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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 30.08.2005
Aktenzeichen: 13 (12) Sa 651/05
Rechtsgebiete: BGB, BetrAVG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BetrAVG § 5
BetrAVG § 16
Zur Berechnung einer Betriebsrente (hier sog. Bankrente) mit Gesamtversorgungscharakter bei Anrechnung anderer Renten (Parallelfall zu 13 Sa 652/05).
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.03.2005 - 5 Ca 1394/05 - wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen: Hinsichtlich des Antrags zu 1) sind die Zinsen ab dem 15.01.2005 und 15.02.2005 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente. Der am 06.07.1942 geborene Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 01.07.1966 bis 30.06.2000 beschäftigt. Seit dem 01.07.2000 bezieht er eine Erwerbsunfähigkeitsrente sowie eine betriebliche Altersversorgung. Letztere besteht aus zwei Komponenten: Einer Versorgungsleistung aus der Versorgungskasse Versicherungsverein des Bankgewerbes a. G. (BVV) und einer von der Beklagten gezahlten sogenannten Bankrente, die sich nach den Richtlinien für die Gewährung von Ruhegeld bei der Hypothekenbank in H vom 03.11.1975 (im folgenden Richtlinie) richtet (Anlage K 1 Blatt 10 ff. d. A.). Gemäß Ziffer 2 der Richtlinie bemisst sich die Bankrente nach dem zuletzt bezogenen Jahresgehalt in Abhängigkeit von den geleisteten Dienstjahren. Daraus ergab sich für den Kläger eine Höchstrente von 74 % des pensionsfähigen Jahresgehalts von DM 144.120,00 (Anlage K 2 Blatt 19, 20 d. A.). Auf den so ermittelten Betrag sind gemäß Ziffer 7 der Richtlinie Leistungen, die ein Berechtigter von der BfA und vom BVV erhält, anzurechnen. Dazu heißt es in Ziffer 7 (Satz 1): "Auf das nach den vorstehenden Bestimmungen zu zahlende Ruhegeld ... werden die Bruttobeträge angerechnet, die der Ruhegeldempfänger... aus der Angestelltenversicherung (AV), der Invalidenversicherung (IV) und der ... (BVV) (erhält); die Anrechnung der Rente (n) erfolgt nur mit dem Betrage, der auf die bei der Bank verbrachte Dienstzeit entfällt (Bl. 15 d. A.). Auf dieser Bemessungsgrundlage berechnete die Beklagte mit Schreiben vom 11.04.2001 (Anlage K 2 Blatt 19, 20 d. A.) eine Bankrente von jährlich DM 48.233,16 bzw. monatlich DM 4.020,00. Nach wiederholter Rentenanpassung erhielt der Kläger zuletzt monatlich 2.110,90 €. Auszahlbar zum 15. eines jeden Monats. Ab 01.01.2005 wurde die BVV-Rente des Klägers aufgrund einer Absenkung des Sonderzuschlages von bisher 40 auf nunmehr 25 % um monatlich 101,20 € reduziert (Schreiben des BVV, August 2004 Anlage K 3 Blatt 21, 22 d. A.). Mit seiner am 11.02.2005 erhobenen Klage hat der Kläger eine Erhöhung der Bankrente um den reduzierten monatlichen Betrag von 101,20 € begehrt. Er hat die Ansicht vertreten, dass nach dem Wortlaut der Anrechnungsregelung in § 7 der Richtlinie die BVV-Rente nur insoweit anzurechnen sei, wie diese auch tatsächlich gezahlt worden sei. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn des Gesamtversorgungssystems. Der Kläger hat, soweit im Berufungsverfahren noch weiter verfolgt, beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 202,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 101,20 € jeweils seit 1. Januar 2005 und 1. Februar 2005 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, seine Bankrente ab 1. Januar 2005 um monatlich 101,20 € zu erhöhen;

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, § 7 der Richtlinie stelle lediglich auf den Zeitpunkt des erstmaligen Empfangs des Ruhegeldes und damit auf die zu diesem Zeitpunkt bezogenen Leistungen ab. Eine spätere Anpassung des Ruhegeldes erfolge nur nach § 16 BetrAVG Ein weitergehender Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 BetrAVG. Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit mit der Berufung angegriffen, durch Urteil vom 08.03.2005 stattgegeben. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf Blatt 52 d. A. Bezug genommen. Die Beklagte hat gegen das ihr am 22.04.2005 zugestellte Urteil am 12.05.2005 Berufung eingelegt und diese am 20.06.2005 begründet. Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass die Ziffern 2 und 7 der Richtlinie einen Ausgleich der abgesenkten BVV-Rente durch Erhöhung der Bankrente nicht begründen. Die darin zugesagte Altersversorgung sei entsprechend ihrem Sinn und Zweck einschränkend auszulegen. Sie enthalte in Anbetracht der nunmehr eingetretenen Situation eine Regelungslücke, die im Wege der ergänzenden Auslegung dahingehend zu schließen sei, dass für die Anrechnung nur auf den Zeitpunkt des erstmaligen Rentenbezugs abzustellen sei Hinsichtlich des Zinsanspruchs widerspreche die arbeitsgerichtliche Entscheidung der Fälligkeit der Auszahlung der Bankrente jeweils zum 15. eines jeden Monats. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.03.2005 - 5 Ca 1394/05 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger wiederholt und vertieft seine erstinstanzlichen Rechtsausführungen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). II. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht mit zutreffender Begründung stattgegeben. 1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Betriebsrente (sogenannte Bankrente) des Klägers gemäß Ziffer 2 in Verbindung mit Ziffer 7 Satz 1 der Richtlinie ab 01.01.2005 um monatlich 101,20 € zu erhöhen Zwischen den Parteien ist die Berechnung der Betriebsrente allein im Hinblick auf die Höhe der Anrechnung der BVV-Rente in Streit. Die Beklagte darf die BVV-Rente nach der Anrechnungsregelung gemäß Ziffer 7 Satz 1 der Richtlinie nur in der Höhe anrechnen, die tatsächlich gezahlt wird. Die Reduzierung der BVV-Rente ab Januar 2005 um 101,20 € vermindert in gleicher Höhe den anzurechnenden Betrag und erhöht dementsprechend die an den Kläger auszuzahlende Bankrente. Dies ergibt sich durch Auslegung der Richtlinie gemäß §§ 133,157 BGB. a) Das Arbeitsgericht geht zu Recht bei der Auslegung zunächst vom Wortlaut der Richtlinie aus. Dazu heißt es in Ziffer 7 Satz 1 , dass auf das zu zahlende Ruhegeld die Bruttobeträge angerechnet werden, die der Ruhegeldempfänger erhält. Danach kommt es bei der Anrechnung der BVV-Rente als anderer Versorgungsleistung darauf an, in welcher Höhe diese anrechenbare Leistung tatsächlich gezahlt wird. Eine Einschränkung auf die erstmalige Festsetzung der Anrechnungsbeträge oder sonst wie geartete zeitliche Eingrenzung ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. b) Eine vom Wortlaut nicht gedeckte einschränkende Auslegung der Richtlinie ergibt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. An keiner Stelle kommt dies erkennbar zum Ausdruck. c) Die Beklagte kann sich für ihre Auslegung auch nicht auf die Grundsätze einer ergänzenden Vertragsauslegung stützen. Eine ergänzende Auslegung setzt voraus, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollen, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist. Von einer Lücke kann nur gesprochen werden, wenn ein Punkt ungeregelt geblieben ist, den die Parteien im Rahmen des von ihnen wirklich gewollten als regelungsbedürftig angesehen haben. Im Gegensatz zu den Grundsätzen über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), geht es bei der ergänzenden Vertragsauslegung darum, den in dem vereinbarten zu Tage tretenden Planvorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Ihr Ansatzpunkt besteht daher in der Ermittlung dessen, was die Parteien (bei angemessener Abwägung ihrer Interessen und als redliche Vertragspartner) zur Schließung der Lücke selbst unternommen hätten (hypothetischer rechtsgeschäftlicher Wille) (BGH, 02.07.2004 - V ZR 209/03 - NJW-RR 2005, 205 - 206 m. w. N.). Vorliegend fehlt es an einer planwidrigen Lücke des Vereinbarten. Die Parteien haben, wie bereits ausgeführt, die Anrechnung von anderen Versorgungsleistungen auf die Betriebsrente unter Ziffer 2) der Richtlinie lückenlos geregelt. Die Auslegung bereits des Wortlautes der Versorgungsregelung erschließt den Inhalt der Regelung eindeutig. d) Zu Recht weist das Arbeitsgericht daraufhin, dass auch der Sinn und Zweck der Versorgungsregelung für die sich bereits aus dem Wortlaut ergebende Auslegung spricht. Die Richtlinie gewährt, wie insbesondere unter Ziffer 2) und 7) zum Ausdruck kommt, eine Betriebsrente mit Gesamtversorgungscharakter. Sinn und Zweck jeder Gesamtversorgung ist es, dass der Ruheständler mit Hilfe der betrieblichen Altersversorgung seinen bis zum Versorgungsfall erreichten Lebensstandard im Wesentlichen aufrecht erhalten kann (vgl. dazu BAG, 23.02.1988 - 3 AZR 100/86 - AP-Nr. 26 zu § 5 BetrAVG m. w. N.). Vorliegend ist Grundlage für die Bemessung des Ruhegehalts das zuletzt bezogene Jahresgehalt unter Berücksichtigung der Dienstjahre bei einer Höchstbegrenzung auf 80 % des pensionsfähigen Jahresgehaltes (Ziffer 2). Auf dieses so berechnete Ruhegeld werden die unter Ziffer 7) genannten anderen Versorgungsleistungen angerechnet. Die Höhe der Betriebsrente ist demnach abhängig von der Höhe der anzurechnenden Versorgungsleistungen. Die dadurch bedingten Schwankungen der Höhe der Betriebsrente entsprechen dem Charakter einer Gesamtversorgungszusage. Nur die Anrechnung der tatsächlich gezahlten anderweitigen Versorgungsleistungen kann - dem Sinn und Zweck der Gesamtversorgung entsprechend - gewährleisten, dass der erreichte Lebensstandard des Versorgungsempfängers im Wesentlichen aufrecht erhalten bleibt. e) Im Hinblick auf diesen vom Arbeitgeber gewollten und in der Richtlinie niedergelegten Gesamtversorgungscharakter der Betriebsrente greifen die allgemeinen Erwägungen der Beklagten über den Sinn und Zweck der betrieblichen Altersversorgung auf freiwilliger Grundlage nicht ein. Es trifft zwar zu, dass der Arbeitgeber die Freiheit hat, dass von ihm übernommene Versorgungsrisiko selbst zu definieren, wenn er dies jedoch in Form einer Gesamtversorgungszusage getan hat, muss er auch die damit verbundenen Risiken tragen. f) Diese am Wortlaut und Sinn und Zweck der Versorgungsregelung orientierte Auslegung widerspricht auch nicht den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 5,16 BetrAVG. aa) Die Vorschrift des § 5 BetrAVG regelt in beiden Absätzen die Berücksichtigungsfähigkeit anderweitiger Einkommen der Versorgungsberechtigten bei der Festsetzung der betrieblichen Versorgungsleistungen; Abs. 1 betrifft - wie hier - bereits laufende Versorgungsleistungen und verbietet deren Kürzung, wenn andere Versorgungsleistungen zwecks Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung erhöht werden (Auszehrungsverbot); Abs. 2 betrifft dagegen vor allem die erstmalige Festsetzung von Versorgungsleistungen nach Eintritt des Versorgungsfalles und verbietet insoweit die Anrechnung anderer Versorgungsbezüge die durch eigene Beiträge des Versorgungsempfängers (ausgenommen Pflichtbeiträge oder ähnliches) finanziert worden sind (Anrechnungsverbot). Danach ist lediglich die Kürzung der Betriebsrente unter den genannten Voraussetzungen ausgeschlossen. Die hier streitige Frage der Erhöhung der Betriebsrente ist nicht geregelt. bb) Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistung der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Diese Anpassungsprüfungspflicht steht einer vertraglichen Verpflichtung zur Anpassung der Betriebsrente nicht entgegen. 2. Das Urteil war lediglich hinsichtlich des Zinsbeginns im Antrag zu 1) - entsprechend dem Fälligkeitszeitpunkt - auf den 15.01. und 15.02.2005 abzuändern.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. IV. Die Revision war im Hinblick auf die Vielzahl von der Streitfrage betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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