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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.12.2005
Aktenzeichen: 9 Ta 397/05
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 8
1. Die Zustimmung des Arbeitgebers zur Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG kann der Arbeitnehmer ausnahmsweise im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen, wenn die Verringerung der Arbeitszeit aus familiären Gründen dringend und unumgänglich ist.

2. Mit einem pauschalen Hinweis auf die aktuelle wirtschaftliche Lage und damit verbundene interne Umstrukturierungsmaßnahmen legt der Arbeitgeber nicht dar, dass anzuerkennende betriebliche Gründe dem Verlangen auf Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen.


Tenor:

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin, die bei der Antragsgegnerin seit dem 1. Oktober 1998 als vollzeitbeschäftigte Einkäuferin angestellt ist, befand sich bis zum 23. November 2005 in Elternzeit. Mit Schreiben vom 14. Juni 2005 beantragte sie bei der Beklagten, im Anschluss an die Elternzeit die Arbeitszeit auf 15 bis 20 Stunden zu reduzieren. Am 22. Juli 2005 konkretisierte sie den Antrag dahin, sie wolle wöchentlich 15 Stunden, verteilt auf drei Vormittage, arbeiten, da sie ihre zwei- und fünfjährigen Kinder zu betreuen habe.

Mit Schreiben vom 20. September 2005 und 27. September 2005 lehnte die Antragsgegnerin eine Reduzierung der Arbeitszeit ab mit dem Hinweis, sie könne aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage und der damit verbundenen internen Umstrukturierungsmaßnahmen der Antragstellerin keine Teilzeit anbieten.

Mit dem vorliegenden Antrag, der am 19. Oktober 2005 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, hat die Antragstellerin begehrt, im Wege der einstweiligen Verfügung der Antragsgegnerin aufzugeben, einer Verringerung der Wochenarbeitszeit von bislang 40 Stunden auf 15 Stunden bei einer regelmäßigen vormittäglichen Arbeitszeit von 5 Stunden ab 8.00 Uhr an drei Werktagen in der Zeit zwischen Montag und Freitag zuzustimmen und sie bis zu einem ihren Antrag abweisenden Urteil im Hauptsacheverfahren entsprechend zu beschäftigen.

Sie hat den Antrag damit begründet, es sei für sie nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragsgegnerin ihrem Antrag nicht zugestimmt habe. Die Einkaufsabteilung der Antragsgegnerin in Köln sei mit etwa 10 Mitarbeitern besetzt, so dass betriebliche Gründe einer Teilzeitbeschäftigung nicht entgegenstehen könnten. Auch entlaste sie die Beklagte finanziell, wenn sie in Teilzeit arbeite. Sie sei dringend auf eine Reduzierung der Arbeitszeit angewiesen, da ihre Kinder ansonsten nachmittags keine Betreuung hätten.

Das Arbeitsgericht Köln hat ohne vorherige mündliche Verhandlung durch Beschluss vom 21. Oktober 2005 den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, die Antragstellerin habe nicht hinreichend konkret dargetan, welche möglichen und zumutbaren Anstrengungen sie unternommen habe, um eine Betreuung ihrer Kinder an den Nachmittagen durch Freunde, Bekannte oder Nachbarn zumindest vorübergehend bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren sicherzustellen.

Gegen den am 25. Oktober 2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 27. Oktober 2005 sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, weder Verwandte noch Bekannte stünden für eine Betreuung zur Verfügung. Sie sei mit ihrer Familie erst im September 2005 von Berlin nach Hürth gezogen. Ohnehin sei es nicht selbstverständlich, dass Freunde, Nachbarn oder Bekannte bereit seien, täglich für 4 - 5 Stunden zwei Kinder zu betreuen. Auch habe sie vergeblich versucht, eine gegen Entgelt tätige Tagesmutter zu finden.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen mit der Begründung, auch das weitere Vorbringen rechtfertige keine abweichende Bewertung der Rechtslage.

Die Antragsgegnerin hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren eine Stellungnahme abgegeben.

Nachdem die Antragsgegnerin während des Beschwerdeverfahrens der Verringerung der Arbeitszeit zugestimmt hat, haben beide Verfahrensbeteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Nachdem die Verfahrensbeteiligten das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Erfüllung des Antrags auf Reduzierung der Arbeitszeit für erledigt erklärt haben, ist noch über die Kosten nach § 91 a ZPO zu entscheiden.

Bei der Kostenentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen sind die allgemeinen Grundgedanken des Kostenrechts, die sich aus den Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO ergeben, heranzuziehen. Es ist darauf abzustellen, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn sich die Hauptsache nicht erledigt hätte. Die Kosten hat danach der zu tragen, der voraussichtlich unterlegen wäre (§ 91 ZPO). Für die Kostenentscheidung ist dabei der Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigterklärung maßgebend (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 91 a Rdn. 24 m.w.N.).

1. Erkennt eine Partei ihre Kostenlast an, so sind ihr analog § 307 ZPO ohne weitere Sachprüfung unabhängig von § 91 a Abs. 1 ZPO die Kosten aufzuerlegen (vgl. BAG NJW 2004, 533). Ebenso ist grundsätzlich bei freiwilliger Erfüllung des Klageanspruchs zu verfahren (vgl. BGH BB 2004, S. 800, OLG Frankfurt MDR 1996, S. 426; Thomas-Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 91 a Rdn. 46).

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die freiwillige Erfüllung des Begehrens während des gerichtlichen Verfahrens ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass die Antragsgegnerin selbst den Antrag für begründet erachtete. Zwar können für eine freiwillige Erfüllung auch andere Motive in Betracht kommen, wie etwa die Vermeidung von Kosten, das Ersparen weiteren Zeitaufwandes. Die Darlegung solcher Gründe obliegt jedoch im Einzelfall der gegnerischen Partei (vgl. OLG Frankfurt MDR 1996, S. 426).

Die Antragsgegnerin hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren eine Stellungnahme zu dem Antrag abgegeben. Auch in dem Schriftsatz, mit dem sie der Erledigungserklärung der Antragstellerin zustimmte, hat sie keine Begründung dafür gegeben, aus welchen Gründen sie erst während des gerichtlichen Verfahrens der von der Antragstellerin verlangten Arbeitszeitreduzierung zugestimmt hat.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten aber auch deshalb zu tragen, weil dem Begehren der Antragstellerin hätte stattgegeben werden müssen.

a. Mit beiden Anträgen wollte die Antragsgegnerin eine vorläufige Regelung bis zur Entscheidung des beim Arbeitsgericht Köln anhängigen Hauptsacheverfahrens (7 Ca 9599/05) erreichen. Zum einen wollte sie erreichen, dass sie mit der von ihr beantragten Teilzeit auch tatsächlich beschäftigt wurde. Zum anderen wollte sie verhindern, dass die Beklagte wegen der Verweigerung einer Vollzeitbeschäftigung arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen sie ergriff.

b. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie unter Einhaltung der Frist nach § 8 Abs. 2 TzBfG ihren Anspruch gegenüber der Beklagten auf eine von ihr nach Umfang und Lage bezeichnete Verringerung der Arbeitszeit geltend gemacht hat. Die Antragsgegnerin hat nicht dargelegt, dass anzuerkennende betriebliche Gründe an sich dem Verlangen entgegenstehen. Der Verweis auf die aktuelle wirtschaftliche Lage und damit verbundene interne Umstrukturierungsmaßnahmen stellt keine Darlegung rationaler nachvollziehbarer Gründe dar, nach denen die Teilzeitbeschäftigung eine wesentliche Beeinträchtigung oder unverhältnismäßig hohe Kosten zur Folge hat (vgl. HWK-Schmalenberg, § 8 TzBfG Rdn. 18).

c. Die Zustimmung des Arbeitgebers zur Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG kann der Arbeitnehmer ausnahmsweise im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen, wenn die Verringerung der Arbeitszeit aus familiären Gründen dringend und unumgänglich ist.

Zwar geht es um die Abgabe einer Willenserklärung, die im Hinblick auf die Regelung in § 894 ZPO in der Regel nicht Gegenstand einer einstweiligen Verfügung sein kann. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings zu machen, wenn allein durch eine einstweilige Verfügung der auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtete Anspruch des Gläubigers durchgesetzt werden kann. Auch sind die strengen Anforderungen des § 940 ZPO erfüllt, was erforderlich ist, da zumindest teilweise bereits eine Befriedigung des Anspruchs durch die Beschäftigung mit der verringerten Arbeitszeit eintritt, und es sich damit um eine Leistungsverfügung handelt (vgl. dazu: LAG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Dezember 2003 - 11 Sa 1507/03 - m.w.N.).

Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass es ihr nicht möglich ist, und zwar auch nicht in der Zeit bis zum Erlass einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren 7 Ca 9599/05 Arbeitsgericht Köln, eine Betreuung der beiden minderjährigen Kinder an Nachmittagen durch die Großeltern, ihre Schwester, ihre Schwägerinnen oder sonstige Personen sicherzustellen. Die Großeltern leben in A . Die Schwester lebt und arbeitet in Berlin. Die Schwägerinnen, die beide berufstätig sind, leben in A und D . Sie hat in H keine Freunde, Bekannte oder Nachbarn, die täglich die Kinder vom Kindergarten abholen und danach 4 - 5 Stunden betreuen. Auch hat sie durch Versicherung an Eides Statt glaubhaft gemacht, dass sie vergebens versucht hat, eine gegen Entgelt tätige Tagesmutter für die Kinder zu finden.

Nach alledem waren der Antragsgegnerin die Kosten aufzuerlegen.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Ende der Entscheidung

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