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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 02.06.2006
Aktenzeichen: 4 (2) Sa 309/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 330 ff.
Trotz eines objektiven Hindernisses beim Gericht zu erscheinen, liegt eine unverschuldete Säumnis nur vor, wenn die Partei den ihr bekannten Hinderungsgrund dem Gericht rechtzeitig mitgeteilt hat und dadurch eine Vertagung zumindest ermöglicht hat, es sei denn, eine solche Mitteilung war der Partei nicht oder nicht mehr rechtzeitig möglich.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das II. Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31.01.2006 - 17 Ca 8498/04 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Hauptsache um verschiedene Abmahnungen, um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund zweier Kündigungen und um Weiterbeschäftigung.

Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2005 ein Versäumnisurteil gegen den Kläger ergangen war, mit dem die Klage abgewiesen wurde (Bl. 104 d.A.) erschien der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2006 (Protokoll Bl. 123 d.A.) trotz persönlicher Ladung nicht. Laut Protokoll erklärte die Klägervertreterin, man habe mit dem Kläger noch vor diesem Termin Kontakt gehabt. Der Kläger habe ausdrücklich erklärt, er werde zum heutigen Termin erscheinen. Danach erklärte laut Protokoll die Klägervertreterin: "Ich trete heute nicht auf." Es wurde sodann am Schluss der Sitzung ein Zweites Versäumnisurteil verkündet, mit dem der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 18.10.2005 verworfen wurde.

Gegen dieses ihm am 14.02.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.03.2006 Berufung eingelegt und diese am 17.04.2006 begründet. In der Berufungsbegründungsschrift wird zur Begründung, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung gemäß § 64 Abs. 2 d nicht vorgelegen habe, Folgendes vorgetragen: Der Kläger habe am 27.01.2006 dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten noch bestätigt, er werde zum Termin selbstverständlich persönlich erscheinen. Dies ist allerdings nicht der Fall gewesen. Der Kläger habe dafür im Nachhinein angegeben, gesundheitlich beeinträchtigt gewesen zu sein und seine Handakten am Morgen des 31.01.2006 nicht gefunden zu haben, deren Vorhandensein er zum Termin für unabdingbar gehalten habe.

Nach Auffassung der Terminsvertreterin sei das persönliche Erscheinen des Klägers jedoch deshalb von Bedeutung gewesen, weil dieser sich trotz mehrfacher zum Teil eindringlicher Aufforderung und konkreter Fragestellungen seit dem Kammertermin vom 18.10.2005 und dem umfangreichen Sachvortrag der Beklagten nicht gemeldet habe und keine Stellungnahme abgegeben habe.

Der Vorsitzende der 17. Kammer des Arbeitsgerichts habe im Übrigen zum Beginn der Verhandlung darauf hingewiesen, es fehle substantiierter Sachvortrag und er werde die Terminsvertreterin von der Verhandlung ausschließen, weil der Kläger nicht zum Termin erschienen sei, falls diese auftreten werde. Erst daraufhin habe die Terminsvertreterin erklärt, sie werde nicht auftreten. Diesen letzteren Sachvortrag bestreitet die Beklagte nicht.

Mit nachgereichtem Schriftsatz vom 18. April 2006 reicht der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 31.01.2006 zu den Akten (Bl. 147.1 d.A.) und trägt weiter vor: Der Kläger habe an einer akuten Infektion der oberen Atemwege gelitten und sei nicht in der Lage gewesen, zum Termin zu erscheinen. Er habe am Vormittag des 31.01.2006 den Arzt wegen seiner Beschwerden aufsuchen müssen. Erst jetzt habe der Kläger diese Arbeitsunfähigkeitbescheinigung wiedergefunden.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des zweiten Versäumnisurteils vom 18.10.2005 - 17 Ca 8498/04 -

1. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 05.04.2004, 05.04.2006 sowie 07.04.2004 erteilten Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagen vom 14.09.2004 beenden wird;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

4. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 und/oder zu 2 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Zugführer weiterzubeschäftigen;

5. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 13.06.2005 beendet wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich darauf, der Kläger habe schon in der Berufungsbegründung nicht vollständig vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass kein Fall schuldhafter Säumnis vorgelegen habe.

Der Kläger gebe an, eine gesundheitliche Beeinträchtigung habe ihn gehindert. Dieser Vortrag - so die Beklagte - sei unsubstantiiert und gewähre keinerlei Anhaltspunkte einer Nachvollziehbarkeit. Gesundheitliche Beeinträchtigung sei eher ein schwacher Begriff für Erkrankung, so dass schon deswegen davon auszugehen sei, dass der Kläger den Termin habe wahrnehmen können. Auch der spätere Vortrag lege dieses nicht schlüssig dar. Eine "Infektion der oberen Atemwege", wobei es sich um einen Schnupfen gehandelt haben dürfe, habe den Kläger nicht gehindert, zu sprechen. Dieses trage er auch selbst nicht vor. Auch habe er nach seinem eigenen Vortrag den behandelnden Arzt am Vormittag des 31.01.2006 aufgesucht. Dieser habe seine Praxis am N in K , also ebenfalls außerhalb des Wohnortes des Klägers, so dass der Kläger genauso gut das Gericht habe aufsuchen können. Dass der Kläger seine Handakte nicht gefunden habe, wie er behaupte, sei kein Grunde, die Säumnis zu entschuldigen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers war statthaft nach § 64 Abs. 2 d ArbGG. Sie war auch im formellen Sinne zulässigerweise begründet. Der Kläger beruft sich auf eine nicht schuldhafte Säumnis. Ob der Vortrag zum Nichtverschulden ausreicht, ist eine Frage der Begründetheit.

Die Berufung war jedoch nicht begründet.

I. Soweit der Kläger sich auf fehlendes eigenes Verschulden beruft, ist dieses schon deshalb unerheblich, weil die Prozessbevollmächtigte des Klägers ohne Einlassung zur Sache laut Protokoll des Arbeitsgerichts erklärt hat: "Ich trete heute nicht auf." Damit lag aufgrund des Nichtverhandelns eine Säumnissituation vor, die vom Kläger als solche auch nicht bestritten wird. Diese Säumnissituation indes hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers, die für den Kläger hätte verhandeln können, selbst hergestellt.

Dass der Vorsitzende Richter - wie der Kläger unbestritten vorträgt - damit gedroht habe, die Terminsvertreterin des Klägers wegen Nichterscheinens des Klägers gemäß § 51 Abs. 2 ArbGG auszuschließen, schließt ein dem Kläger zuzurechnendes Verschulden der Prozessbevollmächtigten nicht aus. Sie hätte - um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses und damit die Frage, ob eine Säumnis überhaupt vorlag, im Berufungsverfahren überprüfen zu lassen - einen solchen Ausschluss riskieren können und müssen. Wenn sie indes aufgrund eigenen Entschlusses schon eine solche Ausschließung vorwegnehmend selbst erklärte, nicht aufzutreten, begab sie sich freiwillig dieser Überprüfungsmöglichkeit und stellte aus freien Stücken die Säumnissituation selbst her.

II. Selbst wenn man den vorgenannten Punkt anders beurteilen wollte und auf die Kausalität der Säumnis des Klägers für das Nichtauftreten seiner Prozessbevollmächtigten abstellen wollte, so kann nicht festgestellt werden, dass die Säumnis des Klägers unverschuldet war.

Der Kläger hat in der Berufungsbegründung lediglich mitgeteilt, er sei "gesundheitlich beeinträchtigt" gewesen und habe auch seine Handakten am Morgen des 31.01.2006 nicht gefunden.

Dass das Nichtauffinden der "Handakten" das Nichterscheinen nicht entschuldigt, ist offensichtlich. Der Kläger war durch seine Prozessbevollmächtigte vertreten, die die Prozessakten führte. Im Übrigen ist nichts dafür dargetan, dass das Nichtauffinden der "Handakten" unverschuldet war.

Soweit lediglich mitgeteilt wird, der Kläger sei "gesundheitlich beeinträchtigt" gewesen, ist der Vortrag bereits nicht schlüssig. Es wird die Art der Beeinträchtigung nicht angegeben, so dass nicht nachvollzogen werden kann, ob der Kläger aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung tatsächlich nicht in der Lage war, das Gericht aufzusuchen.

Auch durch die Ergänzung im Schriftsatz vom 18. April 2006 wird ein unverschuldetes Nichterscheinen nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger teilt dort mit, er habe an einer "akuten Infektion der oberen Atemwege" gelitten. Er hat dem Vortrag der Beklagten nicht widersprochen, dass es sich dabei nur um einen Schnupfen handeln könne. Unstreitig aber ist - das ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung -, dass die Ärzte, die er am 31.01.2006 aufgesucht haben will, ihre Praxis am N in K haben. Hat der Kläger aber an demselben Tage eine Praxis in K besucht, so war er zumindest auch in der Lage, sich zum Arbeitsgericht in K zu begeben. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, durch die "Infektion der oberen Atemwege" etwa gehindert gewesen zu sein, zu sprechen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Kläger trotz seines Schnupfens nicht an dem Termin hätte teilnehmen können. Ob der Kläger arbeitsfähig war, spielt für diese Frage keine Rolle. Damit hat der Kläger nicht dargelegt, objektiv unverschuldet den Termin selbst versäumt zu haben.

Schließlich liegt trotz eines objektiven Hindernisses zum Gericht zu gelangen, eine unverschuldete Säumnis nur dann vor, wenn die Partei den ihr bekannten Hinderungsgrund dem Gericht rechtzeitig mitgeteilt hat und dadurch eine Vertagung mindestens ermöglicht hat, es sei denn, eine solche Mitteilung war der Partei nicht oder nicht mehr rechtzeitig möglich oder zumutbar (Zöller/Gummer/Hessler, § 514 ZPO, Rn. 9 m.N. zur Rechtsprechung - u.a. der erkennenden Kammer - LAG Köln - MDR 1994, 1046). Dementsprechend wird im Übrigen in der Kommentarliteratur regelmäßig auch nur eine "plötzliche Erkrankung" als relevanter Entschuldigungsgrund angesehen (Zöller/Gummer/Hessler aaO.).

Dazu ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der vom Kläger eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung um eine Folgebescheinigung handelt. Im Übrigen aber hat der Kläger an diesem Tag nach seinem eigenen Vorbringen den Arzt aufgesucht. Dementsprechend wäre er zumindest auch in der Lage gewesen, telefonisch das Arbeitsgericht oder zumindest seine Prozessbevollmächtigten zu verständigen. Dass er dieses auch nur versucht hätte, hat der Kläger nicht dargetan.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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