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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: 14 (8) Sa 1334/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
Macht ein Automobilverkäufer, ohne die Absicht, sich unrechtmäßige Vermögensvorteile zu verschaffen, an Kunden Rabattzusagen, die sich im Rahmen des Üblichen bewegen aber nicht vom Vorgesetzten entsprechend den betriebsinternen Richtlinien vorab genehmigt worden sind, rechtfertigt dies ohne einschlägige Abmahnung keine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung.
Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.04.2005 - 3 Ca 9594/04 - wird abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung 13.09.2004 weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst worden ist.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die Beklagte.

Der 1962 geborene Kläger war seit dem 01.01.1988 bei der Beklagten als sogenannter Flottenverkäufer tätig. Sein durchschnittlicher Monatsverdienst betrug einschließlich Provisionen durchschnittlich 10.000,00 €.

Bei der Beklagten existiert eine Provisionsregelung, die unter anderem eine Eroberungsprovision für den Fall vorsieht, dass der Verkäufer ein Fahrzeug an einen Kunden verkauft, dass beim Kunden ein Fremdfabrikat ersetzt (Arbeitsanweisung zur Eroberungsprämie Bl. 110 ff. d. A.).

Bedingung dafür ist u. a. dass der Verkäufer ein Vorbesitz-Formular ausfüllen und unterschreiben muss und dort neben dem Fremdfabrikat auch den Typ des Fahrzeugs und das Kennzeichen nach den jeweiligen Kundenangaben einsetzen muss.

Im Juli 2004 kam es zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten Herrn S zu einem Streitgespräch, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der Anlass dieses Streits darin zu suchen ist, dass der Vorgesetzte Herr S vom Kläger verlangte, den Golftrainer des Herrn S , Herrn C bei einem Fahrzeugkauf durch ungerechtfertigten Mengenrabatteinräumung zu bevorzugen und der Kläger dies verweigerte. Im zumindest zeitlichen Anschluss an dieses Streitgespräch und aufgrund der Tatsache, dass sich eine Frau S am 13.08.2004 bei der Beklagten meldete und geltend machte, sie habe einen Hotelscheck der Beklagten bei einem Golfturnier gewonnen, ließ Herr S eine Vielzahl der vom Kläger getätigten Verkäufe insbesondere im Hinblick auf eingeräumte Rabatte und geltend gemachte Eroberungsprovisionen prüfen und befragte hierzu eine Vielzahl von Kunden der Beklagten.

Als Ergebnis ihrer Nachforschungen führte die Beklagte zunächst ein Anhörungsgespräch mit dem Kläger und hörte alsdann mit Schreiben vom 08.09.2004 den Betriebsrat zur geplanten außerordentlichen hilfsweise ordentlichen Kündigung an, die auch als Verdachtskündigung gelten sollte (Anhörungsschreiben Bl. 45 ff. d. A.). Dem Betriebsrat gegenüber wurden als Kündigungsgründe geltend gemacht, dass der Kläger die Kopie eines Hotelscheins als Preis für ein Golfturnier zur Verfügung gestellt habe, dass der Kläger in den Fällen Zebratzki, Dr. W , W , B und Firma I den Kunden im Verkaufsgespräch Zusatzleistungen, sei es die Übernahme der ersten Inspektion, sei es die Kostenübernahme für Leihwagen, zugesagt habe, ohne die Genehmigung der Geschäftsleitung zu haben und dass der Kläger Eroberungsprovision in den Fällen Firma I , S und nochmals Firma I geltend gemacht habe, obwohl ihm diese nicht zugestanden hätten.

Der Betriebsrat widersprach der geplanten Kündigung mit Schreiben vom 10.09.2004 (Bl. 7 d. A.) und führte auf, die aufgeführten Fälle seien Geschäftsvorgänge, die zu nahezu jedem Neu- bzw. Gebrauchtfahrzeuggeschäft gehörten. Insbesondere Nebenabreden seien übliche Vorgänge bei Verkaufsgeschäften, die der Kundenbindung dienten um eventuelle Ansprüche aus berechtigten Reklamationen der Kunden auszugleichen. Hierbei sei es üblich dass der mit dem Vorgang befasste Verkäufer Zusagen treffen müsse, ohne bereits eine Genehmigung seines direkten Vorgesetzten zu haben. Auch hinsichtlich der Eroberungsprovision könne kein Fehlverhalten des Klägers festgestellt werden.

Mit Schreiben vom 13.09.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Hiergegen richtete sich die am 21.09.2004 bei Gericht eingegangene Kündigungsschutzklage.

Mit Schreiben vom 25.10.2004 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu weiteren Kündigungsgründen an, deren Nachschiebung sie beabsichtigte (Bl. 78 ff. d. A.). Dabei handelte es sich um aus Sicht der Beklagten ungerechtfertigte Eroberungsprovisionen in den Fällen H , Firma I , Firma A und Firma M sowie um die Zusage eines kostenlosen Mietwagens an Herrn O sowie die Zusage eines Mengenrabatts an die Firma M und die Zusage einer kostenlosen Wartung an den Kunden R .

Eine zweite Nachschiebung von Kündigungsgründen betraf den Vorwurf, dem Kunden U die unentgeltliche Überlassung eines Mietwagens für zwei Tage zugesagt zu haben und der Firma Cleaners die kostenlose Erstinspektion zugesichert zu haben.

Eine dritte Nachschiebung von Kündigungsgründen, zu denen der Betriebsrat am 14.02.2005 angehört wurde (Bl. 249 ff. d. A.) betraf den Vorwurf der kostenlosen Zusage einer Handyschale an die Firma M , die Zusage einer kostenlosen Erstinspektion an die Firma N , die Zusage von Winterreifen an die Kundin B , die Einräumung eines Mengenrabattes an die Firma I sowie die eigenmächtige Bestellung von zwei Karten für das Reitturnier in A .

Durch Urteil vom 13.04.2005 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund der fristlosen Kündigung, aber auf Grund der ordentlichen Kündigung vom 13.09.2004 erst zum 31.03.2005 sein Ende gefunden hat.

Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Der Kläger macht geltend, ausreichende Kündigungsgründe lägen nicht vor. Bezüglich des von der Beklagten beanstandeten Hotelschecks habe er der Veranstalterin des Golfturniers lediglich eine Kopie als Muster zur Verfügung gestellt, eine weitergehende Zusage habe er nicht gegeben.

Soweit er Kunden Sonderleistungen zugesagt habe, habe es dafür jeweils berechtigten Anlass gegeben, so zum Beispiel im Fall des Kunden Zebratzki, der sehr verärgert über die Verschmutzung des Fahrzeugs gewesen sei oder im Fall der Firma N , die ebenfalls über den nicht ordnungsgemäßen Zustand des ausgelieferten Fahrzeugs verärgert gewesen sei.

In einer Reihe von Fällen unterstelle ihm die Beklagte zu Unrecht Zusagen gemacht zu haben. So habe er weder der Firma W noch dem Kunden B der Firma I , der Firma M , dem Kunden R , dem Kunden U , der Firma Cleaners oder der Firma M , die von der Beklagtenseite behaupteten Zusagen gemacht.

Hinsichtlich der Eroberungsprovisionen habe er sich korrekt verhalten, die Fremdfabrikate seien jeweils ersetzt worden, wie sich auch aus den schriftlichen Bestätigungen der Kunden ergebe, so aus der Bestätigung der Firma I (Bl. 116 d. A.), des Herrn S (Bl. 117 d. A.), des Herrn V (Bl. 118 d. A.), des Herrn H (Bl. 119 d. A.), des Herrn Z (Bl. 120 d. A.) und der Firma A (Bl. 121 d. A.).

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 13.04.2005 - 3 Ca 9594/04 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 13.09.2004 weder fristlos noch fristgerecht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 13.04.2005 - 3 Ca 9594/04 - die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kündigung sei auch als fristlose Kündigung gerechtfertigt und innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgt. Der Kläger habe in vielfältiger Weise die Vermögensinteressen geschädigt. Den Hotelgutschein habe der Kläger eigenmächtig an die Veranstalterin des Golfturniers gegeben. Aufgrund der nachträglichen Stellungnahme der Veranstalterin Frau P müsse man davon ausgehen, dass es sich um eine unentgeltliche Zusage an die Veranstalterin auf Kosten der Beklagten gehandelt habe.

Darüber hinaus habe der Kläger in den im Einzelnen geschilderten Fällen jeweils eigenmächtig den Kunden zusätzliche Zusagen in Bezug auf kostenlose Leistungen, sei es kostenlose Erstinspektionen, Bestellung von Miet-Pkw oder zusätzlichen Sachleistungen wie Winterreifen oder Handyschalen gemacht.

Es sei dem Kläger vorzuwerfen, dass er diese Zusagen von der Geschäftsleitung nicht habe genehmigen lassen und nicht einmal für eine ordnungsgemäße Dokumentation gesorgt habe sowie zum Teil versucht habe, nachträglich diese Zusagen in manipulativer Absicht zu verheimlichen.

Hinsichtlich der Eroberungsprovisionen habe der Kläger versucht, sich diese unrechtmäßig zu erschleichen, denn die befragten Kunden hätten jeweils in nachträglichen Telefongesprächen mit dem Vorgesetzten Herrn S und mit Herrn R bestätig, nicht die Absicht gehabt zu haben, durch den Fahrzeugkauf jeweils ein Fremdfabrikat zu ersetzen.

Wegen weiterer Einzelheiten des umfangreichen Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig.

Begründet ist aber nur die Berufung des Klägers, weshalb festzustellen war, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 13.09.2004 aufgelöst worden ist.

I. Ein ausreichender verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG liegt nicht vor.

1. Dies gilt zunächst für den Vorwurf an den Kläger, die Kopie eines Hotelschecks an die Veranstalterin eines Golfturniers übersandt zu haben. Der Kläger hat hierzu geltend gemacht, es habe sich lediglich um ein Muster gehandelt. Mit der Veranstalterin Frau P sei vereinbart worden, dass diese sich melden werde, wenn sie den Hotelscheck in Anspruch nehmen werde und dass sie ihn dann auch bezahlen werde.

Die Beklagte ihrerseits hat diesen Vortrag bereits in ihrem ersten Klageerwiderungsschriftsatz vom 04.11.2004 insoweit bestätigt, als sie vorgetragen hat (Bl. 21 d. A.), dass Frau P auf Nachfrage angegeben habe, es sei mit dem Kläger abgesprochen gewesen, dass die Kopie des Hotelschecks als Spende der K Niederlassung der Beklagten übergeben worden sei; von vornherein sei klar gewesen, dass sie der Beklagten den Hotelscheck bezahlen werde.

Nur mit diesem Inhalt ist auch der Betriebsrat angehört worden, denn dem Betriebsrat ist zu diesem Punkt in dem Anhörungsschreiben (Bl. 46 d. A.) mitgeteilt worden, dass Frau P anlässlich einer telefonischen Rückfrage am 26.08.2004 erklärt hatte, es habe von vornherein festgestanden, dass der Hotelscheck von ihr bezahlt würde.

Vor diesem Hintergrund kann die Beklagte nicht mit dem nachträglich erhobenen Vorwurf gehört werden, der Kläger habe Frau P den Hotelscheck unentgeltlich auf Kosten der Beklagten zur Verfügung stellen wollen. Dass Frau P sich offenbar im nachhinein auf den Standpunkt gestellt hat, sie müsse den Hotelscheck nicht bezahlen, kann die Beklagte nicht dem Kläger anlasten, denn es ist aufgrund des zuvor dargestellten Ablaufs unstreitig, dass Frau P ursprünglich davon ausging, den Hotelgutschein im Fall der Inanspruchnahme bezahlen zu müssen.

Eine irgendwie geartete Untreuhandlung des Klägers zu Lasten der Beklagten kann folglich aus diesem Vorgang nicht hergeleitet werden. Erst recht ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der Kläger sich selbst durch sein Verhalten einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil auf Kosten der Beklagten verschaffen wollte.

Damit bleibt als Vorwurf allein übrig, dass der Kläger bei Inaussichtstellung eines entgeltlichen Hotelschecks seine Kompetenzen überschritten hatte und - wie die Beklagte rügt - die Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten gewissermaßen in die eigenen Hände genommen hat.

Der Kläger mag damit zwar seine Kompetenzen überschritten haben. Damit wollte der Kläger aber offensichtlich der Beklagten nicht schaden, sondern im Gegenteil eine Werbewirkung für die Beklagte befördern.

Vor diesem Hintergrund ist eine solche dem Leistungsbereich zuzuordnende mögliche Pflichtverletzung ohne vorherige Abmahnungen aber nicht geeignet, einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund zu liefern.

II. Die Einräumung von Sonderleistungen, Rabatten oder Zusatzausrüstung, die die Beklagte dem Kläger vorwirft, ist ohne vorherige Abmahnung ebenfalls nicht geeignet, einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung darzustellen.

a) In der Mehrzahl der Fälle, nämlich in den Fällen W , M , M , Mengenrabatt Firma M , kostenlose Wartung R , Mietwagen U und kostenlose Handyschale für Firma M , hat der Kläger bestritten entsprechende Zusagen gemacht zu haben.

In den Fällen Zebratzki, Dr. W , Firma N , Kundin B und Reitkartenbestellung für den Kunden D sind Zusagen unstreitig.

Hinsichtlich des Kunden Firma I ist einerseits unstreitig, dass Mietwagenkosten durch Verrechnung vom Kunden beglichen worden sind.

Andererseits hinsichtlich des Mengenrabatts durch Werkstattgutschriften streitig ist, ob eine Zusage durch den Vorgesetzten des Klägers Herrn S oder den Kläger selbst erfolgt ist; aus einer schriftlichen Aktennotiz der Firma I (Bl. 262 d. A.) ergibt sich, dass der Kunde die in Darstellung des Herrn S in dessen Aktennotiz (Bl. 247 d. A.) für wahrheitswidrig und frei erfunden hält.

Zu berücksichtigen ist, dass in einer Reihe von Fällen, in denen eine Zusage unstreitig ist, jedenfalls mehr als berechtigte Anlässe bestanden, solche Zusagen zu machen. Dies gilt insbesondere im Fall Zebratzki, in dem der Kunde bei Auslieferung feststellen musste, dass das ausgelieferte Fahrzeug in einem nicht akzeptablen Zustand war, weil z. B. die Telefonantenne abgebrochen war, der Innenraum mit Fettfingern übersäht war, die Navigation ohne Funktion war und es beim Lenkeinschlag knackte und schleifte (Aktennotiz Bl. 114 d. A.). Dass in einem solchen Fall nicht nur die unmittelbaren Mängel behoben werden, sondern dem Kunden zur Erhaltung der Kundenzufriedenheit eine Zusatzleistung zur Erhaltung der Kundenzufriedenheit und zur Vermeidung der Zurückweisung des Fahrzeuges wegen Nichterfüllung angebracht war, leuchtet unmittelbar ein.

Gleiches gilt beispielsweise für die Auslieferung des verdreckten Fahrzeuges an die Firma N (Schreiben der Firma N vom 03.11.2004 Bl. 246 d. A.).

Eine Wiedergutmachung lag auch im Fall der Kundin B nah, die eigentlich ihr Neufahrzeug an der Produktionsstätte in R abholen wollte und als dann doch mit Überführungskosten in Höhe von mehr als 500,00 € belastet wurde. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dies aufgrund eines Versäumnisses des Klägers geschah, denn an der Haftung der Beklagten im Außenverhältnis zur Kundin würde dies nichts ändern, zudem würde die Beklagte auch im Innenverhältnis zum Kläger auf Grund der Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich zumindest einen erheblichen Teil des Schadens zu tragen haben.

Selbst wenn man hier in allen - auch den vom Kläger bestrittenen Fällen - zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger entsprechende Zusagen gemacht hat, wäre dies ohne vorherige erfolglose Abmahnung nicht geeignet, eine Kündigung zu begründen.

b) Vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung ist regelmäßig eine Abmahnung erforderlich. Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz hat durch § 314 Abs. 2 BGB für den Bereich der außerordentlichen Kündigung inzwischen auch eine gesetzliche Absicherung erhalten (siehe Ascheidt/Preis/Schmidt Kündigungsrecht 2. Auflage § 1 KSchG Rz. 344 a).

Dabei ist im Leistungsbereich stets eine Abmahnung erforderlich, im Vertrauensbereich jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten werde nicht zur Existenzgefährdung des Vertrages führen bzw. damit gerechnet werden kann, dass aufgrund noch nicht allzu starker Belastung des Vertragsverhältnisses eine Abmahnung zu einem vertragsgerechten Verhalten in der Zukunft führen werde (siehe BAG, Urteil vom 14.02.1996 - NZA 1996, S. 873; BAG, Urteil vom 26.08.1993, NZA 1994, S. 63; BAG, Urteil vom 07.10.1993 AP Nr. 114 zu § 626 BGB).

Dabei ist der Vertrauensbereich dann betroffen wenn die Loyalität und Redlichkeit des Arbeitnehmers in Frage steht, weil er den Arbeitgeber auf dessen Kosten und zu seinem Vorteil hintergeht und dadurch das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört, sodass eine negative Prognose gestellt werden muss (siehe Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrechts 2 Auflage § 1 KSchG Rz. 368 ff., 372).

Im vorliegenden Fall bewegen sich die dem Kläger vorgeworfenen Verstöße eindeutig im Leistungsbereich, sie sind nicht geeignet eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu begründen. Eine diesbezüglich erforderliche Negativprognose kann nicht gestellt werden.

c) Entscheidend ist dabei, dass die Beklagte dem Kläger in keinem einzigen Fall vorwerfen kann, sich selbst oder mit ihm befreundete Personen in strafrechtlich relevanter Weise begünstigt zu haben. Der Umfang der streitigen Zusagen betrug maximal jeweils einige 100,00 €.

Bezogen auf den Fahrzeugwert der verkauften Fahrzeuge, die nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung am 13.03.2006 zwischen 30.000,00 € und über 100.000,00 € liegen, handelt es sich um eine Rabattgewährung in der Größenordnung zwischen 1 und 3 %.

Damit handelt es sich um eine Größenordnung der Rabattgewährung, die im Kfz-Handel wie gerichtsbekannt ist - gängige Praxis ist.

Es ist dem Kläger zuzustimmen, wenn er beispielsweise bezüglich des Falls Cleaners vorträgt, es sei für die Beklagte günstiger gewesen, bei dem Verkauf des Mercedes Benz SLK 200, bei dem der Kunde mit einem nur 1%-igen Nachlass nicht einverstanden war, als Zusatzleistung eine kostenlose Erstinspektion zu einem Wert von rund 350,00 € zuzusagen, statt den Rabattrahmen bis zu 4 % auszuschöpfen, da jeder zusätzliche Rabattprozentpunkt allein rund 400,00 € Preisnachlass bedeutet hätte.

Dem entspricht es, dass die Beklagte für keinen der beanstandeten Fälle vorgetragen hat, dass der jeweilige Rabattrahmen durch die zugesagte Zusatzleistung überschritten gewesen wäre.

Entscheidend ist schließlich, dass die Beklagte für keinen Fall vorgetragen hat, dass die Kauf- oder Leasingverträge über die Fahrzeuge auch zustande gekommen wären, wenn die Zusatzleistungen nicht zugesagt worden wären. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass die Kunden die jeweiligen Zusatzleistungen, soweit sie zugesagt worden sind, als Teil einer Gesamteinigung betrachtet haben. Damit hat die Beklagte erheblichen wirtschaftlichen Vorteil aus den behaupteten Zusagen erhalten, denn auf diese Art und Weise ist es erst ermöglicht worden, dass eine Vielzahl von Fahrzeugen verkauft wurden. Eine Verletzung der Vermögensinteressen der Beklagten lässt sich anhand daher nicht begründen.

d) Damit bleibt allein der Vorwurf, dass der Kläger die behaupteten Zusagen nicht von seinem Vorgesetzten hat genehmigen lassen bzw. nicht für eine ausreichende vorherige Dokumentation dieser Zusagen gesorgt hat. Dies ist eine Pflichtwidrigkeit. Eine Abmahnung wäre aber nur entbehrlich, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass eine Abmahnung nicht zu einem vertragsgerechten Verhalten führen würde. Das wäre der Fall, wenn der Arbeitnehmer eindeutig nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten und sich hartnäckig und uneinsichtig zeigt (siehe BAG, Urteil vom 26.01.1995, AP Nr. 34 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).

Dafür gibt es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte, zumal die Parteien im Laufe des Jahres 2004 die administrativen Schwächen des Klägers besprochen und eine Verbesserung durch den Einsatz einer Assistenzkraft verabredet hatten.

e) Die Beklagte kann auch nichts aus dem Vorwurf herleiten, der Kläger habe speziell in den Fällen Zebratzki und Dr. W versucht, in manipulativer Absicht die Zusagen zu verheimlichen. Für eine Kündigung könnte dies nur Bedeutung haben, wenn die Zusagen selbst illegal gewesen wären. Dafür ist nichts vorgetragen. Dass der Kläger im Fall Zebratzki im nachhinein die Zusage in die Kalkulation aufnehmen lassen wollte, bedeutet nichts anderes, als die ordnungsgemäße Dokumentation der Zusage, die offenbar zunächst unterblieben war, nachzuholen. Dies kann nicht als unrechtmäßiges Verhalten qualifiziert werden. Im Fall der Kundin Dr. W hat der Kläger sogar die Forderung der Kundin aus seinen Mitteln beglichen und dies nicht etwa heimlich getan, sondern offen, zur Kenntnis der Beklagten und für die Buchhaltung der Beklagten in nachvollziehbarer Weise. Hieraus lässt sich kein Pflichtverstoß ableiten, selbst wenn der Kläger anschließend gebeten haben sollte, den Schriftverkehr mit der Kundin Dr. W zu vernichten.

3. Der Vortrag der Beklagten zu den Eroberungsprovisionen ergibt keinen Kündigungsgrund, denn aus dem Vortrag der Beklagten folgt in keinem der vorgetragenen Fälle, dass der Kläger eine solche Eroberungsprovision in betrügerischer Absicht geltend gemacht hätte. Die Eroberungsprovision wird nach den Provisionsbestimmungen gezahlt, wenn ein Fremdfabrikat durch ein Fabrikat der Beklagten ersetzt wird. Dazu muss das Fremdfabrikat im Kaufvertrag angegeben werden. Dabei ist der Verkäufer auf die Angaben des Kunden im Verkaufsgespräch angewiesen. Die Provisionsbestimmungen enthalten keinerlei Frist, innerhalb derer das Fremdfabrikat dann tatsächlich veräußert oder weitergegeben werden muss.

Die Provisionsbestimmungen enthalten ferner keinen Hinweis darauf, dass der Anspruch auf Eroberungsprovision wieder verfällt, wenn der Kunde es sich im Nachhinein anders überlegt und das Fremdfabrikat neben dem Fahrzeug der Beklagten weiter behalten will.

Angesichts dieser Ausgangssituation und angesichts der Befragung des Personalleiters der Beklagten Herrn R in der mündlichen Verhandlung am 13.03.2006, in der dieser keine weitergehenden Angaben dazu machen konnte, welche zusätzlichen Bedingungen für die Eroberungsprovision denn erfüllt sein müssten und worauf sich stichprobenmäßige Überprüfung durch die Beklagte zusätzlich noch beziehen könnten, könnte der Vorwurf des betrügerischen Erschleichens nur erhoben werden, wenn der Kläger gegebenenfalls in kollusivem Zusammenwirken mit dem Kunden - bei Vertragsabschluss bewusst falsche Angaben über ein zu ersetzendes Fremdfabrikat gemacht hätte - .

Dies kann hier in keinem Fall festgestellt werden. Für die Fahrzeuge der I GmbH liegt eine schriftliche Bestätigung des Geschäftsführers (Bl. 187 d. A.) vor, in der bestätigt wird, dass durch den Kauf zweier Fahrzeuge bei der Beklagten ein VW Golf und ein Opel Frontera ersetzt werden sollten. Der VW Golf sei später privat verkauft worden, der Opel Frontera sei zunächst in Zahlung gegeben worden. Hinsichtlich des Opel Frontera ist unstreitig, dass dieser nachdem der Verkauf bei der Beklagten einige Wochen nicht gelang, später vom Kunden zurückgenommen wurde, wobei streitig ist, ob er als dann an den Bruder eines Mitarbeiters der Firma I weiterveräußert wurde. Damit steht fest, dass jedenfalls bei Vertragsabschluss die Absicht bestand, die beiden Fremdfabrikate durch Fabrikate der Beklagten zu ersetzen. Da die Provisionregelung keine Fristenregelung enthält, weder für die Frist innerhalb derer ein Weiterverkauf realisiert sein müsste, noch eine Frist, in der die Rücknahme eines in Zahlung gegebenen Fremdfabrikates ausgeschlossen ist, steht fest, dass der Kläger die Eroberungsprovision verdient hat.

Dies gilt auch für den Kunden S , der schriftlich bestätigt hat (Bl. 117 d. A.), dass er bei der Beklagten ein Fahrzeug als Ersatz für einen Audi A 3, den er zwischenzeitlich privat verkauft habe, angeschafft habe.

Genauso verhält es sich mit dem Kunden H , in dessen Bescheinigung vom 08.11.2004 (Bl. 119 d. A.) ausgeführt wird, dass das bei der Beklagten bestellte Fahrzeug als Ersatz für seinen VW Golf gekauft worden sei. Ebenso verhält es sich im Fall des Kunden Z , der schriftlich bestätigt hat (Bl. 120 d. A.), dass der an ihn ausgelieferte Mercedes als Ersatz für seinen Mazdabus angeschafft worden sei, und der sich zugleich über die Art und Weise der Befragung durch Herrn S beschwert und ihm vorhält, die telefonisch gemachten Aussagen nicht ordnungsgemäß wiedergegeben zu haben.

Die Firma A bestätigt in ihrer Bescheinigung vom 08.11.2004 (Bl. 121 d. A.), dass ein BMW durch den bestellten Mercedes ersetzt worden sei und beschwert sich zugleich darüber, dass die Beklagte versucht habe, sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (allgemeine Kundenbefragung) zu befragen.

Soweit die Beklagte zu diesen Fällen und auch zu dem Fall der Firma M , bei der es um die Ersetzung eines VW Passat ging, vorträgt, die Kunden hätten nachträglich in Gesprächen mit Herrn S bzw. Herrn R jeweils gesagt, sie hätten nicht die Absicht der Fahrzeugersetzung gehabt, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Selbst wenn man dies als richtig unterstellt, woran aufgrund der aufgeführten Bescheinigungen der Kunden durchgreifende Zweifel angebracht sind, würde dies nicht zu einem relevanten Vorwurf gegen den Kläger führen.

Denn entscheidend ist nicht, welche Absicht die Kundin tatsächlich bei der Fahrzeugbestellung hatten, entscheidend ist wie sie sich bei der Fahrzeugbestellung geäußert und welche Angaben sie gemacht haben. Die Beklagte trägt für keinen Fall vor, dass die Kunden ihre angeblich wahren Absichten in den Verkaufsgesprächen mit dem Kläger jeweils offenbart hätten und der Kläger demzufolge unwahre Angaben gemacht haben und bewusst in die Verkaufsunterlagen aufgenommen hätte.

Nach allem sind die Vorwürfe der Beklagten ungeeignet, einen Kündigungsgrund zu liefern; es bleibt das Fazit, dass der Vorgesetzte des Klägers Herr S durch vielfältige Aktivitäten zwar versucht hat, Kündigungsgründe zu finden, dass ihm dies jedoch nicht ansatzweise gelungen ist.

II. Als Verdachtskündigung kann die ausgesprochene Kündigung ebenfalls keinen Bestand haben, schon deshalb nicht, weil aus den vorstehend beschriebenen Gründen eine ausreichende Pflichtverletzung, auf die sich ein Verdacht beziehen könnte, dem Vortrag der Beklagten nicht entnommen werden kann.

Aus diesen Gründen hatte die Berufung des Klägers Erfolg.

III. Da der Beklagtenvortrag bereits eine ordentliche Kündigung nicht begründen konnte, war hieraus erst Recht kein Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB abzuleiten.

Die Berufung der Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben.

Als vollständig unterlegene Partei hatte die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO zu tragen.

Eine Revisionszulassung kam nicht in Betracht, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, sondern auf der Anwendung der Grundsätze höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den vorliegenden Einzelfall beruht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.



Ende der Entscheidung

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