa 975/02 - LAGE, § 8 TzBfG Nr. 11 b). Der Antrag ist auch bezüglich des Reduzierungsumfanges und der konkreten wöchentlichen Arbeitszeitverteilung hinreichend bestimmt.

2. Wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden hat, ist die Klage auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 8 Abs. 1 TzBfG einen Anspruch auf Zustimmung zu der von ihr begehrten Arbeitszeitverringerung.

a. Die allgemeinen Voraussetzungen des § 8 TzBfG sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat länger als 6 Monate bestanden (§ 8 Abs. 1 TzBfG), die Beklagte beschäftigte regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer (§ 8 Abs. 7 TzBfG) und vorherige Gespräche der Parteien über das Begehren der Klägerin sind erfolglos geblieben (§ 8 Abs. 3 TzBfG). Schließlich ist im Hinblick auf den beantragten Änderungszeitpunkt auch die 3-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 TzBfG gewahrt. Da die begehrte Willenserklärung gemäß § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO erst mit Rechtskraft des Urteils fingiert wird, kann auch offen bleiben, ob die Frist bereits mit dem mündlichen Antrag vom 29.11.2004 oder erst mit dem Antrag des Prozessbevollmächtigten vom 03.12.2004 zu laufen begann.

Dem Klagebegehren stehen auch keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 1 und 2 TzBfG entgegen. Nach den Vorschriften aus diesen beiden Absätzen hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen (S. 1). Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder aber die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht (S. 2). Es genügt, dass der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein (zu den Voraussetzungen im Einzelnen BAG, Urteil vom 30.09.2003 - 9 AZR 665/02 - AP Nr. 5 zu § 8 TzBfG, unter III 1. der Gründe). Der Arbeitgeber kann daher die Ablehnung nicht allein mit einer abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der "richtigen" Arbeitszeitverteilung begründen. Ob hinreichend gewichtige betriebliche Gründe zur Ablehnung berechtigen, ist gerichtlich festzustellen. Dazu gilt folgende dreistufige Prüfungsfolge:

In der ersten Stufe ist festzustellen, ob überhaupt und wenn ja welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Die Darlegungslast dafür, dass das Organisationskonzept die Arbeitszeitregelung bedingt, liegt beim Arbeitgeber. Die Richtigkeit seines Vortrages ist arbeitsgerichtlich voll überprüfbar. Die dem Organisationskonzept zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung und die daraus abgeleiteten organisatorischen Entscheidungen sind jedoch hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich sind. Voll überprüfbar ist dagegen, ob das vorgetragene Konzept auch tatsächlich im Betrieb durchgeführt wird.

In einer zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch der Frage nachzugehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes der betrieblich als erforderlich angesehene Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzeptes mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann.

Ergibt sich, dass das Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers nicht mit dem organisatorischen Konzept und der daraus folgenden Arbeitszeitregelung in Übereinstimmung gebracht werden kann, ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen, nämlich die Frage, ob durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG genannten besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept und die ihm zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentliche beeinträchtigt werden.

Nach Durchführung dieser dreistufigen Prüfung ergibt sich, dass keine betrieblichen Gründe dem Wunsch der Klägerin nach Verlängerung ihrer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit entgegenstehen.

aa. Schon im Rahmen der ersten Prüfungsstufe zeigt sich, dass sich aus den Darlegungen der Beklagten betriebliche Gründe im Sinne der Regelung nicht ergeben. Dabei ist hervorzuheben, dass die Beklagte hier nicht, wie in anderen bereits entschiedenen Fällen der Instanzrechtsprechung, im Hinblick auf einzelne Arbeitsbereiche oder Abteilungen die Reduzierung der Arbeitszeit für untunlich hält und daher ausschließen möchte. Wie sich aus dem Vorstandsbeschluss (Bl. 52 d.A.) ergibt, möchte sie vielmehr unternehmensweit keine weitere Teilzeitvereinbarung abschließen, unabhängig von der konkreten Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers und unabhängig von der Struktur und der Tätigkeit der konkret betroffenen Abteilung.

Zur Abgrenzung der freien Unternehmerentscheidung und gleichzeitiger richtiger tatbestandlicher Erfassung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 TzBfG ist es aufgrund der Parallelen zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Kündigungsrecht zur "Unternehmerentscheidung" naheliegend, die dortigen Rechtsprechungsgrundsätze zu übertragen. Danach muss der Arbeitgeber, je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, um so mehr durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Sind die Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich, greift die ansonsten vom Bundesarbeitsgericht angenommene Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein ein, sondern der Arbeitgeber muss darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können (BAG, Urteil vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - NZA 1999, 1098, 1100).

Überträgt man diese Rechtsprechung auf die Darlegungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen des § 8 Abs. 4 TzBfG so bedeutet dies, dass eine Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Arbeitsplätze nur mit Vollzeitkräften zu besetzen, deckungsgleich mit der Ablehnung des Teilzeitwunsches ist. Es bedarf daher in einem solchen Fall immer zusätzlicher Erläuterungen des Arbeitgebers, warum diese Organisationsentscheidung nicht unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Hier muss ein schlüssiges Konzept zugrunde liegen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2002 - 3 Sa 161/02 - NZA 2002, 856, 857) und der Arbeitgeber muss eine stimmige, plausible und damit nachvollziehbare Begründung für gerade dieses Konzept geben, in bestimmten Betriebsbereichen bzw. im gesamten Betrieb ausschließlich Vollzeitkräfte zu beschäftigen (ErfK-Preiss, § 8 TzBfG, Rz. 27; LAG Köln, Urteil vom 09.02.2003 - 3 Sa 975/02 - LAGE, § 8 TzBfG Nr. 11 b).

Ein derartiges hinter der Organisationsentscheidung stehendes Konzept hat die Beklagte nicht dargelegt. Der von ihr geäußerte Wille, die Kundenbeziehung zu intensivieren, ist eine gerichtlich nicht überprüfbare und daher anzuerkennende Motivation. Wieso diese Motivation aber zum Ausschluss von Teilzeitarbeit in allen Abteilungen und auf allen Arbeitsplätzen führen soll, ist nicht ersichtlich. Der generelle und im Übrigen nicht spezifizierte Beschluss, keine weiteren Teilzeitverträge abzuschließen, ist deckungsgleich mit dem Entschluss, Teilzeitbegehren der Arbeitnehmer abzulehnen. Aus den oben dargestellten Grundsätzen und der gezogene Parallele zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf solche Unternehmerentscheidungen, die sich mit Kündigungsentscheidungen decken, folgt, dass hier die Ansprüche an die Darlegung des unternehmerischen Konzeptes besonders hoch sind. Diesen Ansprüchen wird die Darlegung der Beklagten nicht gerecht. Nach dem Sach- und Streitstand, wie er sich bei Verkündung des erstinstanzlichen Urteils darstellte, hat das Arbeitsgericht zu Recht ohne weitere Vertiefung ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, wieso der "normale Bankkunde" einen permanent anwesenden Betreuer verlange. Zu Unrecht rügt die Beklagte, hier habe ein "einzelner Richter" der Entscheidung seine "höchst subjektive Auffassung", seine "persönlichen Vorlieben" und sein "persönliches Werturteil" zugrunde gelegt. Einmal muss in Erinnerung gerufen werden, dass nicht ein "einzelner Richter" sondern eine vollbesetzte Kammer entschieden hat. Die ehrenamtlichen Richter werden in allen Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit beteiligt, um dadurch die unmittelbaren Anschauungen der Kreise des Arbeitslebens durch die Rechtsprechung verwerten zu können. Sie haben die Aufgabe, ihre besonderen Sachkenntnisse und ihre Berufserfahrung und Berufsauffassung mit in das Gerichtsverfahren einzubringen (Germelmann u.a. ArbGG, § 6 Rdnr. 4). Es haben also drei Richter entschieden. Alle drei Richter sind Bankkunden. Sie sind nicht nur berechtigt, ihre Erfahrungen in den Prozess der Urteilsfindung einzubeziehen, sondern sie sind dazu verpflichtet. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die Prüfung der Plausibilität eines vorgetragenen Konzeptes geht. Des weiteren geht es angesichts der oben dargestellten Darlegungsgrundsätze nicht darum, dass eine als nicht sachwidrig und nicht willkürlich unterstellte Unternehmerentscheidung durch "subjektive Werturteile" oder objektive Feststellungen in Frage gestellt werden könnte oder müsste, sondern es ist umgekehrt zu prüfen, ob die Arbeitgeberin Tatsachen und eben nicht subjektive Werturteile vortragen kann, aus denen sich ein nachvollziehbares unternehmerisches Konzept ergibt.

Aus dem Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren ergibt sich nichts anderes.

Das Ziel, den Kunden für die gegebenenfalls etwas schlechteren finanziellen Konditionen in Abgrenzung zu den Groß- und Direktbanken einen Gegenwert zu bieten in Form von messbarer Kundennähe, persönlicher Erreichbarkeit und individueller Ansprechbarkeit, kann als Konzept unterstellt werden. Dieses Konzept widerspricht aber nicht der Teilzeitarbeit. Auch in Teilzeit beschäftigte Bankangestellte können Kundennähe in dem Sinne gewährleisten, dass ein Kunde, ohne lange Wartezeiten befürchten zu müssen, seine Bankgeschäfte in individuellem ausführlichen Gespräch abwickeln kann, ohne auf technische Substitute zurückgreifen zu müssen. Die Intensität dieser individuellen Betreuung ist eher eine Frage des Personalschlüssels in der jeweiligen Filiale, als eine Frage der persönlichen Arbeitszeit des einzelnen Angestellten. Gleiches gilt für die persönliche Erreichbarkeit und die individuelle Ansprechbarkeit.

Dass die Verwirklichung des vorgenannten Ziels in allen Beratungsebenen der Bank die konkrete Zuordnung eines einzelnen Mitarbeiters zu konkreten Kundennamen voraussetzt, ergibt sich nicht aus den Darlegungen der Beklagten. Nachvollziehbar ist noch, dass es bei der Beratung vermögender Kunden und Firmenkunden ein servicefreundliches Organisationskonzept darstellt, wenn der vermögende Kunde für seine oftmals umfassenden und vernetzten Bankgeschäfte nur einen festen Berater hat, so dass sich eine personifizierte Kundenbeziehung entwickeln kann, die gleichermaßen auf gegenseitigem Vertrauen und auf komplexer Kenntnis beruht. Es ist ebenfalls nachvollziehbar, dass der vermögende Kunde durch größtmögliche Flexibilität seitens seines Beraters jederzeit einen Ansprechpartner haben soll, um - entsprechend seinem in der Regel überdurchschnittlichen Beratungsbedarf - seine oft kurzfristig anstehenden finanziellen Entscheidungen treffen zu können (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 21.12.2004 - 6 Sa 1294/04 - JURIS unter 2.2.1. der Gründe). Wieso dies auch für den schlichten Schalterdienst gelten soll, ist nicht ersichtlich, zumal die dortigen Serviceberater bei komplexeren Angelegenheiten den Kunden ohnehin an einen Privatkundenberater weiter verweisen müssen, der dem Kunden in aller Regel unbekannt ist. In einem Fall komplexer Fragen hilft es dem Kunden auch nicht weiter, wenn der Serviceberater über dessen "Knatsch und Tratsch" (so wörtlich die Beklagte) Bescheid weiß. Die Darlegung der Beklagten (Schriftsatz vom 07.10.2005, Seite 9, Beweisantritte: Vernehmung der Zeugen P und M ), die "jeweiligen Kunden" hätten nach den diversen Fusionen "durchaus gezielte Nachfragen hinsichtlich ihres bisherigen Kundenbetreuers gestellt" und sie hätten "verlangt, von ihrem bisherigen Kundenbetreuer auch weiter betreut zu werden", ist pauschal, nicht einlassungsfähig und daher unerheblich. Pauschal ist diese Darlegung insbesondere deshalb, weil sich die Beklagte hier nicht ihrer eigenen Terminologie (Privatkundenbetreuer/Privatkundenberater/Serviceberater) bedient, sondern allgemein von "Kundenbetreuern" spricht. Auf welche Hierarchieebenen sich dieser gezielten Nachfragen bezogen haben sollen und wie viele solcher Nachfragen gestellt wurden, bleibt im Dunkeln. Außerdem muss hier unterstellt werden, dass die vermissten Kundenbetreuer im Rahmen der Fusionen gänzlich ihren bisherigen Aufgabenbereich verlassen haben. Von einer bloß zeitlichen Beschränkung der Erreichbarkeit ist hier nicht die Rede.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Vortrag der Beklagten zum Organisationskonzept den hohen Anforderungen nicht gerecht wird, die an die Darlegung zu stellen sind, wenn das behauptete Konzept sich inhaltlich deckt mit der Entscheidung grundsätzlich keine Teilzeitarbeit zuzulassen.

bb. Da es wie gezeigt an einen nachvollziehbaren Konzept fehlt, kann auch auf der zweiten Prüfungsstufe nicht festgesellt werden, dass ein Organisationskonzept tatsächlich durchgeführt wird. Von einer Durchführung ist aber auch aus einem anderen Grund nicht auszugehen: Die Beklagte trägt selbst vor, das Konzept habe bereits beim ursprünglichen Arbeitgeber der Klägerin vor Betriebsübergang bestanden. Dass es dort durchgesetzt worden ist, wurde nicht dargelegt.

cc. Selbst wenn aber das Prinzip "ein Kunde - ein Mitarbeiter" als Organisationskonzept anerkannt wird und selbst wenn dieses Konzept auch tatsächlich bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin durchgesetzt worden wäre, scheitert die Anerkennung des betrieblichen Bedürfnisses auf der dritten Prüfungsebene. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Konzepts durch eine nur teilzeitige Tätigkeit der Klägerin ist nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Klägerin im Vertreterpool beschäftigt ist. Wie bei den dortigen Mitarbeitern das genannte Prinzip durchgehalten werden soll, ist nicht mehr nachvollziehbar. Ein Spiegelbild des Vertreterpools zu den Stammkräften ist ebenfalls nicht zwingend. Zum einen ist der Vertreterpool viel zu klein, um tatsächlich alle anstehenden Vertretungen aufzufangen und zum anderen kann ein Vollzeitmitarbeiter bei vorübergehender teilweiser Arbeitsverteilung auf andere anwesende Stammmitarbeiter durchaus durch eine Teilzeitkraft vertreten werden.

c. Die noch erstinstanzlich vorgebrachten weiteren Einwände - Sicherheitsrisiko, erhöhte Arbeitszeit durch Übergabephase, gesteigerter Verwaltungsaufwand - sind in der Berufungsinstanz nicht weiter vertieft worden. Im übrigen handelt es sich bei den bezeichneten Belastungen des Arbeitgebers um typische Phänomene, die mit Teilzeit verbunden und daher systemimmanent sind. Sie können somit nicht als betriebliche Gründe gegen einen Teilzeitwunsch vorgebracht werden. Da sonstige Einwände der Beklagten insbesondere hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Arbeitszeitverteilung nicht vorgebracht wurden, war dem Begehren der Klägerin auf eine Verurteilung der Beklagten zur Erteilung der Zustimmung zu der von ihr begehrten Arbeitszeitreduzierung in vollem Umfang stattzugeben. Auf die tarifliche Vorschrift zur Förderung der Teilzeitarbeit kommt es nicht an. Die Berufung gegen das somit richtige erstinstanzliche Urteil war daher zurückzuweisen.

III. Da die Beklagte das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss sie nach §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO die Kosten der Berufung tragen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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