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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.12.2008
Aktenzeichen: 9 Sa 1428/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
Verweigert es ein Arbeitnehmer mit der Erklärung, er sei doch kein Lehrer, einen neu eingestellten Arbeitnehmer an einer Maschine einzuarbeiten, so kann dies nach vorheriger Abmahnung eine ordentliche Kündigung rechtfertigen, auch wenn der neu eingestellte Arbeitnehmer den zuvor aus verhaltensbedingten Gründen entlassenen Sohn des mit der Einarbeitung beauftragen Arbeitnehmers ersetzen soll.
Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 4. November 2008 - 4 Ca 3269/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der Kläger war seit dem 7. November 2001 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der Textilproduktion beschäftigt.

Am Freitag, dem 1. August 2008, lehnte der Kläger die Anweisung, am darauf folgenden Montag einen neu eingestellten Mitarbeiter in seine Aufgaben einzuweisen mit der Begründung ab, das könne er nicht, er sei doch kein Lehrer. Als sein Vorgesetzter ihm erklärte, wenn er nicht bereit sei, den neuen Mitarbeiter anzulernen, brauche er am Montag nicht zu kommen, entgegnete der Kläger, er werde am Montag kommen. Nachdem er am Montag auch erschienen war, lehnte er es mit dem Hinweis, er sei kein Lehrer, weiter ab, den neuen Mitarbeiter einzuarbeiten.

Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. August 2008 außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Der Kläger hat sich mit der beim Arbeitsgericht Aachen am 11. August 2008 eingegangenen Kündigungsschutzklage sowohl gegen die außerordentliche als auch gegen die ordentliche Kündigung gewandt. Er hat vorgetragen, es habe kein Kündigungsgrund vorgelegen. Aufgrund nicht ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache habe er den Begriff "anlernen" missverstanden. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er seine übliche Arbeit verrichten und dabei dem neuen Mitarbeiter nur ein paar Handgriffe zeigen solle. Bei der Bewertung seines Verhaltens müsse auch berücksichtigt werden, dass sein Sohn von der Beklagten kurz zuvor betriebsbedingt gekündigt worden sei.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe wiederholt die Einarbeitung des neu eingestellten Mitarbeiters abgelehnt, obwohl ihm der Vorgesetzte klar gemacht habe, dass sein Verhalten eine Arbeitsverweigerung darstelle und eine Kündigung drohe. Der Sohn des Klägers sei aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt worden.

Das Arbeitsgericht Aachen hat durch Urteil vom 4. November 2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe an dem Montag bewusst die Arbeit verweigert. Bei seiner Einlassung, er habe den Begriff "anlernen" nicht richtig verstanden, handle es sich erkennbar um eine bloße Schutzbehauptung. Ihm sei bereits am vorangegangenen Freitag aufgezeigt worden, dass sich die Beklagte bei einer Weigerung von ihm trennen werde. Diese Ankündigung habe der Geschäftsführer am Montag wiederholt. Selbst als die Beklagte ihn anschließend freigestellt habe, habe er nicht eingelenkt. Unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Bereitschaft, seine eigentliche Tätigkeit weiter zu verrichten, und der Tatsache, dass es sich bei den neu eingestellten Mitarbeiter quasi um den Nachfolger seines entlassenen Sohnes gehandelt habe, sei die außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt, wohl aber die ordentliche Kündigung zum 31. Oktober 2008.

Das Urteil ist dem Kläger am 21. November 2008 zugestellt worden.

Mit am 26. November 2008 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenen Schriftsatz beantragt der Kläger, ihm Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen zu bewilligen. Zum Nachweis seiner Bedürftigkeit hat er auf die erstinstanzliche ratenfreie Bewilligung von Prozesskostenhilfe hingewiesen und ausgeführt, die erstinstanzlich glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bestünden unverändert fort.

Zur Begründung der beabsichtigten Berufung führt er aus, er sei in K geboren. Deutsch sei nicht seine Muttersprache. Er habe die Anweisung dahin verstanden, dass er für die Ausbildung des neuen Mitarbeiters verantwortlich sei. Dies habe er als ungelernte Kraft abgelehnt. Er sei nicht wirksam abgemahnt worden, insbesondere nicht schriftlich. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass es sich bei dem neu eingestellten Mitarbeiter quasi um den Nachfolger seines Sohnes auf dessen früherem Arbeitsplatz gehandelt habe.

Die Beklagte hat zu dem Prozesskostenhilfegesuch keine Stellungnahme abgegeben.

II. Die beantragte Prozesskostenhilfe ist zu versagen, da die beabsichtigte Berufung keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 S. 1 ZPO hat.

1. Allerdings war der Kläger nicht gehalten, innerhalb der Berufungsfrist bereits das Rechtsmittel der Berufung unbedingt einzulegen.

Es ist zulässig, Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittel zu beantragen, ohne dieses zugleich einzulegen. Erforderlich ist in diesem Fall, dass der Antragsteller sein Gesuch und eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Rechtsmittelfrist einreicht (vgl. BGH NJW 1983, S. 2145 ff.; Zöller-Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 119 Rdn. 53).

Der Kläger hat innerhalb der Berufungsfrist nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG das Prozesskostenhilfegesuch mit dem Hinweis auf die unverändert fortbestehenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, aufgrund derer erstinstanzlich Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, beim Landesarbeitsgericht Köln eingereicht.

Nach der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch hat er, da die Berufungsfrist bereits verstrichen ist, die Möglichkeit, einen fristgerechten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist zu stellen und gleichzeitig das Rechtsmittel einzulegen (vgl. dazu im Einzelnen: Zöller-Philippi, a.a.O., § 119 Rdn. 60).

2. Es besteht jedoch in der Sache keine hinreichende Erfolgsaussicht.

Hinreichende Erfolgsaussicht für eine Rechtsverfolgung und -verteidigung liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (vgl. dazu: Zöller-Philippi, a.a.O., § 114 Rdn. 19).

Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht Aachen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 6. August 2008 zum 31. Oktober 2008 beendet worden ist.

Der Kläger hat formgerecht und binnen der Frist nach § 4 S. 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben, so dass die Wirksamkeit der Kündigung nach den Maßstäben des § 1 KSchG zu überprüfen ist.

a. Als Grund zur verhaltensbedingten Kündigung kommt eine schuldhafte Arbeitsverweigerung in Betracht (vgl. BAG, Urteil vom 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Dabei muss die durch den Arbeitgeber in Ausübung des Direktionsrechts erteilte Arbeitsanweisung billigem Ermessen entsprochen haben (vgl. APS-Dörner, Kündigungsrecht, 3. Aufl., § 1 KSchG Rdn. 282).

b. Zutreffend hat das Arbeitsgericht Aachen ausgeführt, dass die Beklagte berechtigt war, in Ausübung ihres Direktionsrechts den Kläger anzuweisen, den neu eingestellten Mitarbeiter einzuarbeiten. Er verfügt über die praktischen Kenntnisse, die zur Bedienung der Produktionsmaschine erforderlich sind und die damals dem neuen Mitarbeiter fehlten. Es ist üblich, dass derartige Kenntnisse von bereits beschäftigten Mitarbeitern direkt an ihrem Arbeitsplatz weitergegeben werden. Dies stellt auch der Kläger nicht in Abrede.

c. Soweit er geltend macht, er habe schuldlos die Einarbeitung des neuen Mitarbeiters verweigert, ist das Arbeitsgericht zutreffend von einer erkennbaren Schutzbehauptung des Klägers ausgegangen. Seine Einlassung, er habe den Begriff "einarbeiten" oder "anlernen" falsch verstanden, überzeugt nicht. Es konnte nur darum gehen, dass der neu eingestellte Mitarbeiter ihm bei der Arbeit zusah, er die einzelnen Arbeitsschritte erklärte, und er auch den neuen Mitarbeiter unter seiner Aufsicht die Maschine bedienen ließ. Von der Übertragung einer Verantwortung auf ihn, insbesondere für mögliche Fehlleistungen des neuen Mitarbeiters nach der Einarbeitung, war nicht die Rede gewesen. Wenn der Kläger dennoch meinte, eine solche Verantwortung solle auf ihn übertragen werden, hätte er dies ohne weiteres mit einfachen Worten wie z. B. "was ist, wenn er später Fehler macht" ansprechen können. Stattdessen hat er mit dem spitzfindigen Hinweis, er sei kein Lehrer, der Beklagten zu erkennen gegeben, dass er es grundsätzlich ablehne, sein Wissen an den neuen Mitarbeiter weiterzugeben.

d. Die erfolglosen Leistungsaufforderungen vom 1. August 2008 und 4. August 2008, die das Arbeitsgericht Aachen zutreffend als Abmahnungen gewertet hat (vgl. dazu auch: BAG a.a.O.), rechtfertigten die Prognose, der Kläger werde auch künftig die Einarbeitung von Mitarbeitern ablehnen. Er hatte über das Wochenende mehrere Tage Gelegenheit gehabt, seine Weigerung zu überdenken. Statt seine ablehnende Haltung aufzugeben, hat er sie noch dadurch verstärkt, dass er selbst die Anweisung des Geschäftsführers ignorierte. Einer weiteren - schriftlichen - Abmahnung bedurfte es nicht.

e. Das Arbeitsgericht hat sich auch bei der Interessenabwägung im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten. Es hat den beanstandungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses bis zu diesem Zeitpunkt ebenso wie die Belastung für den Kläger aufgrund des Umstandes, dass es sich bei dem neuen Mitarbeiter quasi um den Nachfolger seines entlassenen Sohnes handelte, berücksichtigt. Zutreffend hat es aber auch trotz dieser besonderen Umstände festgestellt, dass die Beklagte nicht verpflichtet werden kann, den Kläger über die Dauer der Kündigungsfrist hinaus zu beschäftigen mit der Aussicht auf weitere unberechtigte Arbeitsverweigerungen.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Ende der Entscheidung

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