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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 30.08.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 266/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 256
Kein rechtliches Interesse i. S. d. § 256 ZPO für Klage auf Feststellung, dass in einem zurückliegenden Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, wenn sie ausschließlich dazu dienen soll, Insolvensgeld von der Bundesagentur für Arbeit zu beziehen.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17. Dezember 2004 - 5 (21) Ca 4552/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger bei dem Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt war und ob er von ihm Zahlung von EUR 6.902,44 brutto als Gehalt für die Monate August 2000 bis Oktober 2000 verlangen kann.

Während der Kläger behauptet, er sei aufgrund eines schriftliches Arbeitsvertrages vom 1. August 2000 (Bl. 28 - 29 d. A.) als Betriebsleiter bei dem Beklagten ab dem 1. August 2000 zu einem monatlichen Gehalt von DM 4.500,00 brutto beschäftigt gewesen, behauptet der Beklagte, er sei aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1. August 2000 (Bl. 72 - 73 d. A.) als Geschäftsführer bei dem Kläger ab dem 1. August 2000 zu einem monatlichen Gehalt von DM 3.000,00 brutto beschäftigt gewesen.

Mit der am 4. Mai 2004 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten Zahlung von EUR 6.902,44 brutto als Gehalt für August 2000 bis Oktober 2000. Er hat vorgetragen, er habe ab dem 1. August 2000 bis zum 12. Oktober 2000 für den Beklagten als Bauleiter auf verschiedenen Baustellen gearbeitet und sei danach bis Juni 2001 arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2004 hat er vorgetragen, er habe einen Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld beim Arbeitsamt S gestellt. Zwar habe der Beklagte aus finanziellen Gründen keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt. Das Arbeitsamt S habe ihm - dem Kläger - aber mitgeteilt, er werde Insolvenzgeld erhalten, wenn der Beklagte seine betriebliche Tätigkeit im Inland vollständig eingestellt habe und kein neues Unternehmen eröffnet habe. Das Arbeitsamt S habe ein Verfahren gegen den Beklagten eingeleitet, weil er Anfragen des Arbeitsamtes nicht beantwortet habe und damit eine Ordnungswidrigkeit begangen habe.

Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2004 hat er vorgetragen, er benötige einen Nachweis über die Mittellosigkeit des Beklagten. Das Arbeitsamt habe erklärt, dass Insolvenzgeld gezahlt werde, wenn ein derartiger Nachweis vorliege.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 6.902,44 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12. Mai 2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er habe ausschließlich nach Anweisungen des Klägers als "Geschäftsführer" gearbeitet. Für August 2000 habe er keine Vergütung erhalten. Für die Monate September 2000 und Oktober 2000 habe er - ebenso wie die anderen Arbeitnehmer - vom Arbeitsamt Insolvenzgeld erhalten.

Er hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 17. Dezember 2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Kläger als Arbeitnehmer bei dem Beklagten beschäftigt worden sei. Jedenfalls seien etwaige Vergütungsansprüche des Klägers gegen den Beklagten für die Monate August 2000 bis Oktober 2000 nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Rahmentarifvertrag für das Bauhauptgewerbe verfallen.

Das Urteil ist dem Kläger am 17. Februar 2005 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 21. Februar 2005 Berufung einlegen und diese zugleich begründen lassen.

Er wiederholt sein Vorbringen, er sei als Arbeitnehmer bei dem Beklagten beschäftigt gewesen und sei auch bei der Krankenkasse angemeldet gewesen. Er begehre weiterhin die Zahlung der Vergütung für die Monate August 2000 bis Oktober 2000. Ihm gehe es dabei allein um die Feststellung seiner Arbeitnehmereigenschaft. Die Klage sei auf Betreiben des Arbeitsamtes erhoben wurden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom vom 17. Dezember 2004 - 5 (21) Ca 4552/04 -

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 6.902,44 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12. Mai 2004 zu zahlen,

2. hilfsweise festzustellen, dass er bei dem Beklagten im Zeitraum 1. August 2000 bis 31. Oktober 2000 als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen, nicht er sei Arbeitgeber des Klägers gewesen, vielmehr sei der Kläger sein Arbeitgeber gewesen. Selbst wenn die Vergütungsansprüche entstanden wären, wären sie vor Klageerhebung verfallen und verjährt gewesen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist hinsichtlich des Hauptantrags bereits unzulässig.

1. Zwar ist die Berufung gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

2. Jedoch ist die Berufung hinsichtlich des Hauptantrags nicht ordnungsgemäß begründet worden.

Nach § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Aus der Berufungsbegründung müssen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung zugrunde legen will, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützten will. Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss er in der Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie unzutreffend sein soll; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (zur Rechtslage nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a. F.: BAG, Urteil vom 21. November 2002 - 6 AZR 82/01 -; zu § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO n. F.: BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 - III ZB 71/02 -).

Auch nach der gesetzlichen Neuregelung in § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO ist der Berufungsführer gehalten, die Beurteilung des Streitfalles durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rdn. 33; Thomas-Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 520 Rdn. 22).

Diesen Anforderungen genügt die auf die Abweisung des Zahlungsantrags bezogene Berufungsbegründung nicht. Der Kläger hat sich mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zu diesem Zahlungsantrag nicht auseinandergesetzt. Das Arbeitsgericht hat den Anspruch auf eine Vergütung für die Monate August 2000 bis Oktober 2000 mit der Begründung verneint, der Anspruch sei nach der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren tariflichen Ausschlussfrist verfallen. Mit dieser Argumentation hat sich der Kläger in der Berufungsbegründung nicht befasst. Sein Vortrag in der Berufungsbegründung betrifft vielmehr die Frage, ob ein Vergütungsanspruch überhaupt entstanden war. Ausdrücklich hat er in der Berufungsbegründung ausgeführt, ihm gehe es allein um die Feststellung, dass er als Arbeitnehmer von dem Beklagten beschäftigt worden sei. Sein Hinweis in der Berufungsbegründung auf den erstinstanzlichen Vortrag kann auch nicht weiterhelfen. Zum einen hat er sich erstinstanzlich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Anspruch verfallen ist. Zum anderen ersetzt die Bezugnahme auf erstinstanzliche Schriftsätze nicht die Auseinandersetzung mit den Argumenten des erstinstanzlichen Urteils (vgl. BAG, Urteil vom 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - und Urteil vom 21. November 2002 - 6 AZR 82/01 -).

II. Dagegen ist die Berufung hinsichtlich des Feststellungsantrages zulässig.

Die darin liegende Erweiterung der Klage ist sachdienlich, da sich durch die Zulassung das Verfahren nicht verzögert (vgl. dazu: Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 533 Rdn. 3 und 4).

III. Die hinsichtlich des Feststellungsantrages zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet.

Der Feststellungsantrag ist unzulässig, weil das erforderliche Feststellungsinteresse für die vergangenheitsbezogene Statusklage fehlt.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird.

Im Streitfall ist die Klage auf die Feststellung gerichtet, dass in einem zurückliegenden Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Anders als im bestehenden Vertragsverhältnis, in dem der Beschäftigte jederzeit ein rechtliches Interesse daran hat, dass seine Rechtsstellung als Arbeitnehmer alsbald festgestellt wird, bedarf das Interesse an der Feststellung, dass in einem zurückliegenden Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, einer besonderen Begründung (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2000 - 5 AZR 782/92 -).

Der Kläger begründet sein Interesse an der Feststellung damit, er benötige sie, um Insolvenzgeld von dem Arbeitsamt zu beziehen.

Die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte sind aber an eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses rechtlich nicht gebunden. Denn eine präjudizielle Wirkung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.

Das rechtliche Interesse an der arbeitsgerichtlichen Feststellung ist auch dann nicht gegeben, wenn ein Sozialversicherungsträger ausdrücklich erklärt hat, die Entscheidung des Arbeitsgerichts de facto respektieren zu wollen. Das Arbeitsamt und die übrigen Sozialversicherungsträger sind rechtlich nicht nur nicht verpflichtet, Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur alleinigen Grundlage eigener Entscheidungen zu machen, sondern sind dazu auch nicht berechtigt. Vielmehr müssen sie sowohl im Interesse des Anspruchstellers als auch im Interesse der Versichertengemeinschaft von Amts wegen ermitteln, ob die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch vorliegen, § 20 SGB X (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2000 - 5 AZR 782/92 -).

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Die Revision wurde nicht zugelassen. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.



Ende der Entscheidung

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