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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 12.12.2008
Aktenzeichen: 11 Sa 777/08
Rechtsgebiete: KSchG, GewO


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9
GewO § 106
1. Die Weigerung persönliche Schutzausrüstung (Sicherheitsschuhe) zu tragen, kann nach vorheriger Abmahnung eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn die Anordnung zum Tragen der Schutzausrüstung billigem Ermessen entsprach.

2. Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe gegenüber Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Kollegen kommen als Auflösungsgründe i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG in Betracht.


Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2008 - 6 Ca 4456/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 06.11.2007 nicht zum 29.02.2008 aufgelöst worden ist.

Das Arbeitsverhältnis wird auf Antrag der Beklagten zum 29.02.2008 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 9.250,00 € brutto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die Entfernung einer schriftlichen Ermahnung sowie zweier Abmahnungen und über einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberin.

Der am 24.03.1968 geborene Kläger, verheiratet und Vater von zwei Kindern, ist bei der Beklagten, für die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer tätig sind, seit dem November 1998 als Logistikassistent zu einem Bruttomonatsverdienst von etwa 2.000,-- € beschäftigt.

Seit dem Frühjahr 2007 litt der Kläger unter einer Erkrankung seiner Zehennägel. Anfang April 2007 wies die Beklagte dem Kläger, der zuvor im Repair-Center eingesetzt war, eine Tätigkeit im Logistikbereich zu. Der Kläger erhielt erstmals Sicherheitsschuhe, die er in der Folgezeit trug. Am 02.07.2007 arbeitete er ohne Sicherheitsschuhe, was sein Vorgesetzter beanstandete. Bis zum 02.08.2007 kam der Kläger der Weisung seines Vorgesetzten zum Tragen von Sicherheitsschuhen nach.

Am 03.08.2007 trat der Kläger seinen Dienst ohne Sicherheitsschuhe an, was die Beklagte zur schriftlichen Ermahnung vom selbigen Tag veranlasste (Bl. 17 d. A.). Der Kläger rechtfertigte sein Verhalten mit der Erkrankung der Zehennägel, woraufhin sein Vorgesetzter ihn zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung aufforderte.

Laut Attest der behandelnden Ärztin vom 06.08.2007 (Bl. 161 d. A.) soll wegen der Erkrankung der Zehennägel bis zum Abklingen der Beschwerden auf das Tragen von Sicherheitsschuhen verzichtet werden.

Nach einwöchiger Arbeitsunfähigkeit erschien der Kläger am 13.08.2007 in Sandalen zur Arbeit. Sein Vorgesetzter bestand trotz des ärztlichen Attests auf das Tragen von Sicherheitsschuhen. Dem kam der Kläger an diesem Tag nach. Am 14.08.2007 trat der Kläger seinen Dienst wieder in Sandalen an, worauf er die schriftliche Abmahnung vom 14.08.2007 (Bl. 21 d. A.) erhielt. Der Kläger protestierte hiergegen schriftlich unter dem 15.08.2007 (Bl. 23 ff. d. A.) und teilte u.a. mit, dass er zum Erhalt seines Arbeitsplatzes die Sicherheitsschuhe tragen werde, sich allerdings im Falle der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eine Klage auf Schmerzensgeld und Schadenersatz vorbehalte.

Nachdem der Kläger die Abmahnung vom 05.10.2007 (Bl. 61 f. d. A.) wegen des wiederholten Verstoßes gegen seine Arbeitspflichten erhalten hatte, informierte der Kläger die Beklagte, dass er sich von der Pflicht zum Tragen der "unnötigen, stinkenden und unhygienischen Sicherheitsschuhe" befreit sehe. Er stellte am 09.10.2007 die Sicherheitsschuhe im Büro des Personalleiters ab und war vom 10.10.2007 bis 19.10.2007 arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte erhielt am 10.10.2007 die von ihr veranlasste Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr. Dr. S (Bl. 72 d. A.), der nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin keine generelle Bedenken gegen das Tragen von Sicherheitsschuhen sah. Sofern aus Sicherheitsgründen vertretbar, solle zur Förderung des Abheilungsprozesses auf das Tragen von geschlossenem Schuhwerk verzichtet werden. Ein möglicher Kompromiss wäre das Tragen von Sicherheitssandalen. Eine Verschlimmerung des Gesundheitsproblems sei - entsprechende Fußhygiene vorausgesetzt - jedoch auch bei Tragen von geschlossenen, atmungsaktiven Sicherheitsschuhen nicht zu erwarten.

Nach Arbeitsaufnahme am 22.10.2007 forderte der Vorgesetzte den Kläger auf, die Sicherheitsschuhe zu tragen. Er teilte dem Kläger mit, dass nach Auskunft des Arbeitsmediziners keine Bedenken gegen das Tragen von Sicherheitsschuhen bestünden. Wegen der Weigerung des Klägers, Sicherheitsschuhe zu tragen, erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem 22.10.2007 eine weitere Abmahnung (Bl. 26 d. A.).

Auch am 23.10.2007 und 24.10.2007 erledigte der Kläger seine Arbeit ohne Sicherheitsschuhe. In der Zeit vom 25.10.2007 bis zum 02.11.2007 war er erneut arbeitsunfähig erkrankt.

Nachdem der Kläger am 05.11.2007 und 06.11.2007 seine Arbeit in Straßenschuhen verrichtet hatte und am letztgenannten Tag sich weigerte, einer Aufforderung seines Vorgesetzten zum Tragen von Sicherheitsschuhen nachzukommen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 06.11.2007 fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Der Kläger hat erstinstanzlich zum einen Kündigungsschutzklage erhoben und Entfernung der Ermahnung sowie der Abmahnungen beantragt. Zum anderen hat er die Verurteilung der Beklagten zum Unterlassen des Mobbings und der Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz begehrt. Er hat u. a. das Verhalten der Beklagten als willkürlich, schikanös, diskriminierend, "Mobbing pur", Psychoterror und Nötigung bezeichnet. Der Arbeitnehmer dürfe nicht zur Marionette werden. Sein Vorgesetzter habe die Auskunft des Arbeitsmediziners manipuliert bzw. mutwillig verfälscht und den Tatbestand übler Nachrede verwirklicht. Die Vorgesetzten seien daran interessiert, sich von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen, der das Gericht belüge und zu betrügen versuche.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.04.2008 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 06.11.2007 nicht fristlos, sondern zum 29.02.2008 aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 106 ff. d. A. verwiesen.

Gegen das ihm am 02.06.2008 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Kläger am 18.06.2008 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.08.2008 - am 22.08.2008 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte mit ihrer Anweisung zum Tragen von Sicherheitsschuhen die Grenzen billigen Ermessens überschritten habe. Es habe für ihn keine objektive Notwendigkeit des Tragens der Sicherheitsschuhe bestanden. Er habe sich Mitte August 2007 mit seinem Vorgesetzten darauf verständigt, dass es ausreiche, wenn er feste Halbschuhe trage. Der Kläger sei in einem abgegrenzten Raum mit der Endkontrolle von Navigationsgeräten befasst gewesen. Die dort tätigen Studenten und Leiharbeitnehmer hätten keine Sicherheitsschuhe getragen. Die Sicherheitsschuhe seien nicht atmungsaktiv gewesen. Die Beklagte hätte den krankheitsbedingten Beschwerden des Klägers durch Einsatz von Sicherheitssandalen Rechnung tragen müssen. Jedenfalls falle die Interessenabwägung zugunsten des Klägers aus, da konkrete Betriebsablaufstörungen nicht zu verzeichnen gewesen seien. Der Kläger hält das Verhalten der Beklagten weiterhin für pure Schikane und bezeichnet das Vorbringen der Beklagten in der Berufungserwiderung als Lüge. Dem Auflösungsantrag tritt er unter Hinweis auf die ungerechte Behandlung seitens der Beklagten entgegen.

Der Kläger beantragt,

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2008, Aktenzeichen: 6 Ca 4456/07, geändert.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 06.11.2007 nicht zum 29.02.2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die mit Schreiben vom 03.08.2007 erteilte Ermahnung sowie die mit Schreiben vom 14.08.2007 und 22.10.2007 erteilten Abmahnungen aus der Personalakte ersatzlos zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt die Beklagte,

das Arbeitsverhältnis zum 29.02.2008 gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und behauptet, das Tragen der atmungsaktiven Sicherheitsschuhe sei notwendig gewesen, da der Arbeitsraum des Klägers sich in der Anlieferungszone des Lagers befunden habe. Mit Ausnahme der studentischen Hilfskräfte und des Abteilungsleiters würden alle Mitarbeiter der Logistik-Abteilung Sicherheitsschuhe tragen. Der Kläger sei im gesamten Logistik-Bereich eingesetzt worden. Dort verkehrten Flurförderfahrzeuge. Zudem habe es auch zu den Aufgaben des Klägers gehört, vertretungsweise Lastkraftwagen zu be- und entladen. Zudem befänden sich im Lager gestapelte Kartons mit Geräten und Materialien, die herunter fallen könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 12.12.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß den §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 5, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.

II. Das Rechtsmittel ist teilweise erfolgreich, der zulässige Auflösungsantrag der Beklagten begründet.

1. Die Kündigung der Beklagten vom 06.11.2007 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 29.02.2008 aufgelöst, denn die Kündigung ist rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

a. Zunächst ist davon auszugehen, dass auch die erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten eine ordentliche Kündigung, unter Umständen sogar eine außerordentliche Kündigung, eines Arbeitsverhältnisses an sich rechtfertigen kann (vgl.: BAG, Urt. v. 19.04.2007 - 2 AZR 78/06 - AP § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 77 m. w. N.). Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht schuldhaft verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (BAG, Urt. v. 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - AP § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 m. w. N.). Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO auch das Tragen persönlicher Schutzausrüstung umfasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG zu den Grundpflichten des Arbeitgebers gehört, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen konkretisieren den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber nach § 618 BGB im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen (vgl.: BAG, Urt. v. 12.08.2008 - 9 AZR 1117/06 - juris). Korrespondierend besteht die Pflicht des Beschäftigten, nach seinen Möglichkeiten sowie gemäß Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für seine Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu sorgen, § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG. Die Berufungskammer sieht jedoch die Grenzen des Direktionsrechts durch die Anweisung der Beklagten zum Tragen der Sicherheitsschuhe im Hinblick auf die Fußnägelerkrankung als überschritten an.

b) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Bei der vorzunehmenden Abwägung ist auf die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts abzustellen (BAG, Urt. v. 23.09.2004 - 6 AZR 567/03 - AP § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 64 m. w. N.). Das anzuerkennende Fürsorgeinteresse der Beklagten am Schutz ihrer Mitarbeiter im Logistik-Bereich und das Heilungsinteresse des Klägers hätten nach Überzeugung des Berufungsgerichts dadurch angemessen ausgeglichen werden können, dass die Beklagte dem Kläger statt der Sicherheitsschuhe Sicherheitssandalen zur Verfügung gestellt hätte. Bereits aus der Stellungnahme des Arbeitsmediziners folgt, dass zur Förderung des Abheilungsprozesses auf das Tragen von geschlossenem Schuhwerk verzichtet werden solle. Lediglich eine Verschlimmerung des Gesundheitsproblems wäre durch das Tragen von geschlossenen, atmungsaktiven Sicherheitsschuhen nicht zu erwarten. Zwar stand die Empfehlung des Arbeitsmediziners zum Tragen von Sicherheitssandalen unter dem Vorbehalt der Vertretbarkeit aus Sicherheitsgründen. Jedoch sind keine Sicherheitsbedenken gegen das Tragen von handelsüblichen Sicherheitssandalen mit Schutzkappe erkennbar. Die Schutzwirkung von Sicherheitssandalen mit Schutzkappe im Hinblick auf die gefährdeten vorderen Glieder des Fußes unterscheidet sich hinsichtlich des Überfahrens und des Herunterfallens von Gegenständen nicht von der, die von Sicherheitsschuhen gewährleistet wird. Das Schutzinteresse der Beklagten und das spezifische Heilungsinteresse des Klägers hätten somit durch das Tragen von Sicherheitssandalen angemessen in Einklang gebracht werden können.

2. Das Arbeitsverhältnis ist auf Antrag der Beklagten zum Zeitpunkt des Ablaufs der ordentlichen Kündigungsfrist zum 29.02.2008 gegen Zahlung einer Abfindung von 9.250,-- € aufzulösen, §§ 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 10 KSchG.

a. Es liegen Gründe vor, die in der Vorausschau eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen. An die Auflösungsgründe sind strenge Anforderungen zu stellen, denn das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig auf Bestandsschutz gerichtet und kein Abfindungsgesetz. Eine Auflösung kommt vor allem in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich. Als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (BAG, Urt. v. 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 - AP Art. 5 Abs. 1 GG Meinungsfreiheit Nr. 19 m. w. N.).

b. Zur Überzeugung der Berufungskammer steht fest, dass der Kläger bei objektiver Sicht der Dinge aufgrund seines Prozessverhaltens das unerlässliche Mindestmaß an Loyalität und Respekt gegenüber seinem Arbeitgeber und dessen handelnden Personen nicht mehr entgegen bringt. Der Kläger hat durch seinen Vortrag in beiden Instanzen sich nicht darauf beschränkt, seine berechtigten Interessen zu wahren, sondern darüber hinaus seine Vorgesetzten in ehrrühriger Art und Weise angegriffen, die ihn angeblich systematisch anfeinden, schikanieren und diskriminieren. Er hat ihnen "Mobbing pur", Psychoterror und Nötigung vorgehalten und sie der Manipulation und Verfälschung bezichtigt. Er hat ihnen das Interesse an Lug und Trug - vermittelt durch ihren Prozessvertreter - unterstellt. Auch wenn die Beklagte im Streitfall die Grenzen des Direktionsrechtes verkannt hat und der Kläger sich ungerecht behandelt fühlte, so rechtfertigt dies keineswegs die überzogenen, ehrrührigen Angriffe des Klägers. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger seine Beschuldigungen nicht in spontaner emotionaler Erregung, sondern wiederholt und bedacht schriftsätzlich vorgetragen hat und noch in seinem letzten persönlichen Schreiben, gerichtet an das Berufungsgericht, die Beklagte des Lügens bezichtigt hat.

c. Bei der Bestimmung der Höhe der Abfindung hat die Kammer einerseits das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung berücksichtigt, andererseits aber auch das Auflösungsverschulden des Klägers. Zudem war zu beachten, dass dem Arbeitsverhältnis aufgrund mehr als neunjähriger Dauer gesteigerter Bestandsschutz zuzuerkennen ist und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den etwa 40-jährigen Kläger im Hinblick auf seine Unterhaltspflichten erheblich belastet.

3. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Entfernung der Abmahnungen und der Ermahnung entsprechend den §§ 242, 1004 BGB, denn der Kläger hat keinerlei Tatsachen dafür vorgetragen, dass die Ermahnung und die schriftlichen Abmahnungen ihn auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beeinträchtigen können.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch kann aber dann gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig (BAG, Urt. v. 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 - AP § 611 BGB Abmahnung Nr. 13 m. w. N.).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.

Ende der Entscheidung

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