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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 25.11.2005
Aktenzeichen: 11 Sa 551/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 307
Eine Klausel in allgemeinen Vertragsbedingungen, die den beiderseitigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung für den Zeitraum von drei Jahren vorsieht wegen der Kosten einer Schulung zum Erwerb einer Flugmusterberechtigung führt jedenfalls dann zu einer "unangemessenen Benachteiligung" des angestellten Piloten i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB, wenn die Bestimmung des Beginns der Dreijahresfrist allein in Händen des Arbeitgebers liegt.
Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.10.2004 - 3 Ca 966/03 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 28.01.2003 nicht beendet worden ist, sondern bis zum 15.02.2003 fortbestand. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 876,78 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2003. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

III. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat zu 19/20 die Klägerin und zu 1/20 der Beklagte zu tragen.

V. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Flugzeugunternehmen mit Sitz am Flughafen K , und der Beklagte, ein Pilot, streiten um die Wirksamkeit dreier Kündigungen des Beklagten, um die Wirksamkeit einer Kündigung der Klägerin und um diverse Geldforderungen.

Das klagende Flugzeugunternehmen setzt unter anderem das Flugzeugmuster BAe 146 (Jet für 100 Personen) und das Flugzeugmuster Fokker F 27 (Frachtflugzeug) ein. Aufgrund des schriftlichen Vertrages vom 22.05.2000 wurde der Beklagte als Co-Pilot auf der Fokker F 27 eingestellt. Er verdiente zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.843,20 €.

Im Dezember 2000 bewarb sich der Beklagte um eine Pilotenstelle für das Muster BAe 146. Hinsichtlich der notwendigen Kosten für eine entsprechende Fortbildung schlossen die Parteien am 20.12.2000 eine Zusatzvereinbarung. Dort heißt es auszugsweise:

" II. § 9 des Arbeitsvertrages wird wie folgt geändert:

1. Das Arbeitsverhältnis ist erstmals nach Ablauf von drei Jahren nach dem ersten Einsatz des Angestellten als zweiter Flugzeugführer auf dem Flugzeugmuster BAe 146 mit den gesetzlichen Kündigungsfristen kündbar.

Das Recht beider Parteien zur fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages bleibt unberührt.

...

III. Der Arbeitsvertrag wird um folgenden Paragraphen ergänzt:

Aufgrund der hohen von W zu tragenden mit dem Erwerb der Musterberechtigung als zweiter Flugzeugführer auf dem Flugzeugmuster BAe 146 verbundenen Ausbildungskosten von DM 60.000,00 inklusive Mehrwertsteuer haben die Parteien die in § 9 festgelegte Kündigungsfrist vereinbart.

Hält der Angestellte die in § 9 genannte Kündigungsfrist nicht ein oder kündigt W dem Angestellten aus einem von dem Angestellten zu vertretenden wichtigem Grunde, so hat der Angestellte der W den dadurch entstehenden Schaden einschließlich der Kosten von pauschal DM 60.000,00 inklusive Mehrwertsteuer für den Erwerb der Musterberechtigung zu ersetzen, wobei sich die Schadensersatzpflicht des Angestellten bezüglich der Ausbildungskosten pro Monat der Zugehörigkeit zu W ab dem ersten Einsatz des Angestellten als zweiter Flugzeugführer auf dem Flugzeugmuster BAe 146 um 1/36 verringert.

Weiter wird eine Vertragsstrafe in Höhe des Tagesarbeitsverdienstes pro Tag fällig und zwar bis zum dem Tag, an dem bei ordnungsgemäßer Kündigung das Arbeitsverhältnis geendet hätte, höchstens jedoch der Tagesarbeitsverdienst für 60 Tage. Die Vertragsstrafe wird auf eine von dem Angestellten der W zu ersetzenden Schaden angerechnet. Schadensersatzpflicht und Vertragsstrafe finden keine Anwendung für den Fall, dass der Angestellte aus von ihm nicht zu vertretenden gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine Tätigkeit auszuüben. Eine endgültige Entscheidung über die Flugtauglichkeit des Angestellten wird von der fliegerärztlichen Untersuchungsstelle getroffen."

Auf den gesamten Inhalt der Zusatzvereinbarung (Bl. 17 d. A.) wird Bezug genommen. Alle Kollegen der Beklagten, die eine vergleichbare Fortbildung durchlaufen haben, haben gleichlautende Vertragsformulare unterzeichnet. Der Beklagte absolvierte die Ausbildung erfolgreich. Ab dem 03.05.2001 wurde er auf Weisung der Klägerin auf dem Flugzeugmuster eingesetzt. Die Berechtigung erhielt er bereits am 26.02.2001 (Bl. 47 d. A.).

Der beklagte Pilot kündigte das Arbeitsverhältnis am 17.01.2003 zum 15.02.2003, also gut 21 Monate nach dem ersten Einsatz. Mit Schreiben vom 22.01.2003 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie akzeptiere die Kündigung nicht zum 15.02.2003, sondern nur zum frühest möglichen Termin, dem 15.06.2004, fordere ihn auf sich vertragstreu zu verhalten und weise auf die Tatsache hin, dass er sich schadensersatzpflichtig mache. Ob der Geschäftsführer im Rahmen eines Telefongespräches den Beklagten darüber hinaus beschimpft oder gar bedroht hat, ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht. Die Klägerin bildete daraufhin einen neuen Piloten weiter im Hinblick auf einen Chartervertrag mit A B , im Rahmen dessen die Klägerin zum 01.03.2003 drei Flugzeuge an die A B verchartert hatte. Mit Schreiben vom 28.01.2003 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut, dieses Mal fristlos. Mit weiterem Schreiben vom 16.02.2003 erfolgte eine weitere fristlose Kündigung durch den Beklagten. Durch ein - dieses Mal arbeitgeberseitiges - Schreiben vom 07.07.2003 kündigte die Klägerin ihrerseits das Arbeitsverhältnis fristlos. Im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte Vertragsstrafe behielt sie vom Januarentgelt des Beklagten 570,00 € ein. Nach einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelung wurde für den Beklagten ein Kleidergeldkonto geführt. Das dem Kläger zustehende Saldo wurde nicht an ihn ausgezahlt.

Mit der seit dem 28.01.2003 anhängigen Klage hat sich die Klägerin zunächst gegen die ersten beiden Kündigungen gewandt und im Rahmen einer Klageerweiterungen gegen die dritte Kündigung. Des weiteren hat sie die Feststellung begehrt, dass der Beklagte aufgrund der ersten Kündigung vom 17.01.2003 zum Schadensersatz sowie zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.116,40 € verpflichtet sei. Widerklagend hat der Beklagte die Auszahlung des mit der Januarabrechnung einbehaltenen Betrages in Höhe von 570,00 € begehrt sowie die Auszahlung des Kleidergeldes in Höhe von 306,78 €. Schließlich hat sich der Beklagte mit der Widerklage zu 3) gegen die Kündigung der Klägerin vom 17.07.2003 gewandt.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass nach ihrer Auffassung die drei vom Beklagten ausgesprochenen Kündigungen schon deshalb unwirksam seien, weil sie gegen das Kündigungsverbot in Ziffer II der Zusatzvereinbarung verstießen. Diese Zusatzvereinbarung sei nach ihrer Meinung im Hinblick auf die beiderseitige Vertragsbindung für drei Jahre maßvoll und daher wirksam. Da sie nicht die Rückzahlung von Ausbildungskosten geltend mache, sondern die Einhaltung der Vertragslaufzeit und die Zahlung der Vertragsstrafe, sei die Rechtsprechung zu Rückzahlungsklauseln nicht anwendbar. Doch selbst in Anwendung dieser Rechtsprechung erweise sich die Zusatzvereinbarung als wirksam. Die Ausbildung sei größtenteils im Interesse und auf Betreiben des Beklagten erfolgt. Nicht richtig sei dessen Vortrag, der Geschäftsführer der Klägerin habe ihn eindringlich gebeten, die Zusatzvereinbarung abzuschließen. Der Beklagte habe sich auf das Ausschreiben vielmehr spontan gemeldet. Die Musterberechtigung steigere die Chancen des Beklagten auf dem Arbeitsmarkt erheblich. Allein L habe 18 Maschinen des Musters BAe 146 im Einsatz und E 11 Maschinen. In ganz Europa seien ca. 250 Flugzeuge dieses Typs im Einsatz. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass mit der Musterberechtigung für das Flugzeugmuster BAe 146 der Beklagte erstmals eine Berechtigung erhalten habe für einen Jet. Der Betrag von 60.000,00 DM sei nicht zu hoch bemessen. Die tatsächlichen Kosten hätten vielmehr 67.199,54 DM betragen. Hinzuzurechnen sei eine Lohnfortzahlung für den Beklagten in einem Umfang von sechs Wochen.

Der Beklagte könne sich auch nicht auf einen wichtigen Grund berufen, aus dem die Kündigungen entgegen der Zusatzvereinbarung wirksam sein könnten. Die Nichtgewährung von Urlaub im Januar komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte keinen Urlaubsanspruch mehr gehabt habe und der Geschäftsführer der Klägerin entgegen den Darlegungen des Beklagten kurzfristig reagiert und ihn telefonisch über eine Urlaubssperre im Februar informiert habe. Außerdem sei die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Die behauptete Drohung des Geschäftsführers sei frei erfunden. Auch die Aufrechnung mit pfändungsfreien Beträgen sei kein wichtiger Grund für eine Kündigung, da sie auf die entsprechende Abmahnung des Beklagten sofort den pfändungsgesicherten Betrag gezahlt habe.

Die höchste Vertragsstrafe sei daher verwirkt in Höhe von zwei Monatsentgelten. Zuletzt habe der Beklagte 1.843,20 EUR brutto verdient. Werde von dem doppelten Betrag, also 3.686,40 €, der mit der Januarabrechnung einbehaltene Betrag in Höhe von 570,00 € abgezogen, so ergebe sich der Klagebetrag in Höhe von 3.116,40 €.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 17.01.2003 nicht zum 15.02.2003 beendet ist, sondern danach fortbesteht;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist und noch entsteht, dass der Beklagte mit Schreiben vom 17.01.2003 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 15.02.2003 gekündigt hat;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis mit den Parteien nicht durch die vom Beklagten mit Schreiben vom 28.01. und 16.02.2003 ausgesprochenen fristlosen Kündigungen beendet worden ist, sondern danach fortbesteht;

4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.116,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat darüber hinaus im Wege der Widerklage beantragt,

1. die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 570,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2003 zu zahlen;

2. die Klägerin zu verurteilen, an den Kläger 306,78 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2003 zu zahlen;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 07.07.2003 beendet worden ist.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der beklagte Arbeitnehmer hat vorgetragen, dass nach seiner Auffassung spätestens die zweite Kündigung, die er fristlos am 28.01.2003 ausgesprochen habe, aus einem wichtigen Grund erfolgt und daher wirksam sei. Er habe nämlich mit Schreiben vom 17.01.2003 um Erholungsurlaub für die Zeit ab dem 01.02.2003 gebeten, an die Bescheidung dieses Antrags mit Schreiben vom 21.01.2003 noch einmal erinnert und mit Fax vom 24.01.2003 noch einmal um Urlaub gebeten, ohne dass die Klägerin Urlaub gewährt hätte. Statt dessen habe ihm der Geschäftsführer in einem Telefongespräch am 20.01.2003 angedroht, er werde ihn bei jedem zukünftigen Arbeitgeber als vertragsbrüchig und unzuverlässig anprangern. Dieses Telefongespräch habe sein Vater mitgehört, der sich in dem gleichen Raum wie er aufgehalten habe. Die Ankündigung des Geschäftsführers der Klägerin betrachte er als Erpressung. Eine weitere Tätigkeit für die Klägerin sei ihm daher nicht zumutbar. Die dritte Kündigung vom 16.02.2003 sei berechtigt gewesen, weil die Beklagte ohne Berücksichtigung der gesetzlichen Pfändungsgrenze vermeintliche Gegenansprüche aufgerechnet habe und daher das Februargehalt nicht zur Auszahlung gelangt sei.

Das Kündigungsverbot aus der Zusatzvereinbarung sei unwirksam und stehe daher auch seiner ordentlichen (ersten) Kündigung vom 17.01.2003 nicht entgegen. Das ergebe sich schon aus der unverhältnismäßig langen Bindungsfrist, die durch die Kosten der Ausbildung nicht gerechtfertigt sei. Der pauschalierte Betrag in Höhe von 60.000,00 DM sei bei weitem zu hoch. Die sechswöchige Ausbildung (Theorie und Simulator) koste allenfalls 25.000,00 €. Er sei nur 18 Stunden geflogen. Die Simulatorstunden habe er gemeinsam mit dem Zeugen L verbracht. Im Übrigen sei er mit zwei weiteren Kollegen zusammen ausgebildet worden. Deshalb seien die Kosten durch drei zu teilen. Die von der Beklagten in einer tabellarischen Aufstellung der Kosten genannten Positionen "Verfahrenstrainer", "Trainingskapitän" und "RK und Gehaltchecker" seien nicht nachvollziehbar. Zu berücksichtigen sei weiter, dass während der sechswöchigen Ausbildung keine Flugzuschläge fällig geworden seien und er daher einen erheblichen Einkommensverlust habe hinnehmen müssen. Wegen der gleichgelagerten Interessenlage seien hier die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Rückzahlung von Ausbildungskosten anwendbar, aus denen sich ebenfalls die Unwirksamkeit der streitigen Regelung ergebe. Die Ausbildung sei allein im Interesse der Klägerin erfolgt und biete ihm keinerlei Vorteile für seine berufliche Zukunft. Schon bei Eintritt in das Arbeitsverhältnis habe er für die Ausbildung auf dem Flugmuster Fokker einen Betrag in Höhe von 27.000,00 DM zahlen müssen. Die Klägerin habe ihn ausdrücklich aufgefordert und inständig gebeten, die Flugmusterberechtigung für das Muster BAe 146 zu erwerben. Er selbst habe von vornherein keine Vorteile im Erwerb dieser Musterberechtigung gesehen. Das Muster BAe 146 sei ein Auslaufmodell und werde von anderen Fluglinien nicht mehr genutzt. Nur E habe noch 10 Stück im Einsatz. Im übrigen sei die Produktion und die Weiterentwicklung dieses Flugzeugmusters eingestellt worden. Die Tatsache, dass es sich bei dem Muster um einen Jet handele, sei für die Chancen auf dem Arbeitsmarkt unerheblich. Wichtiger seien die Flugstunden für den Nachweis von Flugerfahrung.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit seinem am 27.10.2004 verkündeten Urteil der Klage mit den Anträgen zu 1), 3) und 4) weitgehend - soweit es um den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 07.07.2003 ging - stattgegeben. Der Widerklage hat das Arbeitsgericht mit dem Antrag zu 2) entsprochen. Im Übrigen hat es Klage und Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die drei Kündigungen, die der Beklagte ausgesprochen habe, seien unwirksam wegen des Kündigungsverbotes in der Zusatzvereinbarung. Das Arbeitverhältnis habe erst durch die Kündigung der Klägerin vom 07.07.2003 sein Ende gefunden. Aufgrund der durch den Beklagten ausgesprochenen unwirksamen Kündigungen sei die Vertragsstrafe verwirkt. Der Feststellungsantrag im Hinblick auf eine etwa bestehende Pflicht des Arbeitnehmers zur Zahlung von Schadensersatz sei wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Der vom Beklagten mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des restlichen Januarentgelts sei durch Aufrechung mit der Vertragsstrafe erloschen. Der Beklagte könne lediglich noch das von der Klägerin einbehaltene Kleidergeld fordern. Im Hinblick auf den letztgenannten Anspruch in Höhe von 306,78 EUR ist ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden, so dass das erstinstanzliche Urteil diesbezüglich rechtskräftig geworden ist.

Gegen das ihm am 30.03.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 26.04.2005 Berufung eingelegt, die nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 24.06.2005 begründet worden ist. Die Berufungsbegründungsschrift des Beklagten ist der Klägerin am 29.06.2005 zugestellt worden und die Anschlussberufungsschrift der Klägerin ist am 29.07.2005 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangen.

Der beklagte Arbeitnehmer und Berufungskläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Abgesehen von der Frage der Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel vertritt er die Auffassung, die Vertragsstrafe sei nach dem Wortlaut der Zusatzvereinbarung nicht verwirkt, da sie an die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist anknüpfe und nicht etwa an den Verstoß gegen das Kündigungsverbot. Er habe mit seiner ersten Kündigung aber die gesetzliche Frist eingehalten.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

1. in teilweiser Abänderung des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 27.10.2004 - 3 Ca 966/03 - wird die Klage insgesamt abgewiesen und die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 570,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2003 zu zahlen;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 07.07.2003 beendet worden ist;

3. die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts Köln teilweise abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass der Beklagte durch Schreiben vom 17.01.2003 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 15.02.2003 gekündigt hat und seit dem 16.02.2003 nicht mehr für die Beklagte als Pilot tätig ist.

Die Klägerin trägt vor, die Kündigung vom 07.07.2003 sei ausgesprochen worden, weil der Beklagte seit dem 16.02.2003 seine Arbeit verweigert habe. Im übrigen haben die Parteien auf die gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist weitgehend begründet. Die Anschlussberufung ist zwar zulässig, aber unbegründet.

I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

II. Die Berufung des Beklagten hatte auch in der Sache weitgehend Erfolg. Nach dem Sach- und Streitstand, wie er sich zum Abschluss des Berufungsverfahrens darstellte, ist die Klage der klagenden Arbeitgeberin (Berufungsbeklagten) mit Ausnahme des Feststellungsantrages hinsichtlich der Kündigung vom 28.01.2003 insgesamt unbegründet und daher abzuweisen. Der Widerklage des beklagten Arbeitnehmers (Berufungsklägers) ist stattzugeben mit Ausnahme des Feststellungsantrages gegen die von der Arbeitgeberin ausgesprochenen Kündigung vom 07.07.2003.

1. Die Klage der Arbeitgeberin ist hinsichtlich des Antrags zu 1 (Kündigung des Arbeitnehmers vom 17.01.2003) zwar zulässig, aber unbegründet.

a) Das für die Zulässigkeit notwendige Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO folgt bereits aus der Tatsache, dass die klagende Arbeitgeberin Schadensersatzansprüche geltend macht, die vom Bestehen bzw. Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses abhängen.

b) Unbegründet ist die Klage im Hinblick auf den Antrag zu 1) deshalb, weil der beklagte Arbeitnehmer am 17.01.2003 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, ohne dass der Wirksamkeit dieser Kündigung gesetzliche oder arbeitsvertragliche Beschränkungen entgegenstünden.

(1) Die Ziffer II der Zusatzvereinbarung vom 20.12.2000 verbot es dem Kläger nicht, eine ordentliche Kündigung auszusprechen, denn diese Vertragsklausel ist unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 BGB.

Nach dieser Regelung sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Bei der Zusatzvereinbarung handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, die streitigen Klauseln wurden nicht im Einzelnen ausgehandelt und die §§ 305 ff BGB sind auch auf den vorliegenden ("Alt-")Fall anwendbar. Dass die Regelungen in der Zusatzvereinbarung allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB sind, ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich im Übrigen aus der ebenfalls unstreitigen Tatsache, dass es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, die die Arbeitgeberin gestellt und dies auch einer Vielzahl von Kollegen des Arbeitnehmers gegenüber getan hat. Es kann auch nicht der Ausnahmetatbestand der ausgehandelten Klausel im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB angenommen werden. "Ausgehandelt" im Sinne der Regelung ist eine Vertragsbedingung nur, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und den Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Das setzt voraus, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarungen bereit erklärt (BAG, Urteil vom 27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - veröffentlicht bisher nur als Kurzwiedergabe in EzA-SD 2005, Nr. 16, 3). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen, so dass nicht von einem "Aushandeln" im Sinne der Vorschrift gesprochen werden kann. Dass die §§ 305 ff. BGB auf den vorliegenden Fall Anwendung finden, ergibt sich aus Artikel 229 § 5 EGBGB, nach dem ab dem 01.01.2003 das neue Recht auch für Alt-Dauerschuldverhältnisse gilt und die hier streitige Kündigung im Januar 2003 ausgesprochen wurde.

Die Ziffer II der Zusatzvereinbarung beinhaltet eine unangemessene Benachteiligung des vertragsschließenden Arbeitnehmers, weil der Beginn der drei Jahre währenden Unkündbarkeit ausschließlich vom Arbeitgeber bestimmbar ist und weil unter Berücksichtigung der Ziffer III der Zusatzvereinbarung die Dauer der Bindungswirkung in keinem angemessenen Verhältnis zu ihrem Grund steht.

aa) Eine unangemessene Benachteiligung ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil in § 15 Abs. 4 TzBfG eine gesetzliche Grundlage für eine solche Vereinbarungen existierte. Diese Regelung ist hier nicht anwendbar. Die Vertragspartner haben sich nicht auf eine Befristung des Arbeitsverhältnisses geeinigt. Vielmehr sollte das Arbeitsverhältnis nach dem Wortlaut der Zusatzvereinbarung auch nach Ablauf der drei Jahre unbefristet fortbestehen, soweit es nicht gekündigt wird.

bb) Eine Benachteiligung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen weil die Vereinbarung einer verlängerten Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 5 Satz 3 BGB möglich wäre. Eine solche scheidet nämlich nach dem Wortlaut der Vereinbarung aus, denn als Kündigungsfristen sind hier ausdrücklich die gesetzlichen vereinbart ("das Arbeitsverhältnis ist erstmals nach Ablauf von drei Jahren ... mit den gesetzlichen Kündigungsfristen kündbar").

cc) Strukturell liegt hier die Befristung einer Vertragsbedingung vor. Für diese existiert keine gesetzliche Vorschrift. Die streitige Vertragsklausel ist deshalb nicht nach § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle nach dem Recht allgemeiner Geschäftsbedingungen entzogen (vgl BAG Urteil vom 27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - unter B II. 1. i aa der Gründe).

dd) Eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den beiderseitigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung für den Zeitraum von drei Jahren vorsieht wegen der Kosten einer Schulung zum Erwerb einer Flugmusterberechtigung führt jedenfalls dann zu einer "unangemessenen Benachteiligung" des angestellten Piloten im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, wenn die Bestimmung des Beginns der Dreijahresfrist allein in Händen des Arbeitgebers liegt.

"Unangemessen" im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Die zu überprüfende Klausel ist vor dem Hintergrund des gesamten Vertrages auszulegen und zu bewerten.

Soweit ersichtlich ist eine höchstrichterliche Entscheidung zu einem vergleichbaren Fall unter der Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes bisher nicht ergangen. In seinem Urteil zur alten Rechtslage vom 16.03.1994 (- 5 AZR 339/92 - AP-Nr. 18 zu § 611 Ausbildungsbeihilfe), das eine Rückzahlungsvereinbarung hinsichtlich der Kosten einer Schulung zum Erwerb einer Flugzeugmuster-Berechtigung betraf, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass in einem solchen Fall eine vertraglich Bindung von mehr als einem Jahr unzulässig sei. Gegenstand des damals streitigen Falles war aber nur die einseitige den Arbeitnehmer belastende Rückzahlungsverpflichtung. Ausdrücklich heißt es in den Entscheidungsgründen (unter A V 2 g der Gründe): "Das hindert die Fluggesellschaft nicht daran, sich die Arbeitskraft des auf ihre Kosten geschulten Piloten für einen längeren Zeitraum zu sichern. Der Arbeitgeber kann zur Vermeidung des vorzeitigen Ausscheidens die Ausbildung davon abhängig machen, dass ein Langzeitvertrag mit einer Laufzeit bis zu fünf Jahren abgeschlossen wird (§ 624 BGB) oder lange Kündigungsfristen vereinbart werden (§ 622 Abs. 5 BGB). Er muss sich dann allerdings in dem selben Umfang binden." In diesem Sinne hatte der Senat bereits mit Urteil vom 27.05.1992 (- 5 AZR 324/91 - EzA Nr. 8 zu § 339 BGB) über einen Fall entschieden, dessen Kern ebenfalls Fortbildungskosten betraf. Dort hatten die Parteien eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des Hauptflugplans (halbjährig) vereinbart und für den Fall der vertragswidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen pauschalierten Schadensersatz und eine Vertragsstrafe. Dem Grunde nach erachtete das Bundesarbeitsgericht diese Vertragsgestaltung als zulässig. Das Klauselverbot des § 11 Nr. 6 des damals noch geltenden AGB-Gesetzes finde auf Arbeitsverhältnisse keine Anwendung. Die von den mit dem Fall befasten Tatsacheninstanzen vorgenommene geltungserhaltene Reduktion des pauschalierten Vertragsstrafenbetrages sei ebenso wenig zu beanstanden, wie die Verlängerung der Kündigungsfrist. Diese Rechtsprechung ist nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragbar, da wie gezeigt das Recht der AGB gemäß §§ 305 ff BGB Anwendung findet und eine geltungserhaltende Reduktion nach neuem Recht nicht in betracht kommt.

Beeinträchtigt wird durch die Zusatzvereinbarung das rechtlich anerkannte Interesse des Arbeitnehmers an Vertragsfreiheit und Berufsfreiheit, das nur verwirklicht werden kann, wenn die Möglichkeit besteht, ein noch laufendes Vertragsverhältnis in einem überschaubaren Zeitraum und möglichst ohne - aber zumindest kalkulierbaren - finanziellen Aufwand zu beenden. Nach Ziffer II der Zusatzvereinbarung besteht diese Beeinträchtigung nicht nur in der Bindungswirkung von drei Jahren, sondern darüber hinaus in der Tatsache, dass es vollständig in den Händen des Arbeitgebers liegt, wann diese drei Jahre zu laufen beginnen, denn er ist es, der "den ersten Einsatz ... auf dem Flugzeugmuster" durch Ausübung seines Weisungsrechts bestimmt. Das dies nicht nur auf dem Papier steht, sondern der Realität entspricht, zeigt der vorliegende Fall, in dem zwischen dem Erwerb der Musterberechtigung durch den Beklagten und dessen ersten Einsatz auf dem Flugzeugmuster mehr als zwei Monate lagen. Bei Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung war es für den Beklagten somit nicht ersichtlich, bis zu welchem konkreten Datum er sich vertraglich bindet. Für das mithin vorliegende einseitige Bestimmungsrecht des Arbeitgebers sind begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers nicht ersichtlich. Schon deshalb ist die Beeinträchtigung der Interessen des vertragsschließenden Arbeitnehmers "unangemessen" im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB.

Zum gleichen Ergebnis wird gelangt, wenn die Klausel vor dem Hintergrund des gesamten Zusatzvertrages bewertet wird, der sich auch in seinen flankierenden Regelungen als unwirksam herausstellt. Nach der Struktur des Vertrages ergeben sich die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Kündigungsverbot der Ziffer II aus Ziffer III, auch wenn dort von "Kündigungsfrist" und nicht von "Kündigungsverbot" die Rede ist: Ein pauschalierter Schadensersatz und eine Vertragsstrafe. Die Pauschalierung des Schadensersatzes ist als allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 309 Nr. 5 BGB unwirksam. Die Vertragsstrafenabrede verstößt zwar nicht gegen § 309 Nr. 6 BGB, da dieser gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB im Arbeitsrecht keine Anwendung findet (BAG Urteil vom 04.03.2004 - 8 AZR 196/03 - AP-Nr. 3 zu § 309 BGB), ist aber dennoch gemäß § 307 BGB überprüfbar und scheitert an dessen Grenzen. Grundsätzlich kann bei Vertragsstrafenklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen nämlich nur solange nicht von einer unangemessenen Benachteiligung ausgegangen werden, so lange der Betrag ein Monatsgehalt nicht überschreitet (BAG Urteil vom 04.03.2004 - 8 AZR 196/03 - AP-Nr. 3 zu § 309 BGB, unter III 2. b aa der Gründe). Nach dem Wortlaut der hier streitigen Zusatzvereinbarung kommt aber ein Betrag von bis zu zwei Monatsgehältern in Betracht. Das ist ein Monatsgehalt mehr als zulässig.

Weder für das einseitig durch den Arbeitgeber bestimmbare Kündigungsverbot noch für die Steigerung der Vertragsstrafe ist ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers ersichtlich. Bei der Bewertung der Interessen kann hier nach Auffassung der Kammer die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Rückzahlungsvereinbarungen im Hinblick auf Ausbildungskosten aus der Zeit vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung war in einem Fall wie dem vorliegenden eine Bindung von mehr als einem Jahr als nicht gerechtfertigt betrachtet worden (vgl. BAG - 5 AZR 339/92 - AP-Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe).

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Ziffer II der Zusatzvereinbarung gemäß § 307 BGB unwirksam ist.

(2) Andere Beschränkungen, die der Wirksamkeit der ersten Kündigung des Beklagten entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Auf die Berufung des Beklagten war daher das Urteil des ersten Rechtszuges abzuändern und die Klage der Arbeitgeberin hinsichtlich des Antrages zu 1) abzuweisen.

2. Den Antrag zu 2 (Feststellung einer Schadensersatzpflicht) hat das Arbeitsgericht zu recht als unzulässig abgewiesen. Auf die Ausführungen zur Anschlussberufung wird Bezug genommen (siehe unten unter III.).

3. Hinsichtlich des Antrages zu 3 (Kündigungen vom 28.01.2003 und 16.02.2003) ist die zulässige Klage teilweise, nämlich soweit die Kündigung vom 16.02.2003 betroffen ist, ebenfalls nicht begründet und daher abzuweisen. Voraussetzung für die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis durch eine konkrete Kündigung nicht beendet wurde, ist nämlich, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das Arbeitsverhältnis noch bestand. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da die erste Kündigung des Beklagten vom 17.01.2003 das Arbeitsverhältnis bereits einen Tag zuvor am 15.02.2003 beendet hat.

4. Auch hinsichtlich des Antrages zu 4 (Vertragsstrafe) ist die zulässige Klage nicht begründet, da für einen Anspruch aus einem Vertragsstrafenversprechen die Anspruchsgrundlage fehlt. Selbst wenn Ziffer III Abs. 3 der Zusatzvereinbarung einer Überprüfung anhand der Maßstäbe des § 307 BGB standhielte, wäre die Vertragsstrafe vorliegend nicht verwirkt, da der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gemäß Ziffer II der Zusatzvereinbarung wie gezeigt unwirksam ist. Damit geht auch das Vertragsstrafenversprechen ins Leere.

5. Die zulässige Widerklage ist hinsichtlich des Antrages zu 1) begründet. Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch in Höhe von 570,00 € netto aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Der Anspruch ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist lediglich die Frage, ob er durch Aufrechnung erloschen ist. Das ist nicht der Fall, da wie gezeigt ein Vertragsstrafenanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht besteht. Die Beklagte konnte mit einem solchen Anspruch daher auch nicht aufrechnen. Wird die Forderung in Höhe von 570,00 € addiert mit dem rechtskräftig unter Ziffer 4) des erstinstanzlichen Urteils tenorierten 306,78 €, so ergibt sich der nunmehr tenorierte Gesamtbetrag.

6. Die somit weitgehend begründete Berufung des Beklagten bleibt aber ohne Erfolg hinsichtlich des Klageantrags zu 2) soweit dieser die Wirksamkeit der Kündigung des Beklagten vom 28.01.2003 betrifft. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht hier die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt.

Das Arbeitsverhältnis endete durch die ordentliche Kündigung des Beklagten erst am 15.02.2003. Die fristlose Kündigung vom 28.01.2003 konnte das Arbeitsverhältnis nicht zu einem früheren Zeitpunkt beenden, da es ihr an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB fehlt. Die Darlegung des beklagten Arbeitnehmers für die Tatsachen, die einen wichtigen Grund darstellen sollen, sind weitgehend pauschal. Jedenfalls fehlt es an konkreten Darlegungen welchen konkreten Wortlaut der Zeuge gehört haben soll, obwohl das Telefon nicht laut gestellt war. Nur die hier pauschal behauptete Beleidigung und Bedrohung hätte gegebenenfalls eine Kündigung rechtfertigen können, in keinem Falle aber die Nichtgewährung von Urlaub. Hier ist jedenfalls gemäß § 314 BGB zuvor eine Abmahnung notwendig, die hier fehlt.

7. Unbegründet ist die Berufung schließlich auch im Hinblick auf den Widerklageantrag zu 3 (Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung der Arbeitgeberin vom 07.07.2003) mit dem sich der Beklagte gegen die nunmehr arbeitgeberseitige Kündigung vom 07.07.2003 gewehrt hat. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet, da im Zeitpunkt des Zugangs der hier streitigen Kündigung ein Arbeitsverhältnis gar nicht mehr bestand, sondern bereits aufgrund einer Kündigung des Arbeitnehmers selbst zum 15.02.2003 sein Ende gefunden hatte.

Zusammengefasst war die Kündigung des Beklagten vom 17.01.2003 wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zum 15.02.2003 beendet; seine Kündigung vom 28.01.2003 war dagegen unwirksam; die Kündigung des Beklagten vom 16.02.2003 und die Kündigung der Klägerin vom 07.07.2003 gingen ins Leere, da ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestand; ein Vertragsstrafenanspruch der Klägerin gegen den Beklagten besteht nicht; neben dem Kleidergeld ist das einbehaltene Januarentgelt an den Beklagten auszuzahlen. Auf die Berufung des Beklagten war daher der Tenor neu zu fassen und unter Abweisung der Klage und der Widerklage im übrigen und unter Zurückweisung der Berufung im übrigen lediglich festzustellen, dass die Kündigung vom 28.01.2003 das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 15.02.2003 beendet hat, und dass auf die Widerklage die Klägerin zu verurteilen war, nicht nur das Kleidergeld, sondern auch das einbehaltene Januarentgelt zu zahlen.

III. Die Anschlussberufung der Klägerin ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich des Antrages zu 2) als unzulässig abgewiesen. Es fehlt dem Feststellungsantrag nämlich an einem Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO. Ist eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, fehlt im Interesse der endgültigen Klärung des Rechtsstreits in einem Prozess das abstrakte Feststellungsinteresse (Greger in Zöllner § 256 ZPO Rdnr. 7 a). Tatsachen, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Ein ausdrücklicher Hinweis des Gerichts gemäß § 139 ZPO war nicht mehr notwendig. Das fehlende Feststellungsinteresse war nicht nur Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung sondern auch der mündlichen Berufungsverhandlung. Im Schriftsatz vom 29.07.2005 (Bl. 201 der Akte) hat sich die Klägerin die Bezifferung vorbehalten, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung wurde eine solche Bezifferung aber nicht vorgenommen.

IV. Die Kostenentscheidung erging gemäß § 93 ZPO. Es wurde dabei ein Streitwert in Höhe von 43.778,40 € zu Grunde gelegt. Von diesem Streitwert hat der Beklagte den Rechtsstreit mit dem Antrag hinsichtlich der fristlosen Kündigung vom 28.01.2003, der mit einem Bruttomonatsentgelt zu berücksichtigen war, verloren, sowie den Antrag der Widerklage, mit dem die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung des Arbeitgebers festgestellt werden sollte und der ebenfalls mit einem Bruttomonatsentgelt zu berücksichtigen war.

Die Revision war zuzulassen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit eines befristeten Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit durch allgemeine Geschäftsbedingungen unter der Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes.

Ende der Entscheidung

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