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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 30.10.2007
Aktenzeichen: 13 Sa 679/07
Rechtsgebiete: BGB, HandwO


Vorschriften:

BGB § 134
HandwO § 1
HandwO § 7
HandwO § 13
HandwO § 21
Konzessionsträgerverträge im Handwerk, die den Hauptzweck verfolgen, den Meistertitel (hier: Stuckateurmeister) zur Verfügung zu stellen, um die Eintragung in die Handwerksrolle zu ermöglichen, ohne das eine entsprechende tatsächliche Arbeitsleistung gewollt ist, sind als Umgehungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig, mit der Folge, dass kein vertraglicher Vergütungsanspruch besteht (im Anschluss an LAG Niedersachsen 23.10.2001 - 13 Sa 553/01; LAG Thüringen 9..3.2001 - 5 Sa 10/01).
Tenor:

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.04.2007 - 1 Ca 9571/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche für die Jahre 1999 bis 2006. Die Beklagte betreibt ein Stuckgeschäft. Sie verfügt über keinen Meister. Der Kläger, geboren am 13.10.1932 ist Stuckateurmeister. Er bezieht seit 1997 Altersrente. Die Parteien schlossen am 15.04.1999 einen "Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer". Danach wird der Kläger als Stuckateurmeister, Betriebsleiter eingestellt zu einem Monatslohn von 5.000,00 DM brutto bei 39 Wochenstunden. Unstreitig hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt 39 Wochenstunden für die Beklagte als Betriebsleiter gearbeitet. Die Beklagte hat dem Kläger auch keine Vergütung von 5.000,00 DM brutto monatlich gezahlt. Für den Zeitraum Mai 1999 bis Mai 2002 zahlte die Beklagte an den Kläger regelmäßig bis auf wenige Ausnahmen 1.000,00 DM bzw. ab 01.01.2002 500,00 €. Ab Juli 2002 bis Juli 2005 zahlte die Beklagte sporadisch Beträge zwischen 100,00 € bis 400,00 € monatlich und ab Juli 2005 gar nicht mehr. Wegen der Zahlungen der Beklagten, die zwischen den Parteien außer Streit sind, wird auf die Auflistung des Klägers (Blatt 27, 28, 30 d.A.) verwiesen. Das Vertragsverhältnis besteht ungekündigt fort.

Der Kläger hat vorgetragen, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsvertrag vereinbart worden. Die Beklagte habe darüber Lohnabrechnungen erteilt (Blatt 37 bis 83 d.A.). Er - der Kläger - habe die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung erbracht. Er sei als Betriebsleiter eingestellt worden, da die Beklagte einen Meister zur Fortführung ihrer Geschäfte benötigt hätte. Der entsprechende Arbeitsvertrag habe der Handwerkskammer vorgelegt werden müssen. Er habe der Beklagten mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Lehrgänge der Berufsgenossenschaft und der Handwerkskammer besucht; anfangs sei er auch auf Baustellen zugegen gewesen, in der Folgezeit sei seine aktive Mitarbeit von der Beklagten nicht mehr gewünscht gewesen. Im Mai 1999 sei mündlich eine Zahlung von 1.000,00 DM netto monatlich vereinbart worden. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Beklagten sei die Vergütung einvernehmlich ab Mai 2004 auf monatlich 400,00 € reduziert worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.345,18 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, Hintergrund des schriftlichen Arbeitsvertrages sei der im Handwerk herrschende "Meisterzwang" gewesen. Der Kläger sollte gegenüber der Handwerkskammer als Betriebsleiter auftreten, um der Beklagten die Eintragung in die Handwerksrolle zu ermöglichen. Lohnabrechnungen seien - nach Erinnerung des Geschäftsführers - nicht erteilt worden. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die geschuldete Arbeitsleistung erbracht. Beiden Parteien sei von Anfang an bekannt gewesen, dass der Kläger keine Arbeitsleistung zu erbringen habe. Er sollte auch kein Entgelt erhalten. Die geleisteten Zahlungen seien aus Dankbarkeit erfolgt. Schließlich hat sich die Beklagte auf Verfall und Verjährung Lohnforderungen berufen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil (Blatt 120 bis 125 d. A.) wird verwiesen. Der Kläger hat gegen das ihm am 21.05.2007 zugestellte Urteil mit am 10.08.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, diese zugleich begründet und mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung verbunden. Bereits mit beim Landesarbeitsgericht am 21.06.2007 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gestellt. Dem Antrag hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 25.07.2007 stattgegeben.

Der Kläger macht mit seiner Berufung weiter die Vergütungsansprüche geltend und trägt dazu vor, er habe die geschuldete Arbeitsleistung erbracht, nämlich als Betriebsleiter aufzutreten, die Interessen der Beklagten gegenüber der Handwerkskammer zu vertreten sowie ggfs. Schulungen bei der Berufsgenossenschaft wahrzunehmen. Im Gespräch vom 29.04.2004 habe der Geschäftsführer der Beklagten die rückständigen Löhne bis zum 31.12.2003 in Höhe von 12.295,18 € anerkannt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.04.2007 abzuändern und nach seinem Schlussantrag zu erkennen sowie hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der schriftlich abgeschlossene Arbeitsvertrag der Parteien sei sittenwidrig. Weitere mündliche Vereinbarungen seien nicht getroffen worden. Die Forderungen des Klägers seien nicht anerkannt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Dem Wiedereinsetzungsantrag des Klägers vom 09.08.2007 wegen Versäumung der Berufungsfrist war stattzugeben (§§ 233, 234, 236 ZPO). Der Kläger war ohne sein Verschulden gehindert, die Berufungsfrist einzuhalten, da er aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage war, die Kosten der Prozessführung in der Berufungsinstanz aufzubringen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 21.06.2007 innerhalb der Berufungsfrist für die beabsichtigte Berufung Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm mit Beschluss vom 25.07.2007, zugestellt am 08.08.2007 bewilligt wurde.

II. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung in Höhe von 20.345,18 EUR für die Jahre 1999 bis 2006.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 15.04.1999 nach §§ 611, 615 BGB. Der Kläger hat unstreitig zu keinem Zeitpunkt 39 Wochenstunden als Betriebsleiter für die Beklagte gearbeitet und von dieser auch keinen Lohn in Höhe der vereinbarten 5.000,00 DM brutto monatlich erhalten. Dieser "Arbeitsvertrag" ist - was zwischen den Parteien ebenfalls außer Streit ist - lediglich zur Vorlage bei der Handwerkskammer abgeschlossen worden, da die Beklagte über keinen Meister verfügte und der Kläger Stuckateurmeister ist.

2. Dem Kläger steht der Vergütungsanspruch auch nicht aufgrund der von ihm behaupteten mündlichen Vereinbarung vom Mai 1999 zu, wonach er im wesentlichen als Betriebsleiter vor der Handwerkskammer auftreten sollte gegen Zahlung von monatlich 1.000,00 DM netto, ab Mai 2004 400,00 €. Denn diese als Konzessionsträgervertrag anzusehende Vereinbarung ist nach § 134 BGB als Umgehungsgeschäft nichtig. Es kann daher dahin stehen, ob die Parteien die behauptete Vereinbarung getroffen haben. Die regelmäßigen Zahlungen der Beklagten in den Jahren 1999 bis Mai 2002 sprechen dafür.

a. Es kann offen bleiben, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien, das nicht die Erbringung einer Arbeitsleistung, sondern vielmehr die Übernahme der Konzessionsträgerschaft in einem Handwerksbetrieb zum Gegenstand hat, um einen Arbeitsvertrag, oder - was näher liegt - einen Gesellschaftsvertrag handelt (vgl. dazu BAG 02.02.1994 - 10 AZR 673/92; LAG Köln 04.07.1997 - 11 Sa 838/96).

b. Ein Umgehungsgeschäft liegt dann vor, wenn durch Umgehung verbotener rechtlicher Gestaltungen ein vom Gesetz verbotener Erfolg herbeigeführt werden soll Anders als beim Scheingeschäft ist beim Umgehungsgeschäft der vereinbarte Erfolg wirklich gewollt. (Staudinger/Sack BGB 2003 § 135 Rn. 145 m.w.N.). Auszugehen ist vom Zweck der umgangenen Vorschrift. Wird der Zweck der gesetzlichen Vorschrift vereitelt, etwa durch missbräuchliche Verwendung anderer Gestaltungsmöglichkeiten, liegt der Umgehungstatbestand vor (BAG 12.10.1960 GS 1/59; Müko/Ambruster BGB 2006 § 134 Rn. 17; Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl. § 134 Rn. 28).

c. Konzessionsträgerverträge der vorliegenden Art werden überwiegend als Umgehungsgeschäfte mit Nichtigkeitsfolge bewertet (Palandt a.a.O. Rn 29; Müko a.a.O. Rn 18 jeweils m.w.N.; Thüringer LAG 09.03.2001 - 5 Sa 10/01; LAG Niedersachsen 23.10.2001 - 13 Sa 553/01; OLG Koblenz 11.02.1994 - 8 U 535/93; OLG Düsseldorf 11.12.1986 - 10 U 130/86; a.A.: LAG Köln 04.07.1997 a.a.O.; LAG Hamm 12.07.1990 - 10 Sa 365/90).

d. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage noch nicht entschieden. In zwei Entscheidungen (02.02.1994 - 10 AZR 673/92 und 19.06.1996 - 10 AZR 908/95) hat es die Haftung des Konzessionsträgers als BGB-Gesellschafter im Außenverhältnis bejaht, die Frage der Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages im Innenverhältnis hat es in seiner Entscheidung vom 19.06.1996 ausdrücklich offen gelassen.

e. Das Berufungsgericht geht mit der überwiegenden Auffassung davon aus, dass Konzessionsträgerverträge im Handwerk nichtig sind. Nach § 1 HandwO ist der selbständige Betrieb des Handwerks nur bei Eintragung in die Handwerksrolle gestattet. Die Eintragung in die Handwerksrolle setzt nach § 7 Abs. 1 HandwO das Bestehen der Meisterprüfung voraus. Nach § 7 Abs. 4 HandwO muss bei juristischen Personen der Betriebsleiter diese Eintragsvoraussetzung erfüllen. Ausnahmetatbestände regeln die §§ 8 und 9 HandwO. Nach § 13 HandwO wird die Eintragung in die Handwerksrolle gelöscht, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung nicht vorliegen. Die fachliche Eignung für die Berufsausbildung im Handwerk setzt nach § 21 HandwO die Meisterprüfung voraus (Ausnahmen: § 22 HandwO). Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist es, dass der Betrieb des Handwerks durch einen sachkundigen Betriebsleiter geleitet und überwacht wird und die fachliche Berufsausbildung der Auszubildenden gewährleistet ist. Die gewerberechtlichen Voraussetzungen sollen die Kunden von fachlich unqualifizierter Arbeit schützen. Entsprechend soll § 21 HandwO eine fachlich korrekte Ausbildung sicher stellen. Dieser gesetzliche Zweck kann nur erreicht werden, wenn der Konzessionsträger tatsächlich im Betrieb arbeitet, damit für die fachliche Anleitung von Gesellen und Auszubildenden zur Verfügung steht und die ausgeführten Arbeiten kontrolliert und abnimmt (vgl. dazu LAG Niedersachsen a.a.O.; LAG Thüringen a.a.O.). Dieser gesetzliche Zweck wird durch einen Konzessionsträgervertrag vereitelt, da der im Vertrag eingesetzte Betriebsleiter gerade nicht tatsächlich im Betrieb arbeitet und somit Gesellen und Auszubildende fachlich anleitet, sondern nur "auf dem Papier" für die Handwerkskammer als Betriebsleiter fungiert. Damit handelt es sich um eine missbräuchliche Vertragsgestaltung zur Umgehung der gesetzlichen Verpflichtung, dass der Betriebsleiter eines selbstständigen Handwerksbetriebs Meister sein muss.

f. Im Streitfall handelt es sich um einen solchen nichtigen Konzessionsträgervertrag, da Hauptzweck der Vereinbarung der Parteien nicht die Arbeitsleistung des Klägers als Betriebsleiter, sondern die zur Verfügungsstellung seines Titels als Stuckateurmeister zur Ermöglichung der Eintragung des Betriebs der Beklagten in die Handwerksrolle ist. Die Vereinbarung ist daher als Umgehungsgeschäft gemäß § 134 BGB nichtig, mit der Folge, dass kein vertraglicher Vergütungsanspruch besteht.

3. Der Zahlungsanspruch kann auch nicht auf ungerechtfertigte Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützt werden. Da der Vertrag wegen Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB nichtig ist, ist ein Bereicherungsanspruch nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

4. Schließlich kann sich der Kläger bezüglich des Teilbetrages von 12.973,39 € mangels Einhaltung der Schriftform auch nicht auf ein konstitutives Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB berufen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, die mit der Berufung nicht angegriffen werden, verwiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zuzulassen.

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