Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 20.02.2006
Aktenzeichen: 14 (5) Sa 1401/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1004
Es besteht kein Anspruch darauf, den Tatsachen entsprechende Besprechungsniederschriften, die keine Rügen von Fehlverhalten des Arbeitnehmers enthalten, aus der Personalakte entfernen zu lassen.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.08.2005 - 9 Ca 1146/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt mit der Klage die Entfernung von Gesprächsniederschriften und Vermerken aus ihrer Personalakte.

Die im Jahre 1963 geborene Klägerin ist seit dem 01.06.1991 als Kinderpflegerin für die Beklagte tätig, zunächst in der Kindertagesstätte W S , seit dem 01.10.2003 in der Kindertagesstätte V und seit dem 01.11.2004 in der Kindertagesstätte H S . Mit der Klage begehrt die Klägerin die Entfernung von Besprechungsniederschriften und Vermerken (Bl. 10 - 24 d. A.), die anlässlich der Erörterung der Fehlzeitenproblematik der Klägerin angefertigt worden sind.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich bei den Niederschriften und Vermerken weder um Abmahnungen oder Ermahnungen gehandelt habe, noch die Klägerin die Unrichtigkeit der Protokollierung des tatsächlichen Verlaufs der angeführten Gespräche vorgetragen habe.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 17.8.2005 (Bl. 65 - 70 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das der Klägerseite am 21.10.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 24.10.2005 Berufung eingelegt und diese am 15.12.2005 begründet.

Die Klägerseite macht geltend, die Niederschriften und Vermerke müssten entfernt werden, weil aus ihnen nur der unzutreffende Schluss eines schuldhaften Verhaltens der Klägerin gezogen werden könne. So gehe aus den Vermerken hervor, dass von der Klägerin mehr Verlässlichkeit verlangt wurde, dass Fehlzeiten auf ein Normalmaß zu reduzieren seien, dass man beobachten wolle, ob sich die Fehltage reduzierten und dass aufgrund der hohen Fehlzeiten der Klägerin weder Verlässlichkeit noch Belastbarkeit noch Planbarkeit attestiert werden könne. Die gesamte Dokumentation mache nur Sinn, wenn die Beklagte der Klägerin damit vorwerfen wolle, die Fehlzeiten vorzutäuschen. Die tatsächliche Aussage, die aus den Niederschriften und Vermerken hervorgehe, sei, dass die Klägerin faul und arbeitsunwillig sei. Ein unbefangener Leser sei dadurch nicht mehr unvoreingenommen. Dies könne die Klägerin in ihrem weiteren Berufsweg, insbesondere weil sie entsprechend ihrer zwischenzeitlich erworbenen Qualifikation als Erzieherin eingesetzt werden wolle, schädlich sein. Die aus den Niederschriften und Vermerken hervorgehenden Vorwürfe seien nicht korrekt, denn tatsächlich habe die Klägerin ihre Erkrankungen stets durch Atteste belegt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 17.08.2005 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln, AZ.: 9 Ca 1146/05, die Beklagte zu verurteilen, die Besprechungsniederschriften vom 22.01.2004, 27.01.2004, 10.03.2004, 21.04.2004, 02.06.2004, 19.07.2004 sowie vom 05.10.2004 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, es fehle bereits an einer Anspruchsgrundlage für einen Entfernungsanspruch angesichts der Tatsache, dass die beanstandeten Gesprächsprotokolle den Ablauf korrekt wiederspiegelten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin von der Möglichkeit, Gegendarstellungen abzugeben, Gebrauch gemacht habe. Dass die Beklagte wegen der Fehlzeiten und Erkrankungen der Klägerin mit dieser Gespräche geführt habe, sei nicht zu beanstanden, zumal dies zwischenzeitlich vom Gesetzgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX gefordert werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hatte keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Eine Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Entfernungsanspruch ist nicht gegeben.

1. Ein Entfernungsanspruch aus entsprechender Anwendung von § 1004 BGB aufgrund einer unberechtigten Abmahnung ist nicht gegeben. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass der Arbeitnehmer die Entfernung einer unberechtigten Abmahnung aus der Personalakte verlangen kann, (siehe BAG Urteil vom 27.11.1985 - 5 AZR 101/84 -, NZA 1986, S. 227). Dies setzt aber die Erteilung einer Abmahnung voraus, also eine Rüge eines Fehlverhaltens verbunden mit dem Hinweis darauf, dass bei Wiederholungen der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei. Schon an letzterem mangelt es, da aus keiner der von der Klägerin beanstandeten Niederschriften ein Hinweis auf die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses hervorgeht.

2. Anerkannt ist auch, dass ein Arbeitnehmer auch dann die Entfernung von Unterlagen aus der Personalakte verlangen kann, wenn diese unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalten, die den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung und in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigen können (siehe bereits BAG Urteil vom 25.04.1972 - 1 AZR 322/71 -, NJW 1972, S. 2016 f.; BAG Urteil vom 27.11.1985 - 5 AZR 101/84 -, NZA 1986, S. 227 ff., Fitting Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 22. Aufl., § 83 Rz. 15; Erfurter Kommentar-Kania § 83 BetrVG Rz. 6). Im vorliegenden Fall enthalten die Besprechungsniederschriften auch nach dem Vortrag der Klägerin keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen. So ergeben sich aus den Besprechungsniederschriften die krankheitsbedingten Fehltage der Klägerin und zwar sowohl im Hinblick auf ihre zeitliche Lage als auch im Hinblick auf die Krankheitsursache. Die Klägerin bestreitet nicht, dass sie in der angegebenen Häufigkeit krankheitsbedingt gefehlt hat. Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass der jeweilige Gesprächsverlauf richtig protokolliert worden ist. Selbst die in einem Gesprächsvermerk angesprochene fünfmalige Verspätung hat die Klägerin nicht als solche bestritten, sondern hinsichtlich des Umfangs auf Probleme mit der Zeiterfassung hingewiesen. Daher kann der Entfernungsanspruch nicht auf unrichtige Tatsachenangaben gestützt werden.

3. Ein Arbeitnehmer kann ferner die Rücknahme von Unterlagen aus der Personalakte verlangen, die missbilligende Äußerungen darstellen, ohne dass sie die Qualität einer Abmahnung haben, (siehe BAG Urteil vom 15.01.1986 - 5 AZR 70/84 -, NZA 1986, S. 421 ff.). Dies setzt voraus, dass in den angegriffenen Unterlagen unzutreffende Vorwürfe erhoben werden. Nach Auffassung der Kammer kann hiervon im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Aus der Auflistung und Dokumentation von Krankheitsdaten und ihren Ursachen kann nicht auf einen immanenten Vorwurf geschlossen werden, die Klägerin habe unberechtigte Fehlzeiten oder sei gar faul und arbeitsunwillig. Krankheitsbedingte Fehlzeiten beeinträchtigen zwar das Arbeitsverhältnis. Sie begründen jedoch keinen Schuldvorwurf an den Arbeitnehmer. Das erweist sich auch daran, dass ein Arbeitsverhältnis aufgrund zu hoher krankheitsbedingter Fehlzeiten personenbedingt gekündigt werden kann, ohne dass hierzu ein Verschulden des Arbeitnehmers vorliegen müsste. Deshalb kann es aber auch nicht beanstandet werden, wenn die Beklagte krankheitsbedingte Fehlzeiten und ihre Ursachen ordnungsgemäß dokumentiert. Es entspringt auch der Fürsorgepflicht, dass die Beklagte als Arbeitgeberin Gespräche mit der Klägerin darüber führt, welche Krankheitsursachen vorliegen und durch welche Maßnahmen krankheitsbedingte Fehlzeiten reduziert werden können. Aus den Besprechungsniederschriften und Vermerken ist weder unmittelbar noch mittelbar ein Vorwurf zu entnehmen, die Klägerin habe unberechtigt gefehlt oder sei arbeitsunwillig. Vielmehr werden die objektiven Krankheitsursachen angesprochen und es wird der Klägerin beispielsweise attestiert, dass sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin verbessert habe, beispielsweise in der ärztlichen Stellungnahme vom 26.07.2004 (Bl. 21 d. A.) in der darauf hingewiesen wird, dass die Stabilisierung der Klägerin fortschreite und sich das in einer Reduktion der krankheitsbedingten Fehlzeiten auswirke. Soweit in den Vermerken die mangelnde Planbarkeit und Verlässlichkeit angesprochen wird, werden damit die berechtigten Interessen des Arbeitgebers an einer kontinuierlichen Arbeitsleistung der beschäftigten Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer zum Ausdruck gebracht. Aufgrund der Tatsache, dass die Erziehungsberechtigten ihre Kinder in den Kindertagesstätten abgeben und eine kontinuierliche Betreuung erwarten, muss die Beklagte ein Interesse daran haben, kurzfristige Ausfallzeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst zu vermeiden. Denn kurzfristige, nicht planbare Ausfälle führen, je häufiger sie auftreten, zu erheblichem organisatorischen Mehraufwand. Dass die Beklagtenseite in den Besprechungen und in den Besprechungsniederschriften dieses legitime Interesse zum Ausdruck bringt, führt noch nicht dazu, anzunehmen, dass damit ein Vorwurf gegen die Klägerin begründet würde. Das Bemühen, krankheitsbedingte Fehlzeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu reduzieren und damit entsprechenden organisatorischen Mehraufwand zu verhindern, kann nicht gleichgesetzt werden mit dem Erheben verhaltensbedingter Vorwürfe hinsichtlich der eingetretenen Erkrankungen. Denn die Beklagte hat an keiner Stelle bezweifelt, dass die Klägerin tatsächlich krank war oder den Vorwurf erhoben, dass die Klägerin ihre Krankheit nur vorgetäuscht habe.

Demzufolge ergibt sich hieraus kein Anspruch auf Entfernung der Niederschriften und Vermerke aus der Personalakte.

4. Aus dem Gesichtspunkt des Zeitablaufs kann ebenfalls kein Entfernungsanspruch gestellt werden. Zwar ist anerkannt, dass ein Arbeitnehmer die Entfernung einer sachlich richtigen Sachverhaltsdarstellung aus der Personalakte verlangen kann, wenn sie für die weitere Beurteilung des Arbeitnehmers überflüssig geworden ist, (siehe BAG Urteil vom 13.04.1988 - 5 AZR 537/86 -, NZA 1988, S. 654). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, denn die krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Klägerin ist für ihre weitere Beurteilung bedeutsam. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Klägerin sich um eine Beförderung auf eine Stelle als Erzieherin bemüht. Um die Eignung der Klägerin beurteilen zu können, muss die Beklagte auch Daten zur gesundheitlichen Eignung heranziehen können.

5. Schließlich besteht ein Entfernungsanspruch nicht deshalb, weil es sich um besonders sensible Daten handelt. Nach der Rechtsprechung dürfen besonders sensible Daten, z. B. Details aus einer psychiatrischen Begutachtung, die auf eine abnorme Persönlichkeitsstruktur hindeuten, auch wenn sie zutreffend sind, nicht offen in der Personalakte aufbewahrt werden, sondern müssen gegebenenfalls separat unter besonderen Zugangsbedingungen verwaltet werden (siehe BAG, Urteil vom 15.07.1987 - 5 AZR 215/86 -, NZA 1988, S. 53 ff.). Um solche sensible Daten geht es im vorliegenden Fall aber nicht. Die Klägerin hat dies nicht geltend gemacht. Es ist auch anhand der Besprechungsniederschriften und Vermerke nicht erkennbar, dass solche besonders sensible Daten hierin enthalten wären. Vielmehr beschränkt sich der Inhalt auf die Darstellung der Fehlzeiten die krankheitsbedingten Ursachen und die Anstrengungen, die Fehlzeiten und den dadurch bedingten organisatorischen Mehraufwand zu vermindern. Somit besteht unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls kein Entfernungsanspruch.

Das Arbeitsgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hatte die Kosten der erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil es um die Anwendung der höchstrichterlich geklärten Fragen auf den vorliegenden Einzelfall ging.

Ende der Entscheidung

Zurück