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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 04.10.2002
Aktenzeichen: 12 Sa 467/02
Rechtsgebiete: BAT, BVO Ang, GG


Vorschriften:

BAT § 40
BVO Ang § 1
BVO Ang § 6
GG Art. 3
GG Art. 12
Der Ausschluss von Beilhilfeleistungen gemäß § 6 BVO Ang für ab dem 01.01.1999 Eingestellte ist wirksam.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 12 Sa 467/02

Verkündet am: 04.10.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 04.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Leisten als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Anspach und Schubert

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.

3) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Beihilfeansprüche.

Der Kläger war in der Zeit vom 01.09.1992 bis 15.10.1999 bei der Stadt B als Krankenpfleger beschäftigt. Ab dem 16.10.1999 ist er beim Beklagten als Krankenpfleger in den R K B beschäftigt. Dem liegen die Arbeitsverträge vom 21.10.1999 und 24.10.2000 zu Grunde. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Im April 2001 beantragte der Kläger die Gewährung von Beihilfe. Diese wurde ihm durch Bescheid vom 21.06.2001 unter Hinweis auf § 6 BVO Ang verweigert, da das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten nach dem 01.01.1999 begründet worden sei.

Der Kläger hält dies für unberechtigt und macht geltend: Der Ausschluss des Beihilfeanspruches nach § 6 BVO Ang sei unwirksam. Die Rechtsverordnung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Besonderheit des vorliegenden Falles sei dabei darin begründet, dass er, der Kläger, in den letzten Jahren lückenlos im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen und daher stets unter den Anwendungsbereich der BVO Ang gefallen sei. Nur für eine juristische Sekunde am 15.10.1999 sei die Beschäftigung im öffentlichen Dienst wegen des Arbeitgeberwechsels unterbrochen worden. Die Anwendung des § 6 BVO Ang in der Weise, wie der Beklagte es vertrete, würde jedoch dazu führen, dass ein Arbeitnehmer gezwungen wäre, das Arbeitsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber immer weiter fortzuführen, um einen Wegfall des Beihilfeanspruchs zu verhindern. Der innerhalb des öffentlichen Dienstes wechselnde Angestellte werde daher ohne sachlichen Grund gegenüber dem beim gleichen Arbeitgeber verbleibenden Arbeitnehmer benachteiligt.

Außerdem verstoße der Ausschluss von der Beihilfe gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

Die Vorschrift sei daher entweder verfassungskonform so auszulegen, dass ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis auch dann vorliege, wenn sich zwei Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst lückenlos aneinanderreihten, oder aber die Vorschrift verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie den Grundsatz des Vertrauensschutzes und sei daher unwirksam.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 391,78 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 20.07.2001 gemäß § 1 DÜG zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält § 6 BVO Ang für wirksam, so dass dem Kläger Beihilfe nicht zustehe.

Durch Urteil vom 21.02.2002 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: § 6 BVO Ang sei so auszulegen, dass es nicht auf die Begründung des konkreten letzten Arbeitsverhältnisses ankomme, sondern auf das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst, so wie in § 1 Abs. 1 der BVO Ang beschrieben, also ein Arbeitsverhältnis im Geltungsbereich des Verordnungsgebers. Eine andere Auslegung des § 6 BVO Ang verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen das aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Gebot der unzulässigen Kündigungserschwerung und verletze zudem das berechtigte Vertrauen des Klägers in dem Fortbestand seines Beihilfeanspruches.

Wegen des weiteren Inhaltes des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 33 - 39 d. A. Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 15.04.2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 08.05.2002 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis 15.07.2002 am 15.07.2002 begründet.

Der Beklagte trägt vor: Nach seinem Wortlaut stelle § 6 BVO Ang auf das letzte Arbeitsverhältnis ab, nicht auf die Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst insgesamt. Dies entspreche sowohl der historischen wie der teleologischen Auslegung des § 6 BVO Ang. Dies verstoße weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch ergebe sich daraus eine unzulässige Kündigungserschwerung.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.02.2002, zugestellt am 15.04.2002, mit dem Aktenzeichen 1 Ca 3604/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger tritt dem angefochtenen Urteil bei.

Wegen des erst- und zweitinstanzlichen Vortrages der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht ein Beihilfeanspruch nach §§ 40 BAT, 1, 6 BVO Ang nicht zu.

1. § 40 BAT ist dabei eine reine Verweisungsnorm auf beim Arbeitgeber bestehende Beihilferegelungen (BAG, Urteil vom 18.01.1983 - 3 AZR 520/80 - AP Nr. 2 zu § 40 BAT), hier also auf die Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Landes Nordrhein-Westfalen.

2. Der Ausschluss des Beihilfeanspruches ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 6 BVO Ang. Dort heißt es:

Diese Verordnung gilt für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.1999 begründet wurde, solange es ununterbrochen fortbesteht.

a) Es wird also auf das konkrete Arbeitsverhältnis abgestellt und nicht auf eine "Tätigkeit als Angestellter und Arbeiter im Dienste des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und sonstiger der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts", wie es in § 1 Abs. 1 BVO Ang lautet. Wäre § 6 BVO Ang so auszulegen, wie der Kläger und ihm folgend das Arbeitsgericht dies für zutreffend halten, hätte in diesem Sinne auch formuliert werden müssen. Gerade der unterschiedliche Wortlaut in § 1 und § 6 spricht gegen den Kläger und nicht für ihn.

Dementsprechend ist in den Beihilfevorschriften des Bundes im Zusammenhang damit, dass Neueingestellte ab 01.08.1998 Beihilfe nicht mehr erhalten ausdrücklich bestimmt, dass dies nicht für solche Arbeitnehmer gilt, die vor dem Stichtag bereits im öffentlichen Dienst beschäftigt waren. Diese Klarstellung war erforderlich, wenn die Zeiten früherer Arbeitsverhältnisse mit berücksichtigt werden sollten. Eine solche Klarstellung fehlt jedoch bei der hier in Rede stehenden Regelung.

b) Auch im Arbeitsvertrag der Parteien ist nicht bestimmt, dass die bei der Stadt Bonn verbrachten Dienstzeiten angerechnet werden sollten. Das Gegenteil ist der Fall, im Arbeitsvertrag vom 21.10.1999 wurde sogar eine Probezeit vereinbart. Dies zeigt deutlich, dass die Arbeitsverhältnisse beim Beklagten und die bei der Stadt B nicht als Einheit gesehen werden sollten und auch nicht so gesehen werden können.

3. § 6 BVO Ang verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Er beinhaltet eine Stichtagsregelung, die zulässig ist.

a) Stichtage sind Ausdruck einer gebotenen pauschalierten Betrachtung und im Interesse der Praktikabilität grundsätzlich zulässig. Dabei entstehende Härten müssen akzeptiert werden, wenn die Wahl des Zeitpunktes sachlich vertretbar ist und insbesondere nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt (vgl. BAG, Urteil vom 18.10.2000 - 10 AZR 643/99 - AP Nr. 24 zu § 11 BAT-O). Dies ist hier der Fall.

b) § 6 BVO Ang beruht auf dem Haushaltsstrukturgesetz vom 18.12.1998 (Art. II Abschnitt 8 Nr. 2). Er dient dazu, die öffentlichen Personalhaushalte zu entlasten. Dies ist ein legitimes Ziel (vgl. Stein, ZTR 2000, 69, 71). Bei der Verwirklichung dieses Zieles wird nicht in bestehende, sondern erst zu begründende Arbeitsverhältnisse eingegriffen. Als der Kläger also am 21.10.1999 seinen ersten Arbeitsvertrag mit dem Beklagten schloss, bestand ein Vertrauenstatbestand zu seinen Gunsten nicht. Er wusste, worauf er sich einließ oder hätte es zumindest wissen können.

c) Die insoweit vorgenommene Gruppenbildung beruht auf Sachgründen und ist nicht willkürlich. Die vor und nach dem Stichtag eingestellten Arbeitnehmer sind im Übrigen miteinander nicht vergleichbar. Sie sind unter unterschiedlichen Konditionen eingestellt worden. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung des BAG die Beihilfe nur noch einen anlassbezogenen Zuschuss zur laufenden Vergütung darstellt. Damit gilt der Grundsatz, dass im Bereich der Vergütung die Vertragsfreiheit Vorrang vor dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat. Insoweit ist die Rechtslage durchaus vergleichbar mit derjenigen, dass ein Arbeitgeber sich von einer begünstigenden betrieblichen Übung für die Zukunft dadurch löst, dass er mit allen neu eintretenden Arbeitnehmern vereinbart, er werde in Zukunft zusätzliche soziale Leistungen nicht mehr erbringen. Dies wird von der Rechtsprechung generell als zulässig angesehen (vgl. dazu Stein, a.a.O., Seite 70, 71 m. N. aus Rechtsprechung und Literatur).

4. Aus dem Vorhergesagten ergibt sich auch, dass Art. 12 GG nicht verletzt ist. § 6 BVO Ang greift nicht in unzulässigerweise in die Berufsfreiheit ein, also die Entscheidung des Arbeitnehmers, einen Arbeitsplatz beizubehalten oder aufzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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