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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 08.12.2005
Aktenzeichen: 10 (8) Sa 223/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 256
ZPO § 258
BGB § 313
BGB § 313 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Köln vom 18.11.2004 (19 Ca 6441/04, Kläger H) und vom 07.12.2004 (17 Ca 6034/04, Klägerin K) werden zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung des Klägers H wird an Stelle der Ziffer 2 des Urteilstenors Arbeitsgericht Köln 19 Ca 6441/04

a) die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 222,00 € brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 06.06.2005 zu zahlen,

b) die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.06.2005 über die bislang gezahlten monatlichen Versorgungsbezüge in Höhe von 2.198,96 € brutto hinaus weitere 22,20 € brutto monatlich, insgesamt also Versorgungsbezüge in Höhe von 2.221,16 € brutto monatlich zu zahlen,

c) festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch künftig die Anpassung der Versorgungsbezüge des Klägers gemäß der Regelung in 6.2 der Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung vom 25.06.1976 in der Fassung der Änderungsvereinbarungen vom 06.01.1981 und vom 04.06.1993 durchzuführen.

3. Auf die Anschlussberufung der Klägerin K wird an Stelle der Ziffer 2 des Urteilstenors Arbeitsgericht Köln 17 Ca 6034/04

a) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 223,30 € brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 29.06.2005 zu zahlen,

b) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ab dem 01.07.2005 über die bislang gezahlten monatlichen Versorgungsbezüge in Höhe von 973,17 € brutto hinaus weitere 20,30 € brutto monatlich, insgesamt also Versorgungsbezüge in Höhe von 993,47 € brutto monatlich zu zahlen,

c) festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch künftig die Anpassung der Versorgungsbezüge der Klägerin gemäß der Regelung in 6.2 der Betriebvereinbarung zur Altersversorgung vom 25.06.1976 in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 06.01.1981 und vom 04.06.1993 durchzuführen.

4. Die Kosten der Berufungen der Beklagten und der Anschlussberufungen der klagenden Parteien werden der Beklagten auferlegt.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Betriebsrente.

Der am 07.01.1940 geborene Kläger war vom 01.07.1972 bis 30.06.2000 bei dem Rechtsvorgänger der Beklagten beschäftigt. Ab dem 01.07.2001 bezog er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und eine vorgezogene Betriebsrente.

Die Klägerin ist die Witwe des am 19.05.2003 verstorbenen Herrn K., der vom 11.06.1965 bis zum Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand ab 01.09.1999 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt war. Die Klägerin erhält nach dem Tod ihres Ehemannes Hinterbliebenenversorgung.

Grundlage der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Hinterbliebenenversorgung ist die Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung vom 04.06.1993 (BV-AV 6/93), die die Betriebsvereinbarung über Altersversorgung vom 25.06.1976 (BV-AV 6/76) teilweise modifiziert hat. Die Betriebsvereinbarung vom 25.06.1976 beinhaltet eine sog. Gesamtversorgung. Der Ruhegehaltsanspruch beträgt nach zehnjähriger anrechnungsfähiger Dienstzeit 35 % und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr bis zum vollendeten 25. Dienstjahr um je 2 %, danach um je 1 % bis zum Höchstsatz von 75 %. Hierauf wird die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet.

Die auf diese Weise berechnete Betriebsrente wurde jährlich dynamisiert. Die der Erstfestsetzung der Versorgungsbezüge zu Grunde liegenden ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (Versorgungsgrundlage) wurden im Rahmen der sogenannten Gesamtrentenfortschreibung bislang jährlich zeitlich nach Maßgabe des Anstiegs der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nach der Besoldungsordnung für Beamte des Landes N fortgeschrieben. Hieraus wurde unter Zugrundelegung der individuellen Versorgungsdaten der Betrag der Gesamtversorgung jährlich neu berechnet. Auf den so berechneten Betrag wurde der anrechnungsfähige Teil der aktuellen, um die jährliche Anpassung erhöhten individuellen Sozialversicherungsrente zeitgleich mit deren Anpassungstermin angerechnet.

Seit dem 01.04.2004 werden die Versorgungsbezüge für die klagenden Parteien ebenso wie bei den anderen Versorgungsempfängern mit einer Gesamtversorgungszusage in einer von der Entwicklung der Sozialversicherungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängigen Art dynamisiert. Der auf der Grundlage der Gesamtrentenfortschreibung im Jahre 2003 berechnete und geschuldete Versorgungsbetrag wird als Nominalbetrag zu Grunde gelegt und fortan ausschließlich nach dem jeweils eintretenden Erhöhungsprozentsatz der Tabellen der Landesbesoldungsordnung für Beamte des Landes N zeitgleich zum Erhöhungstermin dynamisiert. Eine Berücksichtigung von Veränderungen bei der Sozialversicherungsrente im Rahmen der Gesamtversorgung erfolgt nicht mehr.

Die klagenden Parteien haben die in der Höhe unstreitigen Differenzbeträge bei den Versorgungsbezügen nach der Neuregelung für die Zeit ab 01.04.2004 eingeklagt und die Ansicht vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt einseitig in die Gesamtversorgungszusage einzugreifen. Die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage seien nicht gegeben. Die abgeschwächte Dynamik der Sozialversicherungsrenten sei gesamtversorgungstypisch. Die Mehrbelastungen seien nicht erheblich, so dass eine Äquivalenzstörung nicht vorliege.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 44,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit (02.07.2004) zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend ab dem 01.08.2004 über die bislang gezahlten monatlichen Versorgungsbezüge in Höhe von 2.177,19 € brutto hinaus weitere 11,05 € brutto monatlich, insgesamt also Versorgungsbezüge von 2.188,24 € brutto monatlich zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 40,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit (18.06.2004) zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin beginnend ab 01.08.2004 über die bislang gezahlten 963,53 € hinaus weitere 10,10 € brutto monatlich, insgesamt also Versorgungsbezüge in Höhe von 973,63 € brutto monatlich zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, sie sei unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt, die bisherige Gesamtrentenfortschreibung durch ein anderes Dynamisierungsverfahren zu ersetzen. Ziel der Gesamtrentenfortschreibung sei es, den Versorgungsempfängern den Lebensstandard zu sichern, den sie als aktive Arbeitnehmer in ihrem Berufsleben erworben hätten. Mittel zur Zweckerreichung sei der jährliche Anstieg der Versorgungsbezüge entsprechend der Erhöhung der Beamtengehälter. Dabei sei ein Gleichlauf der Gehälter und der Bemessungsbasis für die Gesamtversorgung der Versorgungsempfänger angestrebt und verwirklicht worden, indem sich diese beiden Bemessungsgrößen in gleicher Weise um den Bruttotariflohnanstieg fortentwickelten. Durch die Abschmelzung der Sozialversicherungsrenten bewegten sich die Aktiveinkommen und die Gesamtversorgung der Versorgungsempfänger nicht im Gleichklang. Durch die Verringerung des Anstiegs der Sozialversicherungsrenten ergäben sich für sie nicht mehr zumutbare finanzielle Auswirkungen. Dazu verweist die Beklagte auf ein Gutachten der Dr. Dr. H GmbH vom November 2003. Danach ergebe sich für sie bei einem Durchschnittsverdiener eine Mehrbelastung bis zu 18,6 % bzw. 15,7 %, bei einer Person mit einem geringeren Verdienst eine Mehrbelastung bis zu 24,7 % bzw. 21,1 % und bei einem Höherverdienenden eine Mehrbelastung von 15,6 % bzw. 13,1 % im Vergleich zu einer Belastung bei einer bruttobezogenen Anpassung der Sozialversicherungsrenten.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, während die klagenden Parteien ihre Klagen im Wege der Anschlussberufung erweitern. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag im Wesentlichen mit Rechtsausführungen und beruft sich ergänzend auf ein weiteres Gutachten der Dr. Dr. H GmbH vom Dezember 2004.

Die Beklagte beantragt,

die angefochtenen Urteile abzuändern, die Klagen abzuweisen und die Anschlussberufungen zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte über die erstinstanzlich bereits ausgeurteilten Beträge hinaus zusätzlich zu verurteilen:

1. An den Kläger weitere 222,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieser Klageerweiterung zu zahlen.

2. An den Kläger ab dem 01.06.2005 über die bislang gezahlten monatlichen Versorgungsbezüge in Höhe von 2.198,96 € brutto hinaus weitere 22,20 € brutto monatlich, insgesamt also Versorgungsbezüge in Höhe von 2.221,16 € brutto monatlich zu zahlen.

3. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch künftig die Anpassung der Versorgungsbezüge des Klägers gemäß der Regelung in 6.2 der Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung vom 25.06.1976 in der Fassung der Änderungsvereinbarungen vom 06.01.1981 und vom 04.06.1993 durchzuführen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte über die erstinstanzlich bereits ausgeurteilten Beträge hinaus zusätzlich zu verurteilen:

1. An die Klägerin weitere 223,30 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieser Klageerweiterung zu zahlen.

2. An die Klägerin ab dem 01.07.2005 über die bislang gezahlten monatlichen Versorgungsbezüge in Höhe von 973,17 € brutto hinaus weitere 20,30 € brutto monatlich, insgesamt also Versorgungsbezüge in Höhe von 993,47 € brutto monatlich zu zahlen.

3. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch künftig die Anpassung der Versorgungsbezüge der Klägerin gemäß der Regelung in 6.2 der Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung vom 25.06.1976 in der Fassung der Änderungsvereinbarungen vom 06.01.1981 und vom 04.06.1993 durchzuführen.

Die klagenden Parteien sind der Auffassung, dass auch das von der Beklagten herangezogene Gutachten vom Dezember 2004 an erheblichen Fehlern leide. Es gehe von falschen Annahmen aus und könne mangels entsprechenden Datenmaterials insgesamt nicht nachvollzogen werden. Selbst wenn man die vom Gutachten ermittelten Mehrbelastungen zu Grunde lege, liege weder eine Äquivalenzstörung noch eine Zweckverfehlung vor, sondern nur die Verwirklichung eines von der Beklagten übernommenen gesamtversorgungstypischen Risikos. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtenen Urteile, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Beklagten sind zulässig. In der Sache haben sie keinen Erfolg.

I. Die Zahlungsklagen sind zulässig, auch soweit sie auf künftige Leistung gerichtet sind (§ 258 ZPO). Die im Wege der zulässigen Anschlussberufung (§ 524 Abs. 2 ZPO) erfolgte Klageerweiterung ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrags gemäß § 256 ZPO zulässig. Die Feststellungsklage geht über den Leistungsantrag nach § 258 ZPO hinaus. Sie ist ihr gegenüber nicht subsidiär, sondern bezieht sich auf die grundsätzliche Klärung der Berechnung der Betriebsrente bei für die Zukunft noch nicht bezifferbaren Erhöhungen in der Besoldungsordnung und in der gesetzlichen Rentenversicherung.

II. Die Klagen sind begründet. Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Betriebsrenten auch über den 01.04.2004 hinaus nach der zuvor geltenden Anpassungsformel anzupassen sind. Der mit Wirkung zum 01.04.2004 vorgenommene Eingriff der Beklagten in die Dynamisierungsformel der laufenden Gesamtversorgungsbetriebsrenten ist rechtswidrig. Er ist insbesondere nicht durch den Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gedeckt. Die von den klagenden Parteien geltend gemachten Differenzbeträge sind rechnerisch nicht im Streit. Das Landesarbeitsgericht hat sich bereits in einem Parallelverfahren mit der gleichgelagerten Sach- und Rechtslage eingehend befasst und die Revision zugelassen. Die erkennende Berufungskammer schließt sich im Ergebnis und in der Begründung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 03.08.2005 - 7 (8) Sa 160/05 - an, in der es heißt:

"1. Gemäß § 313 Abs. 1 BGB liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Geschäftsgrundlage ist dabei die bei Abschluss des Vertrags zu Tage getretene, dem anderen Teil erkennbar gewordene und von ihm nicht beanstandete Vorstellung der einen Partei oder die gemeinsame Vorstellung beider Parteien vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände, wenn der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (z. B. BAG AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Pensionskasse).

Rechtsprechung und Literatur unterscheiden im Rahmen des § 313 BGB unter anderem die Fallgruppen der Zweckverfehlung und der Äquivalenzstörung.

2. Ein Wegfall oder eine Störung der Geschäftsgrundlage unter dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlung scheidet vorliegend von vornherein aus.

a. Der Beklagte will darauf abstellen, dass die ursprüngliche Gestaltung der Gesamtversorgungszusage auch den Zweck verfolgte, einen Gleichlauf zu erreichen zwischen der Erhöhung der Vergütung der aktiven Beschäftigten und den Erhöhungen der Betriebsrente. Worauf der Beklagte diese Annahme stützen will, begründet er jedoch nicht. Besondere Umstände, aus denen sich eine solche Annahme rechtfertigen könnte, trägt der Beklagte nicht vor.

b. Charakter und Sinn einer Gesamtversorgungszusage sprechen jedoch gerade für das Gegenteil. Eine Gesamtversorgungszusage dient nämlich typischerweise dazu, dem Arbeitnehmer zu garantieren, dass er im Versorgungsfall insgesamt über Versorgungsleistungen verfügt, die in einer vorher festgelegten Relation zu einer definierten Richtgröße stehen. Die Betriebsrente dient im Rahmen einer Gesamtversorgungszusage dabei gerade als flexibles Instrument, das Ziel einer bestimmten Gesamtversorgungshöhe zu erreichen. Soweit die Richtgröße, an der sich der sogenannte Versorgungsgrad orientiert, in einer Beziehung zu den Einkünften aktiver Beschäftigter steht, geht es also gerade um eine feste Relation zwischen der Gesamtrente und den Bezügen der aktiven Beschäftigten und gerade nicht um eine feste Relation zwischen der Betriebsrente und den Aktiven-Bezügen.

3. Der Beklagte hat aber auch nicht nachvollziehbar darlegen können, dass sein Eingriff in die Anpassungsdynamik durch eine sogenannte Äquivalenzstörung im Sinne von § 313 BGB gerechtfertigt werden könnte.

a. Bei gegenseitigen Verträgen gehört der Gedanke der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zur Geschäftsgrundlage (BGH NJW 62, 251; Palandt/Heinrichs, § 313 BGB, Rdnr. 32). Wird das Äquivalenzverhältnis durch unvorhersehbare Ereignisse schwerwiegend gestört, ist der Vertrag an die veränderten Umstände anzupassen, soweit die Störung das von der benachteiligten Partei zu tragende Risiko überschreitet (BGH NJW 62, 30; RGZ 147, 289; Palandt/Heinrichs, a. a. O.). Dagegen ist § 313 BGB nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht, das eine der Parteien zu tragen hat (BGH NJW 2000, 1714 ff.; BGH NJW 1998, 2875; Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rdnr. 15). Wie die Risikosphären der Parteien dabei gegeneinander abzugrenzen sind, ergibt sich aus dem Vertrag, dem Vertragszweck und dem anzuwendenden dispositiven Recht (BGH a. a. O.; Palandt/Heinrichs a. a. O.).

b. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte eine Gesamtversorgungszusage erteilt, in deren Rahmen der Betriebsrente die Funktion zukam, die Lücke zwischen zwei ihrerseits dynamisch ausgestalteten Rechnungsfaktoren zu schließen, nämlich der Sozialversicherungsrente einerseits, der mit einer an der Beamtenbesoldung orientierten Anpassungsklausel versehenen Richtgröße für die Höhe der Gesamtversorgung andererseits. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Relation zwischen zwei derartigen, je für sich dynamisch ausgestalteten Rechnungsfaktoren fortlaufenden Schwankungen unterworfen sein kann. Wenn der Beklagte den Klägern zugesagt hat, durch Zahlung einer Betriebsrente die Lücke zwischen diesen beiden dynamischen Größen zu schließen, so hat er dadurch vertraglich das Risiko übernommen, dass durch eine unterschiedliche Entwicklung der beiden Berechnungsgrößen eine bald niedrigere, bald aber auch höhere Belastung entstehen kann. Träfe es somit zu, dass sich, wie der Beklagte behauptet, der Berechnungsfaktor Sozialversicherungsrente zwischen Erteilung der Versorgungszusage und dem Eintritt des Versorgungsfalls, bzw. dem Stichtag 31.12.2003 ungleichgewichtig entwickelt hätte, so hätte sich damit zunächst nur ein vom Beklagten vertraglich übernommenes Risiko verwirklicht.

c. Bei vertraglicher Risikoübernahme sind Rechte aus § 313 BGB grundsätzlich ausgeschlossen (RGZ 163, 96; RGZ 166, 49; Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rdnr. 16). Auch erhebliche Kostensteigerungen führen in einem solchen Fall grundsätzlich nicht zur Anwendung des § 313 BGB (OLG München DB 83, 2619; Palandt/Heinrichs, a. a. O.).

4. In einem Fall der vertraglichen Übernahme eines bestimmten Risikos kommt eine nachträgliche Vertragsanpassung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur ausnahmsweise in Betracht, wenn durch Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners ein so krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr zumutbar ist (BGH BB 56, 254; Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rdnr. 39). Es muss sich dabei jedoch um Ausnahmefälle handeln, die denen einer wirtschaftlichen Unmöglichkeit im Sinne der früheren Zivilrechtsprechung nahe kommen (Palandt/Heinrichs, a.a.O.). Solche Ausnahmefälle wurden z. B. angenommen bei einem unvorhergesehenen Ansteigen der Herstellungskosten einer Ware auf das 15-fache (RGZ 101, 81), bzw. um 60 % (RGZ 102, 273; Palandt/Heinrichs, a. a. O.).

Vorliegend hat der Beklagte zur Überzeugung des Berufungsgerichts schon nicht darlegen können, dass überhaupt ein von den ursprünglichen Vertragsgrundlagen nicht mehr gedecktes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entstanden ist, geschweige denn, dass dieses Missverhältnis eine solche Größenordnung angenommen hat, dass es trotz der vertraglichen Risikoübernahme durch den Beklagten diesem schlechthin nicht mehr zumutbar wäre. Das vom Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegte Gutachten von Dezember 2004 ist nicht geeignet, eine derartige Äquivalenzstörung zu belegen.

a. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob das Gutachten, wie von den Klägern gerügt, unter methodischen Mängeln leidet und ob das in dem Gutachten verwendete Zahlenmaterial hinreichend nachvollziehbar ist.

b. Immerhin räumt der Beklagte selbst ein, die Erfahrung lehre, dass die prognostizierte gesetzliche Rente, wenn sie nach dem in dem Gutachten verwandten Nährungsverfahren bestimmt werde, meistens unter der gesetzlichen Rente liege, die der betroffene Versorgungsempfänger tatsächlich erhalte. Dies führe dazu, dass das Gutachten für den Zeitpunkt des Renteneintritts von Betriebsrenten ausgehe, die in vielen Fällen über der dem jeweiligen Rentner tatsächlich gezahlten Betriebsrente liege. Wenn es sich aber, wie der Beklagte einräumt, bei diesem Effekt um eine Erfahrungstatsache handelt, so beruht sie nicht auf Zufall, und es leuchtet nicht ein, warum dieser Effekt dann, obwohl er das Gutachtenergebnis verfälscht, ohne weiteres hinzunehmen sein soll. Auch unterlässt es der Beklagte, die Größenordnung dieses Effektes zu benennen.

c. Ungeachtet dieser vom Beklagten selbst eingeräumten Ungereimtheit vermag das Gutachten aber insbesondere deshalb nicht die rechtlichen Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu belegen, weil es das Augenmerk einseitig nur auf den Berechnungsfaktor der Sozialversicherungsrenten richtet.

aa. So mag dem Gutachten zwar entnommen werden können, dass sich der Beklagte per 31.12.2003 hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Belastung durch die Betriebsrenten hypothetisch besser gestanden hätte, wenn zu diesem Zeitpunkt noch die gleichen sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen geherrscht hätten wie im Zeitpunkt der Versorgungszusagen.

bb. Diese Aussage ist jedoch in Anbetracht eines zu beurteilenden Gesamtversorgungssystems keineswegs automatisch gleichbedeutend damit, dass der Beklagte am 31.12.2003 auch tatsächlich wirtschaftlich inadäquat stärker belastet war, als dies im Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage im Rahmen des Vorhersehbaren gelegen hätte. So sind die Sozialversicherungsrenten, folgt man dem Gutachten, zwar im Zeitraum 1976 bis 2003 bei weitem nicht so stark gestiegen, wie dies bei unveränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen der Fall gewesen wäre. Aus der vom Beklagten selbst vorgelegten Anlage B 10 geht jedoch hervor, dass die Sozialversicherungsrenten in dem genannten Zeitraum dennoch deutlich stärker gestiegen sind als die der Richtgröße der Versorgungsgrundlage zugrunde liegende Beamtenbesoldung.

cc. Wenn der Beklagte somit unterstellt, dass die Parteien bei Erteilung der Versorgungszusagen übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass sich in Zukunft die Sozialversicherungsrenten und die Beamtenbesoldung im Gleichschritt erhöhen würden, so hätte der Beklagte bei seinen Berechnungen auch einen hypothetisch höheren Wert der Richtgröße für die Versorgungsgrundlage unterstellen müssen. Die einseitige Betrachtung des Faktors Sozialversicherungsrente trifft somit nicht den Kern dessen, was im Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusagen zwischen den Parteien als Geschäftsgrundlage in Frage kommen könnte.

d. Hinzu kommt, dass Gesetzesänderungen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts, welche für die Zukunft die Höhe der Sozialversicherungsrente beeinflussen konnten, im Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusagen auch keineswegs gänzlich unvorhersehbar waren.

aa. Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass im Einzelfall auch eine gänzlich unvorhersehbare gravierende Änderung der Gesetzeslage zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen kann (BAG NZA 1998, 719ff.; BGH NJW 1983, 1552; Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rdnr.41).

bb. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Erteilung einer Versorgungszusage geradezu typischerweise einen Rechtsakt darstellt, dessen wirtschaftliche Auswirkungen erst lange Zeit, oft etliche Jahrzehnte später einzutreten pflegen. Dass sich innerhalb eines so langen Zeitraumes auch Gesetzesänderungen ergeben könnten, und zwar auch solche, die die Höhe der Sozialversicherungsrente negativ beeinflussen würden, konnte somit von den Vertragsparteien realistischerweise nicht ausgeschlossen werden.

cc. So handelt es sich z.B. beim Steuerrecht um ein Rechtsgebiet, das typischerweise häufigen Gesetzesänderungen unterliegt. Deshalb geht man hierzu davon aus, dass bestimmte steuerrechtliche Erwartungen nur dann in eine Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB einfließen, wenn dies im Rahmen der Vertragsverhandlungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird (Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rdnr.41). Übertragen auf die vorliegende Fallkonstellation hat der Beklagte jedoch nicht vorgetragen, dass er die Erteilung der Gesamtversorgungszusagen unter den Vorbehalt gestellt hat, dass sich die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts bis zum Auslaufen der Verpflichtungen zur Zahlung der Betriebsrente nicht mehr ändert.

e. Bei der Bestimmung dessen, was zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusagen als Geschäftsgrundlage angesehen werden kann, ist somit weniger auf die Entwicklung der einzelnen Rechnungsfaktoren je für sich, sondern allenfalls auf deren Relation zueinander abzustellen. Wenn beispielsweise ausweislich der vom Beklagten selbst vorgelegten Anlage B 10 im Jahre 1976 der Anteil der Betriebsrente an der Gesamtversorgung durchschnittlich 28 % betrug, so konnte der Arbeitnehmer, der im Jahre 1976 eine Versorgungszusage des Beklagten erhielt, nach seinem Empfängerhorizont im Zweifel davon ausgehen, dass der Beklagte auch im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles und darüber hinaus bereit sein würde, eine Betriebsrente in der Größenordnung von 28 % der Gesamtversorgung aufzubringen. Folgt man der Tabelle zu Anlage B 10, so sank der Anteil der Betriebsrente an der Gesamtversorgung zwar in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts auf Grund des damaligen überproportionalen Anstiegs der Sozialversicherungsrente bis auf deutlich unter 20 %, um in den 90er Jahren sodann wieder anzusteigen. Sie hatte aber auch im Jahre 2004 erst wieder einen Faktor von 22,13 % erreicht und lag somit, worauf die Kläger zutreffend hinweisen, tatsächlich immer noch deutlich günstiger als im Jahre 1976. Nachvollziehbares gegenteiliges Zahlenwerk hat der Beklagte nicht unterbreitet.

f. Verfehlt erscheint die Argumentation des Beklagten auch insoweit, als er verschiedentlich einen Vergleich der Entwicklung der Sozialversicherungsrenten mit der allgemeinen Einkommensentwicklung anstellt. Maßgebend ist für die Betriebsrenten nicht die allgemeine Einkommensentwicklung, sondern die Entwicklung der Beamtenbesoldung. Die Entwicklung der Beamtenbesoldung bleibt jedoch regelmäßig hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurück.

g. Die Annahme des Beklagten, es sei eine Äquivalenzstörung eingetreten, erscheint aus einem weiteren Grund nicht stimmig begründet:

aa. Der Beklagte betont, für die Beantwortung der Frage nach dem Eintritt einer Äquivalenzstörung sei nicht auf die individuellen Verhältnisse der jeweils Betroffenen abzustellen, sondern auf das Betriebsrentnerkollektiv. Der Beklagte betrachtet dazu den Betriebsrentnerbestand an einem willkürlich gewählten Stichtag. Bei einem Gesamtversorgungssystem, bei dem die Höhe der Betriebsrente von zwei je für sich dynamischen Berechnungsgrößen abhängt, unterliegt die wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers aber, wie bereits ausgeführt und aus der Tabelle der Anlage B 10 ohne weiteres ablesbar, auf der Zeitschiene natürlichen Schwankungen. So trifft es zwar zu, dass die Belastung des Beklagten seit Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts tendenziell im Steigen begriffen ist, weil sich der Anstieg der Sozialversicherungsrente im Vergleich zum Anstieg der Beamtenbesoldung seitdem abgeflacht hat. Der Beklagte hat aber andererseits auch davon profitiert, dass in den Jahrzehnten zuvor die Sozialversicherungsrente tendenziell deutlich stärker gestiegen ist als die Beamtenbesoldung. Dieser bei einer kollektiven Betrachtung der Äquivalenzstörung ebenfalls bedeutsame Umstand bleibt bei der Sichtweise des Beklagten unberücksichtigt.

bb. Dies erscheint um so weniger gerechtfertigt, als der Beklagte andererseits seine spekulativen Erwartungen über die zukünftige Entwicklung sehr wohl in die Betracht einbezogen wissen will und daraus herleitet, dass für die Frage nach der Äquivalenzstörung die maßgebliche Mehrbelastungsquote nicht nur 32,8 %, sondern sogar 46,04 % betragen soll.

h. Hinzu kommt, dass der Beklagte alleine den Umstand, dass im Jahre 2004 bei den Sozialversicherungsrenten - erstmals - eine Nullrunde eingetreten ist, mit einer Mehrbelastung von 1,74 % zu Buche schlagen lässt, während er andererseits aber in der Vergangenheit bereits dreimal, nämlich in den Jahren 1984, 1996 und 2000, von einer Nullrunde bei der Beamtenbesoldung profitiert hat.

i. Ob die kollektive Bestimmung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Anbetracht des unstreitigen Umstands, dass die Ansprüche der Kläger auf ihre laufende Betriebsrente individualrechtlicher Natur sind, überhaupt akzeptiert werden kann oder als methodischer Systembruch gewertet werden muss, mag dahingestellt bleiben.

k. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beklagte bei seinen Gesamtrentenzusagen das vertragliche Risiko übernommen hat, dass die Belastungen aus der Betriebsrente in Abhängigkeit von den Schwankungen ihrer dynamischen Berechnungsfaktoren ihrerseits ebenfalls Schwankungen unterworfen sind, und in Anbetracht der übrigen im Einzelnen dargestellten Umstände vermag die vom Beklagten aufgeführte fiktive Mehrbelastung in der vorliegenden Konstellation zur Überzeugung der Kammer eine Äquivalenzstörung im Sinne des § 313 BGB und der allgemeinen Zivilrechtslehre bei weitem noch nicht zu begründen.

l. Etwas anderes kann auch aus der Entscheidung des BAG vom 23.9.1997 (NZA 1998, 719ff.) nicht hergeleitet werden. Zum einen hat das BAG in dem dortigen Fall eine - bereits real eingetretene (!) - Mehrbelastung in der Größenordnung von 61,3 % als nicht mehr hinnehmbar konstatiert, während vorliegend selbst nach der vom Beklagten befürworteten Sichtweise die real eingetretene Mehrbelastung mit 32, 8 % nur geringfügig mehr als die Hälfte des dortigen Wertes erreicht. Zum anderen kam in dem vom BAG zu beurteilenden Sachverhalt aber als wesentlicher Gesichtspunkt noch hinzu, dass der Nettoversorgungsgrad der dortigen Betriebsrentner von 81 % auf 107 % gestiegen, also eine markante Überversorgung eingetreten war. Von einer Überversorgung ist in den vorliegenden Fällen jedoch unstreitig nicht die Rede."

Da die Ausführungen in der Berufung des vorliegenden Verfahrens keine rechtlich relevanten neue Gesichtspunkte aufzeigt, kann sich die Kammer auf die Wiedergabe der vorstehenden Ausführungen, die sie sich zu eigen macht, beschränken.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision wird nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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