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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.03.2005
Aktenzeichen: 2 (10) Sa 1632/04
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 922
ArbGG § 64
Verfolgt ein Verfügungskläger nach teilweiser Berufungsrücknahme nur noch einen Hilfsanspruch, der erstmals in der Berufung gestellt wird und ist dieser ein Aliud und nicht ein Minus zum ursprünglichen Antrag, so fehlt es an einer Beschwer, deren Beseitigung mit der Berufung erstrebt wird. Die Berufung ist unzulässig (BAG, 23.03.2004, - 3 AZR 35/03 -).
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.12.2004 - 2 (6) Ga 203/04 - wird auf dessen Kosten als unzulässig verworfen.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Tatbestand: Der Kläger ist seit Mai 2002 bei der Beklagten als Copilot angestellt. Die Beklagte betreibt eine Fluglinie. Der Kläger möchte zum Flugzeugführer befördert werden. Um eine solche Beförderung zu erhalten durchläuft ein Copilot zunächst eine sogenannte Evaluationsphase, während der seine Fähigkeiten als Flugzeugführer begutachtet werden. Verläuft diese Phase erfolgreich und in allen Punkten für die Arbeitgeberin befriedigend, wird regelmäßig eine Kapitänsschulung durchgeführt, die mit der Beförderung zum Kapitän endet. Der Kläger behauptet hierzu, die Einplanung in die Kapitänsschulung erfolge anhand einer Seniorität. Eine ausdrückliche Senioritätsliste, das heißt eine veröffentlichte Warteliste nach Betriebszugehörigkeit wird bei der Beklagten jedoch nicht geführt. Im Jahr 2003 führte der Kläger mehrere Gespräche mit dem damaligen Director F . Zum Gespräch vom 03.07.2003 existiert eine Gesprächsnotiz, die belegt, dass die Beklagte Bedenken an der persönlichen Eignung des Klägers wegen dessen Lohnpfändungen habe. Bei der Beklagten liegt eine Gehaltspfändung zugunsten des Bruders des Klägers vor, die noch mit ca. 30.000,00 Euro valutiert sowie eine Gehaltspfändung zugunsten der vorherigen Arbeitgeberin des Klägers der d L in Höhe von ca. 11.000,00 Euro, die erst nachrangig zu befriedigen ist. Der Gehaltspfändung des Bruders vorangegangen war eine weitere Pfändung der Lufthansa, die aufgehoben wurde. In der Gesprächsnotiz vom 03.07.2003 heißt es, dass das Upgrading (die Beförderung) des Klägers solange verzögert wird bis eine Antwort der Sicherheitsüberprüfung vorliegt. Das Schreiben endet wie folgt: "Sollte der Bescheid keine Auffälligkeiten beinhalten und bis zu diesem Zeitpunkt auch keine weiteren negativen Ereignisse ihre Person belasten, werden Sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum Upgrading wieder eingeplant." Die Beklagte plante den Kläger jedoch nicht weiter ein, obwohl die Zuverlässigkeitsprüfung im August 2003 keine luftsicherheitsrelevanten Erkenntnisse ergab. Die Beklagte begründete dies damit, dass insbesondere die Streitigkeiten mit der L noch nicht abgeschlossen seien und die pauschalvon der Lufthansa mitgeteilten Vorwürfeden Erklärungen des Klägers zu den Rechtsstreiten widersprachen. An die genauen Inhalte dieser Rechtsstreitigkeiten ( 4 Prozesse, davon einer derzeit in der Berufung beim LAG Frankfurt) konnte sich der Kläger auf Nachfragen in der Berufungsverhandlung nicht vollständig erinnern. Einer der Streitpunkte gehe möglicherweise darum, dass er mit einer von der L zur Verfügung gestellten Kreditkarte Bargeld abgehoben habe, um auf diese Weise streitige Lohnforderungen gegenüber der L zu befriedigen. Ein Unrechtsbewusstsein habe er insoweit nicht, da ihm das Vorgehen seitens der Personalabteilung der L so vorgeschlagen worden sei. Die Beklagte berücksichtigte den Kläger bis einschließlich November 2004 bei der Kapitänsschulung nicht. Erstmals zu diesem Zeitpunkt machte der Kläger einen Anspruch auf Beförderung im Hauptsacheverfahren sowie im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren geltend. Erstinstanzlich erstrebte der Kläger im einstweiligen Verfügungsverfahren mit seinem Antrag zu 1 die Einplanung in die Kapitänsschulung zum Schulungsbeginn 30.11.2004 sowie, dass der Beklagten untersagt werde, bis zur Entscheidung in der Hauptsache andere Arbeitnehmer zum Kapitän zu befördern, andere Kapitäne einzustellen oder Kapitäne im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zu beschäftigen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag durch Urteil abgewiesen, da es eine Eilbedürftigkeit nicht erkennen konnte. Gegen dieses am 06.12.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.12.2004 Berufung eingelegt und sie mit dem gleichen Schriftsatz begründet. Er hat ausgeführt, dass sich die Anzeichen dafür verdichten, dass die Beklagte aufgrund unternehmerischer Veränderungen in den L in der Weise eingegliedert werde, dass für die Beförderung zum Kapitän die Richtlinien der L Anwendung finden würden und insbesondere die bei der Beklagten beschäftigten Copiloten in die Senioritätsliste der L für eine Beförderung eingegliedert würden. Mit der Berufung hat der Kläger zunächst nur noch seinen ursprünglichen Antrag zu 1, nämlich ihn in die Kapitänsschulung mit Schulungsbeginn 30.11.2004 einzuplanen und die Kapitänsschulung unverzüglich durchzuführen weiter verfolgt sowie als Hilfsantrag den Antrag, ihn unverzüglich in die Kapitänsschulung einzuplanen und die Kapitänsschulung unverzüglich durchzuführen angekündigt. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Kapitänsschulung mit Schulungsbeginn 30.11.2004 beendet und abgeschlossen sei, sodass der Antrag zu 1 auf eine unmögliche Leistung gerichtet sei. Im Übrigen sei die Lage hinsichtlich der Frage, wie aufstiegswillige Copiloten der Beklagten in Zukunft behandelt würden noch völlig offen. Dies obliege nicht nur ihrer Entscheidung sondern einer Abstimmung der Arbeitnehmervertretungen der L und der Beklagten. Deshalb habe sie zunächst die Entscheidung getroffen keine weiteren Kapitänsschulungen vorzunehmen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte nunmehr erklärt, bei ihr würden kurzfristig 8 Beförderungsstellen zum Kapitän ausgeschrieben. Der Kläger könne sich hierauf bewerben. Dass die zu treffende Entscheidung, welcher der Bewerber letztlich befördert werde, diskriminierungsfrei und unter Berücksichtigung von Gleichbehandlungskriterien gefällt werden muss, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Der Kläger hat sodann darum gebeten, zu den Erörterungen der mündlichen Verhandlung noch schriftsätzlich Stellung nehmen zu können. Er hat erklärt, dass er den Hauptantrag aus der Berufungsschrift nicht mehr stelle sondern ausschließlich den Hilfsantrag weiter verfolge. Der Kläger beantragt, die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verurteilen, ihn bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,00 Euro bzw. Zwangshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung für die Kapitänsschulung unverzüglich einzuplanen und die Kapitänsschulung unverzüglich durchzuführen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Durch nach der Verhandlung verkündeten Beschluss, der dem Kläger am 22.02.2005 gefaxt wurde, wurde ihm Schriftsatznachlass bis 24.02.2005 gewährt und er wurde darauf hingewiesen, dass Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bestehen, da der Kläger nicht mehr die Beseitigung einer durch das ursprünglich mit der Berufung angegriffene Urteil bestehenden Beschwer verlangt. In seinem nachgelassenen Schriftsatz hat der Kläger von der Möglichkeit des rechtlichen Gehörs hierzu keinen Gebrauch gemacht. Er hat auch keine weiteren Erklärungen zu den Rechtsstreitigkeiten mit der L und seinem Verhalten hinsichtlich der streitigen Vergütungsforderungen abgegeben. Entscheidungsgründe: Die ursprünglich zulässige und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unzulässig. Der Kläger begehrt mit dem zuletzt gestellten Berufungsantrag nicht mehr die Beseitigung einer Beschwer, die in dem Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.12.04 - 2 (6) Ga 203/04 - enthalten ist. Der Kläger hatte die Eilbedürftigkeit und insbesondere den Anspruch, an der Kapitänsschulung zum 30.11.2004 teilzunehmen damit begründet, dass sich seine Beförderungschancen durch die zukünftige neue Konzernstruktur verschlechtern würden. Bereits bei Einlegung der Berufung war diese auf eine unmögliche Leistung gerichtet, da die Schulungsmaßnahme begonnen hatte und während des Berufungsverfahrens abgeschlossen wurde. Dem entsprechend hat der Kläger die Erfolglosigkeit seines ursprünglichen Antrags erkannt und diesen zurückgenommen. Der angekündigte Hilfsantrag war auch nicht bereits in dem ursprünglichen Hauptantrag enthalten, denn der Hilfsantrag setzt voraus, dass dem Kläger bei jedweder späteren Schulung ein uneingeschränkter Schulungsanspruch vor allen anderen Mitbewerbern zusteht. Dies ist ein Mehr gegenüber dem ursprünglichen Antrag. Denn es hätte für die Schulung zum 30.11.2004 ausgereicht, darzustellen, dass dem Kläger vor dem tatsächlich zur Schulung vorgesehenen Arbeitnehmern ein vorrangiger Schulungsanspruch zustand. Der Anspruch, auf jeden Fall bei der nächsten Schulung berücksichtigt zu werden, geht über die Forderung hinaus, anstelle eines der tatsächlichen zum 30.11.2004 geschulten Copiloten geschult zu werden. Durch die Rücknahme des wegen Zeitablaufs nicht mehr erfolgreichen Antrags zu 1 ist die Berufung unzulässig geworden, denn der Kläger begehrt nunmehr nicht mehr die Beseitigung einer in dem angegriffenen Urteil liegenden Beschwer sondern einen anderen Anspruch. Die Rücknahme hat dabei die gleichen Wirkungen, als hätte der Kläger das Rechtsmittel von vornherein in unzulässigen Umfang eingelegt (vgl. BAG vom 13.03.2004 - 3 AZR 35/03, NZA 2004, 808). Da das BAG sich in der soeben zitierten Entscheidung aber auch hilfsweise mit der Begründetheit der unzulässig gewordenen Berufung auseinander gesetzt hat, soll dem Kläger im vorliegenden Verfahrens jedoch auch mitgeteilt werden, dass seine Berufung auch unbegründet gewesen wäre. Zum einen ist die Eilbedürftigkeit dadurch entfallen, dass die Beklagte, anders als der Kläger vermutet hat, die Position der bei ihr beschäftigten Copiloten nicht verschlechtert hat, sondern in naher Zukunft 8 Beförderungsstellen zum Piloten ausschreiben wird. Auf diese Stellen kann der Kläger sich bewerben. Damit hat der Kläger nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass aufgrund der Veränderungen der Konzernstrukturen eine unwiederbringliche Verschlechterung seiner Beförderungschancen drohen würde. Zudem würde diese Strukturänderung allerdings vom Kläger wie auch von allen anderen Arbeitnehmern hinzunehmen sein, da die Beklagte nicht verpflichtet ist, einen Betriebsübergang oder eine Verschmelzung mit der L zu verhindern, um Beförderungserwartungen erfüllen zu können. Darüberhinaus ist die Eilbedürftigkeit auch deshalb zweifelhaft, weil die Beklagte bereit seit Sommer 2003 einen Beförderungsanspruch bestreitet und insbesondere die Kapitänsschlulung auch im Dezember 2003 nicht durchgeführt hat, der Kläger die gerichtliche Klärung aber nicht unverzüglich angestrebt hat, sondern sich bis November 2004 Zeit gelassen hat. Ob dies daruaf beruhte, dass der Kläger zunächst selbst eine Anspruchsgrundlage nicht gesehen hat, mag dahin stehen. Eine selbstverschuldete Eilbedürftigkeit kann allerdings nur in Ausnahmefällen den Erlass eine einstweiligen Verfügung rechtfertigen. Das beruht darauf, dass dieses Sonderverfahren für den Prozessgegener wegen der Möglichkeit der Glaubhaftmachung anstelle des Vollbeweises Nachteile mit sich bringen kann. Die Inkaufnahme dieser Nachteile ist dem Gegner nur zuzumuten, wenn für den Antragsteller unverschuldet keine Möglichkeit der früheren Klärung bestand oder der Anspruch unstreitig oder offensichtlich begründet ist oder das Verhalten des Prozessgegeners arglistig ist. Diese besonderen Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Kläger war nicht gehindert, seinen Anspruch bereits im Herbst 2003 rechtshängig zu machen, noch ist der Sachverhalt derart eindeutig, dass von einem offensichtlich begründeten Anspruch auszugehen wäre. Der Kläger hat darüber hinaus nämlich nicht einmal einen Beförderungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Festlegung des Anforderungsprofils für die von ihm gewünschte Beförderungsstelle im freien Ermessen des Arbeitgebers liegt (vgl. LAG Düsseldorf Urteil vom 07.05.2004 - 18 (14) Sa 104/04 NZA Rechtssprechungsreport Arbeitsrechts 2005 Seite 107). Die Beklagte hat auch ausweislich des Vermerks vom 03.07.2003 eine mögliche Beförderung des Klägers davon abhängig gemacht, dass keine weiteren negativen Erkenntnisse über seine Persönlichkeit mehr zu Tage treten. Es wäre damit Sache des Klägers gewesen, darzulegen, über welche "negativen Erkenntnisse" die Parteien bereits diskutiert hatten und wie der Kläger diese ausgeräumt haben will, damit die Beklagte hierzu substantiiert Stellung nehmen kann, inwieweit sie hierzu andere Erkenntnisse oder Wertungen hat. So hätte es nahe gelegen, dem Gericht die Entscheidungen und gegebenenfalls die Berufungsschrift in den Rechtsstreiten mit der Lufthansa vorzulegen, da die Beklagte ersichtlich die Pfändungen und das vorangegangene Verhalten des Klägers anders beurteilt als dieser. Wie der Kläger in seinem nachgelassenen Schriftsatz einräumt, hat es noch am 22.10.2003 ein Gespräch zwischen den Parteien gegeben, bei dem der Kläger erstmals eine zweiseitige Liste aller je in seinem Leben begangenen "Verfehlungen" vorgelegt hat. Damit hat der Kläger eingeräumt, dass der Beklagten zwischen dem Gespräch vom 03.07.2003 und der nächsten Kapitänsschulung von Dezember 2003 weitere Aspekte der Persönlichkeit des Klägers bekannt wurden, die zumindest eine neue Abwägung erforderlich machten, ob der Kläger als Kapitän in Konfliktfällen die richtige Entscheidung im Sinne der Beklagten treffen würde. Eine Auslegung der Gesprächsnotiz vom 03.07.2003 dahingehend, dass die Beklagte gehindert wäre, nachträglich bekannt gewordene oder später eingetretene Eignungshindernisse nicht mehr zu verwerten erscheint fernliegend. Eine solche Auslegung hätte zur Folge, dass die Beklagte dem Schulungs- und Beförderungsanspruch selbst dann nichts entgegensetzen könnte, wenn zwischenzeitlich Flugdienstuntauglichkeit eingetreten wäre. Zudem durfte die Beklagte auch in ihre Abwägungen miteinbeziehen, dass der Verdacht einer erheblichen Illoyalität des Klägers gegenüber der Vorarbeitgeberin besteht. Da die Beklagte nicht wie ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nach Eignung und Leistung im Sinne des Artikels 33 GG befördern muss, kann sie hierbei auch unternehmerische Interessen an einer loyalen Belegschaft berücksichtigen. Damit hat der Kläger einen Beförderungsanspruch nicht in ausreichendem Umfang für das einstweilige Verfügungsverfahren glaubhaft gemacht. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist ein weiteres Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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