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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 11.11.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 121/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 164
BGB § 177
BGB § 178
BGB § 242
1. Schließt ein Betriebsstättenleiter einer Klinik mit dem örtlichen Betriebsrat Betriebsvereinbarungen ab, schließt er Arbeitsverträge ab und spricht er Kündigungen, Versetzungen und Abmahnungen aus und geschieht dies über einen langen Zeitraum hinweg, ohne dass der Arbeitgeber dies beanstandet, so ist von einer schlüssig erteilten Vollmacht in arbeitsvertraglichen Angelegenheiten in Bezug auf die Betriebsstätte auszugehen und nicht nur von einer Rechtsscheinvollmacht.

2. In einem solchen Fall kann sich der Arbeitgeber nicht auf den Mangel der Vollmacht berufen, wenn der Betriebsstättenleiter mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern Zulagenvereinbarungen abschließt. Auf den Guten Glauben der Vertragspartner kommt es nicht an.

3. Für die Tatsachen, die den Missbrauch der Vollmacht, insbesondere ein kollusives Zusammenwirken des Vertreters mit dem Vertragspartner zum Nachteil des Vertretenen begründen sollen, trägt der vertretene Arbeitgeber die Beweislast.


Tenor:

I) Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 09.12.2004 - 4 Ca 2603/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.800,00 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 14.07.2004.

2) Die Beklagte wird des weiteren verurteilt, an den Kläger 1.500,00 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 08.11.2004.

II) Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Zulage für den Zeitraum von Dezember 2003 bis Oktober 2004 in Höhe von monatlich 300,00 EUR.

Der Kläger ist bei der Beklagten in deren Betriebsstätte R N seit dem 01.03.2002 als Masseur und Bademeister beschäftigt. Er ist Mitglied des Betriebsrats. In der Betriebsstätte sind ca. 60 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig. Der schriftliche Arbeitsvertrag des Klägers wurde auf Seiten der Beklagten von dem Zeugen E (Leiter der Betriebsstätte) unterzeichnet. Dort heißt es u. a. "Soweit der Arbeitgeber Prämien und soziale Vergünstigungen gewährt, auf die nach diesem Vertrag nicht ausdrücklich ein Rechtsanspruch besteht, kann der Arbeitnehmer hieraus keinen Rechtsanspruch auf diese Leistungen herleiten, auch wenn sie wiederholt und ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Freiwilligkeit erfolgen." Im August 2002 fand bei der Beklagten ein Arbeitskampf statt, der mit dem Abschluss eines Haustarifvertrages endete. Am 17.11.2003 unterzeichnete der Kläger zusammen mit dem Betriebsstättenleiter E eine Zusatzvereinbarung (Bl. 12 d. A.) über eine monatliche Zulage in Höhe von 300,00 EUR ab dem 01.12.2003, die durch anstehende Gehaltserhöhungen abgeschmolzen werden soll. Tatsächlich sind beim Kläger nach Ablauf des hier streitigen Zeitraums Gehaltserhöhungen in einem Umfang eingetreten, dass von der Zulage, wenn ein diesbezüglicher Anspruch unterstellt wird, nur noch knapp 50,00 € monatlich wirksam werden.

Zwischen den Parteien ist die Vollmacht des Zeugen E im Hinblick auf diesen Vertragsabschluss streitig. Herr E ist Leiter der Betriebsstätte. An Tarifverhandlungen hat er als Vertreter der Arbeitgeberseite teilgenommen. Unstreitig ist er für die Betriebsstätte in N bevollmächtigt, im Namen der Beklagten Arbeitsverträge abzuschließen, Kündigungen, Versetzungen und Abmahnungen auszusprechen, Ein- und Umgruppierungsentscheidungen zu fällen und mit dem Betriebsrat Betriebsvereinbarungen abzuschließen. In der Vergangenheit hat der Zeuge von seiner Vertretungsbefugnis u.a. Gebrauch gemacht beim Abschluss der Betriebsvereinbarungen "Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitszeitkonten" und "Arbeitszeitflexibilisierung und Feiertage." Im Rahmen der bestehenden Vollmacht hat der Zeuge Elfers auch im Einzelfall mit den folgenden Mitarbeitern übertarifliche Zulagen vereinbart: Frau B 300,00 €; Frau S 150,00 €; Herr K 200,00 €; Herr H 300,00 €; Herr B 150,00 €; Frau G 301,32 €; Herr K 256,98 €; Herr B 300,00 €. Neben der Zulagenvereinbarung mit dem Kläger schloss der Zeuge E in der 2. Jahreshälfte des Jahres 2003 entsprechende Zusatzverträge mit über 40 weiteren Arbeitnehmern.

Am 28.11.2003 fand, veranlasst durch die Geschäftsleitung der Beklagten, eine Mitarbeiterversammlung statt, an der 41 Arbeitnehmer teilgenommen haben. Nach dieser Versammlung unterzeichneten 40 Arbeitnehmer eine Bestätigung, dass sie aus der "Zusatzvereinbarung" keine Rechte herleiten und sie als gegenstandslos betrachten. Der Kläger machte mit Schreiben vom 29.04.2004 (Bl. 13 d. A.) die Zahlung der Zulage geltend. Mit Schreiben vom 12.05.2004 wies die Beklagte die Forderung des Klägers zurück mit der Begründung, Herr E sei nicht berechtigt gewesen, die Zusatzvereinbarung abzuschließen und der Betriebsrat sei nicht beteiligt worden.

Mit der seit dem 14.07.2004 rechtshängigen Klage hat der Kläger die 300,00 € monatliche Zulage für die Zeit vom Dezember 2003 bis Mai 2004 gefordert und mit der seit dem 08.11.2004 rechtshängigen Klageerweiterung die Beträge für die Monate Juni 2004 bis Oktober 2004.

Er hat vorgetragen, Herr E sei bis zum Abschluss der hier streitigen Zusatzvereinbarung als Handlungsbevollmächtigter der Beklagten bzgl. der Abschlüsse von Arbeitsverträgen bevollmächtigt gewesen. Nach seiner Auffassung spiele es für die Berechtigung seiner Forderung keine Rolle, ob der Betriebsrat richtig angehört worden sei oder nicht. Er berufe sich nicht auf einen Rechtsscheinstatbestand. Herr E sei vielmehr befugt gewesen, Zusatzvereinbarungen zu den Arbeitsverträgen abzuschließen. Er beziehe sich dabei auf den eigenen Vortrag der Beklagten in einem Beschlussverfahren, bei dem es um die Frage gegangen sei, ob es sich bei der Betriebsstätte in Nümbrecht um einen eigenständigen Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne handele. Im Hinblick auf diesen Vortrag wird Bezug genommen auf die zu der Akte gereichten Schriftsätze (Bl. 155 ff. d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.800,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Zinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.500,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Zinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der unterzeichnende Herr E sei für den Abschluss der hier streitigen Zusatzvereinbarung nicht bevollmächtigt gewesen, eine Genehmigung seiner Vertretererklärung habe nicht stattgefunden. Auch eine Vertretungsmacht aufgrund eines Rechtsscheinstatbestandes komme nicht in Betracht. Die Unterzeichnung sei ohne Wissen der Geschäftsleitung geschehen. Herr E habe der Beklagten gegenüber auf Nachfrage geäußert, die Zusatzvereinbarung mit dem Kläger und allen anderen Mitarbeitern sei ein "irrationales Ding" gewesen. Es habe sich offensichtlich um eine Kurzschlusshandlung gehandelt aus Überlastung und Angst vor einem weiteren Streik. Als Betriebsstättenleiter sei Herr E zwar berechtigt gewesen, eigenständig Personalentscheidungen wie Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Die Maßnahmen hätten aber immer nur im Rahmen und nach Maßgabe der Vergütungsordnung stattgefunden. Dies sei allen Mitarbeitern bekannt gewesen. Herr E sei nicht bevollmächtigt gewesen, Maßnahmen zu treffen, die über den einzelvertraglichen oder den engen betrieblichen Bereich hinaus gingen. Die Zusatzvereinbarungen, die in der Zeit zuvor abgeschlossen worden seien, hätten allesamt einen konkreten Hintergrund und gehörten zum Bereich der Personalgewalt für Einzelmaßnahmen, die Herr E unbestritten gehabt habe. Vorliegend handele es sich aber um einen Eingriff in die Gesamtvergütungsstruktur des Unternehmens. Der kurz zuvor abgeschlossene Haustarifvertrag sei Ergebnis langer Verhandlungen und eines langen Streiks gewesen. Allen Arbeitnehmern habe damit deutlich seien müssen, dass der Betriebsstättenleiter nicht bevollmächtigt gewesen sei, selbstständig von dem mühsam gefunden Entgeltschema abzuweichen. Herr E habe zwar bei den Tarifverhandlungen teilweise auf Seiten der Beklagten mitgewirkt, es sei aber immer die Geschäftsleitung der Beklagten federführend gewesen. Insbesondere dem Kläger und dem einzigen weiteren Arbeitnehmer, der sich auf die "Zusatzvereinbarung" berufe, dem Zeugen S , habe als Betriebsratsmitglied die fehlende Vollmacht des Herrn E besonders deutlich sein müssen. Je nach Gehaltsgruppe habe die Zulage zu einer Gehaltssteigerung von 12 % bis 21 % geführt. Auch hieraus habe jedermann erkennen müssen, dass die massenhafte Vereinbarung solcher Zulagen nicht mehr von der Vollmacht des Zeugen E umfasst gewesen seien.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Urteil vom 09.12.2004 die Klage abgewiesen. Der Zeuge E sei nicht bevollmächtigt gewesen. Der Kläger habe sich ausdrücklich auf die Handlungsvollmacht berufen und damit auf § 54 HGB. Nach dem Vortrag des Klägers sei hier von einer Art-Handlungsvollmacht auszugehen, die sich zwar auf alle personellen Maßnahmen beziehe, gemäß § 54 Abs. 1 HGB aber nicht auf kollektive, evident überhöhte Gehaltserhöhungen. Auch eine Duldungs- und Anscheinsvollmacht komme nicht in Betracht, da der Kläger als Betriebsratmitglied nicht gutgläubig gewesen sei.

Gegen das ihm am 06.01.2005 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Kläger am 25.01.2005 Berufung eingelegt, die nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 04.05.2005 begründet worden ist.

Der Kläger trägt vor, es sei nicht nur von einer Handlungsvollmacht, sondern von einer Generalvollmacht auszugehen. Einschränkungen seien nämlich nicht ersichtlich gewesen. In der Betriebsratssitzung vom 18.11.2003 habe der Betriebsrat erfahren, dass Herr E den Mitarbeitern der Sport- und Physiotherapie eine monatliche Zulage von 300,00 € versprochen habe. Auf Nachfrage habe Herr E erklärt, er werde diese Vereinbarung mit allen Mitarbeitern abschließen. Der Betriebsrat habe damals entrüstet reagiert, weil er nicht beteiligt worden sei. In der Vergangenheit, insbesondere bei Abschluss der beiden genannten Betriebsvereinbarungen, seien die Kompetenzen des Herrn E durchaus ein Thema gewesen. Der Betriebsrat habe regelmäßig nachgefragt und sei genauso regelmäßig beschwichtigt worden, Herr E brauche keine weitere Unterschrift. Auch die Geschäftsführer M und M hätten wiederholt, insbesondere im Zusammenhang der Auslagerung der Therapieabteilung, bestätigt, dass Herr E selbst entscheiden dürfe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 09.12.2004 - 4 Ca 2603/04 G - nach den Schlussanträgen des Klägers in erster Instanz zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und bleibt bei der Auffassung, dass eine Vertretungsmacht des Herrn Elfers nicht bestehe. Im Übrigen haben die Parteien auf ihre Schriftsätze und die Anlagen sowie die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist (§§ 66, Abs. 1 S. 1 und 5, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Aufgrund der teilweise erst in der Berufungsinstanz unstreitig gewordenen von den Parteien vorgetragenen Tatsachen konnte die erstinstanzliche Entscheidung keinen Bestand haben. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der streitigen Zulage für den Zeitraum für Dezember 2003 bis Oktober 2004.

Der Anspruch folgt aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und der streitigen Zusatzvereinbarung. Diese Zusatzvereinbarung ist wirksam durch ein Vertragsangebot der Beklagten und eine entsprechende Annahme des Kläger gemäß §§ 145, 130 BGB zustande gekommen. Dabei wirkte die von Herrn E abgegebene Willenserklärung für und gegen die Beklagte gemäß § 164 Abs. 1 BGB.

1. Der Vertrag ist nicht gemäß §§ 177, 178 BGB unwirksam, da Herr E im Rahmen der ihm zustehenden Vertretungsmacht handelte. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Herr E durch die Beklagte bevollmächtigt war, arbeitsvertragliche Vereinbarungen zu treffen, einschließlich kollektivrechtlicher Regelungen. Streitig ist lediglich der Umfang der Vollmacht, der gemäß §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln ist.

a. eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten zur Vollmacht des Zeugen Elfers im Allgemeinen und zum Umfang der selben im Besonderen ist nicht vorgetragen worden. Die Vollmacht und ihr Umfang ergeben sich aber aus dem schlüssigen Handeln der Beklagten.

Gemäß § 167 Abs. 1 BGB erfolgt die Erteilung der Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, demgegenüber die Vertretung stattfinden soll. Wie sich aus § 167 Abs. 2 BGB ergibt, ist die Bevollmächtigung grundsätzlich formfrei möglich. Sie kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. So enthält die Übertragung von Aufgaben, deren ordnungsgemäße Erfüllung eine bestimmte Vollmacht erfordert, stillschweigend zugleich eine entsprechende Bevollmächtigung (Heinrichs/Palandt, § 167 Rdnr. 1 mit Bezug auf frühe Reichsgerichtsentscheidungen). Der Unterschied zwischen der schlüssig erteilten Vollmacht und den Tatbeständen der Rechtsscheinsvollmacht (Duldungs- und Anscheinsvollmacht) liegt darin, dass bei der schlüssig erteilten Vollmacht die Billigung des Vertreterhandelns mit rechtsgeschäftlichem Willen geschieht (Schilken in Staudinger BGB § 167 Rdnr. 29). Die Bevollmächtigung durch schlüssiges Verhalten kann auch vorliegen, wenn eine vorhandene Vollmacht überschritten wird, dies dem Vertretenden bekannt ist und von ihm mit rechtsgeschäftlichem Willen gebilligt wird. Nach dem Vorgesagten ist hier von einer schlüssig erteilten Vollmacht auszugehen. Herr E war mit einer Aufgabe betraut - Betriebsstättenleiter einer Klinik - deren ordnungsgemäße Erfüllung eine umfassende arbeitsvertragliche Vollmacht im Hinblick auf die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfordert. Es sind zwar Fälle denkbar und auch bekannt, in denen Betriebsleiter gegenüber der zentralen Leitung des Unternehmens in arbeitsvertraglichen Angelegenheiten lediglich ein Vorschlagsrecht haben. Diese Fälle sind aber selten, unpraktikabel und wegen der übrigen hier vorliegenden Tatsachen nicht mit dem streitigen Fall vergleichbar. Die Beklagte hat das Vertreterhandeln des Herrn E in der Vergangenheit nicht nur geschehen lassen, sondern die daraus folgenden Entgeltverpflichtungen auch ohne Weiteres erfüllt, ohne ihrerseits mit Änderungsverträgen, Teilkündigungen oder Anfechtungen zu reagieren. Auch entsprechend steuernde Anweisungen an Herrn E sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Sie hat ihn auf ihrer Seite in Tarifverhandlungen einbezogen. Sie hat ihn mit dem Betriebsrat Betriebsvereinbarungen abschließen lassen und gesteht ihm sogar zu, in Einzelfällen mit "konkretem Anlass" für sie Zusatzverträge abzuschließen, die sich im Volumen mit dem hier streitigem Vertrag messen lassen können. Hiernach kann nicht mehr nur von bloßem Geschehen lassen die Rede sein. Herr E ist vielmehr aufgrund des rechtsgeschäftlichen Willens der Beklagten nach außen wie nach innen mit arbeitsvertraglichen Vollmachten ausgestattet gewesen, die bis zum Abschluss kollektivvertraglicher Regelungen reichten und bis zum Abschluss von Zusatzvereinbarungen, die weit übertarifliche Leistungen betrafen. Die Beklagte selbst vertritt hier keine andere Rechtsauffassung.

b. Die so zumindest durch schlüssiges Verhalten erteilte Vollmacht war nicht dergestalt beschränkt, dass Zusatzvereinbarungen wie die hier streitige nicht von ihr umfasst gewesen wären. Eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten gegenüber dem Zeugen Elfers oder gegenüber den Arbeitnehmern hinsichtlich einer solchen Einschränkung ist von den Parteien nicht vorgetragen worden. Sie ergibt sich aber auch nicht aus dem schlüssigen Verhalten der Beklagten oder den sonstigen Umständen. Zwar trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf die Vollmacht beruft, die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die einer wirksamen Vollmachtserteilung zugrunde liegen, hier also der Kläger. Aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO folgt aber die Verpflichtung des Prozessgegners, sich wahrheitsgemäß zum Vortrag der anderen Partei zu erklären. Dies gilt insbesondere in einem Fall wie in dem vorliegenden, in dem nicht die Vollmacht als solche streitig ist, sondern vielmehr eine vom Vertretenen geltend gemachte Ausnahme. Danach wäre es zunächst an der Beklagten gewesen, darzulegen, wann, durch wen und mit welchem konkreten Umfang die im Übrigen unstreitig bestehende Vollmacht des Zeugen E für arbeitsvertragliche Angelegenheiten durch sie eingeschränkt wurde. Die Darlegung der Beklagten, Herr E sei nicht bevollmächtigt gewesen, Maßnahmen zu treffen, die über den einzelvertraglichen oder betrieblichen Bereich hinausgingen, reicht hierzu nicht aus, selbst wenn sie ausdrücklich erklärt worden wäre, da die hier streitige Zusatzvereinbarung eine einzelvertragliche Vereinbarung ist und der Zeuge E außerhalb des Betriebes in N mit keinem anderen Arbeitnehmer der Beklagten solche Zusatzvereinbarungen geschlossen hat. Da sich sein Handeln auf den Betrieb in N beschränkte, hat er auch nicht - wie die Beklagte meint - in die Gesamtvergütungsstruktur des Unternehmens eingegriffen. Der Zeuge war unstreitig bevollmächtigt für den N Betrieb kollektivvertragliche Maßnahmen zu treffen (Abschluss von Betriebsvereinbarungen) und in Abweichung von dem Tarifsystem einzelvertragliche Zulagen zu vereinbaren. Für 11 solcher Vereinbarungen (11 Arbeitnehmer von 60 Arbeitnehmern) war der Zeuge unstreitig bevollmächtigt. Es ist nicht ersichtlich, wieso diese Bevollmächtigung für die 12., die 20. oder die 40. Vereinbarung dieser Art eingeschränkt sein sollte. Die Höhe der hier versprochenen Zulage ist auch nicht so extrem, dass für jeden - für den Zeugen E , für den Kläger, für alle anderen Arbeitnehmer und das Gericht - eine fehlende Vollmacht erkennbar wäre. Die Höhe entspricht in ihrer Größenordnung dem unstreitig mit Vollmacht abgeschlossenen Vereinbarungen. Wie der Kläger unwidersprochen in der Berufungsverhandlung zu Protokoll erklärt hat, ist dieser Betrag, der von der Beklagten als so außergewöhnlich hoch empfunden wird, nach gut einem Jahr zu 5/6 von Tariferhöhungen aufgesogen gewesen. Die Vielzahl der Zulagenvereinbarungen mag aus dem Blickwinkel der Beklagten ökonomisch unvernünftig und tarifpolitisch ärgerlich gewesen sein und im nachhinein aus dem Blickwinkel des Zeugen E ein "irrationales Ding." Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Abschluss von Zulagenvereinbarungen ein gewöhnliches Geschäft ist im Rahmen der Tätigkeit eines Betriebsleiters. Die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen Zulage "mit konkretem Anlass" und Zulagen ohne einen solchen, mangelt es schließlich an Trennschärfe, um Geschäfte mit und ohne Vollmacht zu unterscheiden. Denn auch die mögliche und naheliegende Erhöhung der Motivation eines Mitarbeiters durch eine solche Zulage kann ein Anlass sein. In einem solchen Fall stellt sich die Zulage gerade nicht als eine ausschließliche Kostenbelastung des Vertragspartners dar, ohne Gewinnchancen zu eröffnen. Unter diesem Gesichtspunkt kann sie sogar ökonomisch vernünftig sein.

Nach alledem ergibt sich, dass der Zeuge E nach § 167 BGB bevollmächtigt war, die hier streitige Vereinbarung abzuschließen.

2. Auf die gesetzliche Regelung des § 54 HGB kam es daher nicht an, die bei der Bevollmächtigung zu einzelnen Geschäften die Vollmacht ausweitet auf alle Geschäfte mit Rechtshandlungen, die die Vornahme derartiger Geschäfte mit sich bringt, dies aber durch das Kennen und Kennenmüssen des Vertragspartners beschränkt. Die hierzu ergangene Entscheidung des BGH vom 08.05.1978 (- II ZR 709/76 - DB 1978, 2118) soll aber nicht unerwähnt bleiben, wo es im 2. Leitsatz heißt: "Bei einem großen Unternehmen können Vertragsabschlüsse von erheblicher finanzieller Tragweite (hier: Errichtung einer Erdölraffinerie) noch zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb zu rechnen sein, so dass ein Dritter in Ermangelung gegenteiliger Äußerungen davon ausgehen kann, eine aus schlüssigem Verhalten zu entnehmende Handlungsvollmacht erstrecke sich auf derartige Verträge wie auch auf Rechtsgeschäfte, die ihrer Durchführung dienen (hier: Schuldanerkenntnis)." Wegen der schlüssig erteilten Vollmacht gemäß § 167 BGB sind auch die Rechtsscheintatbestände der Darlegungs- und Anscheinsvollmacht nicht von Belang. Nur im Rahmen des § 54 Abs. 3 HGB und im Rahmen dieser Rechtsscheinstatbestände kommt es auf die Schutzwürdigkeit und damit auf den guten Glauben des Vertragspartners (des Klägers) an, während im Rahmen des Missbrauchs der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht lediglich die Grenzen der §§ 138, 242 BGB zu beachten sind.

3. Ein rechtlich relevanter Missbrauch der Vollmacht liegt nicht vor. Aus dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit oder dem Grundsatz von Treu und Glauben ergibt sich nicht die Unwirksamkeit der hier streitigen Zulagenvereinbarung. Die Verselbstständigung der Vertretungsmacht gegenüber dem zugrunde liegenden Innenverhältnis (Abstraktheitsgrundsatz) birgt die Gefahr eines Missbrauchs einer Vertretungsmacht in sich. Dennoch wird unter dem Gesichtspunkt, dass der Abstraktheitsgrundsatz der Verkehrssicherheit dienen soll, grundsätzlich auch ein Verstoß gegen die Regeln des Innenverhältnisses bei Ausübung der Vertretungsmacht in Kauf genommen. Erst wenn hierbei die Grenzen des rechtlich Tragbaren überschritten werden, spricht man von einem Vollmachtsmissbrauch (Schilken in Staudinger BGB § 167 Rdnr. 91). Vorliegend kann von einer Grenzüberschreitung in diesem Sinne nicht die Rede sein. Wie dargestellt fehlt es schon an hinreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass der Zeuge E die Grenzen seiner Vollmacht im Innenverhältnis (im Verhältnis zur Beklagten) überhaupt überschritten hat. Ausdrückliche Erklärungen der Beklagten gegenüber dem Zeugen E zur Beschränkung seiner Vollmacht im Hinblick auf besondere Arten der Zulagenvereinbarungen gab es nicht. Durch schlüssiges Verhalten erklärte Beschränkungen sind ebenfalls nicht ersichtlich, jedenfalls nicht solche mit hinreichender Trennschärfe. Wenn der Zeuge Elfers selbst von einem "irrationalen Ding" spricht, so kann darin nicht das Eingeständnis fehlender Vollmacht gesehen werden. Die Aussage beschränkt sich auf die Erkenntnis unvernünftig (irrational) gehandelt zu haben. Dies schließt nicht automatisch ein, die Grenzen einer Vollmacht überschritten zu haben.

a. Aber auch wenn eine Überschreitung der Vollmacht im Innenverhältnis unterstellt wird, kommt ein Vollmachtsmissbrauch nicht in Betracht. Die Zulagenvereinbarung ist nicht gemäß § 138 BGB nichtig. Der Missbrauch der Vertretungsmacht kann sich als Sonderfall der Sittenwidrigkeit darstellen. Er wird dann als Kollusion bezeichnet. Eine solche liegt vor, wenn der Vertreter mit dem Kontrahenten arglistig zum Nachteil des Vertretenen zusammengewirkt hat. Zu einer solchen bei beiden vertragsschließenden Personen vorliegenden Arglist hat die hierzu beweisbelastete Beklagte nichts vorgetragen. Sie hat lediglich dargelegt, der Kläger habe insbesondere in seiner Funktion als Betriebsrat erkennen müssen, dass der Zeuge E mit dem Abschluss der Zulagenvereinbarung seine Kompetenzen überschreite. Hinsichtlich des Zeugen E hat sie dargelegt, dass sich der Abschluss der Zusatzverträge für ihn im nachhinein als "irrationales Ding" dargestellt habe. Beides mag für eine Sorglosigkeit und im Rahmen des Verschuldensmaßstabes für eine Fahrlässigkeit sprechen. Von einem von der Annahme eines arglistigen Zusammenwirkens notwendigen Vorsatz, der die Schädigung der Beklagten zum Gegenstand hat, kann dagegen keine Rede sein.

b. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB führt zu keinem anderen Ergebnis. Zu den Voraussetzungen und den Rechtsfolgen eines Falles des Rechtsmissbrauchs im Sinne des § 242 BGB im Problemkreis der Vertretergeschäfte werden in Rechtsprechung und Literatur vielfältige Auffassungen vertreten (vgl. die Übersicht bei Schilken in Staudinger BGB § 167 Rdnr. 94 ff.). Der von der Rechtsprechung des BGH geforderte Vorsatz des Vertreters (BGHZ 50, 112, 114) liegt wie gezeigt nicht vor. Ein Großteil der Literatur folgt dieser Rechtsprechung und gelangt daher in einem Fall wie dem vorliegenden ebenfalls nicht zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs. Selbst wenn diejenige Literaturmeinung vertreten würde, die den Interessen der Beklagten am nächsten kommt (vgl. Erman/Palm BGB § 167 Rn. 48; Bork BGB AT Rn 1582; MünchKomm Schramm § 164 Rn. 103), nach der es nur auf den objektiven Missbrauch der Vertretungsmacht ankommt (also ohne Verschulden des Vertreters) und daher auf die Treuwidrigkeit des Vertragspartners, hier also des Klägers, abzustellen ist, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Voraussetzung ist dann nämlich zumindest, dass für den Vertragspartner ein evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht erkennbar ist. Dass vorliegend von einer solchen Evidenz nicht die Rede sein kann, wurde dargestellt.

Zusammengefasst ist daher die streitige Zusatzvereinbarung wirksam zustande gekommen.

4. Der Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag spricht nicht gegen den geltend gemachten Anspruch. Er bezieht sich nur auf freiwillige Leistungen und nicht auf vertragliche Ansprüche wie den vorliegenden.

5. Hinsichtlich des nach alledem gegebenen Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte hat der Kläger auch einen Anspruch auf Verzinsung gemäß §§ 286, 288 BGB.

III. Da die Beklagte aufgrund der Berufung des Klägers den Rechtsstreit verloren hat, muss sie nach §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 91 ZPO dessen Kosten tragen. Die Revision war nicht nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht und die angesprochenen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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