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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 29.06.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 238/07
Rechtsgebiete: BGB, EFZG


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
EFZG § 3 Abs. 1 S. 1
1. Die Weigerung des Arbeitnehmers, ihm erteilte Anweisungen zu befolgen, berechtigt den Arbeitgeber nicht zum Ausspruch einer Kündigung, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Nichtbefolgung der Anweisungen arbeitsunfähig erkrankt war.

2. Bestreitet der Arbeitgeber trotz vorgelegter ordnungsgemäß ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, muss er den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern. Dies ist dann der Fall, wenn ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit dargelegt werden. Bloßes Bestreiten der Arbeitsunfähigkeit reicht insoweit nicht aus. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden durch Umstände im Zusammenhang mit der Bescheinigung selbst, durch das Verhalten des Arbeitnehmers vor der Erkrankung und durch dessen Verhalten während der bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit (wie LAG Hamm, Urteil vom 08.06.2005 - 18 Sa 1962/04, NZA-RR 2005, 625).

3. Eine durch Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Arbeitnehmer seine geschuldeten Vertragspflichten noch teilweise erbringen kann, da das Gesetz eine "Teilarbeitsunfähigkeit" grundsätzlich nicht kennt.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.10.2006 - 14 Ca 1170/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, arbeitgeberseitigen Beendigungskündigung, das Bestehen von Zahlungsansprüchen sowie die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.

Die Beklagte betrieb ein zahntechnisches Labor, in dem früher 25 Arbeitnehmer tätig waren. Der Kläger, der 15 % der Geschäftsanteile an der Gesellschaft der Beklagten hält, war bei dieser seit dem 01.09.1977 als Zahntechnikermeister beschäftigt. Durch Gesellschafterbeschluss vom 27.11.2001 wurde er zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Am 28.08.2005 legte er dieses Amt mit sofortiger Wirkung nieder. Entsprechend der Regelung in § 2 Abs. 4 des Geschäftsführervertrags der Parteien vom 28.12.2003 wurde sodann das ruhende Arbeitsverhältnis wieder aufgenommen.

Mit Schreiben vom 31.08.2005 erteilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger und einem weiteren Mitarbeiter die Weisung, bei den dort genannten Kunden um persönliche Gesprächstermine mit dem Gesprächsziel nachzusuchen, die Gründe für den Geschäftsrückgang im August 2005 zu ermitteln.

Mit Schreiben vom 27.09.2005 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2006.

Mit Schreiben vom 07.11.2005 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, in der sie ihm insbesondere vorwarf, seinen Pflichten als Ausbilder nicht nachgekommen zu sein, sich wiederholt geweigert zu haben, Arbeiten, insbesondere Keramikarbeiten auszuführen, die Gerätepflege nicht ordnungsgemäß durchgeführt zu haben sowie die Arbeitszeit eigenmächtig zu verkürzen.

Ab dem 08.11.2005 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitsunfähig krank. Für die Zeit bis zum 05.12.2005 erhielt die Beklagte von dem Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Am 29.11.2005 fand eine Gesellschafterversammlung statt, an der auch der Kläger und sein Anwalt teilnahmen.

Mit Schreiben vom 05.12.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte sie neben dem Kläger nur noch zwei weitere Mitarbeiter.

Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner am 14.12.2005 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage gewandt, die er mehrmals, insbesondere um die Zahlung von Arbeitsvergütung sowie die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses, erweitert hat.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Die Hauptkunden der Beklagten habe er trotz der Weisung vom 31.08.2005 nicht aufgesucht, weil dies nicht zu seinen Aufgaben gehört habe. Unabhängig davon sei ihm aus diesem Grund auch keine Abmahnung erteilt worden. Insoweit sei zudem die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt worden. Die weiteren Vorwürfe der Beklagten seien ebenfalls unzutreffend und nicht geeignet, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere habe er, so hat der Kläger behauptet, weder Goldbestände unterschlagen noch Schwarzgelder vereinnahmt oder Kunden der Beklagten veranlasst, das Labor zu wechseln.

Für den Monat August 2005 könne er von der Beklagten die Zahlung von restlicher Vergütung in Höhe von 195,72 € brutto, für die Monate Oktober bis Dezember 2005 in Höhe von 367,12 € brutto, 40,40 € brutto bzw. 3.456,36 € brutto sowie für die Monate Januar bis März 2006 den vollen Verdienst in Höhe von jeweils 4.320,42 € brutto abzüglich für die Zeit vom 17.12.2005 bis 31.03.2006 erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von insgesamt 7.014,92 € verlangen. Außerdem seien aus dem Kalenderjahr 2005 vier Urlaubstage mit einem Betrag in Höhe von 909,00 € abzugelten und an ihn eine Karenzentschädigung in Höhe von 1.995,96 € zu zahlen. Schließlich sei die Beklagte zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verpflichtet.

Einen zunächst gestellten Antrag auf Übertragung einer Direktversicherung hat der Kläger im Kammertermin am 24.10.2006 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 05.12.2005 nicht beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.929,86 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 195,72 € seit dem 01.09.2005, aus 367,12 € seit dem 01.11.2005, aus 40,40 € seit dem 01.12.2005, aus 4.365,36 € seit dem 01.01.2006 und aus jeweils 4.320,42 € seit dem 01.02., 01.03. und 01.04.2006 abzüglich kalendertäglich von der Agentur für Arbeit gezahlter 65,56 € in der Zeit vom 17.12.2005 bis zum 31.03.2006, insgesamt 7.014,92 €, zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.995,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.345,11 € seit dem 21.01.2006 und aus 650,85 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 10.07.2006 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung gewesen, die fristlose Kündigung sei wirksam, da ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger unzumutbar gewesen sei. Sie hat behauptet, der Laborbetrieb hätte zum 30.11.2005 eingestellt werden müssen, nachdem 11 von 14 ihrer Techniker deren Arbeitsverhältnisse zum 30.09.2005 gekündigt hätten und ihre Hauptkunden zu dem Labor eines Konkurrenzunternehmens gewechselt seien. Zuvor habe es einen unerklärlichen Umsatzeinbruch gegeben. Der Kläger habe sich entgegen der Weisung ihres Geschäftsführers geweigert, die Kunden zu besuchen und dort seinen Einfluss in ihrem Sinne geltend zu machen. Dadurch habe er die Schließung des Betriebs verursacht. Der Kläger sei nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen, da er während seiner vermeintlichen Arbeitsunfähigkeit beobachtet worden sei, wie er ganztägig in K unterwegs gewesen sei. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei, so ist die Beklagte der Ansicht gewesen, von ihr gewahrt worden, da die Kündigung vom 05.12.2005 innerhalb von zwei Wochen nach der Gesellschafterversammlung vom 29.11.2005 ausgesprochen worden sei, auf der die Stilllegung des Laborbetriebs beschlossen worden sei. Nach der Schließung des Laborbetriebs habe keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den Kläger bestanden. Ihr Geschäftszweck sei in der Gesellschafterversammlung am 29.11.2005 dahin geändert worden, dass nunmehr allein ein Handelsgeschäft betrieben werde. Der Kläger habe sich jedoch, so hat die Beklagte weiter behauptet, bereits in der Vergangenheit geweigert, beim Aufbau der Geschäftsbeziehungen mit dem Ausland mitzuwirken.

Hinzu komme, dass der Kläger seine Pflichten als Ausbilder erheblich verletzt und seine Arbeitsunfähigkeit vermutlich nur vorgetäuscht habe. Jedenfalls habe er noch über eine Restarbeitskraft verfügt, die er ihr hätte anbieten müssen. Weiterhin seien von Mitarbeitern erhebliche Mengen an Edelmetallen gefunden worden, die der Kläger in seiner Inventur unterschlagen habe und damit der dringende Verdacht bestehe, dass der Kläger diese Edelmetalle für sich habe behalten wollen. Ferner habe der Kläger betriebsinterne Geheimnisse verraten, da er betriebliche Korrespondenz aus einem Konkurrenzlabor per Telefax versandt habe. Zudem habe der Kläger die Zahlung eines Kunden für sich behalten und im November 2005 gegenüber einem Kunden geäußert, dass ihr Büro faktisch aufgelöst sei, da die Insolvenz drohe.

Für die Monate August bis einschließlich November 2005 stünden dem Kläger, so ist die Beklagte der Meinung gewesen, keine Vergütungsansprüche zu, da diese von ihr insoweit ordnungsgemäß abgerechnet worden seien. Angesichts der Wirksamkeit der Kündigung könne er von ihr auch keine Arbeitsvergütung wegen Annahmeverzugs verlangen. Die Höhe der Urlaubsabgeltung sei von ihr zutreffend berechnet und mit dem Gehalt für den Monat Dezember 2005 ausgezahlt worden. Eine Karenzentschädigung könne der Kläger ebenfalls nicht verlangen, da zum einen das Wettbewerbsverbot wegen der Schließung des Labors gegenstandslos geworden sei und sie zum anderen mit der fristlosen Kündigung auf das Wettbewerbsverbot verzichtet habe.

Die Beklagte hat hilfsweise im Wege der Widerklage beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an sie 2.245,53 € zzgl. weiterer entstandener Überschussanteile zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die hilfsweise Widerklage abzuweisen.

Mit Urteil vom 24.10.2006 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 05.10.2005 nicht beendet worden ist. Weiterhin hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen und an den Kläger 195,72 € brutto, 3.456,36 € brutto abzüglich 983,40 € netto, 12.961,26 € brutto abzüglich 5.900,40 € netto sowie 464,60 € brutto zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung sei unwirksam, da der Beklagten kein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Seite gestanden habe. Für den Monat August 2005 könne der Kläger von der Beklagten restliche Vergütung in Höhe von 195,72 € brutto verlangen. Dagegen habe er keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von restlicher Vergütung für die Monate Oktober und November 2005 in Höhe von 367,12 € brutto und 40,40 € brutto, da die Beklagte insoweit zu Recht Minusstunden in Abzug gebracht habe. Für den Monat Dezember 2005 habe der Kläger aus Entgeltfortzahlungs- bzw. Annahmeverzugsgesichtspunkten einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von restlicher Vergütung in Höhe von 3.456,36 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 983,40 € netto. Ebenso sei die Beklagte wegen Annahmeverzugs verpflichtet, an den Kläger für die Monate Januar bis einschließlich März 2006 in Höhe von 12.961,26 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 5.900,40 € zu zahlen. Darüber hinaus seien von der Beklagten noch 2,33 Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2005 mit einem Betrag in Höhe von insgesamt 464,60 € brutto abzugelten. Eine Karenzentschädigung wegen des Wettbewerbsverbots aus dem Geschäftsführervertrag könne der Kläger nicht verlangen, da er sich den Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 10.12.2005 bis zum 25.01.2006 anrechnen lassen müsse, der die Karenzentschädigung in Höhe von 70 % des Geschäftsführergehaltes übersteige. Schließlich habe der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung eins qualifizierten Zeugnisses gemäß § 109 GewO, der nicht bereits durch die Übergabe des Zeugnisses im Kammertermin vom 24.10.2006 erfüllt worden sei, da dieses Zeugnis keine ordnungsgemäße Unterschrift trage. Die hilfsweise von der Beklagten erhobene Widerklage habe nicht zur Entscheidung gestanden, da sie sich allein auf das Obsiegen mit dem Antrag des Klägers bezogen habe, der von ihm im Kammertermin am 24.10.2006 zurückgenommen worden sei.

Gegen das ihr am 26.01.2007 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte mit am 05.02.2007 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.04.2007 - mit am 10.04.2007 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte ist unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag nach wie vor der Auffassung, die fristlose Kündigung vom 05.12.2005 sei wirksam, da sie aus wichtigem Grund i.S. von § 626 Abs. 1 BGB erfolgt sei. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien habe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung das Kündigungsschutzgesetz im Hinblick auf die Beschäftigtenzahl keine Anwendung (mehr) gefunden. Wenn aber das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, sei die Kündigung regelmäßig nur nach Treu und Glauben zu prüfen. Bei objektiver Betrachtung sei nicht erkennbar, dass der Kläger ein Interesse an dem Erhalt seines Arbeitsplatzes gehabt habe, da dessen Verhalten zum Wegfall seines Arbeitsplatzes geführt habe. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei nicht möglich gewesen, so dass dessen Weiterbeschäftigungsbegehren rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Es verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Arbeitgeber für die Dauer der Kündigungsfrist das Vergütungsrisiko tragen solle, obwohl es der Arbeitnehmer zu verantworten habe, dass der Arbeitgeber die vermeintlich angebotene Arbeitsleistung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr annehmen könne. Vor diesem Hintergrund sei die fristlose Kündigung berechtigt. Zudem hätte ihr der Kläger die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2005 anbieten müssen, da er ohnehin vorgehabt habe, in das Labor A zu wechseln. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr unter den gegebenen Umständen nicht zuzumuten gewesen. Eine vorherige Abmahnung des Klägers sei entbehrlich gewesen, da sie keinen Erfolg versprochen hätte. Schließlich seien die nachgeschobenen Kündigungsgründe des Geheimnisverrats und der geschäftsschädigenden Äußerungen als derart schwere Pflichtverletzungen zu werten, dass sie ein schützenswertes Interesse an seiner Weiterbeschäftigung entfallen ließen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.10.2006 - 14 Ca 11704/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Insbesondere seien nach Auffassung des Klägers von der Beklagten keine Gründe vorgetragen worden, welche die fristlose Kündigung rechtfertigten. Im Übrigen habe er sich, so behauptet der Kläger, nicht geweigert, Kunden der Beklagten aufzusuchen oder Tätigkeiten für die Beklagte zu verrichten, die zumutbar seien.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 5, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsfrist begründet.

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, in dem von ihm erkannten Umfang stattgegeben. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Bewertung, sondern gibt lediglich Anlass zu den nachfolgenden, ergänzenden Anmerkungen.

1. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 05.12.2005 ausgesprochene fristlose Kündigung, die der Kläger rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach ihrem Zugang gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG i.V. mit § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich angegriffen hat, ist wegen Fehlens eines wichtigen Grundes i.S. von § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Die Prüfung, ob der unbestimmte Rechtsbegriff des "wichtigen Grundes" i.S. von § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 11.12.2003 - 2 AZR 36/03, AP Nr. 179 zu § 626 BGB, zu II. 1. c) der Gründe; BAG, Urteil vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04, AP Nr. 192 zu § 626 BGB, zu B. II. 1. der Gründe; BAG, Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 415/05, AP Nr. 203 zu § 626 BGB, zu B. I. 2. a) der Gründe m.w. Nachw.), der sich die Berufungskammer anschließt, in zwei Stufen zu erfolgen: Zunächst muss der Sachverhalt an sich, d.h. generell ohne Berücksichtigung der besonderen Einzelfallumstände geeignet sein, einen Kündigungsgrund zu bilden. In dem zweiten Schritt ist durch die gebotene umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu klären, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist.

Darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die einen wichtigen Grund ausmachen, ist derjenige, der die fristlose Kündigung ausgesprochen hat (BAG, Urteil vom 06.08.1987 - 2 AZR 226/87, AP Nr. 97 zu § 626 BGB, zu II. 2. a) der Gründe; Fischermeier, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 8. Aufl. 2007, § 626 BGB Rdnr. 380 jeweils m.w. Nachw.), hier also die Beklagte.

Dass das Kündigungsschutzgesetz zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 05.12.2005 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mangels erforderlicher Beschäftigtenzahl im Betrieb der Beklagten i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG keine Anwendung (mehr) gefunden hat, ist entgegen der Auffassung der Beklagten in der Berufungsbegründung (dort unter II. 1.) kein "entscheidungserheblicher" Umstand, den das Arbeitsgericht bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 626 BGB hätte berücksichtigen müssen. Der Beklagten ist zwar einzuräumen, dass sich die Beurteilung der Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung in der Tat nur nach den allgemeinen Vorschriften, wie etwa den §§ 242, 134, 138, 612 a und 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB, richtet, sofern das Kündigungsschutzgesetz - sei es wegen Nichtüberschreitung der sog. Wartezeit i.S. von § 1 Abs. 1 KSchG, sei es mangels erforderlicher Arbeitnehmeranzahl im Betrieb des Arbeitgebers i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG - keine Anwendung findet und der Arbeitnehmer für das Vorliegen dieser allgemeinen Vorschriften grundsätzlich auch die Darlegungs- und Beweislast trägt. All dies gilt allerdings nicht für das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung i.S. von § 626 Abs. 1 BGB, worum es hier allein geht. Insoweit rechtfertigen auch die Besonderheiten in Kleinbetrieben keine Änderung der Beweislastverteilung zu Gunsten des Arbeitgebers (so ausdrücklich BAG, Urteil vom 19.12.1991 - 2 AZR 367/91, Orientierungssatz 4 und zu B. I. 2. b) cc) der Gründe, zitiert nach juris; ebenso Fischermeier, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 8. Aufl. 2007, § 626 BGB Rdnr. 380).

b) Nach Maßgabe der vorangegangenen Ausführungen wäre die fristlose Kündigung der Beklagten vom 05.12.2005 nur dann wirksam gewesen, wenn diese tatsächliche Umstände schlüssig und substantiiert vorgetragen und unter geeigneten Beweis gestellt hätte, die zum einen geeignet gewesen wären, an sich einen Kündigungsgrund zu bilden, und ihr zum anderen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Aufrechterhaltung bzw. Fortsetzung des mit dem Kläger bestandenen Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hätten. Solche tatsächlichen Umstände wurden hier aber von der Beklagten - wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat - entweder nicht schlüssig oder nicht substantiiert dargetan.

(1) Die angebliche Weigerung des Klägers, entsprechend der schriftlichen Anweisung des Geschäftsführers der Beklagten vom 31.08.2005 deren Kunden aufzusuchen, berechtigte die Beklagte nicht zum Ausspruch der streitbefangenen fristlosen Kündigung, ohne dass es einer Entscheidung darüber bedurfte, ob der Kläger hierzu überhaupt arbeitsvertraglich verpflichtet war.

Selbst wenn hier zu Gunsten der Beklagten unterstellt würde, dass eine solche arbeitsvertragliche Verpflichtung des Klägers bestanden hätte, wäre er - worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat - jedenfalls seit dem 08.11.2005 bis zum Zeitpunkt des Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 05.12.2005 ohne weiteres berechtigt gewesen, dieser Anweisung keine Folge zu leisten, da er während dieser Zeit durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war und die Beklagte - wie sich aus den unter (3) im Einzelnen ausgeführten Gründen ergibt - keine konkreten tatsächlichen Umstände dargetan hat, die geeignet sind, den Beweiswert der vom Kläger für diese Zeit eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu erschüttern oder gar die Annahme zu rechtfertigen, dass der Kläger für diese Zeit das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat.

Auf eine etwaige - vertragswidrige - Nichtbefolgung der von dem Geschäftsführer der Beklagten mit Schreiben vom 31.08.2005 erteilten Anweisung, deren Kunden aufzusuchen, um diese zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen mit ihr zu veranlassen, durch den Kläger bis zum 07.11.2005 konnte die Beklagte die fristlose Kündigung vom 05.12.2005 - mag es sich insoweit auch um einen sog. Dauertatbestand gehandelt haben - mangels Einhaltung der sog. Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht stützen, wonach die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen kann und diese Frist zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Da der Kläger - wie bereits ausgeführt - seit dem 08.11.2005 infolge seiner Arbeitsunfähigkeit berechtigt war, der ihm durch den Geschäftsführer der Beklagten mit Schreiben vom 31.08.2005 erteilten Anweisung, deren Kunden aufzusuchen, um diese zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen mit ihr zu veranlassen, nicht Folge zu leisten, hätte dem Kläger eine fristlose Kündigung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsverweigerung wegen Nichtbefolgung dieser Anweisung zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB spätestens bis zum 21.11.2005 zugehen müssen.

Ob eine fristlose Kündigung der Beklagten wegen angeblicher Weigerung des Klägers, die Kunden aufzusuchen, für ihre Wirksamkeit einer vorherigen Abmahnung bedurft hätte, wie dies vom Arbeitsgericht angenommen wurde, oder eine vorherige Abmahnung des Klägers insoweit aus den von der Beklagten in der Berufungserwiderung im Einzelnen vorgetragenen Gründen entbehrlich war, bedurfte keiner Entscheidung. Jedenfalls wäre eine fristlose Kündigung des Klägers wegen einer solchen Weigerung erst dann in Betracht gekommen, wenn sich der Kläger - dessen arbeitsvertragliche Verpflichtung zum Aufsuchen der Kunden der Beklagten wiederum zu deren Gunsten unterstellt - auch noch nach dem Ende seiner Arbeitsunfähigkeit geweigert hätte, einer diesbezüglichen Anweisung der Beklagten Folge zu leisten, zumal er - wie bereits erwähnt - während der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit vom 08.11.2005 bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung vom 05.12.2005 ohne weiteres berechtigt war, dieser Anweisung nicht nachzukommen. Angesichts dessen erfolgte die fristlose Kündigung der Beklagten vom 05.12.2005 gleichsam verfrüht.

Nichts anderes gilt für den Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe sich geweigert, bei dem geplanten Handelsgeschäft mitzuarbeiten. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger hierzu überhaupt arbeitsvertraglich verpflichtet war, hätte die Beklagte, um hierauf eine fristlose Kündigung stützen zu können, zunächst das Ende der Arbeitsunfähigkeit des Klägers sowie dessen Verhalten im Anschluss daran abwarten müssen.

(2) Die von der Beklagten behauptete Schließung ihres Labors mit Wirkung zum 30.11.2005 berechtigte diese ebenfalls nicht zum Ausspruch der fristlosen Kündigung.

Dieser Umstand hätte - worauf bereits vom Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen wurde - allenfalls eine ordentliche, nicht aber eine fristlose arbeitgeberseitige Beendigungskündigung gerechtfertigt.

Ob ausnahmsweise eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre, wenn der Kläger die Betriebsstilllegung veranlasst oder gar provoziert hätte, bedurfte keiner Entscheidung. Denn vorliegend war die zum 30.11.2005 erfolgte Schließung des Labors der Beklagten nicht von dem Kläger, sondern allein von der Beklagten zu vertreten.

So wurde von der Beklagten bereits in der Klageerwiderung vom 02.03.2006 selbst eingeräumt, dass sie ihren Laborbetrieb zum 30.11.2005 eingestellt habe. Anders als von der Beklagten in der Berufungsbegründung angenommen, beruht dieser Umstand bzw. die dem zugrunde liegende Entscheidung der Beklagten nicht auf einem treuwidrigen oder rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Klägers wegen seiner angeblichen Weigerung, die Kunden der Beklagten aufzusuchen oder bei dem geplanten Handelsgeschäft mitzuarbeiten. Denn auf Grund seiner während der Zeit vom 08.11.2005 bis mindestens zum 05.12.2005 bestandenen Arbeitsunfähigkeit war der Kläger gegenüber der Beklagten arbeitsvertraglich nicht zur Vornahme dieser Handlungen verpflichtet.

Ebenso wenig konnte sich die Beklagte in der Berufungsbegründung (dort unter II.) mit Erfolg darauf berufen, eine Weiterbeschäftigung des Klägers über den 30.11.2005 hinaus wäre - auch ohne die Schließung des Laborbetriebs zu diesem Zeitpunkt - "vernünftigerweise schlechterdings nicht denkbar und daher unmöglich" gewesen. Denn die Beklagte hat erstinstanzlich in ihrem Schriftsatz vom 11.09.2006 (dort unter I. 5.) u.a. selbst ausgeführt, dass zum Kündigungszeitpunkt noch ein Großkunde verblieben sei, der seinerzeit mehr als zu einem Drittel des Gesamtumsatzes beigetragen habe. Im Hinblick darauf wäre es der Beklagten damit durchaus möglich und zumutbar gewesen, den Kläger bis zum 31.03.2006, dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger seine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat, vertragsgemäß als Zahntechnikermeister zu beschäftigen. Wenn aber die Beklagte diese Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers bis zu dem Zeitpunkt durch die Stilllegung ihres Labors bereits zum 30.11.2005 vereitelt, kann sie dies nicht im Wege einer fristlosen Kündigung auf den Kläger gleichsam abwälzen.

(3) Zu Recht hat auch das Arbeitsgericht angenommen, dass die Beklagte die fristlose Kündigung weder auf eine angeblich vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit des Klägers noch auf dessen unterbliebenes Angebot seiner Restarbeitskraft stützen kann.

(a) Unstreitig hat der Kläger der Beklagten für die Zeit vom 08.11.2005 bis zum Ausspruch der fristlosen Kündigung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eingereicht.

Eine ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist aber das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Einer solchen Bescheinigung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein hoher Beweiswert zu. Dies ergibt sich aus der Lebenserfahrung. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, als erbracht ansehen, wenn eine solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt (BAG, Urteil vom 26.02.2003 - 5 AZR 112/02, AP Nr. 8 zu § 5 EntgeltFG, zu I. 1. der Gründe m.w. Nachw.).

Bestreitet der Arbeitgeber, wie hier die Beklagte, trotz vorgelegter ordnungsgemäß erteilter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, muss er den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern. Dies ist dann der Fall, wenn ernsthafte Zweifel am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit dargelegt werden. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden durch Umstände im Zusammenhang mit der Bescheinigung selbst, durch das Verhalten des Arbeitnehmers vor der Erkrankung und durch das Verhalten des Arbeitnehmers während der bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit (LAG Hamm, Urteil vom 08.06.2005 - 18 Sa 1962/04, NZA-RR 2005, 625 m.w. Nachw.).

Solche tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, den Beweiswert der vom Kläger für die Zeit vom 08.11.2005 bis zum 05.12.2005 eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu erschüttern, bzw. die Annahme der Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit durch den Kläger zu rechtfertigen, wurden hier von der Beklagten nicht konkret dargetan. Selbst wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, während der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeitszeiten mit einem Kfz ganztägig gefahren sein sollte, stellt dies für sich allein keinen Umstand dar, der geeignet ist, Zweifel an dem Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit zu rechtfertigen, geschweige denn die Annahme des Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit zu rechtfertigen, zumal - worauf das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat - Arbeitsunfähigkeit nicht zwingend bedeuten muss, dass der Arbeitnehmer seine Wohnung nicht verlassen darf.

(b) Ob der Kläger, wie die Beklagte erstinstanzlich im Schriftsatz vom 12.06.2006 (dort unter I. 3.) behauptet hat, während der Dauer seiner ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit noch über eine "Restarbeitskraft" verfügte, war unerheblich. Denn eine durch Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit ist nach überwiegender Ansicht, die auch von der Berufungskammer geteilt wird, nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Arbeitnehmer seine geschuldeten Vertragspflichten anstatt voll nur teilweise erbringen kann (so ausdrücklich BAG, Urteil vom 20.03.1985 - 5 260/83, Orientierungssatz 1 und zu I. 3. der Gründe, zitiert nach juris; ebenso Kunz/Wedde, Kommentar zum Entgeltfortzahlungsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 3 Rdnr. 58 m.w. Nachw.; a.A. Schmitt, Kommentar zum Entgeltfortzahlungsgesetz, 5. Aufl. 2005, § 3 Rdnr. 60 ff.). Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Entgeltfortzahlungsgesetz, wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, eine Teilarbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht kennt. Hieraus folgt, dass Arbeitsunfähigkeit bereits dann gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer auf Grund von Krankheit seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber obliegenden vertraglichen Verpflichtungen entweder nur teilweise beschränkt auf bestimmte Tätigkeiten oder allein in einem zeitlich verringerten Ausmaß erbringen kann (zutreffend Kunz/Wedde, Kommentar zum Entgeltfortzahlungsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 3 Rdnr. 58 m.w. Nachw).

(4) Mit angeblichen Pflichtverletzungen des Klägers als Ausbilder, wie sie von der Beklagten im Schriftsatz vom 12.06.2006 nebst diesem eingereichten Anlagen im Einzelnen dargestellt wurden, konnte die Beklagte die fristlose Kündigung ebenfalls nicht rechtfertigen. Unabhängig davon, ob dem Kläger insoweit tatsächlich arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind, ergibt sich dies bereits daraus, dass die Beklagte dem Kläger wegen dieser angeblichen Pflichtverletzungen mit Schreiben vom 07.11.2005 eine Abmahnung erteilt hat, womit es der Beklagten verwehrt war, die Kündigung auf diese - abgemahnten - Pflichtverletzungen des Klägers zu stützen (vgl. BAG, Urteil vom 10.11.1988 - 2 AZR 215/88, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung), und von der Beklagten keine weiteren Pflichtverletzungen des Klägers als Ausbilder nach dem Zugang der Abmahnung vom 07.11.2005 vorgetragen wurden.

(5) Der von der Beklagten erstinstanzlich gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf, er habe in der Inventur Edelmetalle unterschlagen, so dass der dringende Verdacht bestanden habe, diese für sich zu behalten, vermochte die fristlose Kündigung ebenfalls nicht zu rechtfertigen.

(a) Sollte der Kläger tatsächlich die Inventurliste fehlerhaft erstellt haben, mag es sich hierbei durchaus um eine Schlechtleistung des Klägers gehandelt haben. Dies hätte die Beklagte jedoch - wenn überhaupt - nur zu einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, weil es sich insoweit um eine typische Störung im sog. Leistungs- und Verhaltensbereich handeln würde, die nicht als derart schwerwiegend zu werten wäre, dass sie der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar gemacht hätte.

(b) Eine Tatkündigung wegen Entwendung der Edelmetalle durch den Kläger kam von vornherein bereits deshalb nicht in Betracht, weil diese den eigenen Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 12.06.2006 (dort unter I. 4.) zufolge von ihren Mitarbeitern vorgefunden wurden und sie sich damit noch im Betrieb der Beklagten befanden.

(c) Eine fristlose Kündigung wegen des Verdachts der (versuchten) Entwendung der Edelmetallen hätte für ihre Wirksamkeit u.a. vorausgesetzt, dass die Beklagte zuvor alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hätte (vgl. BAG, Urteil vom 10.02.2005 - 2 AZR 189/04, AP Nr. 79 zu 1 KSchG 1969, zu B. I. 4. a) der Gründe m.w. Nachw.). All dies wurde von der Beklagten indes nicht einmal ansatzweise dargetan.

(6) Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung moniert, das Arbeitsgericht habe die Umstände, wie der Kläger in den Besitz eines Dokuments gelangt sei, das Betriebsgeheimnisse enthalte, nicht aufgeklärt, bestand hierfür keine Veranlassung. Denn erstens ist weder seitens der Beklagten konkret vorgetragen worden noch in sonstiger Weise erkennbar, ob und inwieweit die vom Kläger als Anlage K 16 zum Schriftsatz vom 10.07.2006 eingereichte e-Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 11.03.2005 inhaltlich Angaben enthält, die als Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse der Beklagten zu qualifizieren sind, zumal die Beklagte im Schriftsatz vom 11.09.2006 (dort auf Seite 2) den Inhalt der e-Mail selbst als "belanglos" ansieht. Zweitens folgt weder aus der Einreichung dieser e-Mail als Anlage K 16 zum Schriftsatz vom 10.07.2006 noch aus den darauf enthaltenen Telefax-Nummern ohne weiteres, dass sich der Kläger diese e-Mail oder gar andere vertrauliche Dokumente der Beklagten widerrechtlich verschafft hat. Drittens steht - worauf bereits das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat - nicht fest, dass der Kläger diese e-Mail oder andere vertrauliche Dokumente der Beklagten dritten Personen unberechtigterweise zur Kenntnis gebracht hat. Der pauschale Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe ihren Geschäftsführer bespitzelt und sich heimlich Zugang zu dessen Dokumenten verschafft sowie diese Firmendokumente einem Mitbewerber von ihr zugänglich gemacht, war mangels jeglicher Substantiierung nicht einlassungsfähig und damit unbeachtlich.

(7) Der von der Beklagten erstinstanzlich gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf, dieser habe Schwarzgeldgeschäfte getätigt bzw. Kundengelder unterschlagen, war - worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat - mangels jeglicher Substantiierung in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nicht geeignet, einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung zu bilden. Eine solche Substantiierung dieses pauschalen und damit nicht einlassungsfähigen Vortrags der Beklagten ist von dieser auch nicht in der Berufungsbegründung erfolgt.

(8) Sollte der Kläger schließlich - wie von der Beklagten behauptet - gegenüber einem Kunden von ihr zwischen dem 25.11. und dem 02.12.2005 tatsächlich geäußert haben, dass deren Büro faktisch aufgelöst sei, weil die Insolvenz drohe, mag es sich hierbei durchaus um eine ganz erhebliche Verletzung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten handeln. Angesichts des Umstands, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 05.12.2005 länger als 29 Jahre bestanden hat, wäre diese Pflichtverletzung des Klägers im Rahmen der auf der zweiten Prüfungsstufe des § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung allerdings nicht als derart schwer zu gewichten, dass sie den Kläger mit sofortiger Wirkung seinen Arbeitsplatz kosten konnte. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihren eigenen Angaben zufolge ihren Laborbetrieb zum 30.10.2005 stillgelegt hat, was die dem Kläger vorgeworfene Äußerung gegenüber ihrem Kunden in einem milderen Licht erscheinen lässt. Hinzu kommt, dass die Beklagte ihren eigenen Angaben in der Berufungsbegründung zum damaligen Zeitpunkt lediglich geplant habe, ihren verbliebenen Kunden ausländischen Zahnersatz anzubieten. Inwieweit die Beklagte ihren Kunden bereits zum Zeitpunkt der angeblichen geschäftsschädigenden Äußerungen des Klägers gegenüber ihrem Kunden einen solchen Zahnersatz auch tatsächlich hat anbieten können, wird von der Beklagten nicht konkret dargetan. Vor diesem Hintergrund konnte die auf der zweiten Prüfungsstufe des § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmende Interessenabwägung nicht zu dem Ergebnis führen, dass der Beklagten die Fortsetzung bzw. Aufrechterhaltung des mit dem Kläger bestandenen Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.03.2006 auf Grund seiner angeblichen, von der Beklagten behaupteten Äußerungen nicht zuzumuten war.

c) Eine im Wege der Auslegung vorzunehmende Umdeutung der fristlosen Kündigung vom 05.12.2005 in eine fristlose Änderungskündigung kam hier - anders als von der Beklagten in der Berufungsbegründung angenommen - nicht in Betracht.

(1) Abgesehen davon, dass eine solche Umdeutung im Hinblick auf die strukturellen Unterschiede zwischen einer Beendigungskündigung und einer Änderungskündigung von vornherein ausgeschlossen ist, hätte eine Änderungskündigung im Hinblick auf das Schriftformerfordernis des § 623 BGB zu ihrer Wirksamkeit auch der Schriftform des Änderungsangebots bedurft (BAG, Urteil vom 16.09.2004 - 2 AZR 628/03, AP Nr. 78 zu § 2 KSchG 1969). Im dem Kündigungsschreiben der Beklagten vom 27.09.2005 ist aber ausweislich der Anlage K 5 zur Klageschrift kein solches Änderungsangebot enthalten.

(2) Unabhängig davon wurden von der Beklagten aus den bereits unter b) im Einzelnen genannten Gründen keine konkreten tatsächlichen Umstände vorgetragen, auf Grund derer es der Beklagten zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 05.12.2005 unzumutbar gewesen wäre, das mit dem Kläger bestandene Arbeitsverhältnis bis zum 31.03.2006 zu den bisherigen Bedingungen fortzusetzen.

d) Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung angenommen hat, der Kläger hätte ihr die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2005 anbieten müssen, da er vorgehabt habe, in ein anderes Dentallabor zu wechseln, ist eine hierfür insoweit erforderliche Rechtsgrundlage weder von der Beklagten dargetan worden noch erkennbar. Vielmehr hat der Kläger seinen ihm gegenüber der Beklagten oblegenen arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch Rechnung getragen, dass er das mit der Beklagten bestandene Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist ordentlich gekündigt hat.

2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Kläger auch restliche Arbeitsvergütung für den Monat August 2005 in Höhe 195,72 € brutto, für den Monat Dezember 2005 - unter den Gesichtspunkten der Entgeltfortzahlung und des Annahmeverzugs - in Höhe von 3.456,36 € brutto abzüglich bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 983,40 € netto, Annahmeverzugsverdienst für die Monate Januar bis einschließlich März 2006 in Höhe von insgesamt 12.961,26 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe 5.900,40 € netto, Urlaubsabgeltung in Höhe von 464,60 € brutto sowie die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses zugesprochen. Die diesbezüglichen, sorgfältigen Begründungen des Arbeitsgerichts wurden von der Beklagten in der Berufungsbegründung nicht konkret angegriffen und lassen nicht ernsthaft Fehler erkennen. Das Berufungsgericht macht sich daher diese Begründungen vollinhaltlich zu eigen, so dass hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird.

Nur der Vollständigkeit halber sei schließlich erwähnt, dass das Arbeitsgericht dem Kläger zu Recht auch die Zinsen gemäß §§ 286, 288 BGB aus den jeweiligen Bruttobeträgen der Klageforderungen - soweit diese begründet waren - zugesprochen hat (vgl. BAG GS, Beschluß vom 07.03.2001 - GS 1/00, AP Nr. 4 zu § 288 BGB; BAG, Urteil vom 06.05.2003 - 1 AZR 241/02, AP Nr. 21 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit, zu B. V. der Gründe).

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V. mit § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.

Ende der Entscheidung

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