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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.03.2007
Aktenzeichen: 12 Ta 41/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 46 Abs. 2
ArbGG § 62 Abs. 2
ArbGG § 78
ZPO § 91 a Abs. 2 S. 1
ZPO § 567
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 16.11.2006 - 6 Ga 22/06 - abgeändert:

Die Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungskläger.

Gründe:

I. Der Verfügungskläger hat die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung eines Solidaritätsstreiks in Anspruch genommen, zu dem v für den 09.03.2006 "ab 07:30 Uhr bis ca. 09:30 Uhr" aufgerufen hatte. v verstoße damit gegen die Friedenspflicht wegen des bereits am 13.09.2005 abgeschlossenen Tarifvertrages.

Durch Beschluss vom 08.03.2006 hat das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung die einstweilige Verfügung erlassen, wogegen die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.11.2006 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Arbeitsgericht hat daraufhin der Verfügungsbeklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt mit der Begründung: Die einstweilige Verfügung sei aufrecht erhalten worden, weil es sich bei dem Streikaufruf nicht um einen solchen zu einem Erzwingungsstreik, sondern um einen solchen zu einem Solidaritäts/Sympathiestreik gehandelt habe. Ein solcher Streik sei grundsätzlich rechtswidrig; denn er diene nicht der unmittelbaren Durchsetzung tariflicher Regelungen, sondern der Unterstützung eines Arbeitskampfes, an dessen Ergebnis die Streikenden selbst nicht partizipierten, zumindest nicht direkt. Im Übrigen habe zwischen den Parteien ein gültiger Tarifvertrag bestanden, der Streikaufruf habe also gegen die bestehende Friedenspflicht verstoßen.

Gegen diesen am 05.02.2007 zugestellten Beschluss hat die Verfügungsbeklagte am 14.02.2007 sofortige Beschwerde eingelegt.

II. Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 62 Abs. 2, 78 ArbGG, 91 a Abs. 2 S. 1, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Nach § 91 a ZPO sind die Kosten des Verfahrens dem Verfügungskläger aufzuerlegen. Nach § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet das Gericht bei übereinstimmender Erledigungserklärung, wie sie hier vorliegt, über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag gibt. Dabei reicht eine summarische Prüfung (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.09.1992 - 1 BVR 1074/92 - NJW 93, 1060, 1061). Schwierige rechtliche Fragen zu klären, dient das Verfahren nicht, so dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten nach überwiegender Wahrscheinlichkeit genügt (Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., Rdnr. 94 zu § 91 a). Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die Kosten des Verfahrens dem Verfügungskläger aufzuerlegen, weil bei summarischer Prüfung das Obsiegen der Verfügungsbeklagten wahrscheinlicher gewesen wäre.

1. Eine Streikmaßnahme kann angesichts der Bedeutung des Streikrechts (Art. 9 Abs. 3 GG) im einstweiligen Verfügungsverfahren nur dann untersagt werden, wenn sie eindeutig rechtswidrig ist und dies glaubhaft gemacht wird. Die beantragte Untersagungsverfügung muss zum Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich sein. Zur Prüfung, ob eine auf Unterlassung eines Arbeitskampfes gerichtete einstweilige Verfügung im Sinne des § 940 ZPO zur Anwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, hat eine Interessenabwägung stattzufinden, in die sämtliche in Betracht kommenden materiellrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Parteien einzubeziehen sind (vgl. Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 02.05.2003 - 9 SaGa 636/03 - NZA 2000, 679, 680; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 12.12.2005 - 2 Ta 457/05 -; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2. Aufl., S. 362 bis 364). Bei Anwendung dieser Grundsätze hätte die einstweilige Verfügung wohl nicht erlassen werden dürfen.

2. Es lässt sich nämlich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit die Rechtswidrigkeit des für den 09.03.2006 vorgesehenen Streiks feststellen, weil ein Verstoß gegen die Friedenspflicht vorläge.

a) Zwar war in dem zwischen der V und v am 13.09.2005 abgeschlossenen Arbeitsvertrag auch die Arbeitszeit geregelt, nämlich in § 6 und der Streik hatte die "Solidarität mit den Streikenden im Kampf gegen längere Arbeitszeit" zum Gegenstand, betraf also den bereits tarifvertraglich geregelten Bereich der Arbeitszeit. Zu berücksichtigen sind aber die im vorliegenden Fall gegebenen Besonderheiten, die sich aus der im vorgenannten Tarifvertrag vereinbarten "Meistbegünstigtenklausel" ergeben. Diese lautet:

"Sofern die vertragsschließende Gewerkschaft v für ein oder mehrere Bundesländer einen Tarifvertrag abschließt, der von den Regelungen des TVöD oder der ihn ergänzenden Tarifverträge in den Bereichen Arbeitszeit und Sonderzahlung (Zuwendung, Urlaubsgeld u. ä.) abweichende Inhalte hat oder beim Entgelt (insbesondere Einmalzahlung, Übergangskosten) für die Arbeitgeber günstigere Regelungen enthält, vereinbaren die Tarifvertragsparteien ohne weitere Verhandlungen folgendes:

Die rechtsverbindliche Unterschrift der Gewerkschaft v unter den ausgehandelten Tarifvertrag gilt zugleich als unwiderrufliches Angebot an den Bund und die V , die Regelungen des Tarifvertrags insgesamt oder in ihren einzelnen Bestandteilen in den TVöD oder ihn ergänzende Tarifverträge (ersetzend oder ergänzend) zu übernehmen. v verpflichtet sich, den Tarifvertrag unverzüglich dem Bund und der V zur Kenntnis zu geben.

Der Bund und die V können jeder für sich binnen einer Frist von vier Wochen nach Kenntnisnahme des entsprechenden Tarifvertrages das Angebot schriftlich annehmen."

Das Landesarbeitsgericht folgt insoweit der Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 24.07.2006 - 8 Sa 741/06 -. Dort ist unter Hinweis auf Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.02.2003 - 1 AZR 142/02 - AP Nr. 163 zu Art. 9 GG, Arbeitskampf, näher dargelegt, dass die im TVöD getroffene Arbeitszeitregelung zugunsten der Arbeitgeberseite "vereinbarungsoffen" gestaltet ist, die hier in Rede stehende Streitmaßnahme also dazu diente, der nachteiligen Änderung des eigenen Tarifvertrages entgegen zu wirken und insoweit die für die Zulässigkeit eines Sympathiestreiks erforderliche Partizipation am Streikergebnis, wie das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 18.02.2003 fordert, vorliegt. Auch wenn die Fallkonstellation, über die das Bundesarbeitsgericht im vorgenannten Urteil zu befinden hatte, eine andere war als die vorliegende, lassen sich seine tragenden Ausführungen auch auf den hier entschiedenen Fall übertragen. Damit kann man nicht sagen, die Rechtswidrigkeit des Streiks lasse sich ohne weitere rechtliche Überprüfung feststellen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Korinth, a. a. O., S. 364).

b) Dabei war die Arbeitgeberseite angesichts der Gestaltung der Meistbegünstigungsklausel darin frei, die Übernahme der fremden Tarifregelung ohne Weiteres zu beschließen und somit für die zum Streik am 09.03.2006 aufgerufenen Arbeitnehmer nachteilige Wirkungen umzusetzen. Im Beschluss des Landesarbeitsgericht Hamm vom 24.07.2006 ist auch zutreffend ausgeführt, dass der Zulässigkeit des Streiks nicht entgegen steht, dass vom Arbeitgeber etwas Unmögliches verlangt werde (S. 6, 7 des Beschlusses). Darauf nimmt die beschließende Kammer Bezug.

3. Bei der erforderlichen Abwägung der Interessen ist zu berücksichtigen, dass die Untersagung des Streiks zu dessen endgültigem Ende geführt hätte, wobei - wie ausgeführt - die Arbeitnehmer durchaus ein eigenes legitimes Interesse verfolgten. Die Arbeitskampfmaßnahme war zeitlich begrenzt, dementsprechend auch die Wirkungen für die Verfügungsklägerin. Diese konnte dementsprechend auch nicht hinreichend konkret darlegen, dass wesentliche Nachteile für sie drohten. Im Schriftsatz vom 07.11.2006 heißt es (S. 19): "Sie (die Nachteile) liegen im Wesentlichen darin, dass der Streik auf jeden Fall länger als zwei Stunden gedauert haben würde und die Beklagte dadurch fraglos und unstreitig erhebliche finanzielle Schäden erleidet, weil sie die Gehaltsfortzahlungen stoppen und die Gehälter gesondert neu berechnen müssen. Außerdem setze sie sich der Gefahr von weiteren Arbeitsgerichtsprozessen über die Richtigkeit der Abrechnungen aus. Dass ein Streik im Krankenhaus auch immer Menschenleben gefährden kann, ist auch gerichtsbekannt." Dieser Vortrag ist teilweise (soweit es um die finanziellen Einbußen geht) ersichtlich wenig überzeugend, insbesondere wenn man die Bedeutung des Streikrechts als grundrechtlich geschütztes Recht berücksichtigt, teilweise aber auch zu pauschal (soweit es um die Gefährdung von Menschenleben geht). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass hinsichtlich letzterem der Arbeitsablauf nicht so organisiert werden konnte, dass Gefahren für Leib und Leben der Patienten auszuschließen war.

Bei dieser Sachlage ergibt sich bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Zulässigkeit des Streiks gesprochen hat.

Gegen diesen Beschluss ist weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestand nicht (§ 574 ZPO).

Ende der Entscheidung

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